Unter der Bezeichnung „Offenbarung des Petrus“ wird von dem ältesten frühchristlichen Verzeichnis des biblischen Kanons (Kanon Muratori) eine Schrift aufgeführt, die nach Einschätzung der Mehrheit der Gläubigen damals in die Heilige Schrift hinein gehörte, genauer: sie wurde in diesem Schriftstück mit den Worten kommentiert; „von der manche von uns [quidam ex nostris] nicht wollen, dass sie in der Gemeinde gelesen wird“. Heute will es wohl keiner mehr!
Der Mittelteil des Textes schildert in einer ausführlichen, genüsslich-sadistischen und kindischen Weise die Qualen der Hölle, die für bestimmte Sünden zu erwarten sind. Ähnliche Vorstellungen haben dann die Gedankenwelt des Mittelalters bestimmt und auch u.a. in Dantes „Inferno“ Eingang gefunden.
Nun der Text:
Und indem er auf dem Ölberg saß, traten zu ihm die Seinigen, und flehten ihn an und baten ihn: Sage uns doch, was die Zeichen deiner Wiederkehr und des Endes der Welt sind, damit wir die Zeit erkennen und und die unterweisen können, die nach uns kommen ….
Und alle werden sehen, wie ich auf der Wolke komme und dass die Engel Gottes neben mir sitzen werden auf dem Thron meiner Herrlichkeit zur Rechten meines himmlischen Vaters. Er wird eine Krone auf mein Haupt setzen. Sobald das die Völker sehen, werden sie weinen. ….Und es wird vergolten werden einem jeden nach seinem Tun. …. Die Übeltäter, Sünder und Heuchler jedenfalls werden in den Tiefen ewiger Finsternis gefangen sein, und ihre Strafe ist das Feuer. Engel bringen ihre Sünden herbei; und bereiten ihnen einen Ort, wo sie für immer bestraft werden, je nachdem,was sie gesündigt haben. …. An ihrer Zunge, mit der sie den Weg der Gerechtigkeit gelästert haben, wird man sie aufhängen. … Und da ist eine große volle Grube, in die alle gelangen, die die Gerechtigkeit verleugnet haben und jetzt durch Strafengel angezündet werden. Und hier sind zwei Weiber, die man an ihren Haaren aufhängt. Auch sie werden in die Grube geworfen. Das sind die, welche sich Haarflechten gemacht haben nicht zur Schaffung des Schönen, sondern um sich zur Hurerei zu wenden und um Männerseelen zu verderben. Und die Männer, die sich mit ihnen in Hurerei niedergelegt haben, hängt man an ihren Schenkeln an diesen brennenden Ort, und sie sagen untereinander: Wir haben nicht gewusst, dass wir in die ewige Qual kommen werden. Und die Mörder und die mit ihnen gemeinschaftliche Sache gemacht haben, wirft man ins Feuer, an einen Ort, der angefüllt ist mit giftigen Tieren, und sie werden gequält ohne Unterlass, … und ihr Gewürm ist so zahlreich wie eine finstere Wolke. Der Engel Ezrael bringt die Seelen der Getöteten herbei; und sie sehen die Qual derer, die sie getötet haben, und sie sagen untereinander: Gerechtigkeit und Recht ist das Gericht Gottes. Denn wir haben es zwar gehört, aber nicht geglaubt, dass wir an diesen ewigen Gerichtsort kommen würden. Und bei dieser Flamme ist eine große und sehr tiefe Grube, und es fließen von überall her schauderhafte Ausflüsse hinein. Und die Weiber, welche ihre Kinder abtreiben und das Werk Gottes, das er geschaffen hat, verderben, stecken bis an den Hals darin und werden bestraft mit großem Schmerz. Ihnen gegenüber ist ein anderer Ort, wo ihre Kinder sitzen; aber nun wieder lebendig, und sie schreien zu Gott. Und Blitze gehen aus von diesen Kindern, welche die Augen derer durchbohren, die sie durch Hurerei umkommen ließen. Andere Männer und Weiber stehen nackt oberhalb davon. Und ihre Kinder stehen hier ihnen gegenüber an einem Ort des Entzückens. Und sie seufzen und schreien zu Gott wegen ihrer Eltern: Das sind die, welche uns vernachlässigt und verflucht und deine Gebote übertreten haben. Sie töteten uns und fluchten dem Engel, der uns geschaffen hatte, und hängten uns auf. Sie enthielten das Licht, das du für alle bestimmt hast, uns vor. Die Milch ihrer Mütter, die aus ihren Brüsten fließt, gerinnt und stinkt. Und und aus der Milch gehen fleischfressende Tiere hervor, die sich gegen sie wenden sich und sie mit ihren Männern in Ewigkeit quälen, weil sie verlassen haben das Gebot Gottes und ihre Kinder getötet haben. Und ihre Kinder wird man dem Engel Temlakos geben. Und die sie getötet haben, wird man ewig quälen, weil Gott es so will. …Ein zorniger Geist quält sie mit jeglicher Strafe, und nimmer schlafendes Gewürm frisst ihre Eingeweide. Das sind die Verfolger und Verräter meiner Gerechten. Und bei denen, die hier waren, andere Männer und Weiber, die kauen ihre Zunge, und man quält sie mit glühendem Eisen und verbrennt ihre Augen, weil sie gelästert und an meiner Gerechtigkeit gezweifelt haben. Anderen Männern und Weiber haben betrogen, dafür schneidet man ihnen die Lippen ab, und gießt Feuer in ihren Mund und in ihre Eingeweide. Das sind die, welche die Märtyrer mit Lügen getötet haben. Und an einem nahen Orte steht eine Säule, die spitzer ist als Schwerter. Man kleidet Männer und Weiber in schmutzige Lumpen und wirft sie darauf, damit sie unerträgliche Qual erleiden. Das sind die, welche vertrauen auf ihren Reichtum und Witwen und die Witwen und Waisen verachtet haben. Und an einem anderen Ort stürzt man Männer und Weiber, die Zins genommen haben, in eine Grube voll Ausscheidungen hinein bis an die Knie. Und andere Männer und Weiber, die Götzen gedient haben, stürzen sich selbst von einer Höhe herunter und kehren wieder zurück und laufen, und Dämonen treiben sie an. … auf diese Weise werden sie in Ewigkeit gequält. Dabei sind auch die Männer, die wie Weiber sich untereinander befleckt haben. Und bei jenem Abhang war ein Ort, erfüllt von dem mächtigsten Feuer. Und dort standen Männer, welche sich mit ihren eigenen Händen Bilder an Stelle Gottes geschnitzt hatten. Und bei jenen waren andere Männer und Frauen, welche glühende Ruten hatten und einander schlugen und nie Ruhe hatten von dieser Qual. Und nahe bei jenen waren wieder andere Frauen und Männer, welche gebrannt und im Feuer gewendet und gebacken wurden, weil sie den Weg Gottes verlassen hatten. …. Weiter bringt der Engel Ezrael Kinder und Jungfrauen, um ihnen die Bestraften zu zeigen. Sie werden bestraft mit Schmerz und Aufhängen und vielen Wunden, die ihnen fleischfressende Vögel beibringen. Das sind die, welche trauen auf ihre Sünde, ihren Eltern nicht gehorsam sind, und die Lehre ihrer Väter nicht befolgen und, die älter sind als sie, nicht ehren. Bei ihnen sind Jungfrauen, deren Fleisch auseinandergerissen wird. Das sind die, welche ihre Jungfrauenschaft nicht bewahren bis dahin, wo sie in die Ehe gegeben werden. Und die Sklaven, welche ihren Herren nicht gehorsam gewesen sind, werden gequält, indem sie ruhelos ihre Zunge zerkauen müssen. Dies ist ihr Gericht für ewig. Und dort sind auch blinde und stumme Männer und Weiber, deren Gewand weiß ist. Zusammengepfercht fallen sie auf Kohlen nicht verlöschenden Feuers. Das sind die, welche Almosen geben und sagen: Wir sind gerecht vor Gott, während sie doch nicht nach der Gerechtigkeit getrachtet haben. ….alle Gerichteten zieht es herab mitten hinein in einen Bach, der mit Feuer gefüllt ist. Eszrael stellt dort Feuerräder auf, an denen Männer und Weiber, die Zauberei begangen haben, aufgehängt werden. …..
Es ist schon sehr erstaunlich, dass dieses sadistisch-kindische Machwerk von der Mehrheit der Gläubigen als „inspirierte Offenbarung“ eingeschätzt wurde. Bemerkenswert auch die kritiklose Bejahung der Sklaverei. Das ist schon ein übler Witz: Sklaven, die sich nicht weiter ausbeuten und willkürlich bestrafen lassen wollen, werden mit Androhung ewiger Folter auf Linie getrimmt. Was für ein geschichtlicher „Weitblick“. Und doch war es möglich, dass dieser scheinheilige, perverse Schwachsinn den größten Teil der Christenheit beeindrucken und sogar zeitweilig Kanonstatus erlangen konnte.
Die Offenbarung des Petrus gehörte zunächst zum Kanon der römischen Kirche, wurde aber in der dritten Synode von Karthago 397 daraus ausgenommen.
[Verweise: https://www.barnabas-evangelium.de/judenchristentum/die-offenbarung-des-petrus/ Quelle: Caspar Detlef Gustav Müller (Übers.): Offenbarung des Petrus. In: Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2:Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes. Tübingen: Mohr/Siebeck61999. Deutsche Übersetzung des äthiopischen Textes von Hugo Duensing, 1913, Übersetzung PDF]
Das was in dieser Offenbarung steht ist doch keine Bestrafung, sondern Sadismus.
Hallo, vielen Dank für deinen Artikel über Luthers Schriftverständnis, im besonderen über den Hebräerbrief, ich habe ihn gerade gelesen. Ich teile Luthers Theologiei in dem Punkt, dass alle Lehre innerhalb und außerhalb der Schrift an Christus und dem Evangelium der Erlösung allein aus Gnade zu messen ist. Dies ist die Mitte der Schrift und wirft ein helles Licht auf alle dunklen Bibelstellen, besonders im AT, die wir nicht verstehen oder in denen neben der Heiligkeit Gottes und der unbarmherzigen Härte des Gesetzes, des Zuchtmeisters, sein Erbarmen und seine Gnade noch gefehlt hat!
In Christus hat aber nun der neue und vollkommen Bund stattgefunden und das Unvollkommene beendet! In ihm entdecken wir auch erst in Gänze und ohne Widersprüche den Charakter und das Herz des Vaters! Diese eindeutige Liebe Jesu und seine Zusagen sind für mich was zählt und woran ich alle Bibelstellen neuen und alten Testaments zu messen habe! Sie geben mir eindeutigen Trost und Heilsgewissheit.
für die einen ist es ein sadistisch-kindisches Machwerk für die anderen gerechtigkeit gegenüber allen unschuldigen opfern in dieser welt.
was hat es mit gerechtigkeit zu tun, wenn sklaven, die ihr Leben unter einem harten Herrn vertrauern und frei sein wollen, dafür mit ewiger folter in der hölle bestraft werden? das ist doch grotesk. müssen christen, die sich für die ächtung der sklaverei eingesetzt haben, für diese „Sünde“ auch in alle ewigkeit auf ihren zungen herumkauen?