(Eine Antwort an P.B. – Hebräerbrief entschärft) Danke, lieber P.B., für deinen Beitrag, der wirklich sehr umfassend geworden ist.
Es gibt viele Gläubige, die Sympathien für den Hebräerbrief haben. Die Gründe für seine Attraktivität habe ich ja auch gleich zu Anfang meines Artikels „Risiko Hebräerbrief“ genannt. Der Schaden, der durch die strengen Hebräerbriefworte angerichtet werden kann, hat viele Gläubige nie selbst persönlich betroffen. Da ist man natürlich geneigt, den Nutzen des Briefes wesentlich höher zu bewerten als ein eventuelles Risiko für andere.
Das subjektive Urteil ist aber nicht gefragt, gerade wenn wir der Ermahnung des Hebräerbriefes folgen wollen: „und lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken“ (Hebr 10,24) Die Gemeinde ist ein Leib, und die Glieder des Leibes sollen füreinander sorgen, und insbesondere die schwächsten, verletzbarsten Glieder des Leibes sollen sie besonders schützen. „Das Auge kann doch nicht zur Hand sagen: „Ich brauche dich nicht“, und der Kopf doch nicht zu den Füßen: „Ich verzichte auf euch“. Im Gegenteil, gerade die scheinbar schwächeren Glieder des Körpers sind unentbehrlich. Die unansehnlichen kleiden wir mit größerer Sorgfalt, und die, deren wir uns schämen, mit besonderem Anstand. Die ansehnlichen Glieder brauchen das ja nicht. Gott hat den Leib so zusammengefügt, dass die geringeren Teile besonders geehrt werden, denn er wollte keine Spaltung im Körper. Alle Glieder sollen einträchtig füreinander sorgen. Wenn ein Glied leidet, leiden alle anderen mit; und wenn eins besonders geehrt wird, freuen sich die anderen mit.“ (1.Kor 12,24ff)
Das ist das, was ich dem Verfasser des Hebräerbriefes und seinen unkritischen Befürwortern vorwerfen muss, die verheerende Wirkung auf die schwächsten Gemeindeglieder interessiert sie nicht im geringsten. Menschen, die viel Glück im Leben hatten, haben eine optimistische Grunddisposition und sind sehr schnell der Ansicht, dass Gott es doch mit ihnen gut meint und dass sie mit sich zufrieden sein können. Menschen, die viele Unglück erleben, kommen oft oft aus ihrem Pessimismus nicht heraus, und neigen umgekehrt zur Befürchtung, dass Gott sie seine Unzufriedenheit fühlen lässt und sie seinen Zorn durch größere Gesetzestreue besänftigen müssen. Warum wird diese einfache Gesetzmäßigkeit so wenig beachtet?
Indirekt legst du auch für eine destruktive Wirkung des Hebräerbriefes Zeugnis ab, wenn ich dich zitieren darf: „Ich habe auch lange (!) dem Fehler aufgesessen, dass ich gedacht habe, Hebr 6,4-6 trifft auf 99% der Menschen zu, dass sie in der Hölle landen.“ … Die Drohungen des Hebräerbriefes erscheinen manchem Ausleger so schrecklich, dass sie ihr Heil unbeirrbar in der leicht widerlegbaren Behauptung suchen, der Hebräerbrief sei keinesfalls an wiedergeborene Christen gerichtet. Auch Martin Luther hat die überwiegend destruktive Wirkung dieses umstrittenen Briefes bestätigt. Nun hast du nach langer Zeit endlich eine andere Sicht der Dinge gewonnen und versuchst sie zu begründen. Aber ist deine Begründung stichhaltig?
Du argumentierst, dass Christen, die schwach sind und in Sünde fallen, nicht von unumkehrbarer Verdammnis bedroht sind, sondern nur Feinde und „Widersacher“ Jesu betroffen sind. Du übersiehst dabei, dass das Neue Testament die Unterscheidung zwischen schwachen Gläubigen und Feinden Jesu immer wieder einmal verwischt und dadurch sehr großen Druck auf das Gewissen ausübt.
