Autor: Joel schrieb:
Hallo! In den letzten Tagen beschäftige ich mich viel mit Zeugnissen von Menschen, die den Himmel und/oder die Hölle auf übernatürliche Weise erlebt haben, so wie dieses hier: https://road-of-humbleness.com/?page_id=1151
Allen Zeugnissen nach, die ich bisher gehört/gelesen habe, ist es tatsächlich so, dass Namen im Buch des Lebens erscheinen und auch wieder verschwinden, erscheinen, und wieder verschwinden, usw. – je nachdem, ob man gerade in Sünde lebt oder ob man diese Sünde schon bekannt und um Vergebung gebeten hat. Das heißt, so etwas wie eine dauerhafte Heilsgewissheit gibt es nicht, sondern man steht praktisch immer auf der Klippe.
Dann gibt es Menschen, wie Torben Sondergaard von „The Last Reformation“, die sagen, sie haben nach ihrer Bekehrung keine einzige Sünde mehr begangen und so sollte es bei allen Christen sein. Dort geschehen viele Wunder, Menschen werden geheilt, Dämonen fahren aus, usw. Das heißt, Gott bestätigt das. Ich selbst hatte auch ein Gespräch mit jemandem, der sich dort taufen ließ, der das auch nochmal bestätigt hat.
Dann gibt es Prediger wie Conrad Gille, deren Zeugnis auch sehr authentisch ist, die sagen, unsere Identität ist sicher in Gott, und wenn wir untreu sind (und sündigen), ist Gott trotzdem treu und Heiligung ist kein Prozess sondern ein Zustand, der von dem Moment an, wo wir glauben, eintritt und unabhängig von der Sünde so ist. Diese Menschen sagen das, was hier auch steht, dass ein einziges unüberlegtes Wort einen nicht in die Hölle bringt. Auch in diesen Gemeinden passieren Wunder, auch dort geschehen diese Dinge. Das heißt, auch diese Theologie scheint Gott zu bestätigen.
Dann gibt es Gemeinden wie Bethel, über die Torben Sondergaard sagt, dass an solchen Orten ein „falscher Geist“ (Stichwort „Kundalini“) ist, und dann werden Videos hochgeladen von Leuten, die aus solchen Gemeinden kommen, die sich nochmal taufen lassen und wo auch wieder Dämonen ausfahren, sozusagen als „Beweis“, dass in diesen Gemeinden nicht Gottes Geist ist. Allerdings geschehen auch auch in diesen Gemeinden Heilungen und Befreiungen, und es gibt viele gute Zeugnisse.
Dann gibt es Prediger wie Paul Washer und John MacArthur, die den modernen Lobpreis wegen des Rhythmusses usw. verurteilen und die sagen, das wäre alles schlecht und von der anderen Seite. Aber auch in deren Gemeinde werden Gebete erhört und es geschehen Wunder.
Beide Theologien lassen sich aus der Bibel herleiten, aber beide können ja nicht gleichzeitig stimmen… Nach vielen Jahren verwirrt mich das immer noch. Ist das die Spaltung, über die man in den Zeugnissen so viel hört, die Gott verabscheut? Ich weiß, diese Seite vertritt das zweite Verständnis von Gnade. Aber die Zeugnisse widersprechen dem wieder.
Was sagt ihr dazu? Kennt ihr Zeugnisse von Menschen, die euer Verständnis von Heilsgewissheit bestätigen?
Lieber Bruder Joel,
ich habe die von dir angegebene URL „road of humbleness“ besucht und mir etliche der Berichte der dort zitierten „Höllenerfahrungen“ angeschaut. (https://road-of-humbleness.com/?page_id=1172, id=1161) Hier behaupten etliche „Zeugen“ gesehen zu haben, wie Dämonen die verdammten Seelen quälen – mit Genuss zweifellos, aber auch mit recht altertümlich anmutenden Instrumenten wie Speeren, Messern, Ketten. Der fünfte Erfahrungsbericht junger Leute ( id=1175) weiß sogar davon zu berichten, dass Satan in der Hölle der Chef ist und Dämonen bestraft, die einen Auftrag „auf der Erde“ schlecht ausgeführt haben, zu dessen Ausführung sie zeitweilig aus der Hölle entlassen wurden.
Mit der Bibel stimmt das nicht überein. Die Offenbarung des Johannes sagt sehr deutlich, die Hölle ein Strafort für den Teufel und seine Dämonen ist (Offb 19,20/ 20,10) und nicht etwa ein Ort, wo sie Autorität ausüben und ihre Boshaftigkeit noch ausleben können. Die Offenbarung berichtet außerdem einer schmachvollen, 1000 Jahre dauernden Fesselung des Teufels vor seiner endgültigen qualvollen Bestrafung (Offb 20,7+10). Wie soll er da Autorität ausüben können?
