Risiko Hebräerbrief?

Warum sah sich Martin Luther gezwungen den Hebräerbrief  als apokryphen Text einzustufen, d.h. als eine mit Mängeln behaftete Predigt.  die nicht in den Kanon der inspirierten Schriften hineingehört? Ausgerechnet Martin Luther, der doch ansonsten Kritik an Gottes Wort nicht duldete. Der Satz „Das Wort sie sollen lassen stahn“ aus dem bekannten Reformationslied „Ein feste Burg ist unser Gott“ ist allgemein bekannt. Warum nun also die  kompromisslose Verwerfung und Ablehnung des Hebräerbriefes?  Er folgte mit dieser Einschätzung der frühen Kirche, die ebenfalls den Brief an die Hebräer nicht in den Kanon inspirierter Schriften aufgenommen hatte.

Bibeltreue Gläubige pflegen nun ihrerseits diese Einschätzung als belanglos einzuschätzen. Gibt es nicht bei jeder Schrift der Bibel irgendetwas, an dem man sich stoßen kann und das dann üblicherweise einfach nicht beachtet wird? Diesem bewährten Verfahren steht eine auffällige Besonderheit des Hebräerbriefes entgegen, von dem wir durch das älteste überlieferte Kanonzeugnis erfahren, das schätzungsweise 145 n.Chr. verfasst wurde. [1] Dieses enthält den Hebräerbrief nicht, stattdessen aber die angebliche „Offenbarung des Petrus„, eine sadistische Schilderung schrecklichster Höllenqualen. Gottlob wurde dieses unsägliche Machwerk später wieder aus dem Kanon entfernt. Doch dieser Blick in den Prozess der Kanonbildung lässt erkennen, dass a) zu dieser Zeit Fehlentscheidungen bei der Kanonbildung möglich waren, b) schon die frühe Kirche ein massives Interesse zeigte, Gläubige mit der Übertreibung des Höllenthemas zu erpressen. Wenn der Hebräerbrief nun in diesem Verzeichnis noch gar nicht enthalten war, also erst später als kanonisch anerkannt wurde, wie können wir daher sicher ausschließen, dass dieses morbide Interesse bei seiner Aufnahme keine Rolle spielte?

Erst im 3. Jahrhundert nach Chr. fiel die Entscheidung den Hebräerbrief in den Kanon aufzunehmen. Die Christen, die das entschieden, hatten keinen persönlichen Kontakt mehr mit den Aposteln, es waren Menschen „wie du und ich“. Wenn sie diesen Text geprüft haben, um ihre Entscheidung für oder gegen die Aufnahme zu treffen, warum dürfen wir es dann nicht, zumal die Verheißung auch noch heute gilt, dass uns das Verständnis dafür geschenkt werden kann (1Kor 2,10ff). Ja noch mehr, denn wir können auf 2000 Jahre Kirchengeschichte zurückblicken und wissen über die langfristigen Auswirkungen problematischer Bibeltexte viel besser Bescheid als diese Gläubigen damals. Doch die traditionelle buchstabengläubige Theologie misst dieser Verheißung kein Gewicht bei.  Theologen gar, die in erster Linie an ihrem Einfluss und am Verbleib ihrer Klientel in einem unmündigen Zustand interessiert sind, reservieren diese Verheißung nur für sich selbst. 

Martin Luther, der sich mit äußerstem Einsatz um Gehorsam bemühte, machte dieser Brief selbst nach der Entdeckung der Glaubensgerechtigkeit soviel Angst, dass er ihn schließlich nicht mehr als verbindlichen Teil der Bibel anerkennen konnte. Wegen dieser Wirkung kommen immer wieder Gläubige in die Seelsorge.

Bis heute wurde Martin Luthers Kritik am Hebräerbrief NIE WIDERLEGT.

Ist das nicht Anlass genug, den Hebräerbrief zu überprüfen?  Wie kann man Gläubige, die ihre Glaubensfreude durch ihn verloren haben,  überzeugen, dass ihre Ängste unbegründet sind?

Viele Gläubige entschärfen den Hebräerbrief für sich mit der Behauptung, dass er speziell „an die Hebräer“ gerichtet sei und deshalb sie als Heidenchristen von vornherein nicht betreffe. Diese Auffassung ist aber nach neueren Erkenntnissen nicht haltbar. Dass die zweifellos sehr alte Überschrift von Anfang an zum Hebräerbrief gehört habe, ist nicht bewiesen. (s. Wuppertaler Studienbibel 1983,19) Die Klärung der Frage, ob sie nun dazu gehört oder nicht, schließt zudem nicht zwingend aus, dass die bedrohlichen Inhalte nicht auch für Heidenchristen gelten könnten. So gebraucht Paulus auf die Bestrafung der Israeliten zu Zeit der Wüstenwanderung als warnendes Beispiel für ähnliches Fehlverhalten der Heidenchristen zu Korinth. Auch aus jüdischen Gesetzen wird eine Nutzanwendung für nicht-jüdische Christen gezogen. (1.Kor 9,9 / 1Tim 5,18)

Zwei Besorgnis erregende Beobachtungen: 1.  Warum werden in gewissen auf den „Buchstaben“ fixierten Gemeinden die schlimmen Erfahrungen des Reformators Luther mit dem Hebräerbrief und seine deutlichen Warnungen nicht bekanntgemacht und überprüft? 2. Warum wird immer wieder wahrheitswidrig gelehrt (John McArthur, Scofield, Roger Liebi u.a.) dass der Hebräerbrief seine schrecklichen Drohungen  nur an „unbekehrte Juden“ richtet, obwohl Hebr 10,34 eindeutig im Glauben bewährte Christen mit Heilsgewissheit charakterisiert? Haben Seelsorger ängstlichen Gläubigen wirklich nichts Besseres anzubieten als diese leicht zu durchschauende Lüge, um quälende Verdammungsängste einzudämmen? 

Beide Verhaltensweisen zeigen, dass wie ratlos und verunsichert gläubige Bibellehrer bei diesem Thema sind. Doch wie will der Seelsorger dann Betroffenen, die aus ihrer Angst nicht herausfinden, helfen? Kann man es verantworten, auf eine sorgfältige Untersuchung zu verzichten?

Es wäre schon viel erreicht, wenn diese Information in der christlichen Glaubensgemeinschaft bekannt wäre und der Hebräerbrief wenigstens als umstrittener Text diskutiert werden könnte. Damit könnte schon sehr viel seelische Not gelindert oder gar vermieden werden, wobei es dem einzelnen Gläubigen weiter überlassen bleiben könnte, ob er nun nach Abwägung der Argumente den Hebräerbrief noch als hilfreiche Predigt oder eher als schädlich betrachtet. Eine dogmatische, allseits verbindliche Entscheidung will die folgende Ausarbeitung nicht erzwingen.

Bei Gläubigen, die ihre Befugnis zu prüfen an Theologen abgegeben haben, wird man sicher nicht den Mut zu Fragen finden, die sich verantwortlich denkende Seelsorger stellen müssen.

Leider ist die Angst vor ehrlichen Fragen weit verbreitet. Doch war nicht Jesus selbst bereit, sich von seinen Jüngern prüfen zu lassen? „Wer von euch kann mir eine Sünde nachweisen?“ (Joh 8,48) Wenn nun Jesus geprüft werden durfte, warum soll man dann den Hebräerbrief nicht prüfen dürfen?  Dürfen wir es wirklich nicht? Doch zugestanden: ehrliche Rechenschaft ist etwas Ungewohntes in einem ideologisch verformten Christentum.

Wir jedenfalls wollen uns hier die Mühe einer abschnittsweisen Untersuchung des Hebräerbriefes machen. Ist es tatsächlich so, dass der Hebräerbrief mit seinen exzessiven Drohungen im Widerspruch zur Botschaft der Paulusbriefe steht? Ist es tatsächlich so, dass dieser Brief das Geschenk der Erlösung aus Gnaden wieder von frommer Leistung abhängig macht? Besteht tatsächlich die Gefahr, dass dadurch bei sorgfältig denkenden Gläubigen Glaubensfreude und Heilsgewissheit erheblich beschädigt wird? Oder lässt sich die Warnung Luthers mit verbesserter Theologie zuverlässig entkräften? Welchen speziellen Auftrag hat der Hebräerbrief? Was ist sein spezieller Gewinn für den Gläubigen, den andere Texte der Bibel nicht erbringen können? Ist dieser Nutzen größer  als eventuelle Nebenwirkungen? Stimmt es, dass der Hebräerbrief gutwilligen Gläubigen sinnlos Angst macht, sie mit unlösbaren quälenden Fragen allein lässt und weit entfernt davon ist, irgendeine überzeugende Hilfe anzubieten? Stimmt es, dass der einzige „Ausweg“, den er anbietet, perfektionistische Selbstüberprüfung, religiöser Dauerstress und ängstliche Werkgerechtigkeit ist? Die folgende  Vers-für Vers-Übersicht versucht eine Antwort auf diese Frage zu finden. Als Hilfe zur Beurteilung dient uns wieder der Qualitätsmaßstab Jesu, die Gebote der „Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Verlässlichkeit“ (Mt 23,23), die glaubwürdige Liebe charakterisieren und für ihn die wichtigsten waren.

Was nun ist die spezielle Besonderheit des Hebräerbriefes?

Folgende These steht zur Diskussion und Überprüfung:

Der Hebräerbrief ist der einzige neutestamentliche Text, der gläubigen Christen (Hebr 10,34!) mit einem unumkehrbaren Verdammungsurteil noch zu Lebzeiten (!!!) droht, weil sie zu wenig geglaubt oder zu viel gesündigt haben. Ein Verdammungsurteil, das auch durch tiefste Reue nicht zu ändern ist. Er fordert die Gläubigen zu äußerster Hingabe auf, um diese Katastrophe nicht eintreten zu lassen.

Glaubensfreude, Dankbarkeit für die Erlösungstat Jesu und Einsicht in den Unwert des ichbezogenen Lebens sind im Hebräerbrief nicht das Motiv der Nachfolge. Die Betonung liegt auf der „Sünde„, die unter allen Umständen vermieden werden muss, um nicht bestraft zu werden. Immer wieder bezeugen gutwillige und opferbereite Gläubigen (nicht zuletzt Martin Luther), dass sich der Hebräerbrief trotz manchem Guten, das er enthält, äußerst störend auf Glaubenszuversicht und Freude ausgewirkt, ja manche sogar in ängstliche Werkgerechtigkeit getrieben hatte.

Werkgerechtigkeit? Wie sehr hat Paulus davor einst gewarnt, vor diesem schleichenden Gift, diesem Sauerteig (Gal 5,9), der unmerklich den Glauben durchdringen kann. „Aber nicht einmal wir selbst oder ein Engel aus dem Himmel darf euch irgendetwas als Evangelium verkündigen, das dem widerspricht, was wir euch gebracht haben. Wer das tut, der soll verflucht sein!“ (Gal 1,8-9) Paulus hielt es offenbar für möglich, dass sogar unter seinem Namen schädlichen Texte in Umlauf gebracht werden könnten. Und er forderte die Gläubige auf, fragwürdige Texte an den Kernaussagen des Evangeliums inhaltlich zu prüfen. Es geht also nicht um leichtfertiges Zweifeln, um anmaßende Intellektualität, die den Glauben der Gläubigen zu erschüttern sucht. Der Glaube ist ja bereits erschüttert, wenn gutwillige Gläubige bezeugen, dass Glaubensfreude und Glaubenszuversicht durch einen Text massiv beschädigt wird, ja zugrunde zu gehen droht.

Dass der Hebräerbrief auch viel Gutes und Wahres enthält, wird von Martin Luther bestätigt. Diese Tatsache macht aber eine Überprüfung an den Kernaussagen des Evangeliums nicht überflüssig. Denn die Predigt der  Werkgerechtigkeit ist nie nur negativ! Sie wird immer zugleich mit vielen Aussagen, die gut und wertvoll sind, zusammen angeboten. Das ist auch logisch: pure Werkgerechtigkeit würde sofort abstoßend wirken – wenn die Hörer das bitter schmeckende Gift schlucken sollen, dann muss es in Zuckerware eingepackt sein.  Nur so entsteht der Fehlschluss, dass das Bedenkliche im Text doch zum Guten dazu gehören und deswegen irgendwie notwendig und sinnvoll sein müsse.

Erstens: Die Attraktivität des Hebräerbriefes beruht vor allem auf einer detaillierten Zusammenschau von alttestamentlichem Priester- und Opferdienst und der Erlösungstat Jesu, die auch Luther lobte.   [1]. Eine Interpretation des alttestamentlichen Kultus als Hinweis auf neutestamentliche Heilstatsachen wird jedoch auch von Gläubigen heute geleistet (siehe zB  Beiträge von Zac Poonen, Roger Liebi, Georg Brinke zur Symbolik der Stiftshütte), die damit ja auch keine Legitimation erwerben, in den Kanon biblischer Schriften aufgenommen zu werden. 

Zweitens: Auffällig ist die herausragende Formulierungskunst des Verfassers, die an etlichen Stellen den Brief aufwertet. Doch es ist voreilig, ohne weitere Untersuchung aus der Formulierungskunst des Verfassers einen automatischen Schluss auf die Kanontauglichkeit zu ziehen. Auch die Texte anderer Autoren können wunderbar formulierte wahre Gedanken enthalten, ohne dass sie deshalb im Kanon Platz gefunden hätten (Denken wir nur an Lieder von Paul Gerhard, Martin Luther oder Christian F. Gellert aus unserem Kirchengesangbuch, sowie an die „Goldenen Worte“ zu den Themen Wahrheit, Liebe und Kirche, die gläubigen Menschen durch die Jahrhunderte der christlichen Geschichte geschenkt wurden.). Dass im Hebräerbrief  häufig auf andere Bibeltexte Bezug genommen wird bzw. diese weiter ausgeführt werden,  bedeutet – wie wir sehen werden – nicht automatisch, dass die Überzeugungskraft dieser Texte im Hebräerbrief die gleiche geblieben ist.

Besonders schädlich wirkt sich der Hebräerbrief auf Gläubige aus, die viele Schicksalsschläge hinnehmen müssen, unter schweren Krankheiten leiden und befürchten, dass sie ihre Gebete vielleicht deshalb nicht erhört werden, weil sie irgendwann ein Wort gegen den Heiligen Geist oder gegen vom Geist geleitete Gläubige gesagt haben. Manche können sich gar nicht an alle abfälligen Worte erinnern, die sie in ihrer nichtchristlichen Zeit gesagt haben, andere sind durch die Furcht vor dieser Sünde innerlich so blockiert, dass eine Stresssituation eben gerade diese Beschimpfung auslösen kann, die sie unter gar keine Umständen wollen.

Die übliche seelsorgerliche Hilfe in solchen Fällen ist der Hinweis, dass gerade die Reue ein sicheres Zeichen dafür ist, dass Gott im betreffenden Menschen noch am Wirken ist und ihn deshalb nicht aufgegeben hat. Gerade dieser Trost, der schon in grausamer Seelennot vielen geholfen hat, wird durch den Hebräerbrief zunichte gemacht, der mehrfach betont, dass Gott Menschen trotz ihrer Reue verdammt und zugrunde richtet, wenn sie in irgendeiner Weise zu schwer, zu häufig, oder „mutwillig gesündigt“ haben. 

Was bleibt dann als Hilfe übrig? Was kann der Seelsorger anderes sagen, als dass nach seiner Sicht der Betroffenen „wahrscheinlich nicht“ in die Hölle kommt. Dass das keine Hilfe ist, leuchtet unmittelbar ein. Was soll der Optimismus des Nichtbetroffenen nützen? Wer kann denn im Ernst Gott noch vertrauen, ihn gar lieben, wenn er mit 5% Wahrscheinlichkeit in der ewigen Folter der Hölle landet? Das ist doch schon das Todesurteil für die Seele und den persönlichen Glauben. Nichtsdestotrotz gibt es nicht wenige (geistig sehr sparsam ausgestattete) Seelsorger, die die Qualität solcher „Antworten“ als zufriedenstellend erachten.

Zugegeben: es sind nur wenige Gläubige, die von der Angst vor unvergebbarer Sünde gequält werden. Paulus sieht die Gemeinschaft der Gläubigen als „Leib Christi„, als ein Körper, in dem die Glieder einander brauchen und insbesondere die verletzbarsten Glieder besonders schützen. (1.Kor 12) „Wir aber, die wir stark sind, sollen die Schwächen derer tragen, die nicht stark sind, und nicht Gefallen an uns selber haben.“ (Röm 15,1) Deshalb muss es eine glaubwürdige Stellungnahme zum Hebräerbrief und eine verlässliche seelsorgerliche Antwort geben.

