Biblische Autorität oder „Stockholm-Syndrom“?

Die Bibel ist ein einzigartiges Buch mit einzigartigen Eigenschaften.

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Die Bibel  zeigt einen Weg der Hoffnung auf Überwindung des Bösen in der eigenen Seele und in der Welt. Sie schenkt dem Menschen eine großartige Perspektive über das Ende des eigenen Lebens hinaus.

In der Bibel wird berichtet, dass Gott zu Menschen gesprochen hat. Sie berichtet zugleich, dass Menschen im Namen Gottes sprechen und sich auf seinen Auftrag berufen. Mit diesem Auftrag ist notwendigerweise ein hoher Autoritätsanspruch verbunden. Sieht sich der Mensch mit einem unsichtbaren Wesen konfrontiert, dass über unbegrenzte Kenntnis und unbegrenzte Zerstörungsmacht verfügt, so ist der Schauder, die Furcht, die blinde Ergebenheit eine quasi automatische Konsequenz.   Und doch handelte es sich hier um eine Autorität, die zur Würde ihres Inhabers nichts beiträgt: vor jedem Folterknecht wird sie in ähnlicher Weise empfunden. Dabei kann diese Furcht durchaus auch in eine positive Wahrnehmung transformiert werden. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff des „Stockholm-Syndroms“ bekannt. Es kann geschehen, dass sich Entführungsopfer mit den Absichten ihrer Entführer identifizieren und zu diesem eine Art Beziehung aufbauen und auf diese Weise die Intensität der Bedrohungsgefühle mindern. Leider sind in die  Bibel vereinzelt  destruktive Aussagen hineingelangt, die sehr gut geeignet sind, eine Art „Stockholm-Syndrom“ zu erzeugen, d.h. Unterwerfung und Anpassung wider besseres Wissen. In der evangelikalen Theologie   werden diese Aussagen traditionell ausgeblendet. Sie sind aber dennoch wirksam, da eifriges Bibellesen zu den Pflichten jedes Gläubigen gehört. Auch wenn nun Menschen sich als Sprachrohr oder Vertreter dieses Gottes berufen sehen, so fühlen sie sich verpflichtet, eben diese Destruktivität in ihrer Auslegung weiterzugeben, ja sie sehen sich geradezu durch durch das göttliche Vorbild dazu ermächtigt, umso mehr als Einschüchterung und Erpressung zum eigenen Vorteil genutzt werden kann. Wie mächtig dieser Sog wirkt, dafür legt die Jahrhunderte dauernde „Kriminalgeschichte des Christentums“ (Karlheinz Deschner) eindrucksvoll Zeugnis ab. Gerade die Ausübung der Gewalt im Namen Gottes vermindert das Gefühl der Ohnmacht und Fremdheit. Sie lässt hingegen den Gläubigen als Gottes strafender Macht teilhaben und wertet ihn dadurch als zum göttlichen Hofstaat gehörig auf.  Auch Luther sah keinen Widerspruch in der Gewaltausübung gegen Andersdenkende, wobei es ihm half, Argumente der Vernunft von vornherein als „gottlosen Hochmut“  weit von sich zu weisen. (Details siehe im Beitrag „Ich glaube Teuflisches?.“) Heute besteht die Gewaltausübung in dem Vergnügen, andere mit Bibelworten zu erpressen und sie mit ständig schlechtem Gewissen zu versorgen.

Indes ist das Hindernis einer fruchtbaren Anwendung der Bibel nicht nur eine unzureichende Distanzierung von problematischen Aussagen sondern auch die mangelhafte Beachtung derjenigen Aussagen, die dem Gläubigen helfen, entgegen seinem Ego im Sinne der Liebe zu denken und zu handeln. Wie schnell formen die emotionalen Bedürfnisse ein Urteil über die Bibel, das störende Unruhe besänftigt, aber eine begrenzte Wahrnehmung zu Folge hat!

Die Bibel ist jedoch nicht nur ein Buch, das passiv gelesen wird und sich unreifes Urteil gefallen lässt. Sie ist lebendig und reagiert auf die Einstellung des Lesers. Sie lässt ihm die Freiheit, sich allen Aussagen zu stellen oder nicht. Entsprechend dem Interesse des Lesers für die Wahrheit enthüllt und offenbart sie nicht nur das, was wahr ist, sondern deckt es auch wieder zu.

Wenn wir das nicht wollen, dann sollten wir die Bibel so lesen, wie Jesus sie liest – mit geistlicher Disziplin, indem wir alle ihre Aussagen in das Licht seiner ewig gültigen Qualitätsmaßstäbe „Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Verlässlichkeit“ stellen. (Mt 23,23) Nur in diesem Licht  werden wir ein „Bibelverständnis“ gewinnen, das nicht zu den biblischen Heilstatsachen im Widerspruch steht. Nur auf diese Weise kann jedes (!) Bibelwort angemessene Bedeutung erlangen. Nur auf diesem Weg werden uns die einzigartigen Eigenschaften unserer Glaubensurkunde bewusst, die uns mit beidem versorgt: mit reichlich Nahrung zur Übung im Vertrauen dort, wo Glauben viel wichtiger als Verstehen ist, aber auch mit „Impfstoffen„, d.h.mit äußerst „frag-würdigen“ Texten, die uns helfen, geistliches Urteilsvermögen optimal zu trainieren – sodass wir auch harmlos scheinende Verzerrungen und Verfälschungen identifizieren können

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