Vergleich der Inspirationsmodelle:
Buchstabenorientiertes Inspirationsmodell (Verbalinspiration / Chicago-Erklärung) versus prioritätenorientiertes Inspirationsmodell (Bibeltreue Update 2.0)
Die folgende Grafik veranschaulicht den Vergleich der traditionell-bibeltreuen Irrtumslosigkeitsdoktrin (Chicago-Erklärung) mit dem prioritätenorientierten Inspirationsmodell. (pdf-Datei im Hochformat)
Die Hälften der Grafik werden nacheinander gezeigt:
Prioritätenorientiertes Inspirationsmodell oder
Welches Denkmodell hat größere Überzeugungskraft ?
Verbalinspirationsmodell (Chicago-Erklärung):
Jedes Bibelwort ist vollkommen, absolut richtig, fehlerlos und von göttlicher Qualität.
Einzig mögliche Ausnahme: alle minderwertigen Aussagen sind ausnahmslos deutlich als Meinung fehlbarer Menschen oder des Satans markiert.
Wäre es nicht so, könne niemand mit Sicherheit wissen, ob Aussagen menschlich oder göttlich seien.
Dunkle Bibelstellen, die auf einen bösartigen, unbarmherzigen, teuflischen (so Luther!) Charakter Gottes schließen lassen, muss der Gläubige verdrängen, obwohl ihre Gültigkeit und Vollkommenheit nicht angezweifelt werden darf.
Die Bibel unterscheidet selbst zwischen Aussagen mit höchster und mit weniger wichtiger Bedeutung. Die Gebote der Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Treue und Redlichkeit (Mt 23,23) haben die konkurrenzlos höchste Bedeutung und stehe daher als Maßstäbe für die Einordnung und Bewertung anderer Bibelstellen und sowie Bibelinterpretationen zur Verfügung. Der Gläubige hat nicht nur die Möglichkeit sondern das Recht und die Pflicht, mit Hilfe des heiligen Geistes und dieser Maßstäbe solche Bewertungen vorzunehmen. „Er beurteilt ALLES.“ (1.Kor 2,16) Auf dieser Weise wird der Rang aller anderen Bibelstellen festgestellt und Gläubige kommen zu weitgehender Übereinstimmung in der Interpretation aller hochrangigen Aussagen. Wie Jesus sagte, entsteht Gewissheit über die göttliche Herkunft dieser Aussagen durch die praktische Anwendung und die damit verbundene positive Veränderung des Charakters. „Wer das tut, was Gott will, der wird innewerden…“ (Joh 17,7)
Bei niederrangigen Schriftstellen kann es bisweilen starke Unterschiede in der Interpretation und Bewertung geben, auch Verunsicherung und viel Unklarheit. Hier können und sollen Gläubige nur das tun, was schon Rupertus Meldenius so einprägsam formuliert hat: Im Notwendigen Einheit, im Zweifelhaften Freiheit, in allem aber die Liebe.
Eine Verpflichtung Gottes, nicht-göttliche Aussagen in die Bibel deutlich zu markieren, ist eine theologische Theorie, für die es keine Beweise gibt.
Destruktive Schriftstellen können und dürfen nicht angewendet werden, insofern kann ihre göttliche Herkunft nicht mit der von Jesus empfohlenen Methode festgestellt werden. Es bleibt offen woher sie stammen. Der Gläubige hat die Freiheit, sich von ihnen unter Berufung auf Mt 23,23 zu distanzieren. Auf diese Weise entsteht eine widerspruchsfreie, konsequent positive Vorstellung vom Charakter Gottes, was von erheblicher Bedeutung für die seelische Gesundheit des sorgfältig lesenden Gläubigen ist.
Eine genaue Untersuchung zeigt, dass es zu allgemeingültig scheinenden Aussagen der Bibel (die die Worte „Jeder“, „alles“, „niemand“, „nichts“ verwenden) einzelne Ausnahmen geben kann (biblischer Pauschalstil). Deshalb ist es nicht möglich, aus der Bibel selbst einen Beweis für ausnahmslose Fehlerlosigkeit oder Göttlichkeit, der destruktive Stellen zwingend einschließt, herzuleiten.
