Im alttestamentlichen Zehngebot war es strikt verboten, sich ein Bild von Gott zu machen. (2.Mo 20,4) Anders im Neuen Testament: wenn Jesus sagt: „wer mich sieht, sieht den Vater“ (Jo 14,9), so macht er deutlich, dass das Vertrauen und die Liebe zu Gott auf der Wahrnehmung der göttlichen Persönlichkeit beruht. Im Alten Testament ist das vereinzelt auch schon zu sehen. (Ps 17,15 )
Der biblische Befund zeigt nun vereinzelt Aussagen, die zu sehr deprimierenden Rückschlüssen auf den göttlichen Charakter führen und mit dem Charakter Jesu unvereinbar sind.
Noch nie (!) ist es irgendeinem Gläubigen und oder einem Theologen gelungen, den Widerspruch in glaubwürdiger Weise aufzulösen. Versucht haben es zahllose Gläubige, womit sie bezeugen, dass dieser Widerspruch den Glauben erheblich beunruhigen kann.
Tröstlich: Die Reaktion Jesu darauf – die Distanzierung – ist absolut vorhersehbar.
Fast alle Gläubigen sind sind auch darin einig, dass diese deprimierenden Aussagen das Gottesbild nicht bestimmen dürfen.
Die Frage ist nun, wie der Gläubige vermeiden kann, dass diese Aussagen sein Gottesbild prägen. Was erwartet Gott hier von ihm? Eine Beurteilung nach den Maßstäben Jesu? Ist Weggucken, Verharmlosen eine angemessene, glaubwürdige Reaktion?
Wie immer sich der Gläubige entscheidet: sein Verhalten hängt mit seinem „Schriftverständnis“ zusammen, an dem er im Interesse der Stabilität seiner Glaubensauffassung festhält.
Falls ihn sein Schriftverständnis hindert, das Problem glaubwürdig zu bearbeiten, so kann dies die Stabilbität seines Glaubens auf andere Weise erschüttern. Ist das so, dann kann vielleicht ein „Update“ seines Schriftverständnisses wieder neues Vertrauen schaffen, das die Nachteile einer auf den „Buchstaben“ (2.Kor3,17) fixierten Sicht vermeiden hilft. (Grafik: anschaulicher Vergleich der Inspirationsmodelle mit ihrer Wirkung auf das Gottesbild.)
Zweifellos haben diese Aussagen nicht im entferntesten den Rang der glaubensstärkenden Heilstatsachen. Sie sind absolut vernachlässigbar und werden von allen Gläubigen instinktiv ignoriert und vergessen – ohne dass dadurch die Charakterbildung Schaden nimmt.
Es sind Texte einer ganz anderen Art, die wir als „verdrängungsfähige“ Texte bezeichnen können. Wenn wir sie als Texte im „No-comment“ – Stil betrachten, so können diese Texte zumindest eine plausible Funktion, einen konkreten Nutzen für den Gläubigen erhalten – was ja in 2.Tim 3,16 für JEDEN biblischen Satz gefordert wird: „ALLE Schrift – von Gott eingegeben – ist nützlich...“
Zu Texten dieser Art gehören z.B. das mosaische Verstümmelungsgebot (Deu 25,11-12), die Gestattung sexuellen Missbrauchs von kriegsgefangenen Frauen (Deu 21,14) und die Geschichte von Simei sowie der Bericht über Jephtah.