Man muss sich schon entscheiden: entweder ist die Offenbarung des Johannes zu verwerfen oder diese seltsamen „Zeugnisse“. Die dort vermittelte Sicht der Hölle spiegelt Vorstellungen aus der naiven Volksfrömmigkeit und Märchenwelt wieder.
Mich erinnern sie in mancher Hinsicht an das „Petrusevangelium“, das vom frühchristlichen „Kanon Muratori“ (170 n.Chr.) noch als inspirierte Schrift neben den uns bekannten biblischen Texten aufgeführt wird (Näheres in unserem Beitrag: „Wie zuverlässig war die Überlieferung der Bibel?) Auch dort sind ähnlich kindische Schilderungen der Hölle zu finden, ein perverses Schwelgen in mittelalterlichem, primitiven Sadismus, das schon die frühe Kirche gerne gesehen hat, da ängstliche Menschen leichter überzeugt und geleitet werden können. Auch der Gang des „Augenzeugen“ an der Seite Jesu durch die Hölle hat literarische Vorlagen. Man denke an John Bunyans Pilgerreise oder Dantes Göttliche Komödie.
Die Bibel sagt davon nichts. Es fällt mir schwer, nachzuvollziehen, inwiefern die angeführten „Zeugnisse“ großes Gewicht haben sollen.Selbst wenn das Nahtoderlebnis so stattgefunden haben sollte, wie es berichtet worden ist, so ist damit kein Wahrheitsgehalt garantiert. Auch auf der Schwelle zwischen Tod und Leben kann ein Bereich des Gehirns aktiv gewesen sein, der für Träume zuständig ist. Und was wir zusammenträumen, ob Schönes oder Schlimmes, stimmt doch meistens gar nicht. Dieser Verdacht liegt sehr nahe, weil die erwähnten primitiven Vorstellungen bei vielen schlecht informierten Menschen ohnehin herumgeistern. Was immer wir da lesen, sind jedenfalls keine „Augenzeugenberichte“.
Zu Torben Sondergaard………………
Ich habe die Webseite von Torben Sondergaard besucht.
(http://www.dieletztereformation.ch/torben-soslashndergaard.html) Eine kritische Beurteilung seiner Bewegung „Die Letzte Reformation“ findest du unter dem neuen Beitrag „Glaubensheiler oder Seelenfleischer“ („https://matth2323.de/glaubensheiler-oder-seelenfleischer/“) Ihr Ergebnis: Torben Sondergaard ist ein gutes Beispiel für religiösen Machtmissbrauch. Beeindrucken wird er nur Gläubige, die nicht genau nachprüfen. Leider auch Kinder und Jugendliche.
Zeichen und Wunder waren noch nie ein Beweis für richtige Lehre und sündloses Verhalten (Mark 9, 38ff). Sonst könnte Gott gar nichts durch uns Menschen tun. Sie sind vielmehr Gottes freie Antwort auf unsere Gebete und geschehen überall, wo Menschen sich an ihn wenden, auch in der evangelischen Kirchengemeinde, die ich leite. Ich lese die Bibel im Licht der Gnade, das heißt, wie Jesus auch kritisch (Matth 5,21ff). Ich habe bei uns manche überraschende Heilung erlebt, aber auch, dass Menschen krank blieben. Das war auch schon bei den Aposteln der Fall (2 Tim 4,20), sogar bei Jesus, der im Krankenhaus Bethesda nur einen von vielen heilte (Joh 5). Ich war viel mit charismatischen Gemeinden unterwegs, auch missionarisch, habe dort auch Heilung erlebt, aber auch Probleme gesehen. Dass nämlich manches vorschnell und übertrieben als Heilung ausgegeben wurde und viele Wunder umso unspektakulärer wurden, je genauer man sie untersuchte. Wie der Scheinriese Turtur in der Geschichte von Jim Knopf schrumpften sie beim Näherkommen. Was mich aber am meisten störte, war, dass man Menschen, die trotz Gebet krank blieben, selbst die Schuld daran gab. Ihnen wurde unterschwellig Unglaube oder versteckte Sünde vorgeworfen, weil sie nicht gesund wurden. Damit trugen sie eine doppelte Last. Dabei brauchten sie mehr Empathie als die Gesunden. Paulus hätte sie ihnen gegeben, weil er sie wegen einer unheilbaren Krankheit selbst brauchte (2 Kor 12,7ff).