Der Trend in der Christenheit geht leider in die andere Richtung, was ja schon das älteste überlieferte Kanonzeugnis zeigt. Um den Zusammenhalt in einer Verfolgungszeit zu gewährleisten, scheint jedes Mittel recht, auch seelische Erpressung und Einschüchterung. Leider hat bis heute das Zeugnis der verletzbaren und sensiblen Gläubigen so wenig Gewicht, dass eine Überprüfung des Hebräerbriefes an Kernaussagen der frohen Botschaft tabu erscheint. Ist das nicht unglaubwürdig?

Offensichtlich sind bei der Mehrheit der Gläubigen die glaubensstärkenden Impulse aus der Verbindung mit Christus so schwach, dass ihr Glaube ohne eine dogmatische Denksperre kraftlos in sich zusammensinkt.

Es folgt die detaillierte Vers-für-Vers-Untersuchung. Kommentare zu bedenklich erscheinenden Aussagen sind mit roter Schrift in Fettdruck hervorgehoben.

1. Teil

 

Kap., Vers Inhalt Beurteilung, Einordnung
1-2 Messianischer Auftrag und Hoheit  Jesu Wiederholung bekannter Fakten: Christus als Schöpfer (Jo1,3 / 1Kor 8,6 / Eph 3,9 / Kol 1,16), Wahres Ebenbild Gottes (2Kor 4,4 / Phil 2,6 / Kol 1,15), reinigendes Sühneopfer (Mt 26,28 / Rö 5,9 / 1Kor 6,11 / 1Pe 1,19 / Offb 7,14), zur Herrschaft erhöht (Lk 22,69 / Phi 2,9 / Offb 5,12), über den Engeln und über Mose stehend (3,1-6)
2,2-3 Deshalb müssen wir im höchsten Maß auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben. Denn schon das Gesetz, das durch Engel verkündet wurde, war verbindlich, und wer es übertrat oder nicht darauf hören wollte, erhielt die verdiente Strafe. Wie sollen wir da der Strafe entgehen, wenn wir eine so großartige Rettungsbotschaft missachten? (NeÜ) Die Gerichtsworte, die die Engel an die Propheten weitergaben, trafen unfehlbar ein. Dasselbe gilt für die Höllenstrafe, die der Hebräerbrief mehrfach (3,10-11 / 10,26-27 / 12, ) allen Gläubigen androht. Die Grundaussage des Hebräerbriefes: das Heil des Gläubigen ist durch „Sünde“ verschiedenster Art ständig aufs Höchste gefährdet.   Die wiederholten Drohungen mit unwiderruflicher Verdammung schon zu Lebzeiten sind seine eindrücklichsten Aussagen. 
2,3b wenn WIR eine so großartige Rettungsbotschaft missachten? Wer WIR ist, verrät uns Hebr 10,34: Gläubige, die sich auf den Himmel freuen, und durch Verfolgung alles verloren haben. Kann man sich treuere Gläubige vorstellen? Worin soll denn nun die „Missachtung der Rettungsbotschaft“ bestehen durch Menschen, die auf Ausgleich ihrer Leiden und Belohnung im Jenseits hoffen? Was sollen sie nun „desto mehr“ leisten, damit sie nicht zusätzlich noch diese Hoffnung verlieren und die „verdiente Höllenstrafe“ erhalten? 
2,15 Er hat die erlöst, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Knechte sein mussten Sehr schöne  Formulierung einer Verheißung, die bereits in Luk 1,68-74 ähnlich formuliert würde: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –… dass wir, erlöst aus der Hand der Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang“ Eigentlich eine wertvolle Verheißung von hoher Priorität. Doch wie wird sich dieses Versprechen mit dem eigentlichen Anliegen des Hebräerbriefes, der Warnung Jesu vor der Hölle Nachdruck zu verleihen, vertragen?
2,17 Daher musste der Sohn in allem seinen Brüdern gleich werden, auf dass er barmherzig würde und ein treuer Hohepriester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes. Schöne Formulierung. ebenso wie 2,15 ein Versprechen, dass Jesus das Schuldproblem lösen wird. Doch wie wird sich dieses Versprechen mit dem eigentlichen Anliegen des Hebräerbriefes, der Warnung Jesu vor der Hölle Nachdruck zu verleihen, vertragen?
3,6 Gottes Haus sind wir, wenn wir die Zuversicht und das Rühmen der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten Hier scheint einfacher Optimismus und das Bezeugen der eigenen Errettung zu genügen, um sich des Heils gewiss fühlen zu können. So einfach ist es nun auch nicht! Jesus selbst warnte vor unangebrachtem Optimismus: „Nicht alle die Herr sagen werden, kommen ins Himmelreich.“ (Mt 7,21 ff ) Auch das Gleichnis von den 10 Jungfrauen warnt vor unberechtigtem Optimismus. (Mt 25,1) Der Glaube, der keine geistgewirkten Taten  Gottes aufzuweisen hat, ist tot und endet mit den Teufeln in der Hölle. (Jak. 2,26 )Taten zum Zweck der Heilssicherung sind von vornherein tot und genügen nicht. (Gal 3) Geistgewirkte Taten sind durch die Geistesfrüchte Liebe und Freude gekennzeichnet. Gläubige nun, die bereits unter der Angst leiden, den point of no return durch Mangel an Glauben (siehe folgende Erläuterung zu Hebr 3,7-17) oder durch „mutwillige Sünde“ überschritten zu haben, bringen überhaupt keine Taten mehr aus Liebe und Freude zustande. Auch ist keine Zuversicht mehr da, die festgehalten werden kann. Christen, die die Bibel wenig lesen und Problemstellen verdrängen können,  – und das ist die überwiegende Mehrzahl – werden sich durch diesen Vers in ihrem Heilsoptimismus bestätigt sehen. Sorgfältig lesende Gläubige indes erkennen, dass Optimismus nicht genügt und werden folglich ihre Angst nicht los.
3,7-17 Erinnerung an das Beispiel der Israeliten, denen kurz vor dem Ziel der Eintritt in das verheißene Land versagt wurde, „wegen ihres Unglaubens“. „… wo mich eure Väter versuchten und prüften und hatten doch meine Werke gesehen vierzig Jahre lang. Darum zürnte ich diesem Geschlecht und sprach: Immer irren sie im Herzen! Aber sie verstanden meine Wege nicht, sodass ich schwor in meinem Zorn: Sie sollen nicht eingehen in meine Ruhe.“ (VV. 9-10  Die Details werden in 4Mo 14,39ff berichtet. Das Volk weigerte sich, den Kampf mit den übermächtig erscheinenden Bewohnern zu beginnen. Daraufhin wird ihm der Kampf verboten und angekündigt, dass alle für den Rest ihres Lebens in der Wüste bleiben und dort sterben sollten. Nun bereuten die Israeliten ihren Kleinmut, und erklärten sich zum Kampf bereit. Mose wiederholte das Verbot und warnte, dass die Heilsverheißung durch wiederholte Sünde nunmehr zunichte geworden und der größte Einsatz aussichtslos sei. Die Israeliten begannen dennoch tollkühn den Krieg und wurden vernichtend geschlagen. Die Übriggebliebenen fristeten ein trostloses Leben in der Wüste.
3,10-11 So lasst uns nun bemüht sein, in diese Ruhe einzugehen, damit nicht jemand zu Fall komme wie in diesem Beispiel des Ungehorsams. Das Beispiel aus dem Mosebuch wird auf die in Hebr 10,34 beschriebenen vorbildlichen Gläubigen bezogen, die hoffen, am Ende ihres Lebens in die versprochene Heimat einziehen, wo sie Ruhe und Frieden finden. Wie soll man das Beispiel anwenden? Was sind die Gemeinsamkeiten zwischen damals und heute? Die Unterschiede sind doch sehr groß! Der Gläubige heute läuft nicht mehr hinter einer Feuersäule mehr, hindurch durch das geteilte rote Meer, nachdem all seine Feinde mit Plagen zugrunde gerichtet wurden. Er lebt „im Glauben und nicht im Schauen“ (2Kor 5,7). Ähnlichkeiten zwischen damals und heute bestehen nur darin, dass der Gläubige auch heute gegen Gebote verstoßen kann („Sünde„, „Ungehorsam„), die – wie die Bergpredigt zeigt –  ein Vielfaches schwerer und anspruchsvoller als die des alten Testamentes sind (Mt 5,48: „ihr sollt vollkommen sein!„), und zB auch Unterlassungen mit einbeziehen: „Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut’s nicht, dem ist’s Sünde.“ (Jak 4,17) 
3,11b wie in diesem Beispiel des Ungehorsams. Inwiefern kann denn das damalige Geschehen ein „Beispiel“ für heutiges Fehlverhalten sein?  Das erläuternde Beispiel aus dem Alten Testament bezieht sich eindeutig auf vorübergehendes (!) Misstrauen, denn die Israeliten, die als abschreckendes Beispiel dienen sollten, bereuten ja ihren Unglauben, ja waren sogar nachträglich bereit, ihr Leben in dem Kampf mit den kanaanitischen „Riesen“ zu riskieren (4Mo 14,39ff) Wie später am Beispiel Esaus ausgeführt wird (12,16-17). kann jedoch auch Reue nichts mehr am Verdammungsurteil derer ändern, die „zurückgewichen“ (10,39) sind. Sollen wir daraus lernen, dass ein kurzfristiger (!) aber wiederholter Verstoß gegen das Gewissen („Ungehorsam„) ein ähnliches Ergebnis haben kann, dass Gott die Geduld endgültig verliert, die Tür zum Heil unwiderruflich verschließt, sodass dem Gläubigen die ewige Folter in der Hölle sicher ist? Die Warnung in Röm 14,15 scheint diese Befürchtung zu bestätigen. Wie groß ist diese Gefahr? Steht der Gläubige ständig mit einem Bein in der Hölle, sodass man ihn jeden Tag ermahnen muss, um Himmels willen nicht zu „sündigen„?
3,12a Seht zu, Brüder und Schwestern, dass niemand unter euch ein böses, ungläubiges Herz habe und abfalle von dem lebendigen Gott Was beinhaltet das Verb „abfallen„? Schon die innere Distanzierung von einem Gott, dessen Forderungen unerfüllbar erscheinen? Der reiche Jüngling konnte nicht gerettet werden, weil er sich nicht dazu entschließen konnte, die Forderung Jesu, „all seine Habe den Armen zu geben„, zu erfüllen.  (Mt 19,21) Hier ist zweifellos Schwäche im Spiel und keine Bösartigkeit. Auch „Freundschaft mit der Welt“ bedeutet bereits „Feindschaft mit Gott“ (Jak 4,4), obwohl diese gar nicht angestrebt werden muss. Und ein „Feind Gottes“ kann unversehens über den point of no return hinausgelangen, wie zB Saul, dem Gott nicht mehr antwortete. (1Sam 28,16)  Was als „weltlich„, d.h. als „Feindschaft gegen Gott“ anzusehen ist, unterliegt der Deutungshoheit der Vorsteher und Bibellehrer, die nicht – wie bei Paulus (2Kor 4,2) – etwa den Gläubigen Rechenschaft für ihr Tun schuldig sind, sondern „allein Gott“, d.h. ihrer Vorstellung von Gott, die durchaus der eines grausamen und kleinlichen Diktators nahekommen kann. Auch solchen Bibellehrern hat  der Gläubige nach Hebr 13,17 ohne Widerstreben zu gehorchen, wenn er sich nicht die Strafe Gottes zuziehen will.  In buchstabenhörigen Gemeinschaften ist die Versuchung sehr groß, strenge Gebote weiter zu verschärfen. Das wird belohnt: der rigoristische Exzess erzeugt  ein Selbstbewusstsein als „Auserwählte“ gegenüber allen, die dieses Leistungsniveau nicht erreichen, und entsprechendes Sendungsbewusstsein als „Gottes Stellvertreter“. Auch dient eine Verschärfung der Profilierung der Glaubensgemeinschaft und bindet die Hörer intensiver an die Leiter und Prediger der Gemeinschaft. Darüber hinaus entsteht auch ein Gefühl größerer Nähe („Intimität“) zu Gott und die Überzeugung, hohe Erwartungen an Gott stellen und seinen Arm bewegen zu dürfen. Langfristig aber entsteht aber auch der deprimierende Eindruck einer hohen Empfindlichkeit bzw Reizbarkeit Gottes, der die Missachtung überzogener Normen als „Feindschaft“ gegen ihn bewertet und Glaubensfreude und Heilszuversicht nachträglich wieder auflöst. 
3,12b …. sondern ermahnt euch selbst jeden Tag, solange es »heute« heißt, dass nicht jemand unter euch verstockt werde durch den Betrug der Sünde. Was genau mit „Sünde“ gemeint ist, bleibt hier und auch im folgenden weitgehend unbestimmt.  Nach Hebr 13,17 ist bereits die Frustration der Bibellehrer durch Unfolgsamkeit strafbare „Sünde„. Wird hier nicht der Überlastung des Gewissens durch überstrenge, engherzige, das Gewissen über die Maßen belastende Auslegung größter Raum gegeben?   Zunächst richtet sich der Hebräerbrief gegen das einzelne „schwarzes Schaf“, das in der Duldung von „Sünde“ zu weit gegangen und „zurückgeblieben“ ist (Hebr 4,1). Doch in 5,11 wird aber wieder die ganze treue Gemeinschaft als „zurückgeblieben“ und „unreif“ gescholten und mit der Gefahr, verdammt zu werden, konfrontiert. Ähnlich auch in 12,15  und 12,25. Ohne dass überhaupt klar ist, welche „Sünde“ konkret begangen worden ist, wird die bewährte treue Gruppe mit Drohungen eingedeckt, als ob es sich um eine kurz vor dem Absterben befindliche Laodicäa-Gemeinde handeln würde. Dabei liegt gar kein konkretes Versagen vor. Dem Verfasser genügt für die schulmeisternde Behandlung dieser Christen bereits die Tatsache, dass sie die geforderte Hundertprozentigkeit im Widerstand gegen „die Sünde“ noch nicht erreicht haben (Hebr 12,4)  Bei einem derart harten Urteil über bewährte Christen sollte man es für angemessen halten, wenn der Briefverfasser nicht anonym bleibt, sondern sich mit Namen und Auftrag legitimiert, so wie Paulus es in allen seinen Briefen getan hat. Doch die Leser erfahren nichts darüber. Aus der Anonymität heraus müssen sie sich mit den härtesten Drohungen eindecken lassen. Ziehen wir doch einmal den Vergleich zum das Urteil des Paulus über einen konkreten Fall, über jemanden, der eine skandalöse Ehe geschlossen hatte und uneinsichtig war (1.Kor 5) Hier kann man sehr wohl vom hartnäckigen, verstockten Festhalten an der Sünde reden, von einer fatalen Lebensentscheidung, und doch findet der Apostel  auch für diesen Menschen noch freundliche Worte und einen Weg zur Rettung. Im ganzen Brief spürt der Leser die herzliche Verbindung des Apostels zur seiner Gemeinde. In der erbarmungslosen Kälte des Hebräerbriefes,  dessen Verfassers sich nicht zu erkennen gibt, haben Gefühle der Zuneigung keinen Platz.
3,14 Wir haben Anteil an Christus bekommen, wenn wir die anfängliche Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten. (Siehe Erläuterung zu Hebr 3,6)
4,3 Ich schwor in meinem Zorn: Sie sollen nicht in meine Ruhe eingehen Wenn Gott „schwört“ (!), dass alle, die „heute“ in irgendeinem Punkt ungehorsam sind oder zweifeln, mit Sicherheit in der Hölle landen, welchen „Trost“ soll dann sein ganz anders lautender „Eid“ bieten, der dem Heil noch eine Chance gibt (6,10-13)?
4,7 Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht Wenn jemand gestern, vorgestern oder noch früher den Ruf zum Gehorsam gehört und ignoriert hat, welcher „Eid Gottes“ gilt dann? Was sollen, dürfen, können wir glauben, wenn das „Heute“ bereits gestern war? Dem „Eid“ in Hebr 4,3, der allen, die den Ruf ignoriert haben und weiter „mutwillig gesündigt“ haben, die ewige Verdammnis zusichert , oder dem „Eid“ in Hebr 6,10.12, der noch eine Chance gibt? 
4,12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam. Es ist schärfer als das schärfste zweischneidige Schwert, das die Gelenke durchtrennt und das Knochenmark freilegt. Es dringt bis in unser Innerstes ein und trennt das Seelische vom Geistlichen. Es richtet und beurteilt die geheimen Wünsche und Gedanken unseres Herzens. (NeÜ) Formulierung in Analogie zu Jer 23,20: Ist mein Wort nicht wie ein Feuer“, spricht der Herr, „und wie ein Hammer, der Felsen zerschlägt? bzw. Jes 49, 1-2:“Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war. 2 Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht.“
4,14-16 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. Wiederholung bekannter Fakten: Sündlosigkeit trotz Versuchung:  Mt 4,4 / Joh 8,46 / priesterliche Verantwortung: Lk 22,32 / Jo 6,32 ff / Jo 17 (vgl Rö 15,16). Wiederum ein Versprechen in schöner Formulierung, doch im Hebräerbrief ohne konkreten Inhalt. Der Begriff „Mitgefühl Christi“ scheint anzudeuten, dass ein gewisses Maß von „Zurückbleiben“ hinter den hohen Forderungen toleriert wird, doch wie groß ist diese Toleranz? Niemand weiß es.  Jesus jammerte das Volk (Mt 9,36), doch die beängstigende Perspektive, dass von den vielen Menschen nur wenige den Weg an der ewigen Höllenfolter vorbei ins Reich Gottes finden werden (Mt 7,14), steht dazu offenbar nicht in Widerspruch. Entsprechend darf der Gläubige, der Angst hat, in die Hölle zu kommen,  des „Mitgefühls Christi“ sicher sein, ohne dass dieses Mitgefühl etwas an seinem schrecklichen Schicksal ändern kann.  
4,16 Darum lasst uns freimütig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit. Wie soll diese „Zusage“ trösten können, wenn der Christ auf größeres Versagen zurückblickt und die „rechte Zeit“ vermutlich vorgestern oder gestern war (siehe Anmerkung zu 4,7) Vergleichen wir damit einmal andere Bibelstellen. Wieviel glaubwürdigere und wirksamere Worte des Trostes finden wir im Alten Testament! Ps 30,6: „Denn sein Zorn währet einen Augenblick und lebenslang seine Gnade. Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens ist Freude“ oder auch Ps 103,11: „Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.“ 