Betrachten wir den Bericht vom reichen jungen Mann, der von Jesus aufgefordert wurde, all seine Habe den Armen zu geben und ihm anzuschließen. (Mt 19,21) Zu diesem großen Opfer konnte sich der junge Mann nicht entschließen. Er ging traurig davon, was zeigt, dass die Trennung ihm nicht leicht viel. Hier ist zweifellos Schwäche im Spiel und keine Bösartigkeit. Dennoch sagt Jesus im Anschluss, dass die Chance für Reiche äußerst gering ist, ins Himmelreich zu kommen, worüber sich die Jünger zu Recht entsetzen. Der Gläubige heute sieht sich in derselben Situation, wenn er bei Jakobus liest: „wer weiß das Gute zu tun, und tut es nicht, der macht sich eines Vergehens vor Gott schuldig„. (Jak 4,27). Jeder Gläubige weiß, dass Menschen, ja sogar Christen zugrunde gehen, weil ihnen Nahrung und bezahlbare medizinische Hilfe fehlt. Es wäre richtig und angemessen, in Armut zu leben und alles zu opfern wie der reiche junge Mann, um das Seine zur Linderung der Not zu tun. Nun tun das die wenigsten Gläubigen. Die meisten haben ein sehr robustes Gewissen und sie verdrängen das Thema. Das nützt anderen aber nichts, bei denen der Jakobusvers ein ständig wundes Gewissen erzeugt. Sie finden keinen Frieden, haben nicht mehr den Mut zu beten und denken ständig: diese Sünde steht zwischen ihnen und Gott. Das Urteil, das dem reichen Jüngling hinterhergeschickt wurde und sein Heil in Frage stellt, macht ihnen Not. Sie fragen sich ständig: Wie soll ich denn jemals froh werden? Werde ich überhaupt im Himmel ankommen?
Ein weiterer Bereich ist die Freundschaft mit der Welt. Hier heißt es: „Ihr Ehebrecher, wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.“ (Jak 4,4) Hier haben sich viele Bibellehrer immer sehr bemüht, Gläubigen einzutrichtern, was alles Freundschaft mit der Welt ist und Gottes Feindschaft herausfordert. In wie vielen Gemeinschaften wird das auch heute noch ganz ungeniert weiterbetrieben – zugunsten des eigenen Seelenfriedens! Denn eine Gemeinschaft, die sich durch Äußerlichkeiten „von der Welt“ abgrenzen kann, wird sich um so mehr auf der heiligen, sicheren Seite fühlen. Und doch: wie viele Gläubige sind dadurch für ihr Leben vergiftet worden, weil sie dachten, dass sie durch schräge Musik, die sie gerne hören, durch Freude am Tanz, durch Freude an „gemischten Inhalten“ in Kino, Fernsehen und internet oder durch Betreiben von Hobbies anstelle ständiger Mission, d.h durch Aufweichung einer „hundertprozentigen Kreuzesnachfolge“ (Mt 10,38) zu „Feinden Gottes“ geworden sind. Allein das dauerhaft schlechte Gewissen, kann ja nach Röm 14,15 den Gläubigen ins Verderben bringen. Auf die Frage, ob es nun zu Recht oder zu Unrecht entstanden ist, kommt es dabei gar nicht an.
Was ist mit den vielen Jugendlichen, denen man eingetrichtert hatten, dass Masturbation in Verbindung mit sexueller Phantasie vollendeter Ehebruch ist, für den das Wort Jesu gilt: „Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen. Wenn dich aber dein rechtes Auge verführt, so reiß es aus und wirf’s von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde. Wenn dich deine rechte Hand verführt, so hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle fahre.“ (Mt 5,28-30) Was ist, wenn sie mit schlechtem Gewissen weitermachen? Was ist, wenn sie gar keine echte Reue mehr empfinden können, weil sie das Gebot selbst für unbarmherzig halten? Sind sie dann als notorische Ehebrecher Gottes Feinde geworden? Stehen sie dann nach Röm 14,15 mit einem Bein in der Hölle?
