Ich glaube … Teuflisches?

Der Glaube sagt so: ich glaube dem Gott, der da spricht. Was spricht er? Unmögliches, Verlogenes, Unhaltbares, Verächtliches, Ketzerisches, Teuflisches – wenn du die Vernunft befragst“ (W.A. 40I,361.1) „Der Glaube opfert die Vernunft und tötet diese Bestie … diese schärfste und heilloseste Feindin Gottes.“ (362,15)

Dieses schauerliche Glaubensbekenntnis stammt von Martin Luther und wird von gewissen Evangelikalen   (wie Helge Stadelmann in seinem Buch „Evangelikales Schriftverständnis“, Hammerbrücke 2005, S.33)  allen Ernstes als Vorbild für die „evangelikale Bibelauffassung“ präsentiert.

Wir erkennen daraus, dass  giftige Theologie mitnichten nur unbedeutende, tragische, Einzelfälle betrifft – wie gerne und häufig behauptet wird, sondern ein flächendeckendes Zerstörungspotential hat, das einen erheblichen Teil der evangelikalen Christenheit bedroht..

Die Anwendungsbeispiele, mit denen Stadelmann die Äußerung Luthers illustriert, sollen dieses Risiko herunterspielen: es werden genannt die Dreieinigkeit Gottes (W.A. 4,639.24), und der Fluch des Elia, der zur Folge hatte, dass drei Dutzend spottender junger Leute von zwei Bären zerrissen wurden. (W.A. 37,40.1, zitiert S.32)

Zwei verharmlosende Beispiele. Die Dreieinigkeit ist ein Mysterium wie vieles andere in der Welt. Man kann sie wie vieles andere stehen lassen, was man nicht versteht. Wieviel Leute verstehen, dass die Zeit eine Dimension des Raumes ist? Wieviel Leute können die absurd erscheinenden Entdeckungen nachvollziehen, die die Wissenschaft im Innern des Atomkerns gemacht hat?

Die Strafe des Elia hatten die jungen Leute mit ihrem Spott herausgefordert. Es erscheint unwahrscheinlich, dass zwei Bären es fertigbrachten, so viele Leute zu töten, aber es geschehen auch immer wieder Ereignisse, die niemand für möglich gehalten hätte. Vielleicht war die Örtlichkeit sehr ungünstig, vielleicht waren die jungen Leute der Ansicht, es gemeinsam mit den Bären aufnehmen zu können. Beide Geschichten fordern keine unüberwindlichen Opfer der Vernunft.

Teuflisches glauben: Warum nennt Stadelmann nicht das wirklich Anstößige, die destruktiven und bösartigen Bibelstellen? Hier hätte der Genozid-Befehl des Mose genannt werden müssen, alle männlichen Säuglinge und Kinder sowie alle Mädchen, die schon verheiratet waren (nach damaligem Heiratsalter betraf das auch schon 14-jährige Mädchen) zu töten. (4.Mo 31,17 ff). Oder der Befehl, einer Frau ohne Mitleid die Hand abzuhacken, wenn sie, um ihrem Mann in einem Streit beizustehen, den Gegner mit einem Griff an die Hoden kampfunfähig macht. (5.Mo 25,12).

Sehr problematisch sind auch Verbrechen frommer Menschen, die in der Bibel nicht kritisiert werden, sogenannte no-comment-Texte. Es liegt auf der Hand, dass dem Leser eine interessengeleitete Sicht aufgedrängt werden soll.

Diese Gebote oder Taten widersprechen der klaren Ethik Jesu und werden auch durch sie aufgedeckt und korrigiert. Offensichtlich soll es nach dem Willen Gottes so sein.

Luther behauptete, dass diese Korrektur überflüssig, ja Sünde sei. Der menschliche Verstand würde sich damit über Gottes Wort erheben.

Tatsächlich? Der Verstand ist hier doch gar nicht das Problem, der sicherlich auch hieraus ein Mysterium machen könnte.

Das Gewissen ist das Problem, weil es plötzlich Bereiche gibt, in denen den Maßstäben Jesu widersprochen werden darf und in denen das Gewissen zwei widersprechenden Herren dienen muss. (Mt 7,24) Eben das ist unmöglich! Es ist destruktiv und verstörend! Wer Kindern erst beibringt, dass Stehlen Sünde ist, und dann selber vor ihren Augen stiehlt, der kann von den Kindern kaum Gehorsam aus Überzeugung erwarten. Überzeugung braucht Eindeutigkeit. Wer seine eigenen Maßstäbe missachtet, wird nicht mehr ernstgenommen – zu Recht. Er kann zwar noch Gehorsam herstellen, aber nur noch mit dem Mittel der Strafandrohung. Was ist nun Gott wichtiger, Gehorsam, weil man vor seiner unendlichen Macht Angst hat oder Gehorsam aus Überzeugung, weil man seine Maßstäbe der Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Verlässlichkeit als unbedingt und ausnahmslos gültig respektiert?

Das Zeugnis der Kirchengeschichte zeigt eine fast selbstverständliche Brutalisierung der Theologie. Luthers Gewissen entartete. Einmal im Bunde mit der Macht der Fürsten rief er zum Massenmord an Juden und Bauern, sowie an baptistischen Gläubigen auf. Er empfahl behinderte Kinder zu ersäufen und dergleichen Scheußlichkeiten mehr. In den üblichen Predigten zum Reformationstag erfährt die Gemeinde davon nichts. Pastoren sind indes bestens informiert, aber etliche weigern sich dennoch strikt, über die dunklen Seiten des Reformators zu reden.

Mit dieser „Schriftauffassung“ hat die Lüge, die Geschichtsfälschung, die Beschönigung, die Manipulation ihren festen Platz in der Belehrung der Gläubigen bekommen. Man lernt geradezu, sich an Unehrlichkeut und Selbstbetrug nicht mehr zu stören. Ist es da ein Wunder, wenn Unehrlichkeit auch in anderen Bereichen immer weiter um sich greift? In wievielen Gemeinden ist es denn möglich, über Machtmissbrauch und miese Tricks zu informieren? Dabei ist Ehrlichkeit ein so hohes und seltenes Gut in der Welt. Der christlichen Gemeinde hat man damit einen Bärendienst erwiesen.

Wir denken, dass man das gute Anliegen, Ehrfurcht vor Gott und seinem Wort zu bewahren, am besten verwirklicht, indem man sich den Maßstäben Jesu, insbesondere den wichtigsten Geboten (Mt 23,23) kompromisslos unterwirft und ihre Verwässerung durch zweitrangige Berichte der Bibel nicht zulässt. Das Gewissen des Gläubigen ist ausdrücklich geschützt vor Überforderung und muss geschützt bleiben. (Rö 14,20) Das hat niemand in Frage zu stellen!

Wenn gewisse Gläubige der Gemeinde „Teuflisches und Verlogenes“ als „evangelikales Schriftverständnis“ schmackhaft machen wollen, dann sollte unsere Antwort sein: „Wer Teuflisches und Gemeines als richtig und „heilig“ einstuft, hat von Jesus wenig bis gar nichts verstanden. Was immer er Schiefes zusammendenkt, ist ein Missverstehen.“

Die Bibel verteufelt nicht den Verstand, umso weniger als Verstand hilft, dem Teufel nicht auf den Leim zu gehen. Sie lobt die Weisheit als Geschenk Gottes. Der Gläubige erhält den Heiligen Geist geschenkt, in dem die Fülle der Weisheit ist. Er erhält den „Sinn Christi„, der ihn befähigt alles Nötige in der Heiligen Schrift zu verstehen und richtig einzuordnen. (1.Kor 2,16).

Wer den „Sinn Christi“ hat, ist gut ausgerüstet und braucht mitnichten ein „Schriftverständnis“, das ihn von theologischen Machtinteressen Einzelner abhängig macht.

 

 

 

 

 

Artikel aktualisiert am 25.04.2018

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