Manche Gläubige reagieren auf das Update-Modell, das ihnen tieferes Nachdenken nahelegt, allergisch und fühlen sich in ihrem Glauben verunsichert, andere könne mit der Chicago-Erklärung nicht leben, die ihnen Verdrängung nahelegt.
Es wäre lieblos und destruktiv, dem andersdenkenden Mitchristen seine Sicht aufzuzwingen, die dessen Seele überfordert. Leider wird das sehr oft getan – ohne Rücksicht auf die Folgen.
Wenn man ein Medikament verteilt, dann ist ein Beipack-Zettel dabei. Man kann sich über das Risiko informieren. Manches Risiko lässt sich vermindern, wenn die Medizin in einer anderen Form gegeben wird. Bei Unverträglichkeit muss mancher auf ein ganz anderes Medikament umsteigen. Darüber muss ein Beipackzettel ehrlich informieren.
Leider sind Theologen selten so verantwortungsbewusst als die Pharmaindustrie. Viele wollen und können sich einem ehrlichen Vergleich nicht stellen, aus Angst, Gläubige könnten dem eigenen Einfluss verlorengehen. Deshalb wird so getan, als ob es nur die eigene Sicht gäbe. Evt. destruktive Folgen werden verdrängt.
Wir stellen hier Vor- und Nachteile beider Modelle einmal nebeneinander:
Vorteile des Verbalinspirationsmodells (Chicago-Erklärung) sind beispielsweise:
große Schlichtheit, Eignung auch für geistig behinderte Menschen, schnelle Erlangung von Sicherheitsgefühlen, einfaches Immunisieren gegen materialistische Bibelkritik, „holzschnittartige“ Vertiefung der Grundwahrheiten des Glaubens.
Nachteile des Verbalinspirationsmodells im ungünstigen Fall:
Angst vor unbekannten Fakten, die schlecht ins gewohnte Denken passen, Bevorzugung längst bekannter, ewig wiederholter Inhalte, selektives Beobachten, Vorrang des emotionalen Gewinns bei der Bibellese, unzureichend ausgebildete Schriftkenntnis, weil problematische Texte von vornherein aus der Lehre ausgeklammert werden, Neigung zu buchstabenlastiger Interpretation ohne Rücksicht auf schädliche Nebenwirkungen, Unfähigkeit, belastende Fragen, die schlecht beantwortet sind, als solche zu erkennen und längere Zeit nach einer Lösung zu suchen, Neigung, sich stattdessen mit Propaganda zufriedenzugeben, Neigung zu Unterbewertung und mangelnde Übung der Urteilskraft, wenig Förderung der Fähigkeit zu sachlicher und charakterlicher Selbstkritik, Vergewisserung durch blindes Vertrauen in Glaubensvorbilder und Gemeindetradition, wenig Respekt vor individueller persönlicher Überzeugung, wenig Sensibilität für Überforderung und Gefährdung ängstlicher Gläubiger, Eindruck von Unehrlichkeit und Selbstbetrug bei Außenstehenden, insbesondere bei Anhängern anderer Religionen, usw., Gewinn von Sicherheit durch starken Konformitätsdruck in der Gemeinde, Neigung zum Gebrauch unfairer Methoden mangels Überzeugungskraft, Wahrnehmung von Gläubigen mit abweichender Bibelinterpretation als Bedrohung, Neigung emotionale Sicherheit durch Abspaltung von andersdenkenen Gläubigen wiederherzustellen.