2. Teil

Kap., Vers Inhalt Beurteilung, Einordnung
5,1-10 Jesus der mitfühlende Hohenpriester, Vollbringer der Versöhnung für die Gehorsamen. Wiederholung der Gedanken in Hebr 2,17 / 4,14-16 /  Mi 7,18 / Mt 9,36.
5,11-14 Tadel wegen fehlendem Fortschritt im Glauben: „Und IHR, die ihr längst Lehrer sein solltet, habt es wieder nötig, dass man euch die Anfangsgründe der göttlichen Worte lehre und dass man euch Milch gebe und nicht feste Speise„. Besser formulierte Ermahnungen findet man in Kor 3,1-2 / Gal 4,1 ff / Eph 4,14, denn das Lehramt anzustreben ist für viele Gläubige wegen der strengeren Beurteilung nicht zu empfehlen (Jak 3). Die Schelte des anonymen Verfassers ist nicht nachvollziehbar. Die Empfänger des Briefes sind „Elitechristen“, die sich bestens bewährt, die in der Verfolgung „den Raub ihrer Güter mit Freuden (!) erduldet haben“ (Hebr 10,34) Welch eine Glaubensstärke, welche gründliches Erkennen der unsichtbaren Realität ist dazu nötig!  Hier aber werden sie von dem anonymen Verfasser wie Schulkinder gemaßregelt, die zu faul sind, das kleine Einmaleins zu lernen. Dass man so mit Gläubigen umgeht,  die bereits hohen Glaubensmut bewiesen und alles für den Glauben geopfert haben (Hebr 10,34), versteht doch kein Mensch. 
6,1 Darum wollen wir jetzt lassen, was am Anfang über Christus zu lehren ist, und uns zum Vollkommenen wenden. Ja, was ist denn das „Vollkommene„? Es folgt ein großer Sermon über die Verdammnis aller, die den Glauben zeitweilig verloren haben.
6,1b Wir wollen nicht abermals den Grund legen mit der Umkehr von den toten Werken und dem Glauben an Gott Die jüdischen Gläubige hofften sich vergeblich mit penibler Erfüllung des Gesetzes („toten Werke„) unter den Segen Gottes bringen, obwohl sie zugleich Jesus, den von ihm gesandten Messias ablehnten. Diese Gefahr besteht bei den Empfängern des Hebräerbriefes, die ja bewährte Christen waren (Hebr 10,34) aber gar nicht. Indem der Hebräerbrief ständig die Gefahr beschwört, durch „Sünde“ wieder verlorenzugehen und dann auch noch das Ansammeln von „Werken“ empfiehlt, um diese Bedrohung zu kompensieren (Hebr 6,10), macht er Angst zum alles überragenden Motiv. Wie verträgt sich Angst mit Liebe? Sie fördert immer die Egozentrik. Und erzeugen Werke aus Angst, um sich sich selbst zu sichern, zu retten, etwa Glaubensfreude und Vertrauen? Sicherlich nicht. Sie sind schädlich für den Glauben. Sie sind ebenfalls „tote Werke“.
6,1-12 Unwiderrufliche Verdammung aller, die den Glauben zeitweilig verloren oder verlassen haben (der „Abgefallenen“): „Für alle, die Gott schon mit seinem hellen Licht erleuchtet hat, die an sich selbst erfahren haben, wie herrlich Gottes himmlische Gaben sind, und denen der Heilige Geist geschenkt wurde, die Gottes gute Botschaft aufnahmen und etwas von der Kraft der ewigen Welt kennen gelernt haben – für all diese Menschen ist es unmöglich, wieder zu Gott zurückzukehren, wenn sie sich bewusst von ihm abgewendet haben und ihm untreu geworden sind.“  Auch an einer alles entscheidenden Stelle wieder verstörende Unklarheit! Was bedeutet denn „abfallen“ ? Ist ein Christ, der wiederholt weltlich gelebt hat, dadurch auch schon zum „Feind Gottes“ geworden, der auf die Seite des „Widersachers“ gehört?  (Jak 4,4) Oder genügt auch schon das längere Verharren in Unversöhnlichkeit, um als „Schalksknecht“ das Heil zu verlieren? (Mt 18, 34-35) Doch nehmen wir an – was unbeweisbar ist – mit dem Wort „abfallen“ sei nur die endgültige Distanzierung vom Glauben gemeint. An den Gründen dafür hat der Schreiber des  Hebräerbriefes kein Interesse. Ihm kommen nicht einmal die einfachsten Fragen in den Sinn. Können nicht schreckliche Lebenskatastrophen an der Liebe Gottes und dem Sinn des Glaubens zweifeln lassen? Kommt es nicht immer wieder vor, dass notorische Unehrlichkeit und religiöse Erpressung in der Bibellehre ein abstoßendes Gottesbild entstehen lassen und die Anziehungskraft des Glaubens zerstören? Ist der Gedanke so abwegig, dass Prediger und andere Vertrauenspersonen ein Verbrechen an einem Gläubigen begehen können? Wenn sich dann noch die Gemeinde auf die Seite des Täters stellt, wieviel Vertrauen in Gott bleibt dann wohl übrig?  Was geschieht mit Gläubigen, die durch Androhung von Folter und Hinrichtung erpresst wurden, sich von ihrem Glauben zu distanzieren? Werden sie für ihr Versagen mit ewiger Höllenfolter bestraft?  Auch wenn der Verfasser gelegentlich die Worte Mitgefühl und Trost benutzt… wo ist hier bei ihm auch nur das geringste Verständnis für solche Zwangslagen zu sehen ?  Für ihn gibt es nur Anpassung oder Vernichtung! Wer das „Parteibuch“ zurückgibt, ist erledigt für alle Ewigkeit. Selber schuld! 
6,10 Was aber euch angeht, ihr Lieben, sind wir vom Besseren überzeugt und von dem, was Rettung bringt, auch wenn wir so reden. Die Empfänger der Hebräerbriefes hatten bereits „all ihre Habe für den Glauben geopfert“ und sich in der Verfolgung bewährt (Hebr 10,34). Nur die Bewährung im Märtyrertod fehlt noch. (Hebr 12,4) Dürfen nur Gläubige mit dieser Opferbereitschaft auf „Besseres“ als die Hölle hoffen? Hoffnung gibt es offenbar nur, wenn dieser hohe Standard gehalten wird. Wehe allen, die dahinter „zurückbleiben“ (Hebr 4,1 / 10,39)! Die Auswirkung des Hebräerbriefes in der Geschichte: immer wieder hat er gutwillige und überforderte Gläubige, selbst den an völlige Hingabe gewöhnten Luther, in völlig überflüssige Seelenqual gestürzt. Was bleibt da von der Zusicherung eines von Angst befreiten Lebens (Hebr 2,15) übrig?
6,10  Denn Gott ist nicht ungerecht, dass er vergäße euer Werk und die Liebe, die ihr seinem Namen erwiesen habt, indem ihr den Heiligen dientet und noch dient. Verdienste, fromme Werke als Gegengewicht  zum allgegenwärtigen Risiko der Verdammung zu Lebzeiten ? Wieviel Werke genügen innerhalb welchen Zeitraums, damit sich der Gläubige sicher fühlen darf? Wieviel Werke genügen, um wiederholte Unterlassungssünden auszugleichen, die genauso wie Tatsünden den Zorn Gottes heraufbeschwören können? „Wer etwas Gutes zu tun weiß und tut es nicht, macht sich eines Vergehens gegen Gott schuldig.“ (Jak 4,17) Müssen sensible, ängstliche und sorgfältige Gläubige mehr leisten als optimistisch und oberflächlich denkende Gläubige, um keine Angst vor der Hölle zu haben (Sorgfaltsparadox)? Wo ist die notwendige Abgrenzung von der Werkgerechtigkeit, die ja den Glauben ebenfalls völlig zerstört (Gal 5,1), zu finden? Wo doch Paulus eindringlich warnt, dass auch das kleinste bisschen Werkgerechtigkeit wie Sauerteig das ganze Leben verunreinigt! (Gal 5,9) Wenn das Motiv der guten Tat die Sorge um das eigene Heil wird, welchen Rang kann da das Motiv der Freude, Mitgefühl, Wertschätzung und Dankbarkeit noch haben? 
6,13-10 Schwur Gottes als Sicherheit des Heils abenteuerliche Konstruktion, die zudem durch den Verdammungseid in Hebr 4,3 sowie auch durch das verunsichernde Sondergut der viermaligen Bekräftigung irreparabler Verdammnis bei mutwilliger Sündedeutlich in Frage gestellt wird. Abraham wurde mit einem Eid die Entschlossenheit Gottes deutlich gemacht, seinen Herzenswunsch nicht zu vergessen. Diese Verheißung war vom Tun Abrahams unabhängig – worauf Paulus nachdrücklich hinweist (Rö 4, 13). Bei der Verheißung des Heils macht hingegen solch ein „Eid“ überhaupt keinen Sinn, wenn das Heil derartig von eigenem Wohlverhalten – von der Vermeidung des zeitweiligen Unglaubens undmutwilliger Sünde“   und von äußerster Hingabe (12,4: „bis aufs Blut„) – abhängig ist, wie der Hebräerbrief behauptet. Wem fällt dazu nicht das Wort Jesu ein? „Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, … Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Es ist nicht gut, darüber hinauszugehen.“ (Mt 5,34 + 37)
7,1-28 Jesus als messianischer Priesterkönig entsprechend dem Vorbild Melchisedeks. Erläuterung des Messiaspsalmes 110,4. Originelle Beweisführung: Levi in den Lenden Abrahams sitzend, musste dessen Unterwerfungsgeste, die Abgabe des Zehnten, gegenüber dem Priesterkönig Melchisedek, notgedrungen mitmachen, sodass folglich levitisch-mosaische Gesetze den Gesetzen des Messias unterworfen sind. Eine etwas spitzfindige Argumentation mit dem mageren Ergebnis, dass der Messias das Recht hat, Mose zu korrigieren. Was aber auch kein gläubiger Christ bezweifelt, zumal der Prophet Maleachi bereits Mose korrigiert und zeigt, dass er in der Frage der Ehescheidung größere Autorität hat (Mal 2,13ff). Viel gewichtiger und hilfreicher für die Praxis ist hingegen die Argumentation des Paulus, der auf die kontraproduktive Wirkung des Gesetzes hinweist, das fruchtlose Selbsterlösungsbemühungen provoziert, ohne vom Egoismus befreien zu können. (Römer- und Galaterbrief). Wie sollte auch  der Hebräerbrief die Gefahr der ichbezogenen Werkgerechtigkeit im Blick haben, deren glaubenszerstörende Wirkung  Paulus erkannt hatte? Gerade der Hebräerbrief verleitet zu den Gläubigen, sich mit äußerster Hingabe (12,4: „bis aufs Blut„) durch Ansammeln frommer Werke (6,10) vor dem Fall in den bodenlosen Abgrund zu schützen. Aber so kann man eben NICHT frei und fröhlich leben, wie es der Hebräerbrief anfangs zusichert (2,15). 
8 Jesus, neuer Priester eines neuen Bundes Die Kapitel 8 und 9 sind die wertvollsten Abschnitte des Briefes.
9 Die reinigende Kraft des blutigen Sühneopfers Jesu Die Kapitel 8 und 9 sind die wertvollsten Abschnitte des Briefes. 
9,22 Ohne Blutvergießen keine Vergebung prägnante Formulierung
9.10 Dem Menschen ist bestimmt einmal zu sterben, dann kommt das Gericht prägnante Formulierung, aber nicht verallgemeinerbar nach 1Pet 3,19

 

3.Teil

Kap., Vers Inhalt Beurteilung, Einordnung
10,01-18 Der alte Opferdienst, der nur an Sünde erinnern konnte. als schattenhafte Ankündigung Das mosaische Gesetz als schattenhaftes Abbild der zukünftigen Heilsereignisse wird bereits in Kol 1,28 erwähnt.
10,3-6 Vielmehr geschieht durch die Opfer alle Jahre nur eine Erinnerung an die Sünden. Denn es ist unmöglich, durch das Blut von Stieren und Böcken Sünden wegzunehmen. 5 Darum spricht er, wenn er in die Welt kommt (Psalm 40,7-9): »Opfer und Gaben hast du nicht gewollt; einen Leib aber hast du mir bereitet. 6 Brandopfer und Sündopfer gefallen dir nicht. Hinweis auf die Vorläufigkeit des Opferdienstes, die durch allein wirksames Jesu Opfer abgelöst wurde. Diese Tatsache ist in fast jeder Schrift des NT bezeugt.
10, 14-17 Denn mit einem einzigen Opfer hat er für immer die vollendet, die geheiligt werden. 15 Das bezeugt uns aber auch der Heilige Geist. Denn nachdem er gesagt hat: 16 »Das ist der Bund, den ich mit ihnen schließen will nach diesen Tagen«, spricht der Herr: »Ich will meine Gesetze in ihr Herz geben, und in ihren Sinn will ich sie schreiben, 17 und ihrer Sünden und ihrer Missetaten will ich nicht mehr gedenken Welche Sicherheit kann der Gläubige V.17 entnehmen, wenn weiter die Möglichkeit besteht, dass er eine nicht näher definierte „mutwillige Sünde (Hebr 10,16) begeht, die nicht mehr vergeben wird und die folglich ewig im Gedächtnis Gottes bleibt? Die mutwillige Sünde ist vergebbar bis zu dem Zeitpunkt, an dem „die Erkenntnis der Wahrheit empfangen“ wurde. Nach Kol 1,6 / 2Jo 1,1 lässt sich dieser Ausdruck am ehesten auf den Zeitpunkt der Bekehrung beziehen, durch den der Gläubige „geheiligt“ und mit einem „neuen Sinn“, dem „Sinn Christi“ (1Kor 2,16) ausgestattet wird. So erstaunt es wenig, dass schon in der frühen Christenheit die Lehre aufkam. dass nach Bekehrung und Taufe gröbere und wiederholte Verstöße gegen das Gewissen als „Todsünde“ unvergebbar sein könnten. (s. 1Joh 5,16-17) Mit dem Hebräerbrief, der Gläubige ab dem Zeitpunkt der Bekehrung als „vollendet“ (Hebr 11,40), quasi als nahezu „vollkommen“ (vgl. Mt 5,48) beschrieb, ließ sich diese Sicht unterstützen. 
„10,19-25 Aufruf an gutem Gewissen und Bekenntnis festzuhalten Inhaltlich bereits vorhanden 1Tim 1,5 / 1Pet 3,16
10,26 Denn wenn WIR mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, bleibt hinfort kein Opfer mehr für die Sünden, 27 sondern ein schreckliches Warten auf das Gericht und ein wütendes Feuer, das die Widersacher verzehren wird.... Mit dem tödlichen WIR bezieht sich der Verfasser des Hebräerbriefes selbst in die Risikogruppe der von ewiger Verdammnis Gefährdeten mit ein. Dieses WIR wird noch einmal bekräftigt in Hebr 12,25. Damit ist  die weit verbreitete und  verharmlosende These widerlegt, es seien nur nicht-bekehrte Menschen, keinesfalls aber Gläubige so schrecklich bedroht
10,26-29 Unausweichliche Verdammung für alle, die mutwillig“ sündigen. Die griechische Form des Verbs bezeichnet keine einmalige, sondern eine wiederholt praktizierte „Sünde„. Doch unklar bleibt, an welche Art Sünde der Verfasser hier denkt.  Fällt  auch fortgesetzte Unterlassung des eigentlich Richtigen darunter, wie es Jak 4,17 sagt? Die fortgesetzte Verweigerung der völligen Selbstaufopferung („Kreuzesnachfolge“), wie es Mt 16,23 oder gar Mt 19,16ff fordert? Die Verweigerung der Forderung, alles Hab und Gut bis auf das Lebensnotwendigste (1Tim 6,8) zur Linderung der Not der Ärmsten hinzugeben?  Das Zurückstellen spiritueller Prioritäten zugunsten materieller Genüsse (Hebr 12,16)?  Die Verweigerung der Forderung zu missionieren – auch unter Lebensgefahr (1Kor 9,16 / Hes 33,8-9) ? Obwohl die Strafe grenzenlos grausam ist, weiß niemand genau, wo denn nun die rote Linie verläuft. Ist eine Regung des Gewissens als „Stimme Gottes“ zu verstehen? Ist das fortgesetzte Handeln gegen eine Forderung des Gewissens  als  irreparable „Verstockung“ (Hebr 3,7) zu betrachten, die mit dem Verlust des ewigen Lebens zu bestrafen ist (vgl. Röm 14,15 + 20 + 23)?  Wann darf sich der Gläubige sicher fühlen? Soll er sich auf das Urteil des Seelsorgers verlassen, der vielleicht die Gefahr herunterspielt, um sich selbst unerlaubte Erleichterung zu gönnen? Wo soll das objektive Urteil herkommen? Bezieht der Hebräerbrief nun die Drohung mit der Hölle sogar auf die eifrigsten Gläubigen, sollten sie in ihrem Kampf gegen „die Sünde“ nachlässig werden, so darf sich erst recht jeder angesprochen und bedroht sehen, der von diesem hohen Niveau noch weit entfernt ist. Wird erwartet, dass man aus Angst vor der Hölle so lebt, dass man sich über lange Phasen keiner Sünde mehr bewusst ist und eigentlich nur noch unabsichtlich, versehentlich sündigt ? Wie sollen unter dem Gefühl ständiger Bedrohung Gefühle der Dankbarkeit, Wertschätzung oder gar Liebe zu Gott entstehen? Ist es nicht reichlich naiv, von seelischer Erpressung einen Fortschritt in der Charakterbildung zu erwarten, wo doch die freiwillige Entscheidung für das Gute für den guten  Charakter typisch ist? Irgendetwas davon ahnt der Verfasser des Hebräerbriefes, er spricht es sogar aus, dass „das Herz nur durch Gnade fest werden“ kann (Hebr 13,9), doch letztlich ist ihm diese wichtige Erkenntnis doch nicht klar, sodass er immer wieder den Gläubigen mit der Androhung ewiger Vernichtung „motivieren“ muss, womit er übrigens auch seiner eigenen Zusicherung eines von Angst befreiten Lebens (Hebr 2,15) widerspricht. Vollends taktlos und widersinnig ist es, die Warnung vor unumkehrbarer Verdammung noch zu Lebzeiten Gläubigen einzuschärfen,  die bereits alles für den Glauben geopfert haben (Hebr 10,34). Was sollen denn die armen Gläubigen noch alles tun? Alles geopfert und noch immer wird wie besessen Druck gemacht! 
10,26-27 Denn wenn wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, bleibt hinfort kein Opfer mehr für die Sünden, sondern ein schreckliches Warten auf das Gericht und ein wütendes Feuer, das die Widersacher verzehren wird Mit seinem rigorosen Exzess erzeugt der Hebräerbrief eine Bedrohung, eine Unsicherheit und seelische Bedrängnis, die durch nichts mehr gesteigert werden kann. Welche grausamen Seelenqualen der Hebräerbrief bei sensiblen Mitchristen anrichten kann, lässt sich auch an dem Leidensbericht des Franz Spiera ersehen, der binnen eines halben Jahres an seiner Angst elend zugrunde ging.
 10,29 Eine wie viel härtere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der … den Geist der Gnade schmäht? Je länger die Erpressung mit maßlosen Forderungen und Strafen das Gewissen belastet und verwundet, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich der Gläubige irgendwann zu negativen Bemerkungen hinreißen lässt. Ein dummes unüberlegtes Wort ist schnell gesagt, was auch der Jakobusbrief  feststellt (Jak 3). Der von vielen geschätzte Bibellehrer Adolf Schlatter vertrat die Auffassung, dass auch ein abfälliges Wort über Brüder, über einen Bibeltext, in dem sich der Geist Gottes äußert, ein unvergebbarer Fehltritt sein könnte. Durch die Verkettung von absichtlicher Sünde und verbaler Entgleisung wird die Unsicherheit des Gläubigen, seine Fixierung auf sich selbst und seine fragwürdige Motivation, sich mit frommen Werken möglichst weit von dieser Gefahrenzone entfernt zu platzieren, noch einmal verstärkt. 
10,26 der … den Geist der Gnade schmäht? Muss dazu der Heilige Geist explizit genannt werden, wie es in Mt 12,22ff geschieht? Die Geschichte von Ananias und Saphira zeigt, dass sich der Heilige Geist schon durch eine simple Lüge persönlich beleidigt sieht und mit sofortiger Vernichtung antwortet (Apg 5,2). Auch wenn die übliche Auslegung beteuert, dass das Ehepaar nicht in die Hölle gekommen ist, so bleibt doch der Eindruck der äußersten Reizbarkeit Gottes zurück, dem vielleicht „irgendein Wort“ (Luk 12,10) gegen irgendetwas, was mit dem Heiligen Geist in Verbindung steht, genügt.
10,30-39 Der Glaubensmut der Hebräergemeinde ist nur ein guter Anfang und keine Garantie für das Heil. auch die Ermahnung zum Durchhalten findet sich andernorts: Gal 6,9 / 1Pet 1,13 / Offb 3,11.
10,34 Denn ihr habt mit den Gefangenen gelitten und DEN RAUB EURER GÜTER MIT FREUDEN ERDULDET, WEIL IHR WISST, dass ihr eine bessere und bleibende Habe besitzt.“ Es gibt einen Trend in der bibeltreuen Theologie, der die Erbarmungslosigkeit des Hebräerbriefes durch die Behauptung mildern will, bei den Empfängern des Hebräerbriefes handele es sich nicht um bekehrte Gläubige, sondern um Juden, die zwar die frohe Botschaft gehört hatten, aber mit dem Gedanken liebäugelten, wieder zum Tempeldienst zurückzukehren.  Weshalb die frohe Botschaft durch exzessive Drohungen noch froher und attraktiver werden soll, ist nicht nachzuvollziehen. Wer diesen Unsinn glaubt oder gar noch meint verbreiten zu müssen, sollte Hebr 10,34 noch einmal genau lesen. Wer waren diese Leute? Im Gefängnis gelitten! Bettelarm geworden! Und dann noch mit Freuden! Weil sie an die unsichtbare Habe im Himmel glaubten, als hätten sie sie bereits. Und diese Leute, die mit Freuden ihre ganze Existenz geopfert haben (sehr wahrscheinlich in der Auseinandersetzung mit fanatischen Vertretern des alten Tempeldienstes!), sollen nun keine Gotteskinder sein? Wie können sie dann aber „wissen“, dass im Himmel ein Erbe auf sie wartet? Gerade diese Hoffnung hat sie ja zu dem großen Opfer motiviert. Der Satz: „Sind wir Kinder, sind wir auch Erben“ (Rö 8,17) gilt auch umgekehrt: Sind wir Erben, dann sicher auch Gotteskinder. Auch wenn die faule (und charakterlose!) Strategie sehr verbreitet ist, beeindruckend treue Gläubige als „unbekehrte“  Juden zu diffamieren, die sich nicht zu einer „echten Bekehrung“ entschließen wollen   (Roger Liebi, Scofield Bibel), was ist damit gewonnen? Kann man im Ernst erwarten, dass solche leicht widerlegbaren Argumente überzeugen? Zumindest können sie die Illusion erzeugen, dass Theologen das Thema nicht totschweigen wollen. McArthur versucht in seinem Bibelkommentar die Empfänger in „Nicht-Bekehrte“ und „Bekehrte“ aufzuspalten, für die die schweren Drohungen keinesfalls gelten sollen.  Ein unglaubwürdiger Ansatz, der die Tatsache missachtet, dass der Verfasser zweimal mit dem Wort „Wir“ (Hebr 10,26 / 12,25) die Drohungen mit der Hölle ausdrücklich auch auf sich selbst bezieht. Dass der Verfasser selbst ein „bekehrter“ Gläubiger ist, wird ja wohl niemand bezweifeln.  Dennoch hält man hartnäckig und verbissen weiter an dieser Falschbehauptung fest. Unfreiwillig liefern sie damit den Beweis, dass der Hebräerbrief, würde er sich an Gläubige richten, ihre  Heilsgewissheit und Glaubensfreude in Frage stellt. Also kann nicht sein, was nicht sein darf.  
10,35 Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. schöne Formulierung
11 Die Vorbilder im Glauben erleben Wunder und Niederlagen Jephta stört in der Liste der Glaubensvorbilder. Er lässt seine Tochter für ein bodenlos dummes Gelübde büßen, obwohl das Gesetz die Möglichkeit der Auslösung des Erstgeborenen mit einer Geldsumme vorsah. Wird Gott durch die penible Einhaltung destruktiver Gelübde geehrt? Ist das die Botschaft: Sklavischer Gehorsam gegenüber dem Buchstaben des Gesetzes ohne Rücksicht auf seelische Not ist ganz im Sinne Gottes? Dass dem Verfasser des Hebräerbriefs die unsägliche Geschichte als Glaubensvorbild empfehlenswert erscheint,  überrascht nach seinen vorausgegangen Worten wenig. Dabei hätte es viel bessere Möglichkeiten gegeben, Gott seine Dankbarkeit zu zeigen. Warum hat Jephta nicht den größten Teil der Kriegsbeute den Armen seines Volkes zum Dank geschenkt, um deutlich zu machen, wem der Sieg zu verdanken war? Der Krieg mit den neidischen Stammesbrüdern (über 40.000 Tote!) hätte so vermieden werden können. Jetzt behielt er die Beute für sich, richtete ein grausiges Blutbad unter seinen Stammesbrüdern an und mit seiner Tochter geschah wer weiß was! Was für ein Vorbild! Respekt! Die Jephta-Geschichte ist tatsächlich so wenig vorbildlich, ja vielmehr so peinlich, dass so gut wie niemand in den Gemeinden sie überhaupt noch kennt.
Hebr 11,24-27 Durch den Glauben wollte Mose, als er groß geworden war, nicht mehr Sohn der Tochter Pharaos heißen, 25 sondern wollte viel lieber mit dem Volk Gottes zusammen misshandelt werden, als einen flüchtigen Genuss der Sünde zu haben, 26 und hielt die Schmach Christi für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens; denn er sah auf die Belohnung. 27 Durch den Glauben verließ er Ägypten und fürchtete nicht den Zorn des Königs; denn er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn. Sehr gut beobachtet und schön formuliert!
12,1-2 Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns umstrickt. Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, 2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete Sehr schöne Formulierung. Aber schon andernorts Inhaltlich bereits vorhanden:
12,2-14 Lob der Erziehung durch Leid Es gibt viel Leid, dass keinen erzieherischen Sinn erkennen lässt. Anderseits kann Leid sehr oft zu Geduld, Mitgefühl und Demut erziehen (Jak 1,2)
12,6 Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt Das ist schon grotesk. Auch wenn hier wieder hohl und phrasenhaft von „Sohnschaft“ geredet wird wie andernorts von „Mitgefühl“ (5,2) und  „Trost“ (6,18), so bleibt doch eines klar:  sollte der „Sohn“ seinem anspruchsvollen „Vater“ nicht mehr genügen und „zurückbleiben“ (10,39), ergeht es ihm schlimmer als jedem Tier im Schlachthaus. Der Hebräerbrief lehrt keine von Liebe und Vertrauen geprägte Vater-Sohn-Beziehung zwischen Gott und dem Gläubigen, sondern de facto eine knallharte Sklave-Herr-Beziehung, in der sowohl die Forderungen wie auch die Strafen maßlos und unendlich viel härter sind als zu Moses Zeiten. 
12,10 Denn jene haben uns gezüchtigt wenige Tage nach ihrem Gutdünken, dieser aber tut es zu unserm Besten, auf dass wir an seiner Heiligkeit Anteil erlangen. Erziehung durch ständige Drohung und Erpressung mit dem Ziel einer von Werkgerechtigkeit nicht mehr unterscheidbaren „Heiligkeit“ dient sicherlich dem Gläubigen nicht „zum Besten„, wie hier behauptet wird. Barmherzigkeit und Liebe, freiwillig geschenkt aus Einsicht in ihren Wert das wäre echte Charakterbildung und ein sinnvolles Erziehungsziel, das aber den geistigen Horizont des Verfassers bei weitem übersteigt.
10,24 und lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken In einem Klima seelischer Erpressung wird man auf diese Aufforderung nur in der bekannten soziopathischen Weise reagieren:  mit Kontroll- und Kritiksucht und mit pharisäischem Narzissmus (Mt 23,5 / Luk 18,11). Gerade der Hebräerbrief verleitet Gläubige, über Mitchristen, die an seinen Drohungen verzweifeln, die Nase zu rümpfen und um sie als „Miesmacher des Glaubens“ einen großen Bogen zu machen.
10,25 wie wollen WIR entrinnen…?“ Mit dem tödlichen WIR bezieht sich der Verfasser des Hebräerbriefes selbst in die Risikogruppe der von ewiger Verdammnis Gefährdeten mit ein. Dieses WIR wird noch einmal bekräftigt in Hebr 12,25. Damit ist  die weit verbreitete und  verharmlosende These widerlegt, es seien nur „nicht-bekehrte“ Menschen, keinesfalls aber Gläubige so schrecklich bedroht
12,12-13 Darum heißt es: »Stärkt die kraftlosen Hände! Lasst die zitternden Knie wieder fest werden!« Bleibt auf dem geraden Weg, damit die Schwachen nicht fallen, sondern neuen Mut fassen und wieder gesund werden. Ähnlich auch in Hebr 10, 24ff: „lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken und nicht verlassen unsre Versammlung, wie es sich einige angewöhnt haben, sondern einander ermahnen.Was sollen diese Appelle nützen? Tragen sie tatsächlich zum Zusammenhalt der Gläubigen und zur gegenseitigen Fürsorge bei? Wie soll man neuen Mut fassen, wenn zugleich mit der grausamsten Strafe gedroht wird? Auch die Schwachen treibt der Hebräerbrief mit höllischer Drohung an, nicht „zurückzubleiben„. Bereits durch dieses plumpe pauschale Verfahren werden Gläubige mit einem empfindlichen Gewissen besonders schwer belastet. Denn gerade die sorgfältigen, ängstlichen Gläubigen beziehen die strengen Worte der Bibel in erster Linie auf sich selbst, während optimistische und oberflächliche Gläubige am ehesten denken können, dass nicht sie, sondern andere damit gemeint sind.  (Sorgfaltsparadox) Diese einfache seelsorgerliche Erkenntnis ist dem Verfasser des Hebräerbriefes nicht bekannt. Und wie soll man Vertrauen zu Bibellehrern fassen, die wider besseres Wissen die Drohungen des Hebräerbriefes nur auf Nichtgläubige beziehen? Muss sich der Gläubige, der diese Manipulationen nicht mitmacht, nicht völlig verlassen fühlen? Wie soll er sich einer Glaubensgemeinschaft zugehörig fühlen, in der alle, die oberflächlich und optimistisch denken, sich ihres Glaubens freuen können? Alle packen ihre Vergebungsgeschenke aus, danken jubelnd Gott – und er sitzt dabei und erhält nichts! Er wird die Angst nicht los und sitzt schließlich einsam in der Psychiatrie. Ist es ein Wunder, wenn er sich dann selbst als endgültig von Gott verlassen und verflucht empfindet?  Welche Antwort, welchen Trost kann man ihm geben, wenn ihn die widerlegbare Behauptung, nur Nichtgläubigen werde mit der Hölle gedroht, nicht überzeugt? Wie soll er da „gesund werden„, wie der Hebräerbrief fordert? Die Mitglieder der Gemeinde werden hinfort einen großen Bogen um ihn machen, da sie die Illusion, nur Nichtgläubige seien bedroht, für ihr eigenes Überleben brauchen und keinesfalls in Frage gestellt sehen wollen. 
12,15-29 Warnung vor dem Versäumen der Gnade Gottes, vor Verbitterung, und vor dem Zurückstellen spiritueller Prioritäten zugunsten materieller Genüsse, die zum Verlust des Heils führen kann und auch durch Reue nicht reparierbar ist. Was ist mit dem Verkauf des Erstgeburtsrechts, der nicht mehr rückgängig zu machen ist, gemeint? Niemand weiß es. Verstehen wir diesen Vers im Sinne von Hebr 6,6, so ist hier wieder der Verlust bzw. das Verlassen des Glaubens  gemeint. War der Anlass dafür eine Schädigung durch die Glaubensgemeinschaft (woran der Hinweis auf die „verbitterte Wurzel“ denken lässt),  dann wird die Glaubwürdigkeit dieser Gemeinschaft wohl kaum durch brutale Drohungen wiederhergestellt. Andere christliche Theologen haben den Vers im Sinne von Hebr 10,26 interpretiert, dass das gewohnheitsmäßige Dulden einer Sünde einem Verzicht auf Segen zugunsten materieller Vorteile gleichkommt und zum unwiderruflichen Ausschluss vom Heil führt.  Der Hebräerbrief kann mit seinen diffusen, unklaren Drohungen, bei denen niemand wirklich weiß, woran er ist,  das Versprechen eines von Angst befreiten Lebens (Hebr 2,15) nicht einlösen.
12,17 Ihr wisst ja, wie es ihm (Esau) später erging, als er den Segen von seinem Vater bekommen wollte: Er wurde von Gott verworfen und fand keine Möglichkeit mehr, das rückgängig zu machen, obwohl er sich unter Tränen darum bemühte. Auch tiefste Reue ändert nichts mehr am Schicksal, von Gott verworfen zu sein! Dennoch wird immer wieder von Verteidigern des Hebräerbriefes behauptet, dass die Angst, verloren zu sein, ein „sicherer Beweis“ dafür sei, dass der Heilige Geist noch im Gläubigen vorhanden sei, der ja die Rettung verbürgt. (1Kor 1,22). Wie der Hebräerbrief aber an anderer Stelle deutlich sagt, ist das „schreckliche Warten“ auf die Hölle (Hebr 10,27), die Angst davor, bereits der Vorgeschmack der späteren Höllenqualen. Wie kann die Angst dann die Errettung garantieren? Auch die Teufel, die mit Sicherheit nicht in den Himmel kommen,  „glauben und zittern“ (Jak 2,19). Zittern sie nun aus Angst, oder etwa, weil es ihnen zu kalt ist? Welche Bibelstellen will man diesen Fakten entgegensetzen? Und doch wird die unehrliche Antwort weiter überall von Bibelgläubigen dem Ratsuchenden als „Lösung“ präsentiert. Auch der dümmste Mensch sollte eigentlich erkennen können, wie sinnlos es ist, seine Heilsgewissheit an einer widerlegbaren Behauptung festzumachen. Und doch sehen präsentieren buchstabengläubige Bibellehrer genau diesen Unsinn als einzigen Ausweg. Vom Betroffenen wird erwartet, zu glauben, dass das Wort des Seelsorgers mehr Gewicht hat als der nachvollziehbare Sinn des biblischen Textes –  was den Seelsorger  unentbehrlich macht und als Heilsgarant unangemessen aufwertet. Ein anderer Grund für die Beliebtheit dieser Antwort ist noch viel wichtiger. Irrationalität erspart dem  Bibellehrer, den Fehler in der eigenen Theologie zu suchen. Nun kann alles so bleiben wie es ist:  wenn die Angst nicht wieder verschwindet, so liegt es eben nur an einer depressiven, irrationalen Veranlagung des Betroffenen, um die sich die Psychiatrie mit oder ohne Erfolg bemühen muss. Sollen die sehen, wie sie mit ihm fertig werden.
12,25 Denn wenn jene nicht entronnen sind, die den abwiesen, der auf Erden den Willen Gottes verkündete, wie viel weniger werden wir entrinnen, wenn wir den abweisen, der vom Himmel her redet. Wie viel weniger“ werden wir entrinnen? Das Evangelium des Johannes zieht den entgegengesetzten Vergleich!  steht: „Mose brachte nur das Gesetz, aber wirkliche Gnade und Barmherzigkeit wurde erst durch Jesus Christus geschenkt.“  (Joh 1,17) Der Hebräerbrief dreht diese Relation aufs neue um, und macht dadurch die neue Botschaft hundertmal schlimmer als die alte. Wieviel Sinn soll das machen, wenn im Neuen Bund nicht nur die Forderungen das Maximum erreichen (Mt 5,48), sondern auch noch die Strafen für deren Missachtung aufs Grausamste verschärft werden? Passt nicht hier der Kontrast von 1.Kön 12,11 viel besser: „Nun, Vater Mose hat auf euch ein schweres Joch gelegt, ich, Christus,  aber will’s euch noch schwerer machen. Mein Vater hat euch mit Peitschen gezüchtigt, ich will euch mit tödlichen Skorpionen züchtigen„?  Wieviel kann da das Versprechen von Freiheit und Sicherheit (Hebr 2, 15), das der Hebräerbrief gleich zu Beginn gibt, noch bedeuten?  Wie passt diese Erbarmungslosigkeit zum ehrlich gemeinten Satz des Paulus „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Steht fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auferlegen“ (Gal 5,1)? Wie soll der Gläubige „feststehen“ und sich der Freiheit erfreuen können, wenn der Hebräerbrief vollen Einsatz „bis aufs Blut“ (Hebr 12,4) fordert und jedem, der „zurückbleibt“, mit der Hölle droht?
13,1-7 Aufruf zur Liebe, Gastlichkeit, Fürsorge für Verfolgte, Warnung vor Habgier und Ehebruch in zahlreichen Texten bereits vorhanden und anschaulicher ausgeführt, u.a. in Luk 14,12  / Mt 25, 31 ff. (Gastfreundschaft) // Mt 19,19 / 1.Kor 7,11 / Eph 5,33 / Jak 2,11 (Eheliche Treue) // 1.Tim 6,10-11 (Geldgier)
13,2 Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt. Was ist denn das für ein Motiv, das hier mit Vorteilen für den Gastgeber wirbt? Das Motiv des Mitgefühls mit dem, der draußen steht und keine Bleibe hat und das Gefühl der Dankbarkeit, dass man geben darf statt betteln und bitten zu müssen, dass sollten die ausschlaggebenden Motive sein. Selbstredend ist der Gläubige auch in diesem Tun Jesus besonders nah: „Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan!“ (Mt 25,40). Doch der Satz ist nicht ohne Nutzen, denn er führt den Leser weiter zur Frage: Wo ist überhaupt irgendetwas, wo ist nur das kleinste bisschen frohe Dankbarkeit gegenüber der Liebe Jesu im Hebräerbrief zu spüren? Der Hebräerbrief hat nur ein Thema: das ständige Herumputzen und Polieren an der eigenen „Heiligkeit“, um Gott nicht zum Zornesausbruch zu reizen, der unversehens mit endgültiger Vernichtung reagieren könnte.
13,8 Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Sehr schöne Formulierung, inhaltlich bereits vorhanden in Mi 5,2, Jo 8,58, Phil 2, 6 ff, Offb 5,11 ff
13,9 es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade, Wunderschöne Formulierung und unzweifelhaft wahr: Durch Gnade wird das Herz fest, nicht durch Antreiben mit dem Gesetz und durch ständige Drohung mit der Hölle, wie es der Hebräerbrief geradezu hemmungslos vorexerziert. Was daran „gnädig“ sein soll, versteht doch kein Mensch! Der Hebräerbrief lehrt eine Gottesbeziehung, die von Gottes Seite aus jederzeit unwiderruflich gekündigt werden kann, sofern der Gläubige hinter der Forderung vollkommenen Gehorsams „zurückbleibt„.  Immer wieder hat er damit gutwilligste Gläubige – wie einst auch Martin Luther – überflüssigerweise in tiefste Verzweiflung gestürzt. Warum hat diese durch Hunderte von Leidensberichten bestens bezeugte Tatsache in der evangelikalen Theologie nicht das geringste Gewicht??? Was ist das für eine schauerliche Perversion von „Gnade“? Charakterliche Festigkeit und die Fähigkeit, andere Menschen aufzurichten, entsteht dadurch sicherlich nicht! Wo bleibt das vom Hebräerbrief behauptete „Mitgefühl“ (Hebr 5,2), das doch der „im Gläubigen regierende Christus“ (Gal 2,20) für seine leidenden Kinder haben sollte?
13,9  Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, …, nicht durch Speisegebote, von denen keinen Nutzen haben, die danach leben Ähnliche Formulierung wie in Kol 2,20. Doch welcher Unterschied! Paulus demontiert die Autorität der schädlichen Gesetzeslehrer. Die Gläubigen, die in Gefahr stehen, verführt zu werden, greift er nicht an, sondern appelliert an sie, sich die Freiheit in Christus nicht rauben zu lassen. (Gal 5,1 ff) Der Hebräerbrief hingegen hat überhaupt keine Vorstellung von christlicher Freiheit, er versucht christliche Höchstleistung durch massivste Drohungen zu erzwingen. Dabei ist das Gesetz Christi, das völlige Selbstverleugnung fordert, viel schwerer zu halten als mosaische Rituale. Was wäre dadurch gewonnen, wenn Christen nun durch ein viel härteres Gesetz belastet und bedroht würden?.
13,14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Sehr schöne Formulierung, s.a Joh 14,2 / Offb 21,2
13,15-19 Aufruf zum Lobpreis, Gehorsam gegenüber den Lehrern, Festhalten am Bekenntnis und Fürbitte in zahlreichen Briefen bereits vorhanden
13,17 Gehorcht euren Lehrern und folgt ihnen, denn sie wachen über eure Seelen – und dafür müssen sie Rechenschaft geben Der beste Anreiz für ein Leben zur Freude Gottes und der Menschen ist der Wunsch, eine ähnliche Persönlichkeit wie das verehrte Vorbild zu erwerben. Dieses Motiv taucht im Hebräerbrief gar nicht auf, der sich von der Drohung mit ewiger Verdammnis viel mehr verspricht. Auch der Gedanke, ob die Lehrer ein Vorbild liefern, dem nachzueifern lohnt, tritt hinter einer pauschalen Forderung zurück, .Bibellehrern grundsätzlich gehorsam zu sein. Paulus gestand hingegen seinen Hörern das Recht der Prüfung zu. Er trat viel bescheidener auf und sprach durchaus die Möglichkeit an, dass auch von ihm einmal etwas Falsches kommen könnte: „Wer euch aber einen anderen Weg zum Heil zeigen will als die rettende Botschaft, die wir euch verkündet haben, den wird Gottes Urteil treffen – auch wenn wir selbst das tun würden oder gar ein Engel vom Himmel.“ (Gal 1,8 HfA)  Ihm war es wichtig seinen Hörern Rechenschaft zu geben: „Wir haben uns von allen beschämenden Heimlichkeiten losgesagt. Wir arbeiten weder mit Tricks noch verfälschen wir das Wort Gottes, sondern lehren die Wahrheit ganz offen. Dadurch empfehlen wir uns vor den Augen Gottes dem Gewissensurteil aller Menschen.“ (2Kor 4,2) / NeÜ) Das Gewissen kann nicht zwei Herren dienen, sondern wird am ehesten einer widerspruchsfreien, überzeugenden Ethik folgen. Im Hebräerbrief, der schon soviel Gläubige geschädigt und ihnen  Glaubensfreude und die Möglichkeit uneigennütziger Liebe genommen hat. ist eine solche Ethik nicht zu finden  „An den Früchten werdet ihr sie erkennen!“ (Mt 7,16) Über den anonymen Verfasser des Hebräerbriefes können wir guten Gewissens sagen: man kann ihn keinesfalls als Bibellehrer empfehlen. Man muss vor ihm warnen!
13,17b damit sie das mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn das wäre nicht gut für euch den Bibellehrern ist Gehorsam zu leisten, damit sie keinen Anlass zur Klage haben – ungeachtet dessen, ob es richtig oder fragwürdig ist, was sie lehren. Andernfalls wird auch hier wieder dieser vorbildlichen Glaubensgemeinschaft mit Bestrafung, Unsegen (= Fluch) gedroht.
13,20-25 Grüße und Segenswünsche
13,23 Wisst, dass unser Bruder Timotheus wieder frei ist; mit ihm will ich euch, wenn er bald kommt, besuchen Die Erwähnung des Timotheus soll den Anspruch des Briefes unterstützen, vom Paulus, dem bedeutendsten Apostel der Christenheit, verfasst zu sein. Wer jedoch die Empathieunfähigkeit und die werkgerechte Engstirnigkeit des Verfassers wahrnimmt, erkennt auch den großen Unterschied zur Lehrweise des Apostels und fällt auf diesen Schwindel nicht herein.

