Nach dem Neuen Testament ist die Benachteiligung eines Menschen in einer Rechtssache, ja schon seine willkürliche Zurücksetzung gegenüber einem wohlhabenden Gemeindemitglied ein Akt der Unbarmherzigkeit, der unter schwerer Strafe steht: “Es wird aber ein unbarmherziges Gericht über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat.” (Jak 2,13)
Warum diese Strenge? Jeder Christ hat eine Anwartschaft auf das König- und Priestertum, das dem Gläubigen fest versprochen ist. Diese hohe Aufgabe wird durch Geringschätzung des Berufenen von Mitgliedern der Gemeinde als geringwertig im Vergleich zu weltlichen Ehren herabgewürdigt. Jeder Nichtchrist ist gleichermaßen vor Respektlosigkeit geschützt, denn er ist eingeladen, diese Anwartschaft zu erwerben.
An „Älteste“, dh an Ältere im Glauben, besonders an die Gemeindeleiter werden hohe Erwartungen gestellt. Sie können nicht jedermanns Geschmack gerecht werden und jeden zufriedenstellen. Insbesondere wird es immer unterschiedliche theologische Auffassungen geben, die sich auf den Grundsatz der Gewissensfreiheit berufen dürfen. Deshalb sind „Älteste“ häufig kleinlicher Kritik ausgesetzt. Hier bedürfen sie besonderen Schutzes. Deswegen rät auch Paulus dem Timotheus, keine Klage gegen einen Ältesten anzunehmen, die nicht auf der Aussage “von zwei oder drei Zeugen” gegründet ist.” (1.Tim 5,19)
Doch auch Ältere im Glauben können Geschwistern mit Unrecht erheblich schaden. Wird das Unrecht nicht repariert, sondern geduldet, so wird der Aufruf zur Umkehr unglaubwürdig. Obwohl niemanden das Leid des Geschädigten interessiert, wird weiter von “Liebe”, “Gerechtigkeit” und “Wahrhaftigkeit” gepredigt. Durch diese Heuchelei werden weitere Menschen geschädigt, die hier lernen, dass das Heucheln halb so schlimm bzw. tolerierbar ist. Eine Umkehr wird immer schwieriger, je weiter der Zersetzungsprozess fortgeschritten ist, da das Verhalten der Leitung am Ende irgendwann nicht mehr als Übereilung oder Überforderung, sondern nur als charakterliches Defizit, als Verkümmerung des Glaubens gesehen werden kann.
Leider ist immer wieder festzustellen, dass die Fähigkeit eines Gemeindemitarbeiters, viele Menschen in die Gemeinde zu ziehen, darüber entscheidet, wie bei offenbarem Unrecht mit ihm verfahren wird. Es sei nur auf den Fall einer erfolgreichen Kindermissionarin verwiesen, gegen deren Entlassung sich drei Pastoren sperrten, obwohl eine Untersuchung ergab, dass diese lesbisch orientierte Frau an Kindern wiederholt sexuelle Manipulationen vorgenommen hatte.
Niemand steht über dem Recht. so sagt es die Bibel. Bei Gott gilt kein Ansehen der Person. Parteilichkeit ist ein unmissverständliches Kennzeichen der falschen Hirten, von denen es heißt: “Den Schwachen steht ihr nicht bei, und die Kranken heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht und das Verlorene sucht ihr nicht; sondern streng und hart herrschet ihr über sie.” (Hes 34,4) Man lasse sich nicht täuschen, wenn die Leitung “zum Ausgleich” gegen Verfehlungen von Menschen, die noch nicht lange zur Gemeinde gehören, besonders scharf vorgeht, um “moralisches Profil” zu zeigen.
Leidvolle Erfahrung zeigt, dass es für einen Vorstand, der vom Erfolg eines Leiters oder Mitarbeiters mit profitiert, auch bei berechtigten Klagen schwierig ist, eine faire Untersuchung in die Wege zu leiten. Ebenso problematisch dürfte es sein, wenn ein aus Gemeindeleitern zusammengesetztes “Ehrengericht” über Verfehlungen eines Standesgenossen urteilen soll. Auch sollte nicht der Vorstand über Beschwerden gegen eines seiner Mitglieder urteilen müssen.
Besser ist es, wenn der Konvent der Gemeinde die Gemeindeordnung im Sinne Jesu gestaltet und einen Katalog von Fairness-Regeln für „Älteste“ sowie einen Katalog strafbarer Handlungen beschließt. Anhand dieser Regeln kann dann ein Schiedsgericht, in das der Konvent geeignete Gläubige wählt, vernünftig und unparteilich urteilen. Die Schiedsrichter geben für den aktuellen Fall eine “Befangenheitserklärung” ab, damit das Urteil nicht durch Sympathie, Freundschaft oder Verwandtschaft um drei Ecken verfälscht wird. Zur Sicherung der Unabhängigkeit des Urteils dürfen sie kein Einkommen oder ähnliche Vorteile aus der Gemeinde erhalten.
Das Laiengericht urteilt nicht über theologische Fragen (theologische Abstinenz), sondern nur über Verfehlungen strafrechtlicher Art sowie über Machtmissbrauch im Amt. Somit können dann auch Gläubige zu ihrem Recht kommen, die ihren Fall aus Gewissensgründen aufgrund von 1.Kor 6,1 ff nicht vor Gericht bringen können oder wollen. So sind endlich auch diese Geschwister geschützt, deren Recht auf Wiederherstellung in vielen Fällen bisher sang- und klanglos untergegangen ist.
Das Schiedsgericht sollte auch die Möglichkeit haben, Schadenersatzzahlungen an die Geschädigten festzulegen – entsprechend dem Umfang des Schadens, der durch die Verfehlung eingetreten oder mitverursacht worden ist.