Die Anwendung des Recovery-Konzepts bei psychischen Störungen ist verhältnismäßig neu. Während man früher eher „professionelle Distanz“ zum Patienten hielt, und sich im wesentlichen darauf beschränkte, seine krankhaften Symptome mit Medikamenten zu dämpfen und damit allzu oft den deprimierenden, hoffnungslosen Zustand des Patienten verewigte, hat sich das Recovery-Modell ein besseres Ziel gesetzt, nämlich den Patienten Gestaltungsmöglichkeiten anzubieten, die ihr Leben trotz aller Einschränkungen wieder als lebenswert erscheinen lassen. Zunehmend wird die geringe Effizienz einer unbeteiligten, gefühllosen „Objektivität“ sowie die Schädlichkeit einer Bevormundung und Geringschätzung der Ressourcen des Patienten erkannt. Deutliche bessere Ergebnisse kamen durch Empathie und freundschaftliche Kommunikation mit erfahrenen Genesungshelfern zustande, die den Patienten begleiten und ihn wieder mit Hoffnung auf eine Verbesserung seiner Lebenssituation erfüllen. Denn Patienten haben in einem Klima der Mitmenschlichkeit und Freundlichkeit eine deutlich größere Chance, wieder Mut zu fassen und ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen und sinnvoll zu organisieren. Sie kennen ihr Innenleben am besten und werden deshalb von ihren Genesungshelfern wertgeschätzt als Experten der eigenen Versorgung, die das Recht haben, sich nicht auf eine einseitige, nur-medikamentöse Therapie festlegen zu lassen, sondern aus einer Vielfalt von relevanten Angeboten zu wählen und dabei auch aus falschen Entscheidungen zu lernen. Dabei gilt es, die Fähigkeit zum kritischen Denken, unabhängigen Urteilen und selbstverantwortlichen Entscheiden zu fördern. So mancher Genesende wird selbst wieder Helfer und Freund von Menschen, die noch am Anfang ihrer Wiederherstellung stehen, und hat damit seinem Leben eine Würde und einen Sinn gegeben, den mancher gesunde Mensch auf der Jagd nach Erfolg und Reichtum zeitlebens nicht entdeckt.
Das hier vorgestellte Entgiftungsverfahren kann als eine Variante des therapeutischen Recovery-Modells aufgefasst werden, die auf die Überwindung christlich-religiös bedingter Störungen der seelischen Gesundheit speziell zugeschnitten ist.
Von der Voraussetzung ausgehend, dass der Patient den christlichen Glauben um seiner positiven hilfreichen Grundaussagen willen nicht aufgeben kann und will, wird er über die Qualitätskriterien des christlichen Glaubens in Matth 23,23 informiert, an Hand dessen sich destruktive und hilfreiche Aussagen in der Bibel schnell und zuverlässig unterscheiden lassen, womit eine wesentliche Voraussetzung für die Bildung einer widerspruchsfreien, stabilen und freundlichen Glaubensüberzeugung .erfüllt ist.
Die folgende tabellarische Übersicht zeigt die Übereinstimmungen zwischen wichtigen Aspekten des Recovery-Modells und dem hier vorgestellten Lösungsansatz:
Recovery-Modell | Mt2323-Lösungsansatz | |
Ziel: Prozess kontinuierlicher Genesung | Einfaches Verfahren zur Identifikation pathogener Theologie, Untersuchung der Nebenwirkungen des gewählten „Bibelverständnisses“, Entschärfung biblischer Problemstellen, Prinzip der ständigen Selbstprüfung, praktische Übungen zum Glaubenswachstum. | |
Bildung und Unterstützung hoher Erwartungen | Vierteiliges Glaubensbekenntnis von D. Bonhoeffer betr. der Erwartungen Gottes, Aussagen zur Würde und Berufung des Gläubigen, Unzerstörbarkeit des Glaubens, Gebrauch der Zusagen Gottes zur wirksamen Bekämpfung deprimierender Gedanken | |
Empathie, Kommunikation | Anleitung zum freundlichen Umgang mit Mitchristen sowie mit Andersdenkenden, Regeln der gewaltfreien Kommunikation, Empfehlungen zur konstruktiven Aufarbeitung von Unrecht in der christlichen Gemeinschaft, Empfehlungen zur Stärkung der Widerstandskraft gegen Machtmissbrauch. | |
Nutzer und Bezugsperson bilden eine Einheit | Vermeidung unangebrachten theologischen Selbstbewusstseins, Verzicht auf theologische Spezialistensprache, Diskussion mit Lesern „auf Augenhöhe“, Anrede des Lesers mit dem undistanzierten „Du“, Sensibilität für religiöse Verlustängste. | |
Wertschätzung des kritischen und unabhängigen Denkens, Selbstbestimmung und Selbstorganisation des eigenen Lebens | Texte, Fallsammlungen und Analysen zum Üben des Urteilsvermögens und zur Prüfung vermeintlicher Autoritäten. Zehn Fragen zur Förderung des konstruktiven Zweifels, Aufklärung über übliche Manipulationstechniken. Förderung einer ehrlichen Informationskultur in christlichen Gemeinden | |
Nutzer haben das Recht, Fehler zu machen und daraus zu lernen | Jeder Leser hat das Recht, auf Mängel in den Beiträgen hinzuweisen und Verbesserungsvorschläge oder Erfahrungsberichte zu veröffentlichen. | |
Soziale Integration, Teilnahme und Teilhabe an der Gemeinschaft | Vorschläge zur sinnvollen Teilhabe an der christlichen Gemeinschaft und darüber hinaus. Notwendigkeit der ständigen Selbstkorrektur einer Glaubensgemeinschaft („Ecclesia semper reformanda„), |