Fazit: Man gewinnt den Eindruck, dass der Verfasser weit weniger Überzeugungskraft zum Thema „Freiheit vom Gesetz“ aufzuweisen hat als der Apostel Paulus. Paulus umwirbt die Hörer (Gal 4,8ff) und versucht, die Vorteile der Freiheit in Christus herauszustellen. Wie eine Mutter leidet er für sie Geburtsschmerzen (Gal 4,19), in herzlicher Weise versucht er, sie zu überzeugen.

Dem Verfasser des Hebräerbriefes dagegen liegt Empathie völlig fern. Er scheint sich jetzt schon neben den Weltenrichter gesetzt zu haben und von hoher Warte herab pauschal über alle Gläubigen zu urteilen.  Wer „zurückbleibt“ und mutlos wird (Hebr 2,39) … ab in die Hölle – selber schuld! Wer an Gott zweifelt, an seine Liebe nicht mehr glauben kann, aufgrund welcher Not auch immer, … ab in die Hölle – selber schuld! Konnten ihn nicht auch schlimme Erlebnisse in der Glaubensgemeinschaft dazu gebracht haben? Wen interessieren schon die Gründe? Auch wer „wiederholt sündigt„, egal ob  es große oder kleine Schwächen und Bindungen sind, ist selber schuld, wenn er sich in der ewigen Höllenqual wiederfindet! Recht geschieht ihm! Dass sich ein armer Mensch mit religiöser Skrupelhaftigkeit Jahr für Jahr  zermartert, ob er die vielleicht doch die rote Linie überschritten und eine Sünde zu viel begangen hat – auch das braucht niemanden zu interessieren!

Erstaunlich, dass immer wieder von gläubigen Theologen behauptet wurde, der Apostel Paulus könnte der Schreiber des Hebräerbriefes  sein! Schon aus sprachlichen Gründen ist das äußerst unwahrscheinlich. [3] Noch viel mehr aber aus inhaltlichen Gründen!  Dass vorbildliche Christen wie unreife Anfänger geschulmeistert und gescholten  werden, dass Christen, die auf Abwege geraten, ungeachtet ihrer Reue noch zu Lebzeiten verdammt werden können, ist ein so schockierendes Sondergut, dass mit  Verwirrung, Verunsicherung und Widerspruch in den Gemeinden zu rechnen ist. Eben deshalb ist es nicht mehr nachvollziehbar, dass Paulus – wäre er der Verfasser – ausgerechnet hier auf die Autorisierung durch den Hinweis auf seinen apostolischen Auftrag verzichtet, den er in allen seinen Briefen verwendet. Wenig zu Paulus passt außerdem der Mangel an Empathie in diesem Brief. Gewisse Theologen bemerken diesen Mangel nicht.  Zum Erstaunen ist das nicht, wenn man bedenkt, wie gefühllos und rücksichtslos  in buchstabenhörigen Glaubensgemeinschaften mit theologisch Geschädigten umgegangen wird. Der Verfasser des Hebräerbriefes und Paulus haben sich offensichtlich nicht gekannt. Denn wenn das stimmt, was der Hebräerbrief androht, dann hätte Paulus sich den Brief an die Galater sparen können.

Im Hebräerbrief bleibt von der freundschaftlichen Beziehung zwischen dem Meister und seinem Jünger nichts übrig. Schon gar nicht kann man von einer „Liebesbeziehung“ zwischen Braut und Bräutigam (Jes 62,5 / 2Kor 11,2) reden. Jeglicher Herzton, jegliches Umwerben fehlt. Unerbittlich werden Hingabe, Opfer und Selbstüberwindung gefordert, immer das Gespenst der ewigen Höllenfolter im Nacken.

Dem Verfasser des Hebräerbriefes kommt nirgends, nicht ein einziges Mal der Gedanke, wie sehr seine Worte dem religiösen Missbrauch entgegenkommen, dass sie jeglichem frommen Extremismus quasi einen Blankoscheck in die Hand geben, dass sie wieder ein ähnlich schädliches Schriftgelehrtentum entstehen lassen würden wie die Pharisäerkaste zur Zeit Jesu, die den Buchstaben über die Barmherzigkeit stellte.  

