Wie ist Gott?

Welches Gottesbild vermittelt die Bibel? Wie die Bibel selbst sagt, soll der Gläubige ein gutes und wohltuendes Gottesbild entwickeln. (Ps 17,15) Gott legt Wert darauf, dass Menschen ihn loben und von seinen guten Eigenschaften berichten. (Ps 40,4 / Mt 21,16 / Eph 1,12)

Wie kann es dann sein, dass die Bibel bei manchen Gläubigen ein frustrierendes und entmutigendes Gottesbild entstehen lässt?

Biblische Texte weisen erhebliche Unterschiede in der Qualität auf. Bewertet der Gläubige alle Aussagen der Bibel mit dem übergeordneten Maßstab Jesu (prioritätenorientiertes Bibelverständnis), so bleiben problematische Bibelstellen unschädlich und es bildet sich ein eindeutiges und gutes Gottesbild.

Geht er aber davon aus, dass alle Sätze der Bibel als irrtumslos und hochwertig gelten sollen (Chikago-Erklärung), so lässt sich der Konflikt nicht auflösen. Dann kann ein zweideutiges, bedrohliches Gottesbild entstehen. Diese Zweideutigkeit kann dann dazu führen, dass selbst  eifrige und sorgfältige Gläubige keine Glaubensfreude bilden können, sondern sich ständig bedroht und überfordert sehen. Auch junge Menschen können in diese Not geraten, wenn sie viel in der Bibel lesen.

Buchstabenhörige Theologen bestreiten das und behaupten unbeirrbar, dass die Ursache für religiöse Depression niemals in der Kritikwürdigkeit mancher Sätze, sondern grundsätzlich in seelischer Überempfindlichkeit oder depressiver Veranlagung zu suchen ist. Menschen, die durch Lesen der Bibel in seelische Not geraten, kann man nur an die Psychiatrie verweisen, wo ihre ihre Ängste  durch Verabreichung von Psychopharmaka gemildert werden.

Dabei ist es nicht schwer, Nachweise für ein widersprüchliches Gottesbild zu finden.

Zunächst die gute Seite. Einerseits erfahren wir aus der Bibel, dass Gott wunderbare Eigenschaften hat, die wir vor allem an Jesus, dem „Menschensohn„, konkret erkennen. Jesus sagte: „wer mich sieht, der sieht den Vater.“ (Joh 14,9): Gott, der Vater im Himmel, ist die Liebe selbst  (1.Joh 4,8), er liebt Barmherzigkeit (Eph 2,4) und Gerechtigkeit. (Ps 11,7)  Er lügt nie (Num 23,19) und seine Zusagen sind zuverlässig. (Luk 18,7) Er vergibt gerne alle Schuld (Joh 1,9) mag sie auch noch so groß sein (Jes 1,18), und macht frei vom bösen Gewissen (Hebr 9,14), ist jedem Menschen wohlgesonnen und gibt keinen Menschen auf (Klag 3,31-33), ist gütig und freundlich (Ps 119,168), schenkt vollkommene Freude (Joh 15,11) und gibt der Seele große Kraft (Ps 138,3), tröstet und hilft in der Not (2.Kor 1,4), und ersetzt die Angst vor dem Tod durch Hoffnung auf eine ewige Heimat danach (1.Pet 4,1-9). Diese Charakterzüge werden durch die Mehrzahl biblischer Texte bestätigt.

Aber es gibt auch eine „andere Seite“.  Viel seltener gibt es problematische und deprimierende Aussagen in der Bibel, die den guten Charaktereigenschaften Gottes zu widersprechen scheinen. Die Frage, warum es sie gibt und warum sie in der Bibel stehen, wird schwer zu beantworten sein.

Doch wir können sie entschärfen, wenn wir dem Gläubigen das Recht zugestehen, sie mit dem übergeordneten Maßstab der Barmherzigkeit (Mt 23,23) und mit Hilfe korrigierender Bibelstellen zu „reparieren“. Jeder Gläubige hat göttlichen Geist empfangen und versteht deshalb sehr gut, was der Liebe entspricht und was konstruktiv ist. (1.Kor 2, 12-16!) Hier habe ich eine Übersicht der „Stolpersteine“ zusammengestellt:

Fundstelle Inhalt Charakter Gottes? Mögliche Korrektur entsprechend dem Maßstab der Barmherzigkeit
1) Hebr 11,32 1) Der neutestamentliche Brief lobt Jephta als Glaubensvorbild, der ein abscheuliches Gelübde abgab und es erbarmungslos an seiner Tochter vollstreckte. 1) Durch dieses wenig passende Beispiel erscheint Gott als erbarmungsloser Pedant, der Menschen zwingt, Versprechen einzuhalten, auch wenn sie zu sinnloser Zerstörung führen, also als ein Gott, dem sterile Prinzipien viel wichtiger sind als der Gedanke, verirrte Menschen auf einen heilsamen Weg zurückzuführen. Dass das Gesetz der Meder und Perser dem König zwang, sein Wort einzuhalten, führte dazu, dass er seinen treuen Beamten Daniel den Löwen zum Fraß vorwerfen musste. (Dan 6,14-18). Kann man daraus wirklich nichts lernen? 1) Unbarmherzige Gelübde sind bei einem Gott, der Barmherzigkeit als wichtigstes Gebot nennt (Mt 23,23), null und nichtig. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses (Rö 13, 10) „Andererseits steht geschrieben„: (Mt 4,7) Der Christ ist frei vom Gesetz (Rö 7,6), wirklich frei (Joh 8,36). Die Liebe ist seine einzige Aufgabe und Verpflichtung (Gal 5,14). Die Jephta-Geschichte ist ein typischer Text im „No-comment“ – Stil
2) Hebr 10,26 – 27 2) Bei “mutwilliger Sünde” gibt es keine Vergebung mehr 2) Trotz der Verheißung, dass der  Gläubige nicht mehr in Angst leben muss (Luk 1,74 / Hebr 2,15), weiß der Gläubige nie, ob ihn nicht eine Sünde zuviel in die Hölle bringt. Paulus scheint anzudeuten, dass bereits eine relativ kleine Sünde, nämlich der Verzehr von Götzenopferfleisch mit schlechtem  Gewissen zum Verlust des Heils führen kann. (1.Kor 8,11). Wie ist hier Jakobus einzuordnen, der warnt (Jak 4,17), Sünde auf sich zu laden, indem man das Gute, das man zu tun weiß, nicht tut?  Wie kann der Gläubige sicher sein, dass fortgesetzte Untätigkeit in einer Sache nicht auch als „mutwillige“ Sünde gelten und  unverzeihlich sein kann? Auch Luther wies darauf hin, dass der Hebräerbrief zu starker Verunsicherung führen kann. 2) Können wir die Warnung als „Perspektivstil“ einordnen? Die Adressaten des Hebräerbriefes sind Gläubige, die viel für ihren Glauben gelitten haben (Hebr 10,34) und die zum Durchhalten aufgerufen werden, indem das schrecklichere Schicksal eines gottlosen Lebens vor Augen geführt werden soll. Doch hat diese Absicht zu einem sehr missverständlichen Ergebnis geführt. Wir alle haben täglich mit viel Sünde zu tun, die sich nicht selten sogar in unseren vermeintlich guten Taten versteckt (Jes 64,5), und das sollten wir ehrlich zugeben. (1Joh 1,8-10) Indes reicht die Gnade Gottes aus, schwerste Sünden zu bedecken, vorausgesetzt der Mensch möchte einen neuen Anfang. (Jes 1,18) Für Gott ist es eine Frage der Ehre, die Herrlichkeit seiner Gnade zu zeigen (Eph 1,16), die jeden Morgen neu ist. (Kla 3,23) Liebe ist das einzige erlaubte Motiv des Tuns (1.Kor 13). Wer sich den Himmel verdienen will, schätzt Gottes Gnade gering und das Opfer seines Sohnes als sinnlos ein (Gal 2,21)
3) 1.Tim 5,11-12 3) Frauen, die das Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt haben, „stehen unter dem Schuldurteil, die Treue gebrochen zu haben„. Der Gedanke liegt nahe, dass dieses Schuldurteil bis zum Lebensende fortbesteht und als „mutwillige Sünde“ gewertet werden kann, solange die geschlossene Ehe nicht wieder aufgelöst wird. 3) Gott erscheint als herzloser Pedant, der Gläubige aufgrund eines unüberlegt gegebenen Versprechens lebenslang zu quälender Ehelosigkeit zwingt. Dies widerspricht der Zusicherung, dass der Zugang zum Heil ohne Verdienst erworben wird. (Rö 3,24), und dass der Gläubige nicht mehr unter dem Gesetz steht (Rö 6,14) Bleibt der Widerspruch bestehen, so erscheint Gott als scheinheilig und unberechenbar, weil er Freiheit verheißt (Joh 8,36) und durch die Hintertür dem Gläubigen doch wieder gesetzliche Erpressung auflädt. 3) Sehr unvorteilhafte Formulierung des Paulus, die aber durch vernünftige Übersetzung aufgefangen werden kann: Statt „sie stehen unter dem Schuldurteil, die Treue gebrochen zu haben„, sollte man besser übersetzen „sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihr Wort nicht halten konnten„. Dieser Text gehört zu den „auflösungsfähigen Ärgernissen
4) 1.Tim 3,4-5 4) Älteste sollen ihre Familie in Ordnung halten, gehorsame Kinder haben, um sich für ihr Amt in der Gemeinde zu qualifizieren. 4) Versteift man sich ganz auf den  buchstäblichen Sinn, so muss ein Pastor, dessen Familie von Schicksalsschlägen heimgesucht wird (Sohn wird drogensüchtig oder rebellisch, Frau verlässt ihn) zugleich auch sein Amt aufgeben. Hier erscheint Gott als jemand, der einem Gläubigen für das Verschulden anderer noch zusätzliches, leicht vermeidbares Leid auflädt. Was  den Schluss nahelegt, dass Gott mit einem einzelnen Gläubigen sehr wenig  Mitgefühl hat. In der Tat: es gibt streng bibeltreue Gläubige, die sich zu einer unbarmherzigen Reaktion verpflichtet fühlen und tatsächlich der Meinung sind, damit Gottes Anerkennung zu erhalten. 4) Dieser Text gehört zu den „auflösungsfähigen Ärgernissen„, denn was hier nicht explizit genannt wird, ist dennoch zu beachten. Es muss natürlich ein auffälliges Fehlverhalten des Ältesten selbst vorliegen (Vgl die mangelhaften pädagogischen Bemühungen des Priesters Eli (1.Sam 2,12 ff)), das ihn für ein Ältestenamt disqualifiziert.
5) 1.Kor 14,34 ff 5) Frauen sollen in den Gemeindeversammlungen schweigen und auch ihre Fragen nicht dort, sondern zu Hause stellen. 5) Wird dies als irrtumsloses Gotteswort gewertet, so erscheint Gott als jemand, der die Hälfte der Menschheit als Menschen zweiter Klasse erschaffen hat, als jemand der sich an ungerechter Bevormundung und Zurücksetzung nicht stört. Denn der allwissende Gott wird sehr wohl  wissen, dass Männer, die geistig schlicht ausgestattet sind,  auch mal  eine Frau mit Verstand um Rat fragen könnten. 5) Der Rat des Paulus ist eine Momentaufnahme. Sehr wahrscheinlich hat er skandalöse Vorkommnisse in der Gemeinde vor Augen. So wie man einen verbogenes Eisen überbiegen muss, um es wieder gerade zu machen, so bedient er sich hier der Übertreibung. Was spätere Generationen aus seinen Worten machen, nämlich die jahrhundertelange Unterdrückung der Frau, ist im nicht im Geringsten bewusst.
6) 1.Kor 8,10-13 6) Der Gläubige „stirbt“ (verliert sein Heil), wenn er gegen sein Gewissen etwas isst, was nach seiner Ansicht von Gott zu essen verboten ist. 6) Gott ist ein pedantischer Erbsenzähler, der auch einen relativ geringfügigen Verstoß des Gläubigen gegen sein Gewissen mit ewiger Verdammnis bestrafen kann. („mutwillige Sünde?„) 6) Die Warnung des Paulus richtet sich hier nur an Gläubige mit weitem Gewissen.  Sie sollen wissen, dass die Überforderung schwächerer Gewissen eine hartherzige, schwerwiegende Sünde ist, die ruinösen Schaden anrichten kann. (Fokussierungs – Stil). Auch dieser Text gehört zu den „auflösungsfähigen Ärgernissen
7) Röm 9,11 ff 7) Gott erwählt und verdammt Menschen schon vor ihrer Geburt 7) Die zentrale Botschaft der Bibel ist, das Gott jeden Menschen einlädt und zurecht helfen will. (1. Tim 2,4) Wie soll diese Einladung ernst gemeint sein, wenn der Beschluss zur Verdammnis eines Menschen schon vorher gefallen ist? Wenn auch die größte Bemühung nichts an seinem beschlossenen Untergang ändern würde? (Rö 9, 16) Gott wirkt souverän, zugleich aber auch scheinheilig und hinterhältig. 7) Die Kapitel über die Vorherbestimmung enden mit dem jubelnden Satz „Denn Gott hat alle zusammen zu Gefangenen ihres Ungehorsams gemacht, weil er allen sein Erbarmen schenken will.“ (Rö 9,32). Dieser unerwartete Schluss tröstet den Leser wieder. Aber er muss auch feststellen, dass es Paulus nicht gelungen ist, in den vorangegangenen Kapiteln diese Absicht Gottes verständlich zu machen. Der paulinische „Fokussierungsstil“ begegnet uns öfter: etwa beim Schweigegebot für die Frau (1.Kor 14,34) oder beim Gebot, Rechtsfälle in der Gemeinde zu entscheiden. (1.Kor 6,1 ff)
8) Luk 12,10 8) Wer “ein Wort gegen den Geist Gottes sagt“, dem kann nicht mehr vergeben werden 8) Durch Jahrhunderte leiden immer wieder Gläubige ihr Leben lang von der Angst vor dem irreparablen Verlust der Vergebung gequält, weil sie irgendwann ein unüberlegtes Wort ausgesprochen haben oder aussprechen könnten oder sich vielleicht gar nicht mehr daran erinnern. Gott erscheint dadurch als jemand, dem an  entscheidendster Stelle – wo Heilsgewissheit und Glaubensfreude auf dem Spiel steht – der gebotene Schutz der Schwachen und Verletzbaren  (Jes 40,11 / Hes 34,4 / 34,20 – 22 / Mt 18,10 / Luk 17,2 / 1.Thes 5,14) nicht mehr wichtig ist. Viel wichtiger ist ihm offenbar der Gedanke, dass seine Feinde die verdiente Strafe bekommen. Wird dadurch nicht die Forderung Jesus, seinen Feinden zu verzeihen, sie sogar zu lieben und für sie zu beten (Mt 5,44), unglaubwürdig, da er vor den Augen seiner Jünger die grausamste Handlung begeht, die überhaupt vorstellbar ist, nämlich die Seele und den Geist eines Menschen für immer und ewig zu verderben ? 8) Selbst wenn man annehmen möchte, dass es diese Sünde zur Zeit Jesu einmal gegeben hat, zu einer Zeit, in der jedermann an Jesus die Liebe Gottes in unverzerrter Form erkennen konnte, so macht eine Warnung davor in der Bibel für spätere Generationen keinen Sinn mehr – zumal sie Lukas sogar ohne jede Erläuterung weitergibt. Auch die Erläuterungen von Markus und Matthäus genügen keinesfalls, wie leicht nachzuweisen ist. Die „Warnung“ vor einer unvergebbaren Sünde ist die grausamste Form der Verurteilung und widerspricht  dem Auftrag Jesu, in die Welt zu kommen, um zu retten und NICHT zu richten. (Joh 3,17) Wenn wir uns mit dem „Sinn Christi“ (1.Kor 2,16) am Vorrang der Barmherzigkeit (Mt 23,23) orientieren, erkennen wir, dass  dieser Text korrekturbedürftig ist. Hat schon bei der Textsammlung und Überlieferung ein Missverständnis stattgefunden?  
9) Mt 5,32

1.Kor 7, 10-11

9) Wer eine Geschiedene heiratet, bricht die Ehe. Die Geschiedene soll sich wieder versöhnen oder ehelos bleiben 9) Ist hier ein Blick auf die näheren Umstände der Scheidung überflüssig? Ein notorischer Trunkenbold vertrinkt das Haushaltsgeld, prügelt immer wieder Frau und Kind. Die Frau hat sich scheiden lassen und lernt einen Mann kennen, der dem Kind ein liebevoller Vater sein könnte. Selbst in solch einem Fall wäre einem Gott, der auf strikter Einhaltung dieser Regeln besteht, eben diese Regeln viel wichtiger als das Lebensglück seines Kindes. In der Tat kommt es vor, dass streng bibeltreue Gläubige diese Frau als „Ehebrecherin“ betrachten und disziplinieren wollen. Sie sehen sich verpflichtet, die Glaubensschwester zu belehren, dass sie sich im Zustand des Ehebruchs befände und verpflichtet sei, die neue Ehe aufzulösen. Andernfalls hätte sie mit der Strafe ewiger Verdammnis zu rechnen. (vgl Mt 5,29-30) Gott erscheint hier als jemand, der unbarmherzige massiver Erpressung unglücklicher Menschen für angemessen hält, wenn dadurch nur seine Idealvorstellungen wie die einer lebenslangen Ehe allen deutlich genug gemacht  werden. Ein solcher Gott erscheint angesichts der destruktiven Entscheidung sadistisch und bestenfalls völlig desinteressiert. 9) Mt 19,9 erlaubt die Scheidung „wegen Unzucht“. Die am Buchstaben haftende Auslegung lässt keine weitere Ausnahme gelten.  Dabei können wir hier durchaus „Perspektivstil“ annehmen. Der Begriff „Unzucht“ steht als Beispiel für alle denkbaren Unzumutbarkeitstatbestände. Es entspricht der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, dass jemandem, dem die Ehe mutwilig zerstört wurde, eine neue Eheschließung mit einem besseren Partner nicht verwehrt wird. Dieser Text gehört zu den „auflösungsfähigen Ärgernissen
10) 1.Kö 2,8-9 10) Als David auf dem Sterbebett lag, beauftragt er seinen Sohn Salomo, Simei, dem er nach seiner Beleidigung Vergebung zugeschworen hatte (2.Sam 19,18-23)  „mit Weisheit“, auf clevere Weise umzubringen. Salomo lässt Simei wegen einer Lappalie hinrichten. 10) Wenn David „ein Mann nach dem Herzen Gottes“ war (1.Kö 15,5) und außer dem Ehebruch mit Bathseba keine schwerwiegende Sünde getan hat  – dann war der Bruch des Schwures kein schweres Verbrechen. Dies legt den Schluss nahe, dass Gott den Bruch eines Versprechens dann toleriert, wenn damit einem Feind geschadet werden soll, aber nicht – wie bei Jephtah – wenn ein geliebter Mensch vor schwerem Schicksal bewahrt werden könnte. Gott erscheint als jemand, der bei seinen „Lieblingen“ jedes Verbrechen kommentarlos duldet, bei anderen aber, die nicht zu seinen Lieblingen gehören, vergleichsweise belanglose Fehlverhaltensweisen gnadenlos bestraft. So wurde Usa mit sofortigem Tod bestraft, weil er die Bundeslade beim Transport vor dem Herabfallen bewahren wollte. (2Sam 6,6-7) 10) Der abstoßende Widerspruch löst sich auf, wenn wir die Behauptung „David war „ein Mann nach dem Herzen Gottes“ nicht als objektive Feststellung, sondern als Hofberichterstattung nach dem Wunsch König Davids einordnen. Dann ist der Bruch des Versprechens, Simei zu vergeben, eine schwere Sünde, die um so schwerer wiegt, als David sie auf dem Sterbebett begeht. David wurde selbst Ehebruch und Mord vergeben. Seine kleinliche Rache erinnert uns an das Verhalten des erbarmungslosen Schalksknechts (Mt 18,23 ff) Das Gelübde von Jephtah ist auch nach mosaischen Maßstäben null und nichtig. Dieser biblische Text kann wie auch andere Texte im „no-comment“ – Stil als „Übungsaufgabe“ eingeordnet werden
11) 2.Sam 21 11) Der verkrüppelte Mephiboseth (2.Sam 4,4) entgeht nur aufgrund der Sympathie Davids für Jonathan dem Sippenhaftmord, den David an den Söhnen Sauls vollstrecken ließ, um Sauls Feldzug gegen die Gibeoniter zu bestrafen. 11) Sippenhaft ist vom mosaischen Gesetz verboten: „Die Väter sollen nicht für die Kinder noch die Kinder für die Väter sterben, sondern ein jeder soll für seine Sünde sterben.“ (5Mo 24,16)  David aber lässt sieben Söhne Sauls wegen der Schuld ihres Vaters aufhängen und rechtfertigt die mit einer frommen Geschichte, dass angeblich nur auf diese Weise ein Fluch vom Land genommen werden könnte. Wenn das wahr ist, dann können Schutzgesetze Gottes willkürlich aufgehoben werden. Die Zusagen Gottes gewähren dann  keinen zuverlässigen Schutz. 11) Der abstoßende Widerspruch löst sich auf, wenn wir diesen Bericht als Hofberichterstattung nach Wunsch des Königs David einordnen.  Selbstverständlich gilt das Sippenhaftverbot uneingeschränkt bis heute. Es entspricht den Grundsätzen der Gerechtigkeit  und Verlässlichkeit (Mt 23,23). Gottes Zusagen, die das Recht einzelner Menschen schützen, bleiben uneingeschränkt  zuverlässig und können nicht willkürlich aufgehoben werden. Dieser biblische Text kann wie auch andere Texte im „no-comment“ – Stil als „Übungsaufgabe“ eingeordnet werden.
12) Deu 22,29 12) Ein Vergewaltiger muss sein Opfer heiraten muss und darf es zeitlebens nicht entlassen 12) Gott ist – so wie es hier scheint – die seelische Not und das weitere Schicksal von vergewaltigten Frauen völlig gleichgültig. Er hält die Angelegenheit für bereinigt, wenn wenigstens der Mann dadurch bestraft und an eine ungeliebte Frau gekettet wird. Wie es ihr später bei diesem gewalttätigen Menschen ergeht – wer fragt danach? Wenn es wirklich Gott war, der damals dieses Gebot als angemessene Lösung gab, dann erscheint den Menschen damals wie heute Gott als ziemlich gefühllos und unfähig, die vorhersehbaren Reaktionen der Menschen richtig einzuschätzen. 12) Gläubige dürfen sich auf den Vorrang der Barmherzigkeit (Mt 23,23) berufen und sind  nicht gezwungen, dieses destruktive Gebot für irrtumslos und richtig zu halten. Es ist ein  „Übungstext“ den wir mit dem „Sinn Jesu“ (1.Kor 1,26) korrigieren müssen und dürfen. Auch damals hätte man solche armen Frauen unter den Schutz der Priesterschaft stellen können, die für Versorgung und Schutz zuständig hätte sein können.
13) Num 31,17-18 13) Alle Kinder und Frauen eines heidnischen Volkes sind totzuschlagen – die Frauen ausgenommen, die noch Jungfrauen sind und geheiratet
werden können
13) Gott erscheint als jemand, der die fatale Wirkung dieses Gebotes in der Geschichte nicht übersieht. Die vollständige Auslöschung von Familien bis zum Säugling gilt fortan als völlig normales, übliches Verhalten in der Kriegsführung.  So löschten die Israeliten zur Sühnung der Schandtat in Gibea fast alle jüdischen Familien im Stamm Benjamin aus (Ri 20,48). Der gläubige David fasste den Entschluss, “alles was männlich ist“, d.h. neben Kindern auch Bedienstete und Sklaven des Nabal zu ermorden, weil dieser sich geweigert hatte, ihm zu helfen. (1.Sam 25,34). 13) Auch hier erkennen wir mit dem „Sinn Christi“ (1.Kor 2,16) für Barmherzigkeit (Mt 23,23), dass wir wieder einen korrekturbedürftigen „Übungstext“ vor uns haben. Der Behauptung, anders hätte man sich nicht vor der Rache der nächsten Generation schützen können, taugt nichts. Wir müssen ihr entgegenhalten, dass eben diese Generation  mit einem Gott rechnen sollte, der das ganze ägyptische Heer im Roten Meer ertrinken ließ. (Ex 14,18) Wieso muss man sich bei solchen Verteidigungsressourcen mit einem Kindermassenmord helfen, um so weniger als man kurz zuvor die Ermordung der erstgeborenen Söhne unter Pharao erlitten hatte? Eine andere Frage ist, wie solche Texte in die Heilige Schrift hineingekommen sind. Es liegt nahe anzunehmen, dass es sich hier um kompensierende Rachephantasien handelt, die in der Zeit des Exils nachträglich eingefügt wurden.

 

Ist es wirklich so, dass Menschen, die wegen dieser Bibelstellen kein großes Vertrauen bilden, sich dafür selbst die Schuld geben sollten?

Man kann nicht davon ausgehen, dass Christen diese Textstellen kennen. Sehr viele Gläubige haben auch nach Jahren ziemlich oberflächliche Kenntnisse der Bibel. Sie schöpfen ihr Wissen im wesentlichen aus Sonntagspredigten und Bibelstunden, in denen emotional Aufbauendes und Leichtverdauliches angeboten wird. Eifrigen Bibelleser, die zufällig auf deprimierende Bibelstellen, stoßen, wird geraten, darüber nicht nachzudenken und darauf zu vertrauen, dass im Himmel einmal alles erklärt werden wird. Diese Antwort verkennt die Tatsche, dass es sich hier nicht um eine bloße Rätselaufgabe handelt. Gläubige, die viel Leid im Leben zu ertragen hatten, haben zeitlebens mit dem Zweifel zu kämpfen, dass es Gott gut mit ihnen meint. Durch problematische Bibelstellen werden diese Zweifel verstärkt. Das erlittene Leid ist eine sehr deutliche negative Erfahrung, die Trostworte der Bibel hingegen bleiben zweideutig, weil sie mit destruktiven Aussagen über Gottes Charakter in Widerspruch stehen und  erheblich relativiert werden. Eine dilettantische Seelsorge, die immer wieder an den Verzweifelten appelliert, doch einfach die destruktiven Bibelworte zu verdrängen und zu vergessen, wird die Not eher verlängern als beseitigen.

Ganz anders hingegen ergeht es Gläubigen, die ein weitgehend störungsfreies Leben absolviert haben Ihnen fällt es nicht schwer, zu glauben, dass sie durch den Vater im Himmel gesegnet sind und dass sie auch optimistisch in die Zukunft blicken dürfen.

Gewöhnlich sehen sie auf Gläubige, die aus ihrem Zweifel und der Unsicherheit nicht herausfinden, von oben herab und betrachten sie als Störenfriede und Miesmacher des Glaubens. Die ständige Spaltung in der Gemeinde, die unauflösbare Feindschaft, die gegenseitige Diffamierung und Herabsetzung, um die eigene unbeweisbare Sicht dem anderen aufzuzwingen, ist eine der typischen Ergebnisse der Irrtumslosigkeitsdoktrin.

Für verantwortlich denkende Gemeindeleiter sollte dieser Zustand inakzeptabel sein. Beide Gruppen der Gläubigen sind Teil des Leibes Christi. Geht man von der (beweisbaren) Annahme aus, dass die Bibel Texte unterschiedlicher Qualität enthält, aber auch Werkzeug zur Reparatur problematischer Texte   (bibeltreues Update), so ist ein sachlicher Informationsaustausch möglich, der nicht auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Bibel geht.

[in Bearbeitung]

Artikel aktualisiert am 11.03.2022

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