Schützt Überbehütung vor Glaubensverlust?

Ist Überbehütung der beste Schutz vor Glaubensverlust?

Wer von uns weiß nicht, dass es von Vorteil ist, wenn man Infektionskrankheiten wie Masern, Windpocken, Mumps schon im Kindesalter bekommt. Erkrankt man erst als Erwachsener daran, so hat die Infektion oft einen viel schwereren Verlauf. (https://www.bkk-mobil-oil.de/magazin/04-2018/kinderkrankheiten-bei-erwachsenen.html)

Was geschieht nun gar, wenn man ein Kind unter ein Sauerstoffzelt steckt und es in einem sterilen Raum völlig keimfrei aufwachsen lässt? Zweifellos: es gibt Kinder ohne funktionierendes Immunsystem. Sie müssen ihr Leben lang in möglichst keimfreier Umgebung bleiben.

Bei allen anderen Kindern mit Immunsystem aber ist das Einsperren in keimfreie Umgebung sehr riskant. Sobald man es später in die freie Wildbahn entlässt, ist ein lebensgefährlicher Infektionsschock wahrscheinlich. Deswegen wird kein Mensch, der seine fünf Sinne beieinander hat, sein Kind keimfrei aufwachsen lassen. Auch nicht, wenn es sehr fürsorglich aussieht.

Warum erzähle ich das? Gottfried Meskemper, dem Gründer der Bekenntnisschulbewegung in Deutschland, war aufgefallen, dass die Kinder vieler Christen erst mit Freuden in den Jugendkreis der Gemeinde gingen, später aber, als die Ausbildungszeit, die Lehre oder das Studium begann, sehr bald jegliches Interesse am Glauben verloren. Diese Erfahrung war für viele Eltern traumatisch und er fragte sich deshalb, wie man diese – geradezu typische – Entwicklung – verhindern könnte. In seinem Buch „Falsche Propheten unter Dichtern und Denkern“ machte er dafür ein falsches Bildungsideal in der Schule verantwortlich, das junge Menschen lehrte, sich selbst zu verwirklichen und verächtlich auf schlichte biblische Wahrheit herabzublicken. Diese Erklärung hatte so manches für sich, aber sie reichte nicht aus. Denn bei der überwiegenden Zahl der von Glaubensverlust betroffenen jungen Menschen dürfte das Interesse an schöngeistiger Bildung (Goethe, Schiller, Hesse, Brecht usw.) verschwindend gering sein.

Nun gehört aber zur Reifung eines Menschen schon eine gewisse innere Selbständigkeit. Genauso wie man sich vom Elternhaus lösen muss, so wird der junge Mensch auch die Traditionen, die ihn bisher begleitet haben, auf den Prüfstand stellen wollen.

Und eben das wird ihm in der evangelikal-bibeltreuen Tradition verwehrt. Es wird sofort Druck gemacht: sei still. Darüber spricht man nicht, so darfst du nicht denken, das Motiv für dein Fragen kann nur Hochmut sein usw. In ihrem Wunsch nach Überbehütung hat die evangelikale Tradition ihn quasi unter einem keimfreien Sauerstoffzelt aufwachsen lassen.

Nun geht er allein in die Welt und da erwartet ihn der totale Schock. Wo immer er zaghaft für seinen Glauben einzutreten versucht, kommt zutiefst verunsichernde Information zurück. Die gut informierten Studienkollegen sagen ihm: du kennst deine eigene Bibel nicht. Lies mal dies, lies mal das. Sieh doch genau hin, wie unglaubwürdig der Glaube an die Bibel ist. Merkst du nicht, was aus dir geworden ist? Genauso wie Menschen vor brutalen Diktatoren wie Kim Jong Il servil auf den Knien rutschen und ihnen lobhudeln, weil sie sich davon persönliche Vorteile versprechen, so hast du deinen religiösen Führerkult, verbreitest Propaganda und stellst dich taub, wenn man von dem sprechen will, was alles an Perversem so nebenbei geschieht: 4.Mose 31,17-18  Massenmord an Kindern / 5.Mose 21,10-14  Sexsklaverei / 5.Mo 25,11-12 Frauenfeindlichkeit / 1.Sam 21,1 ff  Rechtsbeugung / Hebr 10,26 seelische Erpressung / Offb 14,11 unüberbietbare Grausamkeit! Da soll eine positive Absicht dahinterstecken? Sollen wir alle auch so werden wie du:  ein psychisch defekter Mensch, der unter dem Stockholm-Syndrom leidet,  der sich von einem übermächtigen Diktator einschüchtern lässt, sich ihm rückratlos  und servil mit Ja-Sagerei und Lobhudelei anbiedert und wunschgemäß bei Unrecht wegguckt? Sollen wir etwa auch so werden wie du: von Wahrhaftigkeit reden und nicht einmal wissen was das ist? Hör bitte auf uns zu manipulieren und arbeite erst einmal an dir selber.“

Und der junge Mensch hört auf. Was kann er sagen? Soll er sagen, was man ihm beigebracht hat: Wir müssen diesen Brocken grausamer Bibelstellen eben „demütig“ schlucken, wir müssen ihn „gut und richtig“ finden, sonst können wir nicht in den Himmel kommen…? Müssen wir das? Auch wenn man daran fast erstickt? Viel wahrscheinlicher ist, dass immer mehr von dem, was er über den Glauben gelernt hat,   allmählich aus seinem Denken verschwindet. Eines Tages ist es weg, weil er in seiner Gemeinde nie lernen konnte, das Unverdauliche in der Bibel sinnvoll und überzeugend einzuordnen, sodass es nun alles, was darin  lieb und gut und wahr ist, relativiert. Haben wir wirklich nicht mehr dazu zu sagen als den Satz: „der Führer wird schon wissen, was er tut“?