Fällt es denn wirklich nicht auf? Es gibt keinen Text zwischen den Buchdeckeln der Bibel, der religiösen Machtmenschen so wirksame Instrumente der Bedrohung, Einschüchterung und Erpressung in die Hand gibt, wie der Hebräerbrief. (Die Chicago-Erklärung verwendet in ihrer Einleitung den Begriff „Abfall“ bereits für die Ablehnung des Dogmas biblischer Irrtumslosigkeit!) Es gibt keinen Text, der so sehr jegliches Mitgefühl mit den durch fromme Gewalt Geschädigten zu lähmen imstande ist, keinen Text, der so sehr pharisäische Überheblichkeit und hartherziges Verurteilen anderer fördert wie der Hebräerbrief.

Dass eine gewisse Sorte Theologen den Hebräerbrief unbeirrbar allein Ernstes unter der Überschrift „frohe Botschaft“ meinen anbieten zu können, zeigt wie sehr durch die andressierte angebliche Pflicht zum „Opfer des Verstandes“ die Fähigkeit zu prüfen verlorengegangen und durch strunzdummes Nachplappern ersetzt worden ist. 

Wäre es nicht die  Pflicht jedes Bibellehrers, alles zu tun, damit verletzliche Gläubige von vornherein einen großen Bogen um den Sog frommer Selbstzerfleischung machen können? „Mache ein Geländer an deinem Dach, damit niemand herunterfällt und du nicht Blutschuld auf dich lädst.„ (5Mose 22,8) 

Zweifellos erwartet die fromme und bibelkundlich dilettierende Klientel ein „entschiedenes Bekenntnis“ zu allem, was durch die Tradition zwischen die biblischen Buchdeckel geraten ist. Sie erwartet, dass kein Geländer angebracht wird, weil ja dann der Eindruck entstehen könnte, dass eine Gefahr vorhanden ist. Dieser Eindruck ist unerwünscht und deshalb ist man auch froh, wenn Christen, die die Angst vor der Hölle nicht loswerden, möglichst bald aus der Gemeinde verschwinden, wo sie den Erlösungsjubel nur stören.

Das fromme, den Buchstaben hofierende Establishment hat nichts getan und und war leider bisher nicht bereit, das Nötige zu tun, nämlich die Warnung Martin Luthers in der Gemeinde bekannt zu machen. Was ist der Grund? Lässt es die eigene Ehre nicht zu, dass man zugibt, sich in einem wichtigen Punkt geirrt zu haben, nämlich in Bezug auf die Irrtumslosigkeit und Inspiration des Hebräerbriefes? Soviel lobende Auslegungen und Kommentare hat man zum Hebräerbrief geschrieben und nun soll dieser nur den Rang einer mangelhaften Predigt haben? Man hat schließlich ein Gesicht zu wahren. Die eigene Anhängerschar soll doch größer und nicht kleiner werden. („Gesetz der 50-jährigen„) Und doch warnt uns das  inspirierte Wort des Paulus: „Wer Menschen gefallen möchte, steht nicht im Dienst Christi!“ (Gal 1,10) Wofür erwartet eine solcher Bibellehrer dann eigentlich Lohn? (Mt 25,21)

Wer werkgerechten Einfluss – wie er durch den Hebräerbrief vermittelt wird –  duldet, um damit um die Anerkennung der Mehrheit zu buhlen, macht sich der Verfälschung der frohen Botschaft schuldig und ist für die Zerstörung von Glaubensfreude und Glaubenshoffnung bei etlichen Mitchristen zur Verantwortung zu ziehen. Mich wundert es, dass Bibellehrer diese Gefahr so leicht nehmen. 

In buchstabenhörigen Glaubensgemeinschaften ist die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion gewöhnlich schwach entwickelt. Religiöse Gefühlserlebnisse werden oft als Beweis für die Richtigkeit der eigenen Sichtweise, ja sogar für den Auftrag, sie zu verbreiten, gewertet. Mit dem Dogma, dass es „in der Bibel keine Widersprüche gäbe“ (Art. XIV ChE), werden die Kontraste und Spannungen zwischen Bibeltexten nivelliert und zu guter Letzt gar nicht mehr wahrgenommen.  Unter diesen Bedingungen kann sich Selbstgerechtigkeit und Selbstüberschätzung kräftig entwickeln, die den Gedanken gar nicht aufkommen lässt, dass wichtige Informationen fehlen. 

Für Jesus indes war Barmherzigkeit der entscheidende Punkt. Er hat die Pharisäer, die entschiedenen Super-Gläubigen, die harte Urteile über überforderte und schwache Menschen fällten, die den Menschen unerträgliche Lasten aufbürdeten (Mt 23,4), als „blinde Blindenleiter“ (Mt 15,14) charakterisiert. „Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan!“ (Mt 25,45)

Die Tatsache, dass immer wieder gutwillige Christen an diesem brutalen Text verzweifeln, gar jämmerlich an ihm zugrunde gehen, dass sie durch lebenslanges Abfüllen mit Psychopharmaka verkrüppelt und berufsunfähig werden, findet in der bibeltreuen Glaubensgemeinschaft, die sich viel auf ihre Einheit als Leib Christi zugute hält, keine Beachtung. Ein betrübtes Gesicht genügt als Kommentar, wenn einige Christen geopfert werden müssen, damit die Mehrzahl der Gläubigen ihren gedankenlosen Optimismus pflegen kann. Wem fällt noch auf, wie erbärmlich egoistisch und rücksichtslos diese Einstellung ist, zumal die eigene optimistische Einschätzung als „Gutmensch“, der schon auf dem rechten Wege ist, auf denkbar billigste Weise ganz automatisch durch Teilnahme an sozialen oder missionarischen Aktionen der Gemeinde entsteht? 

Auch wenn der Verfasser des Hebräerbriefes christliche Werte wie Freiheit„, „Mitgefühl„, „Trost„, „Hoffnung„, „brüderliche Liebe aufs Papier geschrieben hat, so bleiben diese Begriffe doch bei ihm seltsam kraftlos und unglaubwürdig. Ist das ein Wunder? Seine wichtigsten Kategorien sind  Drohung, Verdienst und Vergeltung geblieben. Was immer die Freiheit in Christus sein soll, die jetzt durch den Abschied vom Judentum gewonnen sein soll, bleibt unklar. Unterwerfung unter Christus und seine Forderungen (eine Art „Chrislam“) ist für ihn ein viel wichtigeres Ziel. Sein gefühlloses Schreiben vermittelt den Eindruck, als ob der Gläubige durch Christus vom Regen in die Traufe gekommen ist. Will man  Mose mit Christus vergleichen, so passt 1.Kö 12,11 („ich werde euch mit einer noch brutaleren Peitsche züchtigen…“) viel, viel besser zum Hebräerbrief als Joh 1,17 („Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“) Wenn der Hebräerbrief die frohe Botschaft ist, dann ist es erträglicher unter dem Gesetz des Mose zu bleiben.

Abschließend noch ein Eindruck zu den oftmals schönen Formulierungen, die diesem Brief eine gewisse  Attraktivität verleihen. Bei den Versen 2,14-15 („auf dass er durch den Tod die Macht nähme dem, der Gewalt über den Tod hatte, nämlich dem Teufel,  und die erlöste, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Knechte sein mussten„) fällt auf, dass dieses Versprechen, das gleich zu Anfang im Hebräerbrief gemacht wird, zwar große Erwartungen weckt, doch vom Hebräerbrief selbst bitter enttäuscht wird. Was bleibt von der Erlösung übrig, wenn dem Gläubigen ständig mit der Hölle gedroht werden muss, sollte er in seinem Streben nach Heiligkeit und Selbstverleugnung nachlassen? Viele Leidensberichte bestätigen eindrücklich, dass gerade gutwillige und harmlose Christen dadurch Glaubensfreude und Glaubensmut verloren haben. Diese Wirkung lässt bezweifeln, dass der Autor des Hebräerbriefes tatsächlich der Urheber der Verse 2,14-15 ist. Auch die schöne Erkenntnis, dass „das Herz fest wird dadurch Gnade“ (Hebr 13,9) übersteigt den geistigen Horizont des Hebräerbriefschreibers bei weitem. Da liegt der Gedanke nahe, dass diese schönen Sätze aus einem anonymen christlichen Zitatenschatz stammen könnten,  aus dem sich der Verfasser des Hebräerbriefes dann bedient hat, um seine ungeheuerlichen Ausführungen aufzuwerten.

Bis heute trifft man Prediger an, deren Ehrgeiz es ist, Gläubigen ein furchtbar schlechtes Gewissen über fehlende Hundertprozentigkeit zu machen, um das Erfolgserlebnis langer Menschenschlangen vor dem Seelsorgezimmer einzufahren, und eine psychisch abhängige Klientel einzusammeln. Gläubige, die nicht geübt sind, zu prüfen, ja die noch nicht einmal wissen, dass sie das Recht dazu haben, lassen sich immer wieder dadurch täuschen, dass zugleich auch viel Gutes, Richtiges und Schönes angeboten wird.

Auch im selbstherrlichen Auftreten sehe ich eine Parallele. Obwohl der Verfasser des Hebräerbriefes Jesus nicht persönlich kannte, kein Augenzeuge und auch kein Apostel war und sehr wahrscheinlich noch nicht einmal Kontakt mit Paulus hatte, tritt er – weit entfernt von der bescheidenen Selbsteinschätzung, die Paulus und Petrus auszeichnete (1Kor 4,4) – mit einem narzisstischen Autoritätsanspruch auf, als wäre er der Weltenrichter selbst. Auch Paulus hatte in Korinth mit solchen „Superaposteln“ zu tun. (2.Kor 11,5)

 


[1] Zur Diskussion, die Indizien zugunsten einer frühen Datierung Ende des 2.Jhtn.Chr. aufzeigt, siehe die Dissertation von Joachim Orth  „Das Muratorische Fragment und die Frage seiner Datierung, Wien 2018

[2] (gelöscht)

 

[3] „Lesen wir den Hebräerbrief im Grundtext, so fällt uns an der Wortwahl und am Satzbau auf, dass der Verfasser ein ausnehmend gutes Griechisch schreibt, auch kennt er das griechische Alte Testament (Septuaginta) genau. Dies lässt auf eine hellenistische Bildung schließen wie sie in der jüdischen Diaspora in damaliger Zeit weithin gepflegt wurde. … Die Art und Weise wie der Hebräerbrief vom Priestertum und Opferdienst der Stiftshütte berichtet (Hebr 7,27 / 9.4) und dabei die tatsächlichen Gegebenheiten seiner Zeit völlig außer acht lässt, berechtigt zu der Frage, ob der Verfasser den alten jerusalemitischen Tempel und seine Ordnungen überhaupt aus eigener Anschauung gekannt hat.“ (Wuppertaler Studienbibel, Laubach Fritz, Der Brief an die Hebräer, 1983, S.16-17)

[ENDE]


Weitere wichtige Beiträge zu diesem Thema:

Sehr aufschlussreich sind auch die Kommentare zu den jeweiligen Beiträgen…

 

Artikel aktualisiert am 26.02.2024

14 thoughts on “Risiko Hebräerbrief?”

  1. Ich habe mich mit dem Hebräerbrief beschäftigt. Er ist nicht der wichtigste Teil vom NT. Er richtet sich an die damaligen Judenchristen. Die unvergebbare Sünde ist für mich, bewusst gegen Gott zu sein, obwohl man vorher fest von Gottes Worten ergriffen war. Der Schreiber hatte Bedenken, dass die Judenchristen abfallen, weil sie sich zurückgezogen haben und dadurch auf einem zu geringen Wissensstand stehen geblieben sind. Der Schreiber wollte ihnen wohl eher Angst einjagen. Es gibt aber tatsächlich eine endgültige Aussperrung (willentlich gegen Gott und Sein Wort sein und seine Aufträge willentlich nicht ausführen – da muss man aber genau schauen, ob der Auftrag wirklich von Gott kommt oder ob es eine eigene Idee oder die Idee von jemand anders war (also nicht durch Gott gewirkt; ähnliche Erfahrungen habe ich schon gemacht und damit Schiffbruch erlitten. D.h. alles genau prüfen, ob es von Gott gewirkt ist – Gott gebraucht manchmal weltliche Menschen und Dinge, um zu uns zu sprechen “ .. das Gute behaltet.)
    Viele Menschen, die Christen sind, machen Fehler (sündigen).Sie können auf die Gnade Gottes hoffen, wenn sie bereuen, wenn sie das wirklich wollen. Den eigenen Glauben nur am Hebräerbrief festzumachen, halte ich für falsch, weil Jesus, seine Jünger und di Apostel an vielen Stellen anders reden und handeln. Das ist ein Widerspruch. Ich weiß nicht, was du erlebt hast, dass dich das so fertig macht. Das sind meine Gedanken dazu. Ich weiß nicht, ob dir das irgendwie weiterhilft. Das Evangelium soll aufbauen und nicht abbauen.

    1. es ist freundlich, dass du dir ein paar Gedanken gemacht hast. Allerdings gehst du auf die Argumente in http://www.hebraeerbrief.de nicht ein sondern formuliert deine subjektive Sichtweise. Beweiskraft kann ich darin nicht erkennen. das eben war mein Anliegen, dass man den Hebräerbrief mal genauer unter die Lupe nimmt, um festzustellen, warum er bei manchen Christen jahrelange Verzweiflung auslöst und warum Martin Luther vor ihm warnte. Diese Frage stellen sich evangelikale Bibellehrer eben nicht. Das ist das eigentlich Böse. Auch dass ich Redeverbot bekomme, obwohl keiner der Ältesten sich die Mühe macht, die mühevoll zusammengestellten Argumente anzusehen und ehrlich zu kommentieren. Heute wurde ich von einer Schwester angerufen, die mir sagte, dass sie ähnliche Ängste wie ich hatte jahrelang. Und sie sagte auch, dass noch andere Christen Befürchtungen haben, aber dass sie lieber verdrängen, weil sie wissen, dass sie von Evangelikalen keine seriöse Antwort, sondern nur subjektive Meinung bekommen.
      [24.7., 22:11] Christian: Du schreibst, es gäbe tatsächlich eine endgültige Aussperrung, wenn man willentlich einen Auftrag von Gott nicht ausführt…
      Eben das hatte ich früher auch gedacht. Mein Gewissen forderte von mir, bettelarm zu leben und alles Geld was ich hatte, für Hungernde in der Welt zu opfern, so wie der reiche Jüngling alles, was er hatte, den Armen geben sollte. „Wer etwas Gutes zu tun weiss und tut es nicht, dem ist es Sünde“ (Jak 4,17). Das wollte ich nicht. Somit habe ich wissentlich gegen ein Gotteswort verstoßen. Nach deiner Logik würde jetzt die Hölle auf mich warten. Warum denkst du, dass deine Antwort tröstlich bzw brauchbar ist?
      Gläubige sitzen jahrelang in der Psychiatrie. Sie gehen kaputt. Ihre Familien gehen kaputt. Meinst du nicht, dass man sich um eine verlässliche Antwort bemühen sollte? Die Evangelikalen bemühen sich um nichts. Es reicht wenn die Mehrheit mit der frommen Standardschallplatte zufrieden ist. Das ist das Böse, diese Unverbesserlichkeit, die mit Liebe und Verantwortungsbewusstsein unvereinbar ist.

      1. wie du schreibst, hat das Gewissen von dir etwas gefordert. War das denn von Gott inspiriert durch den Heiligen Geist? Wenn es so wäre, dann wären alle Christen arm oder würden in die Hölle kommen. Ich bin leider überfordert mit deinem Anliegen. Du solltest ausgebildete Theologen zu diesem Thema befragen, wenn die Ältesten und Evangelikalen dir nicht Rede und Antwort stehen wollen. Besser wäre noch: direkt Gott fragen. Jeder bekommt Weisheit, wenn er Gott bittet. Älteste und Evangelikale sind eben nur Menschen und nicht Gott. Es tut mir leid, dass ich hier nicht weiterhelfen kann. Vielleicht sollten die Geschwister, die damit Probleme habe sich zusammen tun und gemeinsam vorgehen.

        1. Liebe Schwester, warum soll ich ausgebildete Theologen frage, wenn Gott jedem die Weisheit gibt, der ihn darum bittet – wie du sagst? Wenn er sie jedem gibt, warum bittest du ihn nicht darum? Und wenn doch, warum zeigt er dir nicht die Lösung? Ich habe ja über diese Frage Jahrzehnte nachgedacht und eine Lösung gefunden und dir auch die Adresse hebraeerbrief.de genannt, wo sie zu finden ist. Ohne sie überhaupt angesehen geschweige denn geprüft zu haben, betrachtest du sie als nicht vorhanden oder nicht erwähnenswert und empfiehlst mir stattdessen, wo anders zu suchen?

