P.B. – Hebräerbrief entschärft

Ich hab mir noch mal den Hebräerbrief durchgelesen, um das zu prüfen, was du schreibst, denn ich vertrete auch wie Luther den Standpunkt, dass alles zu prüfen ist und wenn etwas gegen Christus ist, ist es zu verwerfen. Denn der Maßstab ist Christus. Er ist das lebendige Wort Gottes. Die Schrift ist ein Zeugnis von Christus. Er ist die Mitte der Schrift. Was nicht mit Christus und seiner Lehre übereinstimmt, ist zu verwerfen. Im Alten Testament finden wir an etlichen Stellen natürlich nicht die Höhe des Evangeliums, sondern wir sehen die Niedrigkeit und Begrenztheit des Gesetzes, das insoweit auch abgelöst ist von dem, was Christus gebracht hat.

Auf dieser Spur sehe ich auch den Hebräerbrief. Es ist das Bemühen des Hebräerbriefes, ganz klar  herauszustellen den Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Bund und Jesus zu verherrlichen, der alles neu gemacht hat. Im Hebräerbrief sehe ich das Bemühen, die Gläubigen zu ermahnen. So heißt es auch im letzten Kapitel, das dieser Brief ein ermahnender Brief ist, der die Gläubigen anspornen soll, das Gute zu tun, am Glauben festzuhalten, zu überwinden und  sich nicht verführen zu lassen von dem Betrug der Sünde. Darum geht es dem Verfasser, die Gemeinde zu warnen vor Lässigkeit und anzuspornen zum Festhalten. Damit, finde ich, ist er auch in Übereinstimmung mit den Sendschreiben in der Offenbarung, wo Johannes auch um die Gemeinden wirbt: haltet fest, überwindet und da, wo ihr kalt und nachlässig geworden seid und Irrlehrern nachhängt, da kehrt um. Das ist der Grundtenor, den wir auch in Kap 3,12-14 finden: „Seht zu, Brüder und Schwestern, dass niemand unter euch ein böses, ungläubiges Herz habe und abfalle von dem lebendigen Gott; sondern ermahnt euch selbst alle Tage, solange es »heute« heißt, dass nicht jemand unter euch verstockt werde durch den Betrug der Sünde. Denn wir haben an Christus Anteil bekommen, wenn wir die erste Gewissheit bis zum Ende festhalten.“ Also er warnt vor dem Betrug der Sünde und er sagt dass es durch den Betrug der Sünde möglich ist, verführt zu werden. Ähnliches finde ich in dem Gleichnis Jesu vom vierfachen Acker, wo der Teufel versucht, das gesäte Wort wieder aus dem Herzen zu reißen. Oder auch in dem Bericht von Eva, die durch die Schlange verführt wurde. Der Text des Hebräerbriefes passt dazu. Deshalb verwerfe ich ihn nicht.

Kap 4, 15-16 halte ich für einen weiteren wichtigen Schlüsselvers: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. Darum lasst uns freimütig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit.“ Das zeigt uns: nicht die Schwachheit ist das Problem, nicht dass wir fallen und sündigen und wieder aufstehen. Der Verfasser weist darauf hin, dass Jesus diese Schwachheit kennt und Mitgefühl hat. Als Mensch kennt er ja die Schwachheit des Menschen gut.

Jetzt komme ich zu den besonders scharfen Sätzen im Hebräerbrief, Kap 6,4-6: „Denn es ist unmöglich, die, die einmal erleuchtet worden sind und geschmeckt haben die himmlische Gabe und Anteil bekommen haben am Heiligen Geist  und geschmeckt haben das gute Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt  und dann abgefallen sind, wieder zu erneuern zur Buße, da sie für sich selbst den Sohn Gottes abermals kreuzigen und zum Spott machen.“ Hier ist genau zu prüfen, wer ist damit gemeint. Ich habe auch lange dem Fehler aufgesessen, dass ich gedacht habe, das trifft auf 99% der Menschen zu, dass sie in der Hölle landen. Bis ich das mal studiert hab und erkannt habe, wer sich dafür qualifiziert hat nach den Aussagen der Schrift. Es sind nicht die schwachen Gläubigen, sondern es sind die Widersacher, die aktiv auf der Seite des Satans stehen, wie auch die abgefallenen Engel, das Dämonische, Widergöttliche. Hier würde ich dir gern noch zwei Stellen zur Prüfung empfehlen. In Kap 10,26-27 geht es um das „mutwillige Sündigen“. Was bedeutet das? Er schreibt ja vorher, dass auch die Priester immer wieder um Vergebung bitten müssen, weil sie immer wieder sündigen. Der Verfasser weiß also, dass auch Christen sündigen. Aber hier muss ein Unterscheid bestehen zwischen dem Sündigen aus Schwachheit und dem „mutwilligen, bewussten Sündigen“. Und da bitte ich dich noch einmal genau hinzuschauen. Nach meiner Erkenntnis ist damit wirklich nur der Satan gemeint und die, die ganz bewusst auf der Seite Satans stehen: „Denn wenn wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, bleibt hinfort kein Opfer mehr für die Sünden, sondern ein schreckliches Warten auf das Gericht und ein wütendes Feuer, das die Widersacher verzehren wird.“ Denn letzten Satz – insbesondere das Wort „Widersacher“  halte ich für einen wichtigen hermeneutischen Schlüssel für den ganzen Hebräerbrief. Hier is nicht von schwachen Gläubigen die Rede, sondern von den Widersachern Gottes. Das ist der Satan und alle, die auf dessen Seite stehen. Da würde mich dein geistliches Urteil interessieren: kann denn der Teufel, auf den all diese Merkmale zutreffen, der Gottes Gnade gut kannte und dennoch bewusst und mutwillig alles Böse tut hat, kann dieser Teufel nach deiner Meinung noch bereuen und neu anfangen oder nicht? Hier liegt nach meiner Meinung der hermeneutische Schlüssel: gemeint sind hier allein die Widersacher. Wenn ich dazu im Neuen Testament suche, da fällt mir nur eine Person ein, die sich dafür qualifiziert haben könnte, und das  ist Judas Ischariot, der wider besseres Wissen zum Widersache Jesu geworden ist, aber nicht die Jünger, die aus Schwachheit versagten, wie zB Petrus, der as Angst leugnete, Jesus zu kennen. Die folgenden Verse machen es deutlicher: „Eine wie viel härtere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Bundes für unrein hält, durch das er doch geheiligt wurde, und den Geist der Gnade schmäht?“ (Hebr 10,29) Hier ist nicht die Rede von Trägheit und Lauheit, hier werden aktive Begriffe verwendet „mit Füßen treten, schmähen„. Wer tritt den Sohn Gottes mit Füßen? Wer schmäht den Geist der Gnade bewusst ? Das ist etwas Teuflisches, hat eine ganz andere Dimension. Das ist nicht Schwachheit, sondern Feindschaft und ist nicht damit zu verwechseln, dass wir Menschen versagen und in Sünde geraten. Der Verfasser des Hebräerbriefes wirbt aber um die Gläubigen und ist zuversichtlich, das es auf seine Hörer nicht zutrifft. . „Was aber euch angeht, ihr Lieben, sind wir vom Besseren überzeugt und von dem, was Rettung bringt, auch wenn wir so reden.“ (Hebr 6,9) Zu diesen würde mich noch einmal dein Urteil interessieren.

Abschließend noch meine Sicht zu Esau in Kap 12. Meiner Ansicht nach führt er Esau eher als Opfer an und weniger als Täter, um die Begrenztheit des alten Bundes darzustellen und zu sagen: gerade das haben wir heute nicht mehr. „Und seht darauf, dass nicht jemand …. sei ein Hurer oder Gottloser wie Esau, der um der einen Speise willen sein Erstgeburtsrecht verkaufte. Ihr wisst ja, dass er hernach, als er den Segen ererben wollte, verworfen wurde, denn er fand keinen Raum zur Buße, obwohl er sie mit Tränen suchte“ (Hebr 12, 15-17) Das hatten die Väter eben nicht im alten Bund, „den Mittler des neuen Bundes, Jesus, und das Blut der Besprengung, das besser redet als Abels Blut.“ (Hebr 12,24) Sie hatten nur das Gesetz, das die Sünde aufzeigte und die Strafe festsetzte. Aber da war keine Gnade, keine Vergebung, keine frohe Botschaft. All das ist erst nachträglich durch Christus geworden, aber auch rückwirkend für diesen Menschen gültig. Die Verse 18 ff liefern den klarstellenden Schlüssel für die Fragen um Esau: „Denn ihr seid nicht zu etwas gekommen, das man anrühren konnte und das mit Feuer brannte, nicht zu Dunkelheit und Finsternis und Ungewitter und nicht zum Schall der Posaune und zum Klang der Worte. Die das hörten, baten, dass ihnen kein Wort mehr gesagt würde; 20 denn sie konnten’s nicht ertragen, was da gesagt wurde (2. Mose 19,13): »Und auch wenn ein Tier den Berg anrührt, soll es gesteinigt werden.«  Und so schrecklich war die Erscheinung, dass Mose sprach (5. Mose 9,19): »Ich bin erschrocken und zittere.« Sondern ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu den vielen tausend Engeln und zur Festversammlung und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten und zu dem Mittler des neuen Bundes, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das besser redet als Abels Blut.“  Also, er macht hier gerade deutlich, dass diese dunklen Zeiten vorbei sind, dass er eine schreckliche Zeit war, nur das Gesetz zu haben und sich zu fürchten vor dem unnahbaren heiligen Gott, und dass Jesus das überwunden hat, dass wir ein besseres Geschick haben, eine bessere Anlaufstelle im Glauben. Insofern: warum fand Esau keinen Raum zu Buße? Weil Jesus noch nicht gekommen war. Weil das Gesetz ohne Gnade war. Weil die zweite Chance, die Vergebung aus Gnaden noch nicht da war. Und das trifft ja auch auf die Menschen zu, die schwer gesündigt hatten nach dem Gesetz und dann gesteinigt wurden, wie zB die Ehebrecher. Wo war da die Gnade? Sie fehlte. Und darum war das Gesetz zu wenig, zu schwach, nur ein „Zuchtmeister“. Die Menschen waren Knechte, keine Kinder Gottes, aber das hat Jesus gerade verändert. Und ich meine, dass das eine klarstellende Schlüsselaussage ist, dass der Verfasser darauf hinweisen will: wir haben eine bessere Hoffnung als damals. Denn davon handelt ja dieser ganze Brief, von diesem Kontrast zwischen altem und neuen Bund. Und wir heute haben einen besseren Hohenpriester. Also ich halte es für wichtig, die scharfen Aussagen des Hebräerbriefes genau in ihrem Kontext zu betrachten.

Ich hoffe, dass du etwas damit anfangen kannst. Ich bin kein Verfechter eines sturen Prinzips, etwa einer Unfehlbarkeitsdoktrin. Sondern wenn es Lehren gibt – und die gibt es im Alten Testament reichlich – die nicht zu Christus passen, dann sage ich, genau deshalb hat Gott ja das Gesetz abgesetzt und wir haben in Christus einen besseren Hohenpriester und einen besseren Bund. Und deshalb muss sich auch die Lehrer des neutestamentlichen Kanon an Christus orientieren. Sein Wort ist das letzte Wort.

Eine weitere Schlüsselstelle ist mE Hebr 11,16: „sie sehnten sich nach einer besseren Heimat, nach der Heimat im Himmel. Deshalb bekennt sich Gott zu ihnen und schämt sich nicht, ihr Gott genannt zu werden; denn für sie hat er seine Stadt im Himmel gebaut.“ Also alle, die sich nur sehnen nach Gott, finden bei ihm Annahme, Umkehr und Vergebung. Und die Feinde, die diese Sehnsucht gar nicht haben, die stehen auf der anderen Seite. Hier ist nicht die Rede von einer Qualifikation aus Werken.

Da ist meine aufrichtige Erkenntnis, nachdem ich den Hebräerbrief noch einmal im Ganzen gelesen habe. Aber ich bin weiter bereit zu hören was du denkst.

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