Vorteile des prioritätenorientierten Inspirationsmodells (Update 2.0) sind:
Nachhaltige Entkräftung von Bibelstellen mit destruktiver Wirkung, Bindung an die Qualitätsstandards Jesu statt an den Buchstaben, Wachsamkeit bei destruktiven Interpretationen, keine Angst vor unbekannten Fakten, gründlichere Erkundung der Schrift, Stärkung der Urteilskraft und Selbsterkenntnis, dem eigenen Gewissen verpflichtetes Denken, das sich nicht durch Tradition und Gruppendruck einschüchtern lässt, Beachtung auch der Nöte, die nur wenige Gemeindeglieder betreffen, Förderung der Charakterbildung, Respektieren der Gewissensentscheidung anderer, liebevolles Ertragen von Unterschieden in nebensächlichen Fragen, Anerkennen der Fehlerlosigkeitsdoktrin nicht als Monopol, aber als legitime Alternative des Schriftverständnisses, Sensibilität für die emotionalen und intellektuellen Begrenzungen von Ratsuchenden, Aufrichtigkeit gegenüber Außenstehenden,
Nachteile des prioritätenorientierten Inspirationsmodells (Update 2.0):
Das Update wird von Gläubigen, die glauben, ein einziger Fehler würde die Bibel unglaubwürdig machen (angebliches „Pullover“-Prinzip: Löse einen Faden – alles löst sich auf) als Verunsicherung empfunden. Diese Befürchtung ist jedoch nur plausibel, wenn der Glaube nicht mehr als eine andressierte Weltanschauung ist. Andernfalls trifft sie nicht zu. Der Glaube ist eben nicht auflösbar „wie ein Pullover“ – er beruht auf lebendiger Kommunikation mit dem lebendigen Gott, der über dem Glauben wacht (Heb 12,2). Manche Gläubige befürchten, mit einem Update der materialistischen („liberalen“) Bibelkritik den kleinen Finger zu reichen. Dies lässt sich aber zuverlässig verhindern durch Regeln der geistlichen Disziplin bei der Bibelauslegung: nicht Vermehrung des Wissens hat Vorrang bei der Schriftauslegung, sondern Förderung der Selbsterkenntnis, des Charakters und der Liebe.
Wenn dem Leser noch weitere Nachteile aufgefallen sind, die wir vergessen haben, so hat er die Möglichkeit, uns einen Kommentar oder Mail zu schicken.
Es ist unser Anliegen, dass für angefochtene Gläubige, die ihre zweideutige Gottesvorstellung nicht überwinden können, ein anderer Lösungsweg offengehalten werden muss. So wie parallel zu einem risikobehafteten Medikament möglichst eine Alternative verfügbar sein sollte.
Nicht ein bestimmtes Schriftverständnis wirkt automatisch verheerend, sondern Monopolismus, Bevormundung und Gewissenszwang ohne Rücksicht auf Unverträglichkeitsreaktionen.
Leider wird von vielen Vertretern der Irrtumslosigkeitsdoktrin (Verbalinspiration) unbeirrt und z.T: wider besseres Wissen behauptet, dass „es keine tragfähige Alternative zur Irrtumslosigkeitsdoktrin“ geben könne. Man beruft sich dabei auf eine theologische „Wissenschaft“, die sich von vornherein weigert, besser begründbare Alternativen öffentlich zu diskutieren. Wenn du an unserer Beobachtung zweifelst, dann schicke doch mal unseren Link dorthin und teste die Reaktion!
Meine Frage passt eigentlich nicht zum Thema. In letzter Zeit denke ich viel über den Götzendienst / die Götzenanbetung nach…
Liebe Schwester M,
Danke für Ihr Vertrauen, dass Sie uns geschrieben haben. Wenn sich ein Schreiben nur schwer einem unserer Beitrag zuordnen lässt, dann kann man es über unter Kontaktformular (https://matth2323.de/kontakt/) abschicken. Es erscheint dann dieser Webseite entweder als eigener Beitrag unter dem Menüpunkt “Blog” oder unter den Notfall-Berichten (https://matth2323.de/notfall-berichte/). Ihr Beitrag wurde unter „Blog“ (https://matth2323.de/blog/) eingeordnet und hat nun den Titel „Schwester M – Ist Freude an schönen Dingen Götzendienst?“ (https://matth2323.de/schwester-m-ist-freude-an-schoenen-dingen-goetzendienst/) Eben dort sind auch Kommentare zu Ihrem Beitrag zu finden.
Erst heute, 29.09.2022 entdeckt – vielen Dank und liebe Grüße! M.