  2. Hallo, vielen Dank für deinen Artikel über Luthers Schriftverständnis, im besonderen über den Hebräerbrief, ich habe ihn gerade gelesen. Ich teile Luthers Theologie in dem Punkt, dass alle Lehre innerhalb und außerhalb der Schrift an Christus und dem Evangelium der Erlösung allein aus Gnade zu messen ist. Dies ist die Mitte der Schrift und wirft ein helles Licht auf alle dunklen Bibelstellen, besonders im AT, die wir nicht verstehen oder in denen neben der Heiligkeit Gottes und der unbarmherzigen Härte des Gesetzes, des Zuchtmeisters, sein Erbarmen und seine Gnade noch gefehlt hat!

    In Christus hat aber nun der neue und vollkommen Bund stattgefunden und das Unvollkommene beendet! In ihm entdecken wir auch erst in Gänze und ohne Widersprüche den Charakter und das Herz des Vaters! Diese eindeutige Liebe Jesu und seine Zusagen sind für mich was zählt und woran ich alle Bibelstellen neuen und alten Testaments zu messen habe! Sie geben mir eindeutigen Trost und Heilsgewissheit.

    1. Die Drohungen des Hebräerbriefes sind nicht dunkel, sondern pervers! Lies doch einmal die Krankengeschichte von Franz Spiera und schreib mir, wie man ihm ohne Entlarvung des Hebräerbriefes als fragwürdig und mangelhaft hätte helfen können : https://matth2323.de/franz-spiera/

      1. Ich habe mir den Artikel heute morgen auch durchgelesen. Er hatte Angst den Glauben verleugnet zu haben. Da würde ich ihm in der Seelsorge von Petrus, wie Jesus ihn zurückholt und gerade ihm seine Gemeinde anvertraut, erzählt haben. Und davon, dass Jesus uns treu ist, auch wenn wir untreu sind, wie die Schrift es sagt, denn er kann sich selbst nicht verleugnen! Und davon, das unser Heil allein durch Gnade geschieht und nie aus Werken. Davon, dass es jederzeit Vergebung und einen neuen Anfang gibt, wenn wir gesündigt haben. Und wenn der Hebräerbrief etwas anderes lehrt, dann sage ich: Christus aber nimmt den Sünder an, nicht den Gerechten.

        1. Man sieht, wie sorgfältig du Texte liest. Das Beispiel mit Petrus wurde ja Spiera bekanntgemacht. Es half ihm nicht! Und trotzdem führst du es hier an! Warum stellst du dir nicht die naheliegende Frage, warum das Beispiel des Petrus nicht geholfen hat? Nützt es irgendjemandem, dass Petrus vergeben wurde, wenn der Hebräerbrief sagt, dass beim Gläubigen heute, der zu wenig geglaubt oder zu viel „gesündigt“ hat, der Fall eintreten kann, dass er schon zu Lebzeiten unrettbar verdammt wird? Und der Hebräerbrief bedroht vorbildliche Gläubige, die in der Verfolgung „den Raub ihrer Güter mit Freuden erduldet haben“. (Hebr 10,34) Selbst diese sind in Gefahr. Was darf dann der normale Gläubige, der nicht alles geopfert hat, hoffen? So wie der Hebräerbrief formuliert, gibt es gar keine Vater-Sohn-Beziehung zu Gott. Sollte der Gläubige seinem anspruchsvollen „Vater“ nicht mehr genügen, ergeht es ihm schlimmer als jedem Tier, das geschlachtet und verwertet wird. Der Hebräerbrief lehrt eine knallharte Sklave-Herr-Beziehung, in der die Strafen unendlich viel härter sind als zu Moses Zeiten.

          Sehr aufschlussreich ist deine Formulierung: wenn der Hebräerbrief etwas anderes lehrt (dass es nicht jederzeit einen neuen Anfang gibt) DANN SAGE ICH…. Deine Autorität gegen die Autorität des Hebräerbriefes, gegen das angebliche Gotteswort? Nicht wenige evangelikale Pastoren machen es genauso: sie muten Gläubigen zu, ihre Heilsgewissheit von ihrer theologischen Meinung abhängig zu machen. Ist das nicht eine grandiose Selbstüberschätzung? Sie können ja nur bedauernd mit den Achseln zucken, wenn es in der Folge ein ewiges Hin- und Her in der gequälten Seele gibt, ein Zweifeln, ein Zagen, ob der Hebräerbrief vielleicht doch noch größere Autorität hat als das Pastorenwort oder vielleicht doch nicht? Eins ist sicher: Glaubensfreude und Lebensmut kann bei diesem Hin- und Her gründlich kaputtgehen. Doch dafür ist ja dann der Psychiater zuständig.

          Deinen Satz “ wenn der Hebräerbrief etwas anderes lehrt…“ hat Paulus anders fortgesetzt. Fällt es dir nicht auf? Hat er etwa gesagt wie du: dann muss man eben den ermutigenden Bibelstellen mehr Gewicht geben? Ganz sicher nicht! Sondern das: „Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht. Wie wir eben gesagt haben, so sage ich abermals: Wenn jemand euch ein Evangelium predigt, anders als ihr es empfangen habt, der sei verflucht.“ (Gal 1,8-9) VERFLUCHT! Es gibt nicht nur eines, nicht zwei, nicht drei, sondern Dutzende Argumente für die Feststellung: der Hebräerbrief bringt die Werkgerechtigkeit durch die Hintertür wieder herein. Er weiß zur Freiheit des Christen nichts Überzeugendes zu sagen, sondern wirft ihn wieder in eine Sklave-Herr-Beziehung zurück, in der man ständig erpresst und bedroht wird und zudem verführt wird, andere zu erpressen, um das Gefühl der Ohnmacht zu mildern. Der ganze Galaterbrief beschwört die Gläubigen, dass es in dieser wichtigen Frage der Freiheit vom Gesetz Eindeutigkeit geben muss. Jeder Kompromiss ist tödlich für die Glaubensfreude. (Gal 5,4) Schon in frühester Zeit ist die Gemeinde in diesem Punkt fahrlässig gewesen.

          Anstatt das zu tun, was Luther empfohlen hat und was Paulus sicherlich auch getan hätte: den Hebräerbrief, dieses scheinheilige Geschreibsel eines unreifen Gesetzesfanatikers nicht als Glaubensdokument anzuerkennen. Werft diesen Schund endlich aus der Bibel oder – wenn die naiven Nostalgiker nicht darauf verzichten können, weil sie meinen, dass ja auch noch ein bisschen brauchbare Nahrung in dem Gift herumschwimmt – dann setzt wenigstens ein warnendes Vorwort hinein, dass der Hebräerbrief aus gutem Grund in der Christenheit umstritten war und bis heute geblieben ist.

  3. 1. Gefolgschaft meint die Nachfolge des nicht sündlosen Menschen. Sie hat nichts mit sündloser Perfektion (Fehlerachse Augustinus -Luther) noch mit politisch korrektem ökosozialen Verhalten zu tun (Fehlerachse Umweltreligion).
    Lukas 1, 6. Elisabeth und Zacharias waren gerecht. Die Lutherübersetzung hat hier lange mit fromm übersetzt, damit es ja niemandem auffällt, dass Gerechtigkeit nicht Sündlosigkeit oder perfekten Gehorsam meint, sondern Bundestreue. Es gibt eine Grenze des Lebensstils, innerhalb der man drinnen ist 1.Kor 6, 9f. Wer konstant ausserhalb lebt, bleibt draussen.
    Dieses Prinzip wurde durch den lutherischen „Vierschritt“ versaut:
    1. Gott verlangt Sündlosigkeit, perfekte Gesetzeserfüllung – 2. du kannst das nicht leisten – also 3. bleibt nur umgebuchte perfekte Gesetzeserfüllung als Lösung: iustitia imputativa extra nos, die im „Glauben“ ergriffen werden muss.
    4. Wem nun die unendliche Gerechtigkeit umgebucht wurde, erlangt das Heil auch als KZ-Manager oder prassender Landesfürst. Jede andere Behauptung wäre werxgerecht.
    Da der Glaube unsichtbar ist, darf er niemandem abgesprochen werden.

    2. Die von dir aufgeworfenen Fragen ethischen Verhaltens hätten zur Zeit des Paulus so geklungen: wie stellst du sicher, dass du keine Waren kaufst, die von Sklaven hergestellt wurden?
    Wie stellst du sicher, kein den Göttern geopfertes unreines Fleisch zu essen?
    Paulus sagt, forscht nicht nach.
    Dieser Problemkreis ist damit schnell erledigt. Es gibt ihn nicht im NT, warum also bei dir?

    3. Deine Sozialisation kenne ich nicht.
    Aber der Ansatz, mit Jesus die Bibel zu kritisieren, ist postgelikal sehr verbreitet und wird von Prof.Zimmer populär gemacht. Du definierst anhand von selbst definierten Regeln die nur lose in Math 23,23 erwähnt werden, ein Auslesekriterium, das gegen den Hebräerbrief angewendet wird. Das ist nun wirklich nur ein gradueller Unterschied zu Prof.Zimmer, der alles ablehnt, was nicht zu seinem humanistischen Jesus passt. Hätte die Kirche den Hebräerbrief ernst genommen, hätte sie die Abgefallenen nicht wieder aufgenommen ab 250, dann wäre die Kirche für Konstantins Pläne zu klein gewesen…keine Konstantinische Wende. Kein Novatianisches Schisma.
    Eine andere Kirche und eine andere Geschichte.
    4. Matthew Bates‘ Argumente sind historischer Natur. Pistis unter anderem als Gefolgschaft eines Soldaten gegenüber einem General. Das ist mehr als sola fide und weniger als sündloser ökosozialer Humanismus, wie du ihn mit deinen Erwägungen beschreibst.
    Das Volk beim Exodus war nicht sündlos. Aber die treuen kamen an.
    Nicht mehr, nicht weniger.
    Ad hominem Argumente ändern Fakten nicht.

    1. Lieber Bruder Sp.,
      du hast wieder sehr viel geschrieben. Was Luthers „Vierschritt“ betrifft… ich vertrete nicht Luthers Theologie, ich stelle nur fest, dass der Hebräerbrief immer wieder Christen, die ihrem Herrn folgen wollen, zutiefst entmutigt und in sinnlose Angst vor der Hölle gebracht hat. Ich selbst habe es so erlebt und bezeuge diese Erfahrung. Und sie war wohl auch Luthers Erfahrung, bevor er überhaupt irgendeine Art von Theologie zustande brachte. Insofern ist „Luthers Vierschritt“ oder was auch immer später kam, wie auch seine Auffassung vom Glauben für die Kanondiskussion völlig irrelevant. Schon gar nicht eine Diskussion, ob ein KZ-Manager die Himmeltür offen vorfindet. Zu sehr verlassen würde ich mich darauf nicht.

      Was hat das mit den Empfängern des Hebräerbriefes zu tun, die nach Hebr 10,34 opferbereite, tiefgläubige Christen mit Heilsgewissheit waren und dennoch bedroht werden? Was du mit „Gefolgschaft“ meinst, bleibt inhaltlich weitgehend unklar, wie auch der Kommentar von Thomas dem Hooligelikalen feststellt.

      Zu Punkt 2: Nun gut, ein Punkt für dich: Paulus sagte in der Tat: forscht nicht nach. Das mildert aber nur das dritte Beispiel, nicht nachzuforschen, ob ungerechte Produktion im Spiel ist. Bei den beiden anderen Punkten muss man nicht nachforschen. Heute verbrauchen wir Ressourcen ganz anders, sodass die Verantwortung für zukünftige Generationen sehr stark ins Blickfeld rückt. Adam und seinen Kindern wurde der Auftrag erteilt, die Erde zu bebauen und zu bewahren. Auch wenn es haufenweise Menschen gibt, die es nicht interessiert, wie unsere Enkel auf einer ausgeplünderten und verseuchten Erde vegetieren müssen, so ist das noch lange kein Beweis, dass das Gebot „Wer etwas Gutes zu tun weiß, und tuts nicht dem ist es Sünde.“ hier nicht anwendbar ist. Jedenfalls wirst du akzeptieren müssen, dass viele Christen kein kurzsichtiges Gewissen haben und nicht so leicht über die Frage hinwegsehen können, was sie späteren Generationen kaputtmachen. Auch Reisen mit Kreuzfahrtschiffen oder Flugzeugen verunreinigen die Luft massiv. Das weiß jeder: da muss man nicht nachforschen.

      Dasselbe gilt für das Thema Verzicht auf Genuss, damit Menschen, die hungern, das Nötige kaufen können, braucht man nicht nachforschen. „Wer etwas Gutes zu tun weiß, und tuts nicht dem ist es Sünde.“ Wieso ist das keine Sünde, wenn wir uns gegen den hungernden Menschen und für den Genuss entscheiden? Der Problemkreis ist schnell erledigt? Schnell verdrängt vielleicht – mehr aber auch nicht! Diese sehr belastenden Fragen werden von dir ignoriert. Dabei können sie bei Gläubigen durchaus die Angst entstehen lassen, dass sie sich mit diesem Verhalten wider besseres Wissen einer „mutwilligen Sünde“ schuldig gemacht haben. Röm 14,15b scheint dies zu bestätigen: wer jemanden verführt, wider besser Wissen Götzenopferfleisch zu essen, hat ihn damit ins Verderben gebracht. Röm 14,23 weitet den Sündenbegriff aus: alles, was mit Zweifeln genossen wird, fällt in dieselbe Kategorie: es kann den Gläubigen ins Verderben bringen. Man könnte diese Sätze natürlich auch sanfter auslegen, der Eindruck der Ausweglosigkeit wird indes durch den Hebräerbrief massiv verschärft.

      Zu Punkt 3: Schon Maleachi beansprucht größere Autorität als Mose, denn er kritisiert die Ehescheidung, die Mose erlaubt. (Mal 2,15) Auch Jesus bricht das Sabbatgesetz um der Liebe willen. Der Geist hat Vorrang vor dem Buchstaben (2Kor 3,6) Das ist Fakt: und ob dieser Ansatz verbreitet ist oder nicht – er ist richtig. Wo dieses Prinzip weiter anzuwenden ist, dazu muss man natürlich versuchen zu verstehen, wie Jesus heute handeln würde… Unmöglich scheint es nicht zu sein: siehe 1 Kor 1,26.

      Weil wir nach 1Kor 1,26 selber urteilen und denken dürfen, habe ich auch die Freiheit über Mt 23,23 mir viele Gedanken zu machen. Du willst mir diese Freiheit nicht zugestehen. Doch wo tauchen diese Maßstäbe eigentlich in deinem Denken und Argumentieren auf? Haben sie in deinem Denken die angemessene Bedeutung? Ich kann es nirgends sehen.

      Die Schublade „Prof Zimmer“ aufzuziehen und mich in dieselbe zu werfen, macht die Diskussion nicht klarer.

      Du kritisierst die Kirche, die „die Abgefallenen“ wiederaufgenommen hatte. Das waren Menschen, die dem Kaiser geopfert hatten, weil man ihnen im Falle einer Weigerung mit Hinrichtung drohte. Und nun alternativ kommen sie nach deiner Meinung alle in die Hölle und werden dort ewig gefoltert? Tatsächlich? Wegen einem Kaiseropfer, das erpresst wurde und nie freiwillig gegeben worden wäre? Das soll mit der Liebe des himmlischen Vaters zu seinen Kindern zusammenpassen: sie vor die Entscheidung einer Hinrichtung oder der ewigen Folter in der Hölle zu stellen? Ist das dein Gottesbild?

      Da ist ja selbst der Islam barmherziger: eine durch Grausamkeit erpresste Absage an den Glauben gilt als nicht gegeben.

      Deine ganze Argumentation offenbart, wie wenig Gedanken du dir um die in Mt 23,23 gebotene Barmherzigkeit machst. Weg aus der Gemeinde, ab in die ewige Hölle, das ist das einzige, was dir zu diesen geschundenen Menschen einfällt. Dabei ist noch nicht einmal sicher, ob du in einer ähnlichen Situation Heldenmut zeigen würdest. Aber dann über Menschen richten, die in Todesangst versagt haben!

      Was du dann noch erzählst über Konstantin und Novatian – ich denke eine Kirche, die von Liebe faselt und zugleich so unbarmherzig ist, ist nicht wert, dass sie existiert. Genauso wie der Hebräerbrief auch: er faselt von Liebe, von Trost und Mitgefühl – ohne sich dafür im geringsten ernsthaft zu interessieren. Warum behaupten eigentlich so viele Bibelausleger wahrheitswidrig , dass die Empfänger des Hebräerbriefes gar keine wiedergeborenen echten Christen waren? Weil sie andernfalls genau diesen Eindruck haben – wie unangemessen und rücksichtlos der Hebräerbrief mit diesen hochverdienten Gläubigen umgeht!