Was ist mit Menschen, die den Partner gewechselt haben, weil der Partner unerträglich geworden ist? Sie haben sich trotz der Worte Jesu, dass Partnerwechsel Ehebruch ist (Mt 5,42), für die Fortsetzung der zweiten Ehe entschieden. Ist dass nun Freundschaft mit der Welt? Leben sie jetzt in ständigem Ehebruch und und in Verstocktheit, wenn sie die zweite, „unrechtmäßige“ Ehe nicht auflösen? Was ist, wenn sie gar keine echte Reue mehr empfinden könne, weil sie das Gebot selbst für unbarmherzig halten? Wie können sie sicher sein, dass ihr Scheitern am neutestamentlichen Standard nur unschädliche „Schwachheit“ ist und nicht die tödliche „mutwillige Sünde„?
Wie viele in der Gemeinde schaffen es denn, dass sie alles, was ihnen als fragwürdig oder falsch bewusst ist, bereuen und endgültig sein lassen? Der Standard des Johannesbriefes scheint das einzufordern: „Wer Sünde tut, der ist vom Teufel.“ (1Joh 3,8) Sünde kommt zwar immer wieder einmal vor, aber sie muss bekannt und ausgeräumt werden. Insofern scheint der Brief des Johannes zu lehren, dass der Gläubige regelmäßig zu einem Zustand zurückkehrt, in dem er sich keiner geduldeten Sünde mehr bewusst ist. „Wer aus Gott geboren ist, der tut keine Sünde“ (1Joh 3,8). Der Hebräerbrief verschärft diese Sätze, die man auch als holzschnittartige, grobe Skizze ansehen und somit etwas relativieren könnte, zum berühmten „Nadelöhr“ (Mt 19,24), durch das so gut wie niemand mehr hindurchkommt.
Wie viele Menschen sollen diesen Standard erreichen? „Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!“ (Mt 7,14). Bei ängstlichen, pessimistischen Menschen wird auch ein Bekehrungsgebet wenig an der Befürchtung ändern, dass der größte Teil der Menschheit ohnehin für die ewige Verdammnis vorherbestimmt ist. Warum dann nicht auch sie? Das ist der Tenor vieler Briefe, die man mir zum Thema „Hölle“ geschickt hat.
Der Hebräerbrief richtet sich an Elitechristen, die „mit Freuden“ das geleistet haben, was der reiche junge Mann nicht konnte, nämlich „den Raub ihrer Güter mit Freuden erduldet, weil sie wussten, dass sie eine bessere und bleibende Haben im Himmel haben“ (Hebr 10,34) Und selbst diese Christen müssen sich noch schrecklichste Drohungen anhören. Schon das Eingangsbeispiel ist schockierend. Die Israeliten um Josua und Kaleb revoltierten, weil sie Angst hatten, in den Krieg mit den kananitischen Riesen zu ziehen. Angst vor übermächtigen Feinden – jeder kann doch gut nachvollziehen, dass das ein verständliches Motiv und eher einer persönlichen Schwäche zuzurechnen ist. Und diese Leute, die aus Angst vor dem Kampf zurückscheuen, werden nun für immer ausgeschlossen. Selbst als sie bereuen und sich tollkühn in die Schlacht stürzen, wird ihnen keine Verzeihung gewährt. Was soll dem Gläubigen heute denn diese Geschichte helfen? Wehe, du wirst mutlos und verzagst! Dann bist du schon mit einem Bein in der Hölle! Gerade die, die durch viel Leid ängstlich geworden sind, bekommen noch besonders eins übergebraten! „Wir aber sind nicht solche, die zurückweichen und verdammt werden, sondern solche, die glauben und die Seele erretten.“ (Hebr 12,39).
Ein großer Teil der frühen Kirche war deshalb der Ansicht, dass Gläubige, die sich aus Angst vor Hinrichtung nicht mehr zu Jesus bekennen, eben diese Leute sind, die „zurückweichen und verdammt werden„. „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet viel mehr den, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle. … Wer nun mich verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem Vater im Himmel.“ (Mt 10,28+32) Gott lässt diesen Gläubigen angeblich nur die Wahl zwischen dem Märtyrertod oder der ewigen Verdammnis. Wie viele Gläubige, die sich nicht zu Bekenntnis und Hinrichtung entschließen konnten, sind wie Franz Spiera an ihren Gewissensqualen elend zugrunde gegangen! Lies doch mal die Kommentare zu meinem Beitrag „Risiko Hebräerbrief“. Du wirst sehen, dass solche perversen Anschauungen bis heute existieren. Und die Wirkung auf die Gläubigen, die gar nicht in einer Verfolgungssituation stehen? Sie lernen, wie schnell man doch vom Freund zum Feind Gottes werden kann, und wie es wirklich um das „Erbarmen“ und „Mitgefühl“ ihres Gottes bestellt ist, der selbst in dieser völlig überfordernden Situation Schwachheit nicht verzeiht.
Nicht zuletzt das unangebrachte Lob des Jephta in Kap 11,32 als Glaubensheld ist ein Lob der gnadenlos sklavischen Einhaltung des gesetzlichen Buchstabens auf Kosten des Lebensglücks beteiligter Personen, was uns zeigt, wie wenig Gedanken sich der Verfasser um den Inhalt der Begriffe „Gnade“, „Trost“ und „Mitgefühl“ gemacht hat, die er immer wieder beteuernd in den Text einstreut.
Deine Ansicht zu Esau überzeugt mich nicht. Das Wort „sondern“ in Vers 22 scheint zwar einen Gegensatz einzuleiten, doch was er konkret für die Freiheit des Christen von gesetzlichem Druck bedeutet, bleibt unklar. Stattdessen setzen unmittelbar danach erneute massive Drohungen ein. Vers 26: „wie viel weniger werden wir entrinnen…“ Vers 29: „unser Gott ist ein verzehrendes Feuer„. Das wiederum greift den Gedanken von Hebr 10,27 erneut auf, an das „schreckliche Warten auf das Gericht und ein wütendes Feuer, das die Widersacher verzehren wird.“ Diese Gedanken sind wesentlich stärker als deine Spekulationen, die mit dem „Hinzukommen zum Berg Zion“ (Hebr 12,22) verbunden sind.“
Ich habe dank des Hebräerbriefes Jahrzehnte meines Lebens in ständiger Angst vor der Ungnade, vor harter Strafe und vor dem Überschreiten des „point of no return“ leben müssen. Und immer wieder sind mir auf meinem Weg Gläubige begegnet, liebe, harmlose Menschen, denen es genauso ergangen ist. Und ich habe viele Gläubige getroffen, die eine sehr bescheidene Version von Kreuzesnachfolge gelebt und dabei die Nase über ihre zu Tode geängsteten Glaubensgeschwister gerümpft haben. Nicht selten bekommt man da zu hören: Ja, wenn du mit dem Hebräerbrief nicht klarkommst, dann wirst du ja wohl eine heimliche Sünde in deinem Leben dulden. Unreif gebliebene und charakterlich Zurückgebliebene sind eben selber schuld, wenn sie keinen Frieden finden!
Keine andere Schrift des Neuen Testaments liefert dem frommem Missbrauch und religiöser Gewalt soviel Möglichkeiten, keine andere Schrift verführt so leicht zur Verachtung anderer und zu moralischer Überheblichkeit. Keine andere Schrift macht so gleichgültig gegen schwere seelische Verletzungen von Mitchristen durch den „tötenden Buchstaben“ (2.Kor 3,6b)
Die Befürworter des Hebräerbriefes sind in der Regel vom Standard des 1.Johaneesbriefes weit entfernt, sich von allem, was sündig sein könnte, entschieden fern zu halten. So präsentieren sich viele mit Doktortitel, was Jesus ausdrücklich verboten hat: “ ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer: Christus.“ Und sie nennen sich dennoch Lehrer, Doktor. War Jesus das Gebot nicht wichtig? Sind seine Gründe dafür weggefallen, sodass das Gebot heute nicht mehr wichtig ist? Warum redet ihnen niemand ins Gewissen, warnt sie vor Verstockung? Im Gegenteil: Hochschulen, die mit ihrer Bibeltreue und Rechtgläubigkeit werben, bieten den Erwerb des Doktortitel standardmäßig an. Und die Gemeinden anerkennen diesen Titel ebenfalls und werben damit. Der brutale Hebräerbrief darf gern das Gewissen ängstlicher Gläubiger beschweren – da braucht man keine Rücksicht zu nehmen – während seine Verteidiger sich an etlichen Stellen gar kein Gewissen mehr machen lassen. Wo es der Karriere oder der Eitelkeit nützt, ist Duldung von offensichtlicher Sünde offensichtlich gar kein Problem. Man muss nur genau hinschauen, dann stellt man fest, wie viele bibelgläubige Gemeinden, die den Hebräerbrief loben, in der Praxis weit entfernt davon sind, absichtliche und auf Dauer eingerichtete Verstöße gegen biblische Ordnungen zu vermeiden.
Die Zerstörungen im eigenen Leben durch die ständige Angst vor der Verdammnis, die vielen leidvollen Erfahrungsberichte anderer Christen sowie die notorische Gleichgültigkeit der frommen Mehrheit, die ihr unangebrachtes frommes Selbstbewusstsein inklusive Lüge oder Verdrängung für viel wichtiger hält, machen es mir unmöglich, vor dem Hebräerbrief Respekt zu empfinden. Die fromme Terminologie ist zweifellos da. Der Verfasser gebraucht vertraute Worte wie „Gnade“, Trost“, Mitgefühl“, kann aber nicht erkennen, dass er zugleich inhaltlich auf vielfältige Weise das genaue Gegenteil einer frohmachenden, befreienden Botschaft präsentiert. Deshalb kann der Hebräerbrief bestenfalls nur den Rang einer Predigt mit schwersten Mängeln haben, die zugegebenermaßen auch manches Hilfreiche mitteilt (wie ja insbesondere die Kapitel 8 und 9, die in das älteste NT-Manuskript aufgenommen wurden). Diesen Mängeln muss in der Lehre mit Schärfe und Nachdruck widersprochen werden, um naive Leser vom giftigen Einfluss der Werkgerechtigkeit mit der gebotenen Konsequenz (Gal 5,9) fernzuhalten. .
Die vielen Gespräche mit Christen über den Hebräerbrief sind äußerst frustrierend. Sie zeigen leider immer wieder, dass man lieber zur Vernebelung und Verharmlosung, und – wenn die Erbärmlichkeit der eigenen Argumente zu offensichtlich wird – zum willkürlichen Abbruch der Diskussion, ja notfalls sogar zur Lüge greift, als die warnenden Hinweise auf Schädigung der schwächsten Mitglieder zu berücksichtigen. Immer wieder hat man den Eindruck: Klarheit ist nicht erwünscht! Bloß das nicht! Auch dass der Reformator Martin Luther warnte, dass der Hebräerbrief die Heilsgewissheit beschädigen kann, macht nicht den geringsten Eindruck. Seine Warnung führt noch nicht einmal zu einer sorgfältigen Überprüfung dieses Briefes. Zumindest hätte man in die Bibel einen Hinweis einfügen können, dass hier eine Überprüfung angebracht sein könnte. Das wäre zumindest fair. Doch man tut, als hätte man nichts gehört. Wo gehobelt wird, fallen eben Späne (Lenin). Hauptsache, man ist nicht selber selbst derjenige, der psychisch krank wird.
Abschließend sage ich dir: du hast wohl den Hebräerbrief sorgfältig – durch deine optimistische Brille – gelesen, aber leider nicht meinen Artikel „Risiko Hebräerbrief„, der doch sehr genau Vers für Vers aufzeigt, wo die Abgründe im Hebräerbrief liegen. Das solltest du unverzüglich tun. Denn Sorgfalt bleibt keinem verantwortlich denkenden Seelsorger erspart. Es ist allzu billig, anderen seinen Optimismus vorzuschreiben. Wer seine gefährdeten Mitchristen nicht im Stich lassen will, muss sich der ungünstigsten Deutungsmöglichkeit stellen.
Wer in der Gemeinde lehrt und die Autorität des Hebräerbriefes verteidigt, muss bereit sein, zu erläutern, warum die Vorwürfe gegenüber dem Hebräerbrief unzutreffend sind, warum auch durch Werkgerechtigkeit gefährdete Gläubige durch ihn im Glauben gestärkt und gesegnet werden. Wer schweigt, weiß nichts zu sagen. Er hat sich entschlossen, die verletzlichsten Mitchristen der Tradition zu opfern, weil es von der Mehrheit so gewünscht wird. Im Namen der Liebe und der Wahrheit. Und das ist der Gipfel der Heuchelei!