Die Ohnmacht gegenüber der Sekte

Destruktive Glaubensgemeinschaften sind keine Clubs mit speziellem religiösen Hobby. Sie streben nach Einfluss und Wachstum. Sie versuchen, spirituelle Bedürfnisse insbesondere junger und leicht beeinflussbarer Menschen für sich zu nutzen, um sie in ein System hineinzulocken, in dem selbständiges Urteilen und Prüfen kaum noch möglich ist. Man arbeitet darauf hin,  dass sich  Beziehungen zur Familie und zu früheren Freunden auflösen, um Einflüsse abzuwehren, die sich der seelischen Erpressung, der Verwertung der kostenlosen Arbeitskraft und des Einkommens der Mitglieder in den Weg stellen könnten.

Die Anwerbung kann an jedem Ort stattfinden, in der Schule, in der Ausbildung, auf dem Arbeitsplatz oder gar an der Haustür. Es ist ein grausames Erwachen, wenn Eltern zu spät feststellen, dass ihr Kind schon lange Zeit unter den Einfluss einer destruktiven Glaubensgemeinschaft stand und nun für alle Warnungen taube Ohren hat.

Deswegen ist es sinnvoll, junge Menschen schon früh gegen religiöse Destruktivität zu immunisieren. Vorbeugen ist viel besser als Heilen.

Doch wie kann das geschehen?

Es leuchtet ein, dass eine Immunisierung nicht funktioniert, wenn der, der sie praktizieren will, selber manipulative und bevormundende Methoden verwendet.

Viele der Schriften, die in bibeltreuen Gemeinden ausliegen und über Sekten informieren wollen, konzentrieren sich hauptsächlich auf die Abweichungen in der Dogmatik. Genügt das wirklich, um eindeutig destruktive Glaubensgemeinschaften in Frage zu stellen?

Ist es erstaunlich, wenn jemand, der sich auf diese Weise mit einer Sekte auseinandersetzen will, gar nichts erreicht?  Das regelmäßige Ergebnis ist ein Patt. Aussage steht gegen Aussage. Eine Fortführung des Gesprächs ist dann nicht mehr sinnvoll. Dieses Ergebnis ist ganz im Interesse der Sekte, die sich mit abweichenden Ansichten nicht befassen will.

Die Bibel gibt hier einen guten Rat an die Hand: „Was belehrst du andere und belehrst dich selber nicht?“ (Rö 2,21)

Wer wünscht, dass ein Mensch, der in destruktiver Theologie gefangen ist, anfängt, es für möglich zu halten, dass das, woran er fest glaubt, doch etwas anders sein könnte, der muss bei sich selbst anfangen.

Es ist schlimm, wenn gerade evangelikale Glaubensgemeinschaften, die sich als Gläubige mit besondere Nähe zur Bibel einschätzen, das Recht des Gläubigen „alles zu prüfen“ (1.Thes 5,21) und im Sinne Jesu zu beurteilen (1.Kor 2,15), mutwillig verkürzen.

Ist es wirklich hilfreich, wenn Gläubige lernen, panisch zu reagieren, wenn an bestimmten Punkten genau hingesehen wird?  Immer noch gedeiht eine Kultur des Selbstbetruges, der Bevormundung und der Anpassung, von der sich gerade viele wortführende Evangelikale gar nicht oder nur sehr zaghaft distanzieren. Wie kann man mit einem so weichen Rückgrat, einem so eingeschränkten Urteilsvermögen der Meinung sein, Autorität in der Beurteilung fragwürdiger Glaubensgemeinschaften zu haben?

Wir brauchen aber für unsere Aufgabe, für den Schutz vor theologischer Destruktivität, Überzeugungskraft. Wir brauchen dringend starke Argumente, die aufdecken und entlarven. Deswegen müssen wir genau hinsehen – erst recht bei der Grundlage unseres Glaubens, der Bibel. Denn es gibt gute Gründe für die Autorität der Bibel und schlechte Gründe, Eigenschaften, die die Bibel tatsächlich hat, und solche, die ihr angedichtet werden, usw. usf.

Wenn wir uns mit großen Persönlichkeiten in der Geschichte befassen – wie mit König David oder mit Martin Luther – so so gilt dasselbe. Wir sollten wir hüten, die historische Wahrheit mit Idealisierungen und Wunschvorstellungen „nachbessern“ zu wollen. Unredliche Manipulationen verbessern nicht – sie schaden. Wir haben das Gute zu würdigen an Menschen, auch wenn sie uns ansonsten nicht gefallen sollten. Wenn umgekehrt Menschen uns beeindruckt und begeistert haben, so dürfen wir dennoch ihre dunklen Seiten nicht herunterspielen.

Ohne Rücksicht darauf, ob es etablierten Theologen oder unseren Lesern schmeckt oder nicht. Denn die halbe Wahrheit ist immer eine ganze Lüge. Die Halbwahrheit, die wir pflegen und hegen, die wir dulden und gegen deren Korrektur wir uns sträuben, ist sehr oft das Hintertürchen, durch die der „Vater der Lüge“  (Jo 8,44), das Teuflische, unbemerkt hineinkommt. Schaffen wir den Sauerteig der Halbwahrheiten weg, der Ideologie und Scheinglauben, aber niemals echtes Vertrauen zustandebringt!

Das was wir mit eigenen Augen gesehen haben… berichten wir euch.“ (1. Joh 1,1) Nichts dazu erfinden und nichts Wichtiges weglassen. (Offb 22,19) Nicht Böses gut nennen, und nichts gut, was fragwürdig ist. (Jes 5,20)

Wenn wir den Geist Christi haben, dann können und dürfen wir urteilen und unser Urteil wird Überzeugungskraft haben. „Ein Mensch, der den Geist Gottes empfangen hat (und sich von ihm leiten lässt), kann richtig und zuverlässig urteilen und muss nicht befürchten, dass sein Urteil von jemand anders in Frage gestellt wird.“ (1.Kor 2,15)

 

 

Artikel aktualisiert am 14.03.2020

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