Das ist der Bärendienst, den die evangelikal-bibeltreue Theologie viele Jahre jungen Menschen erwiesen hat mit einer sterilen Aufzucht unter einem geistigen Sauerstoffzelt. Sie hat uns feierlich versprochen, dass  der Glaube durch Verteilen von Maulkörben stabiler werden würde. Stimmt das tatsächlich?

Deswegen ist es  ja sogar für manche erwachsenen Geschwister, die immer unter diesem Zelt lebten, so ungeheuer schwierig, sich auf das Nachprüfen biblischer Aussagen einzulassen. Sofort entsteht eine blinde, ja panische Angst, dass der Glaube irreparabel beschädigt werden könnte. Ist das wirklich so? Lässt uns Gott wirklich mit diesen grausigen Bibelstellen so schrecklich allein?

Warum fragen wir nicht: was sagt die Bibel selbst dazu?

Jesus fordert uns auf, ihn zu prüfen (Jo 8,46). Er konnte sich eine Prüfung leisten. Das Gesetz selbst fordert uns auf, das Gesetz zu prüfen. (5.Mo 4,8). Das Gebot „Prüfet alles“ (1.Thes 5,21) bezieht sich also keineswegs nur auf Aussagen außerhalb der Bibel. Was wird das Ergebnis einer gründlichen Prüfung sein? Meist werden  wir  in der Bibel etwas finden, was unser inneres Leben kräftigt, was Nahrung für uns ist. Diese Texte können wir sofort glauben und anwenden.  Aber ab und zu stoßen wir auch auf andere Texte, die unverdaulich erscheinen und den Glauben schwächen. Diese selten vorkommenden Texte scheinen eine  Art IMPFSTOFF zu sein. Sie lösen eine allergische Reaktion aus: „Das darf doch nicht wahr sein. Jesus hätte das niemals gesagt… “ . Die gesunde Reaktion eines Menschen mit funktionierendem Immunsystem. Eine Reaktion, die von Gott offenbar beabsichtigt ist. (Luk 9,54-55). Überhaupt entdeckt man bei genauem Hinsehen, dass viele Bibeltexte offenbar sehr spezielle Funktionen haben und höchst unterschiedliche Aufgaben erfüllen können.

Eins ist für mich absolut sicher. Jesus hatte keine unzuverlässige, gespaltene Persönlichkeit wie sie von der zweideutigen Romanfigur Dr. Jekyll und Mr Hyde verkörpert wird. „Das ist die frohe Botschaft: Gott ist Licht und es ist keine Finsternis in ihm!“ (1.Joh 1,5) Keine Zweideutigkeit! Auf die Liebe Jesu kann man sich wirklich verlassen. „Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Verlässlichkeit“ (Matth 23,23) sind für ihn die wichtigsten Gebote, denen sich alles andere unterzuordnen hat. Er hat Charakter und wünscht sich dasselbe auch für seine Jünger.

Wie können wir da meinen, dass es ihm gefallen könnte, wenn wir vor der Bibel auf dem Bauch kriechen wie vor einem Diktator, ihr gegen unsere Überzeugung nach dem Mund reden, einfach weil Gott uns mit schrecklichen Strafen bedrohen kann und auch das beste Zuckerbrot hat? „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen!“ (Jes 5,20) Hand aufs Herz: hätten alle Bibellehrer an diesem Satz festgehalten von Anfang an, und das Bösartige in der Bibel nicht als Nahrung, sondern als IMPFSTOFF verwendet, so hätte es die blutige Kriminalgeschichte des Christentums nie gegeben. Eine Kriminalgeschichte, in der selbst tiefgläubige Menschen wie Martin Luther auf schrecklichste Weise mitschuldig geworden sind.

Jesus Christus ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit.“ (Hebr 13,8) Jesus ist mit Sanftmut und Demut zu uns gekommen. (Mt 11,29) Obwohl er es nicht nötig hätte. Deshalb will er überzeugen und nicht zur Anpassung erpressen. Weil er uns liebt, nimmt er uns ernst – auch mit unseren Einschränkungen, Zweifeln und Begrenzungen. Wir dürfen eine eigene Überzeugung nach bestem Wissen und Gewissen haben und sie auch in der Gemeinde vertreten, ohne dass wir einander mundtot machen müssen.

Es kann nicht stimmen, dass aufrichtiges Nachdenken und Prüfen den Glauben gefährdet. Diese Ansicht stammt aus dem falschen Eifer von Theologen, denen ihr Einfluss wichtiger ist als alles andere. Aber auch wenn die Gemeinde Zulauf haben mag und sich selbst als „geistlich gesund“ präsentiert – es bleibt ein Eigentor. Denn die vielen Tausende von Menschen, die nach einem guten Anfang dem Glauben endgültig aus Überzeugung den Rücken gekehrt haben, zählt vorsichtshalber niemand.

Wird der Glaube mit Wunschdenken und Verdrängung geschützt, so wird er im Kern immer unsicher bleiben. Gerade weil ich Jesus vertraue, weiß ich: wir sind zur Herrlichkeit berufene Kinder Gottes und kein gegängeltes, gedankenloses Stimmvieh.

Artikel aktualisiert am 27.01.2022

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert