Dickere Reifen!

Liebe Schwester O.

Ich habe noch nie einen Brief bekommen, der über die Prägung durch die orthodoxe Kirche so detailliert berichtet. Das ist wirklich schlimmster religiöser Missbrauch. Wo steht in der Bibel, dass man nichts trinken darf, bevor das Abendmahl nimmt? Wo steht geschrieben, dass man ein vollständiges Sündenregister aufschreiben muss, um Vergebung der Sünden zu bekommen? Aber ich war erfreut, dass du es selbst gemerkt hast, dass diese Kirche übergriffig und gefährlich ist, dass sie Menschen mit ihren selbstgestrickten Gesetzen nicht ermutigt sondern einschüchtert und liebesunfähig macht. Zu Recht beziehst du die Strafrede Jesu in Mt 23 auf diese krankmachende Form von Frömmigkeit.

Doch warum beziehst du Hes.7,4 auf dich, wo es heißt, dass Gott kein Mitleid mehr haben wird. Hes. 5,7 steht doch der Grund dafür : Darum, so spricht Gott der HERR: „Weil ihr es schlimmer getrieben habt als die Völker, die um euch her sind, und nach meinen Geboten nicht gelebt und meine Ordnungen nicht gehalten habt und nicht einmal nach den Ordnungen der Völker gelebt habt, die um euch her sind… „Es gab damals soviel Gewalt, Betrug und Unrecht unter den Israeliten, dass selbst die gottlosen Heidenvölker ihnen zum Vorbild dienen konnten… Gott hatte mit ihnen schlussendlich kein Mitleid mehr, weil sie selber gar nicht wissen wollten, was Mitgefühl war. Den anderen betrügen, bestehlen, ihm den Partner oder Arbeitsplatz wegnehmen, verleumden, bedrohen, Intrigen spinnen, das ist auch heute Normalität. Betrifft dich das?

Das ist leider keine hilfreiche Gewohnheit, sondern ein fürchterliches Eigentor, das unter bibeltreuen Christen weit verbreitet ist, dass man, was immer man liest, gleich auf sich selbst bezieht, anstatt einmal im Zusammenhang zu lesen und den wirklichen Sinn zu erfassen. Du liest irgendein ein hartes Bibelwort und es triggert sofort bei dir die größten Ängste, die dich für alle positiven Impulse blind machen.

Die Prägung in der Jugend ist, wie du auch selber erkannt hast, eine schwere Vorbelastung. Man kann sie mit Straßenbahnschienen vergleichen, in die ein Radfahrer leicht hineinrutscht. Was kann er tun? Entweder dort fahren, wo keine Schienen mehr sind, oder ein Fahrrad nehmen, das so breite Reifen hat, das sie in einer Schiene mehr festklemmen. Solche dicken Reifen gibt es.

Jesus jedenfalls hat dein Problem gekannt. Die Pharisäerkirche lädt den Menschen eine Vielzahl überflüssiger Gebote auf, schärft das Gewissen bis zur Unerträglichkeit, und erzeugt zugleich ein fragwürdiges Sendungsbewusstsein. Im Urwalddickicht der vielen Gebote irrt der überforderte Gläubige orientierungslos umher. Jesus gibt ihm auf ganz einfache Weise Orientierung zurück: „Ihr habt das Wichtigste vergessen, sagt er: Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Verlässlichkeit.“ (Mt 23,23) Das ist das, was wirklich wichtig ist. Es ist das höchste Gebot. Und deshalb muss alles was sonst in der Bibel zu lesen ist, so ausgelegt werden, dass es diesem Maßstab entspricht. Wenn wir das tun, dann stellen wir fest, dass manche Bibelworte im Sinne der Liebe kritisiert und korrigiert werden müssen.

Paulus sagt über die Bibel: „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig“ (2.Kor 3,b) Du musst es also nicht zulassen, dass dich der Buchstabe tötet. Lerne den Schlüssel Jesu zu gebrauchen, und jedes Bibelwort im Sinn der Liebe auszulegen, dann wirst du froh, so wie er es all seinen Freunden versprochen hat. Destruktiv wirkende Bibeltexte sind also Übungsaufgaben, damit du die Anwendung des Schlüssels praktisch lernen kannst. Auch die Texte über die Hölle lassen sich in einer Mut machenden Weise auslegen: https://matth2323.de/hoelle/

Bitte lies diesen Beitrag und die damit zusammenhängenden Texte gründlich. Sie beantworten viele der Fragen in deinem Brief. Lerne in dieser gesunden Weise zu denken.

Wie du schriebst, hast du eine Zeitlang Texte und Vorträge bibeltreuer Lehrer konsumiert und ihre Ansichten gutgläubig übernommen. Doch inzwischen hast du gemerkt, dass sie ehrlichen Fragen ausweichen, die nicht in ihr System passen. Man muss sehr sorgfältig prüfen – das hast du richtig erkannt. Wer den Schlüssel Jesu in Mt 23,23 nicht anwendet, kann niemandem dauerhaft die Tür zur Freude aufschließen. Er wird immer ein schiefes Bild von Gott vermitteln.

Mir fällt auf, dass du auch in deinem neuen Brief wieder Ps 2 zitierst, dass Gott lacht und spottet über Menschen. Im letzten Brief habe ich dich aber darauf hingewiesen, dass sich dieser Text gegen Gewaltherrscher richtet Im zweiten Vers steht es direkt drin: „Die Könige der Erde lehnen sich auf, / und die Herren halten Rat miteinander wider den HERRN und seinen Gesalbten...“ Wo finden wir in der Geschichte Beispiele dafür? Ein Hitler, der einen Krieg mit 60 Millionen Toten führte, ein Napoleon, der in 60 Schlachten die Jugend Europas verheizte, ein Stalin, der Millionen Menschen verhungern ließ oder sie in die Lager des Gulag sperrte, weil sie gläubig waren, solche Schurken sind hier gemeint. Diese Leute, vor denen alle Welt gezittert hat, sollen nach Gottes Willen eines Tages lernen selber vor Angst zu zittern. Und das ist eine frohmachende Botschaft! Ich habe mir immer sehr gern den Film „der Untergang“ mit Bruno Ganz in der Rolle des Hitler angeschaut. Ich habe es geradezu genossen, wie diese brutalen Verbrecher schlussendlich selbst Angst bekamen und merkten, dass sich die ewige Gerechtigkeit nun mit ihnen befasste und dass ihnen all ihre Tricks und ihre Gewalt nicht mehr helfen konnte. Auch das ist Ausdruck der Liebe des himmlischen Vaters, dass er über soviel Bosheit und sinnlos verursachtes Leid nicht hinwegsieht, sondern es angemessen bestraft. Wieso beziehst du diese harten Worte auf dich? Bist du ein übler Gewaltherrscher? Verzweifeln Menschen, weil du ungerechte Gesetze machst? Warum hat mein Hinweis im letzten Brief nicht ausgereicht? Er widerlegt doch eindeutig deine Befürchtungen.

Wenn du das glaubst, bist du wieder in die Straßenbahnschiene hineingerutscht. Nimm dickere Reifen, dann passiert das nicht. Vielleicht solltest du möglichst überhaupt keine warnenden Worte lesen, bis deine Glaubensfreude stabil geworden ist. Lies weniger, lies aber das, was dir weiterhilft. Du darfst glauben, dass für dich alle Mut machenden Worte gelten! Sie gelten allen, die in Liebe zu Gott und dem Nächsten leben wollen! Dass du das willst, kann man an deinem Brief erkennen. Erinnere dich an Menschen, die du kennst und deren Liebe dich beeindruckt und aufgerichtet hat. „Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!“ (Lk 11,31) Wieviel mehr! Gott ist liebevoller als der liebevollste Mensch auf Erden. Wenn du als geliebtes Kind Gottes Angst bekommst, dann hast du den falschen Text gelesen, der für andere dickfellige Menschen gedacht ist. Die Warnungen müssen leider so hart sein, weil sie durch das dickste Fell dringen müssen. Aber wahr ist auch dies: Gott legt viel tausendmal mehr Wert auf Gnade und Freundlichkeit: „Denn sein Zorn währet einen Augenblick und lebenslang seine Gnade.“ (Ps 3ß,6) Du hast dieses Verhältnis umgedreht: „Immer währt sein Zorn, und ab und zu kommt mal eine kurze Phase Gnade“ – diesen Unsinn denkst du. Doch in der Bibel findet man das nicht! Selbst mit einem Hitler hatte Gott sehr viel Geduld, soviel dass Menschen schon böse auf ihn wurden: Hitler hat 42 Attentatsversuche überlebt. Hätte er nicht früher sterben können? Doch eines Tages war Gottes Geduld auch mit ihm zu Ende, damit Millionen Menschen wieder Aussicht auf Frieden haben sollten.

Niemals sollte man warnende Worte blind und gedankenlos auf sich selbst beziehen! Zu diesem Fehler verleitet die bibeltreue Ideologie, die verbietet, dass der Gläubige alles, auch Bibelworte am Maßstab Jesu in Mt.23,23 prüften darf. Lies doch einmal die Beiträge zur giftigen Theologie“. https://matth2323.de/giftige-theologie/ Dort kannst du das Prüfen lernen. Du siehst dort, dass man dasselbe Bibelwort gesetzlich-destruktiv aber auch konstruktiv und ermutigend auslegen kann. Man ist nicht gezwungen es destruktiv auszulegen.

Bitte versäume nicht regelmäßig die Verheißungen zu lesen: sie sind ein starkes Gegenmittel gegen den destruktiven Gedankensog.: sie gelten allen, die mit Gott leben wollen: https://matth2323.de/vertrauen-lohnt-sich/ Präge sie dir gründlich ein und sage sie dir täglich vor.

Es ist vielleicht sogar gut, wenn du eine Zeitlang nur die Verheißungen liest. Zwar bietet dir die Webseite viel Gelegenheit, das Urteilen an Problemtexten zu üben. Solange du aber noch sehr unsicher im Urteilen bist, und leicht wieder mit dünnen Reifen in die alten Straßenbahnschienen hineinrutschst, möchte ich dir raten, schwierige Fragen als geklärt zu betrachten und an kindlichem Vertrauen festzuhalten: „werdet wie die Kinder, denn sie finden leicht den Weg ins Himmelreich!“ Du darfst dich heute noch freuen, bevor alle schwierigen Fragen geklärt sind. „Dazu bin ich gekommen, damit ihr völlige, ungetrübte Freude habt,“ sagt Jesus. (Joh 15,11) Nimm ihn beim Wort!

Lieben Gruß

Dein Bruder Benignus

P.S. Bitte schreib mir, wenn du aus der inneren Not wieder herausgefunden hast, damit ich mich mit dir freuen kann.

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