      Die Frage aus dem letzten Kommentar ist auch noch nicht beantwortet: ist das Herzeigen von akademischen Titeln mit der Nachfolge Jesu Christ vereinbar, mit seinem Verbot: ihr sollt euch nicht Meister oder Lehrer nennen lassen? Das Gebot ist nicht unwichtig! Die Pharisäer hatten sich damals auf einen hohen Sockel gestellt. Damit machten sie sich selber die Möglichkeit kaputt, bessere Argumente anzuerkennen. Das Gesicht musste immer gewahrt werden. Mit dieser Einstellung entstehen Denkschulen und Denktraditionen, die Konkurrenz nicht ertragen und auch berechtigte Korrektur zum Schweigen bringen müssen. In diesem Klima erlahmt schließlich die Suche nach der Wahrheit – es geht in erster Linie nur noch um die Verteidigung der eigenen Position. Würden sich alle Bibellehrer konsequent an dieses Gebot halten, dann hätten wir eine fruchtbare und lebendige Gesprächskultur. Und wir wären einen großen Teil der Bevormundung durch ein selbstgerechtes, karrieregeiles Establishment in der Gemeinde endlich los!

  4. 1. Deine Argumentation ist objektiv fehlerhaft, da Paulus selbst in 1.Kor 10 Christen daran erinnert, dass ohne Gehorsam auch sie wie die Exodusgeneration die Heilsverheissungen nicht erben.
    Der Hebräerbrief führt diesen genuin paulinischen Gedanken nur kenntnisreich aus.
    2. Paulus lehrt, dass Menschen mit vertrauendem Gehorsam (hypakoe pisteusin, Ro 1, 5 oder Gehorsam des Glaubens) – kurz Gefolgschaft (pistis) gegenüber dem Messias als Gerechte gelten, als treue Mitglieder im Bundesvolk (dikaiosyne historisch jüdisch) – und zwar ohne Konversion ins Judentum durch Beschneidung (erga nomou, Werke des Gesetzes).
    Diese „neue Paulusperspektive“ macht klar, dass Gehorsam gegenüber der Toraauslegung Jesu als Bestandteil von Gefolgschaft gegenüber dem Messias immer schon heilsnotwendig war,ist und bleiben wird. Und der Hebräerbrief bestätigt den richtig verstandenen Römerbrief und umgekehrt.
    Kurz: die bibeltreuen Evangelikalen predigen dasselbe falsche lutherische Missverständnis wie du.Nur fühlen sie sich verpflichtet, Luthers Irrtümer mittels hanebüchener Auslegung-Eiertänze mit den klar werxgerechten Stellen auszusöhnen, und du brauchst keine Verdrehungen, weil du die Autorität von Gottes Wort sowieso schon verworfen hast: Schriften der Bibel, die dein humanistisches postgelikal-lutherisches Evangelium widerlegen, können einfach ipso facto als unchristlich abgeleht werden.
    Schade: du erkennst, dass du mit einem falschen Evangelium aufgewachsen bist ( der Botschaft von der nicht-Heilsnotwendigkeit von Gehorsam), aber statt zum wahren Evangelium durchzudringen, lehntst du die Texte ab, die den Lutherismus am klarsten widerlegen.
    Christus ist allen, die ihm gehorchen, Urheber ihres Heils. Nichts anderes ist „Gerechterklärung durch Gefolgschaft“. Ach ja: Rechtfertigung durch Glauben, kann es allein schon deswegen nicht geben, weil pistis weder in der Synagoge noch in der antiken Kultur mit „Glaubensüberzeugung allein“ verstanden wurde.
    Matthew Bates „Salvation by Allegiance alone.“

    1. Lieber Bruder Sp.,
      Ich glaube, ich sollte einige Fehleinschätzungen und Missverständnisse ausräumen. Vertrete ich wirklich die Lutherische Rechtfertigungslehre, dass „allein der Glaube genügt“, auch wenn das Tun abscheulich ist? Ich glaube nicht, dass das irgendwo auf der Webseite vertreten wird. Wem das Heil wichtig ist, dem ist auch treue Gefolgschaft zu Jesus Christus wichtig. In der Auseinandersetzung mit den pharisäischen Buchstabenknechten hat Jesus darauf hingewiesen, worauf es ihm besonders ankommt: die wichtigsten Gebote, die in Mt 23,23 beschrieben sind: „Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Verlässlichkeit“. Dieser Ethik fühle ich mich verpflichtet. Wer immer sich unter den Einfluss Jesu begibt, wird diese drei Gebote als Kostbarkeiten sehen und in dieser Überzeugung erstreben. Da diese drei Werte oder Qualitätsmaßstäbe höchsten Rang haben, geben sie Orientierung und deshalb wird auch die Ethik in Übereinstimmung mit ihnen gestaltet.

      Wenn mich Christus zu wirklicher Freiheit (Jo 8,36) befreit hat, wie darf mich dann der Buchstabe zwingen, gegen mein Gewissen zu handeln? Was hat die Freiheit, dem an Mt 23,23 gebundenen Gewissen zu folgen, mit der Schublade des „Humanismus“ zu tun? Jesus hat den Buchstaben des Sabbats gebrochen um der Liebe willen (Mk 2,27-28), die Kritik der Buchstabenknechte hat ihn nicht gestört und der Gläubige darf diesem Beispiel folgen, gerade wenn er dadurch Schaden von anderen abwenden kann. Nur wenn Bibelworte die Bewertung anhand dieser Qualitätsmaßstäbe durchlaufen, können sie ihre heilsame Kraft entfalten. Diese Überlegungen dürfen aber nicht willkürlich nach persönlichen Vorlieben geschehen, sondern immer nur unter Beachtung spiritueller Disziplin. https://matth2323.de/geistliche-disziplin/

      Insofern verstehe ich deinen Vorwurf nicht, dass „ich die Autorität von Gottes Wort sowieso verworfen habe“. Tatsächlich? Du scheinst auf meiner Seite nicht gerade viel gelesen und geprüft zu haben.

      Jetzt mal „Butter bei die Fische“? Was verstehst du denn konkret unter „Gehorsam“? Jak 4,17 hängt die Latte sehr hoch: „Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut’s nicht, dem ist’s Sünde“

      Bereich Eigentum:
      du kaufst einen Kuchen. Jemand anders fehlt aber dieser Geldbetrag, um sich ein Brot zu kaufen, dass ihn vor dem Verhungern bewahrt. Was ist wichtiger? Verzichtest du grundsätzlich auf alle Ausgaben für Genuss, Hobby und Bequemlichkeit, damit möglichst viel Menschen, die sich Nahrung oder Ärzte nicht leisten können, geholfen wird?

      Bereich Umweltverschmutzung:
      du nutzt ein Auto. Das Auto verpestet mit Tausenden anderer Autos die Umwelt. Menschen sterben an Feinstaub und an Umweltkatastrphen durch die Klimaveränderung. Ist es Sünde, ein Auto zu benutzen, obwohl du Fahrrad fahren könntest? Verzichtest du auf Reisen, die mit hohem Energieverbrauch verbunden sind?

      Bereich Unrecht in der Produktion:
      In der Fleischindustrie leiden Tiere Entsetzliches. Isst du nur Fleisch aus artgerechter Haltung oder möglichst gar kein Fleisch? Verwendest du nur Fairtrade-Produkte, damit Arbeiter nicht ausgebeutet werden? Verzichtest du auf den Gebrauch von Handys, Computer und Elektronik, die Kobalt enthalten, das durch Kinderarbeit in Afrika gewonnen ist? Bist du bereit, dich vor dem Kauf eines Produktes zu überzeugen, dass das Produkt nicht aus ungerechter Produktion stammt?

      Es gilt: „Habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf.“ (Eph 5,11) Weiter gilt: „Wer nur ein Gebot übertritt, hat damit das ganze Gesetz gebrochen.“ (Jak 2,17)

      Jetzt ist die Frage an dich: wieviel Gehorsam ist nötig zum Heil? An welchen Standard soll man sich halten, wann darf man sich des Heils sicher sein? Was ist, wenn der Gläubige sagt: es ist mir egal, was mein Verhalten andernorts anrichtet und sich weiter billige T-Shirts oder Elektronik kauft, von der anzunehmen ist, dass sie mit jämmerlich entlohnter Kinderarbeit gefertigt wurden. und er stirbt plötzlich…. ist er dann im Himmel oder in der Hölle, weil der Gehorsam gewohnheitsmäßig unvollständig war? Wo fängt die mutwillige Sünde an?

      Die Latte hängt denkbar hoch: „ihr sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ (Mt 5,48)

      Zu dem von dir empfohlenen Autor Matthew W Bates Ph.D.: was hat ein Doktortitel bei einem Theologen zu suchen? Wo doch Jesus folgendes sagte: „Aber ihr sollt euch nicht Meister nennen lassen; denn einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder. Und ihr sollt niemand euren Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater: der im Himmel. Und ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer: Christus. Der Größte unter euch soll euer Diener sein. (Mt 23,8). Weder Meister, Master, Lehrer, Doktor oder Oberdoktor!

      Hat Bruder Bates das nie gelesen? Soll das jetzt die Art „Gehorsam“ sein, den Jesus erwartet?

      Ist nicht genau das recht typisch für bibeltreue Bibellehrer? Sie haben fast alle ihren Doktor, Master, Professor, Titel, die einen Vorsprung von Autorität erzeugen, sodass das, was ein Mensch ohne Doktortitel sagt, für weniger gewichtig gehalten wird. Auch wenn es dreimal wahrer und konstruktiver ist. Was hat sich Jesus bei dieser Mahnung wohl gedacht? Gar nichts? Ist sein Gebot wirklich so unbedeutend, dass der Gläubige es ignorieren kann, als wäre es nie gesagt worden? Tatsächlich? Oder ist es ein wichtiges Gebot? Macht es Sinn? Ich, der ich nach deiner Einschätzung „die Autorität von Gottes Wort sowieso verworfen habe“, glaube das. Ist es nicht viel besser, man lernt und übt das Argumentieren auf der Basis der Qualitätsmaßstäbe Jesu? Denn was wahr, ist und bleibt wahr, auch wenn es von einem geistig gering ausgestatteten Menschen (διανοητικά καθυστερημένος) gesagt wird.

      Zu Paulus; Wenn man genau liest, dann merkt man, dass er situationsbezogen argumentiert: Seine scharfen Worte in 1.Kor 6 sind eine Reaktion auf Leute, die an Nachfolge gar kein Interesse haben, Leute, die den christlichen Glauben zum Vorwand nehmen, sich in der Gemeinde aufzuhalten, um dort Menschen, die nichts Böses ahnen, umso leichter betrügen und ausnutzen zu können. Das ist wirklich ein Skandal! Ganz anders in Eph 1, im Galaterbrief, wo er gutwillige Christen anredet, denen natürlich der Geschenkcharakter der Erlösung deutlich gemacht wird. Man kann aus diesen Aussagen kein System machen. Wir können uns das Heil nicht durch Wohlverhalten kaufen. Aber Treue und Wertschätzung Jesu und seiner Leitung bleibt das unverwechselbare Kennzeichen des Christen.

      In einem weiteren wichtigen Punkt irrst du auch, nämlich mit der Annahme, dass ich mit einem liberalen Christentum aufgewachsen bin. Auch das zeigt, wie oberflächlich du die Texte dieser Webseite liest. Das Gegenteil ist wahr. Ich bin streng bibeltreu erzogen worden, wurde mit Ethik traktiert, bis mein Gewissen unter dem Ringen um vollständigen Gehorsam zusammenbrach und zu guter Letzt ständig wund wurde. Obwohl ich mir große Mühe gab, alles, was das Gewissen forderte, einzuhalten, war die Heilsgewissheit und Glaubensfreude sehr bald zerstört. Ich wurde psychisch für Jahrzehnte schwer krank Unter „Notfallberichte“ sind viele ähnliche Leidensschilderungen zu finden, von Gläubigen, denen fromme Buchstabenknechte in unangebrachtem Selbstbewusstsein schwerste Lasten auferlegt hatten. Tröstlich ist zu wissen: genau vor diesem überfrommem Wahn hatte Jesus einen tiefen Abscheu. (Mt 23,4)

      Das erkläre mir doch: wieviel Unvollkommenheit darf sich ein Christ leisten, ohne in „mutwillige Sünde“ zu geraten und eine höllische Konsequenz befürchten zu müssen?

      Das Perverse am Hebräerbrief ist die Tatsache, dass er gutwilligsten Christen, die bereits Heilsgewissheit hatten und in der Vorfreude auf den Himmel all ihr Hab und Giut geopfert hatten (Hebr 10,34), dennoch viermal mit der unwiderruflichen Verdammung noch zu Lebzeiten gedroht wird. Wenn selbst diese Menschen bedroht sind, was darf dann der erwarten, der von diesem hohen Niveau weit entfernt ist? (https://matth2323.de/hebraeerbrief-fuer-nicht-bekehrte/)

      Diese Perversität ist in dem thematisch ähnlichen Paulustext in 1.Kor 10, den du zitierst, nicht zu finden.
      Dass dir das nicht auffällt! Immer wieder bestätigen gutwillige und sorgfältige Christen, dass sie ihre Heilsgewissheit durch den Hebräerbrief verloren haben. Auch ein Luther konnte sehr früh dieselbe Erfahrung machen, ohne dass er seine umstrittene Gnadenlehre bereits entworfen hatte.

      Schade, dass Mitgefühl mit den Mitchristen, die durch den „tötenden Buchstaben“ (2.Kor 3,6) geschädigt wurden, bei dir leider so wenig zu sehen ist wie bei dem Verfasser des Hebräerbriefes. Es scheint, dass dich nur theologische Schubladen interessieren: Humanistisch, Postevangelikal, Lutherisch. (άχρηστη ανοησία)

      Interessieren Jesus diese Schubladen auch? Oder interessieren ihn vielmehr die Menschen, gerade diejenigen, die von ihrer pharisäischen Umgebung getriezt, abgelehnt und verurteilt werden?

    2. Lieber Herr Sp.,

      das sind – mit Verlaub- bahnbrechende Erkenntnisse, an denen Sie uns teilhaben lassen !

      Aus 1. Kor 10 lese ich allerdings etwas anderes heraus als Sie… dort geht es um Anbetung falscher Götter und um das eigene Gewissen, das v.a. Rücksicht auf Geschwister haben sollte…
      zudem bekräftigt Paulus dort eine Aussage, die er bereits in 1. Kor 6 verwendete: „Es ist alles erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten“. Stützt dies Ihre Argumentation ?

      Aber vielleicht möchten Sie uns ja ein paar Fragen beantworten, nur damit wir Sie nicht falsch verstehen ?

      Wie verstehen Sie das Ergebnis des Apostelkonzils (Apg 15), wonach die Apostel den Heiden nur noch eine Minimalethik von 4 Geboten auferlegten ? Haben die das Evangelium auch schon nicht recht verstanden ?

      Sie sagen, es sei fürs Christsein notwendig, dass man „Gehorsam gegenüber der Toraauslegung Jesu“ an den Tag legt, korrekt ? Wie sieht das im konkreten Fall denn aus ? Sollen wir jetzt die 623 Ge- und Verbote der Tora in unseren Alltag befolgen oder „nur“ die Teile, die von Jesus in den uns überlieferten Schriften der Evangelien zur Sprache bringt ?

      Hat Jesus, wenn er sich nicht gerade im Disput mit den Pharisäern befand, einzelne Menschen auf ihre Toraobservanz angesprochen ? Oder hat er nicht vielmehr auf die Frage seiner Jünger, wer denn überhaupt selig werden könne, geantwortet mit: „Bei den Menschen ist´s ummöglich, aber bei Gott ist alles möglich.“ (Mt 19,26)

      Das, was der von Ihnen zitierte Herr Bates vertritt, scheint im Grunde nicht viel anders zu sein
      als das im US-amerikanischen Raum schon vor einigen Jahrzehnten entstandene Konzept der Lordship Salvation“, wie mir scheint. (=Errettung durch tätigen Gehorsam) Dieses Konzept geht wohl auch auf den bekannten calvinistischen Bibellehrer John McArthur zurück. (derselbe McArthur, der übrigens auch Corona leugnete… bei Bedarf bitte googeln !)

      Es scheint Menschen zu kitzeln bzw. zu schmeicheln, wenn man Ihnen das Gefühl gibt, an einem exklusiven, überlegenen („Geheim“-)Wissen teilhaben zu lassen, das der Mehrzahl anscheinend verborgen bleibt… Das war schon in der frühchristlichen Gnosis so. Ich möchte Ihnen diese Geisteshaltung nicht unterstellen wollen.

      Jesus gab uns ja die Goldene Regel (Mt 7,12) , welche die gesamte Tora mitsamt Propheten auf den Punkt bringt und Nächstenliebe definiert. Sofern Sie sich mit Ihrem Beitrag nur hierauf bezogen haben sollten, gebe ich Ihnen insofern Recht, als dass diese eine verbindliche Richtschnur für unser aller Leben sein sollte !

      Mit freundlichen Grüßen
      thomas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert