Mindeststandards für den Schutz vor Missbrauch

1. Um einen wirksamen und nachhaltigen Schutz vor religiösem oder sexuellen Missbrauch von Menschen in einer christlichen Religionsgemeinschaft zu gewährleisten, muss eine Erklärung öffentlich abgegeben werden, die sich verbindlich zur Einhaltung der dazu notwendigen Maßnahmen bekennt.  Diese Erklärung muss von höchster Stelle abgegeben werden und von den Gemeinden, die Mitglieder des Verbands sind oder werden wollen, verbindlich akzeptiert werden. Sie muss den Standards der „Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Verlässlichkeit“ (Mt 23,23) entsprechen, die Jesus als „das Wichtigste im Gesetz“ bezeichnete. Diese Standards stehen also im Rang über dem Glaubensbekenntnis oder Schriftverständnis.

2. Ergebnisse, Erfolge und Schwächen der Maßnahmen sind öffentlich zu dokumentieren, damit mangelhafte Maßnahmen verbessert werden können.

3. Die Religionsgemeinschaft erklärt ihre Zuständigkeit für Schäden, die Menschen in ihrem Wirkungsbereich durch haupt- oder ehrenamtliche Mitarbeiter durch grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz zugefügt werden. Gemeinden, die Mitglieder des Verbands sind oder werden wollen,  müssen schriftlich eine Zuständigkeit im Schadensfall anerkennen.

4. Verantwortung für Missbrauch übernehmen heißt die Folgen des Missbrauchs mittragen. Missbrauch kann im ungünstigen Fall zu einer so erheblichen seelischen oder körperlichen Schädigung führen, dass eine vollzeitliche Berufstätigkeit nicht mehr möglich ist. Es muss möglich sein, solcherart Geschädigten eine kleine Rente zu zahlen, die durch einen Hilfsfonds der Gemeinschaft aufgebracht wird. (Gemeinde-Haftpflicht!)

5. In den Hilfsfonds zahlen sinnvollerweise alle Mitglieder mit einem Teil ihres Einkommens ein, das sie von der Religionsgemeinschaft beziehen. Der Fonds kann auch aufgestockt werden durch die Einnahme von Strafgeldern für missbräuchliche Verhaltensweisen, die die Gemeinde Mitarbeitern auferlegen kann, ohne dass ein Schaden eingetreten sein muss.

6. Gemeinden müssen zur konsequenten Durchsetzung sinnvoller Präventivmaßnahmen verpflichtet werden. Verstöße von Mitarbeitern gegen Präventivmaßnahmen sollten nicht folgenlos bleiben, sondern mit geeigneten Mitteln geahndet werden. Am wirksamsten dürfte eine vorab festgelegte Geldstrafe sein. Zusätzlich kann die Einschränkung von Befugnissen in Frage kommen – sofern sie möglich und sinnvoll ist. Mitarbeiter müssen sich bei der Einstellung schriftlich zur Anerkennung der Präventivmaßnahmen und Sanktionen verpflichten.

7. Die Bearbeitung von Missbrauchsfällen muss ohne Ansehen der Person erfolgen durch Personen, die Entscheidungen auch zum finanziellen Nachteil der Religionsgemeinschaft fällen können, falls Wiedergutmachung zu leisten ist. Bestehen an der Unbefangenheit der Schiedsrichter Zweifel, so empfiehlt es sich, im Glauben bewährte Gläubige, die für den schiedsrichtlichen Dienst geeignet sind, aus einer anderen Religionsgemeinschaft (nach Möglichkeit mit abweichendem Bekenntnis) zu Schiedsrichtern zu bestellen sowie dieser Religionsgemeinschaft ebenfalls schiedsrichterlichen Dienst anzubieten. Älteste vertreten gemeindliche Interessen und kommen daher als Schiedsrichter nur dann in Frage, wenn ihr Dienst von beiden Konfliktparteien ausdrücklich gewünscht wird. Die Schiedsrichter sollten eine Erklärung unterschreiben, dass sie ohne Ansehen der Person urteilen und evt. Gründe, die eine Partei begünstigen (Interessen, Bekanntschaft, Verwandschaft) vor der Beurteilung offenlegen werden.

8. Ohne Ansehen der Person urteilen heißt insbesondere, dass hochrangige Mitarbeiter und Funktionäre der Religionsgemeinschaft von einem Schiedsgericht nicht begünstigt werden dürfen, sondern sich dort ebenso wie jedermann zu verantworten haben.

9. Der Geschädigte muss das Recht haben, zu verlangen, dass die Entscheidung und Begründung des Schiedsgericht öffentlich gemacht werden. Schiedsrichter, die zu ihren Entscheidungen nicht öffentlich Rechenschaft geben können, sind ungeeignet.

10. Eine Religionsgemeinschaft muss durch Schulung der Mitarbeiter für eine Kultur der Aufmerksamkeit und Sensbilität für mögliche Übergriffigkeit bzw. Schädigung sorgen.

11. Eine Religionsgemeinschaft kann sich von religiösem Missbrauch nur dann distanzieren,  wenn sie erlaubt, dass schädliche oder nachteilige Nebenwirkungen ihrer Glaubensauffassung den Mitgliedern offen und ehrlich zur Diskussion gestellt werden, damit diese sich entscheiden können, ob sie diese Nebenwirkungen für sich persönlich in Kauf nehmen wollen. Desgleichen muss eine öffentliche Diskussion darüber erlaubt sein, ob nicht eine Nachbesserung der Lehre möglich ist, die in Zukunft Schäden dieser Art vermeidet. Deshalb ist am schwarzen Brett gut sichtbar eine Liste unabhängiger Webadressen anzubringen, geordnet nach der Gründlichkeit der Risikoanalysen.

12. Mutwilliges Erschweren oder Verhindern schützender Information ist als vorsätzliche Beihilfe zum Missbrauch anzusehen. Es entspricht dem Standard der Fairness und Gerechtigkeit, wenn die Glaubensgemeinschaft für entstehende Schäden aufkommt.


Bitte unterstützt dieses wichtige Vorhaben durch Kommentare, Verbesserungsvorschläge und Bekanntmachung – gerade auch dort, wo man leider noch notorisch taub für die Not der Geschädigten ist !

 

 

 

Artikel aktualisiert am 12.02.2020

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