Es ist sehr problematisch, wenn Theologen der Ansicht sind, dass es die Aufgabe der Theologen ist, Christen vorzuschreiben, wie sie zu denken und was sie zu glauben haben.
Was nicht wenige Gläubige unter dem Einfluss einer buchstabenorienterten Theologie gelernt haben zu glauben, sieht in etwa so aus:
„Ich unterwerfe mich einem Gott, der fast alle Menschen dazu bestimmt hat, unendliche Zeit, mehr als Jahrmillionen andauernde furchtbare Höllenqualen zu erleiden. Ich und einige andere müssen davor keine Angst haben und dürfen uns an der Liebe Gottes erfreuen, denn wir zahlen ja auch einen hohen Preis: wir haben unser eigenes Denken Gott zum Opfer dargebracht und und uns entschlossen, hinfort all seinen Vorhaben zuzustimmen, und seien es auch noch so grausame. Die vielen Leute in der Hölle sind alle selbst schuld, da sie zu Lebzeiten keine Erklärung abgegeben haben, dass sie an die Liebe Gottes glauben wollen.
Würden sie an die Liebe Gottes glauben, dann würden sie auch den hohen Preis zahlen, nämlich auch ihr eigenes Denken zum Opfer bringen und dem göttlichen Höllenprogramm zustimmen.
Von dieser Einstellung kann ich mich leider nicht distanzieren, denn wenn ich ehrlich sage, was ich ohne Drohung denken würde, dann verliere ich meinen Glauben und meine Hoffnung auf den Himmel. Außerdem widerspreche ich Gott, werde sein Feind und komme sehr wahrscheinlich ebenfalls an diesen Ort grauenhafter Qual. Deswegen kann ich – wie jeder verstehen wird – meine Einstellung nicht ändern. Das einzige was ich tun kann: immer wieder einzelne Menschen vor der Hölle warnen und sie auffordern, auch ihr eigenes Denken als Opfer darzubringen.“
Soll das tatsächlich die Quintessenz bibeltreuen Denkens sein? Jedenfalls sprechen Gläubige, die tatsächlich so denken, ihre Sicht selten offen aus – sondern verdrängen sie lieber – denn auch manchen von ihnen ist diese „Heilsperspektive“ inzwischen peinlich.
Wie kann man unter dieser Perspektive den absoluten Vorrang von Barmherzigkeit und Fairness bei der theologischen Interpretation respektieren? Ist es dann erstaunlich, wenn man so viele Beispiele für die Bibelauslegung von „überzeugten“ Christen findet, die Ahnungslosen als richtig und verbindlich präsentiert werden, aber de facto unbarmherzig und unfair sind?
Wird diese Art Theologie die seelische Gesundheit fördern oder wird sie langfristig zutiefst deprimieren, belasten und überfordern? Schafft diese Sicht wirklich Vertrauen und Hoffnung oder untergräbt sie beides?
Ist es nicht plausibel, dass jemand, der so denkt, dazu neigt, auch anderen Formen frommer Gewalt viel Handlungsspielraum einzuräumen?
Nicht nur das früheste Kanonverzeichnis („Kanon Morituri“) enthält mit der angeblichen „Offenbarung des Petrus“ ein Dokument, das uns zeigt, dass die exzessive Einschüchterung mit der Höllenstrafe schon früh ganz selbstverständlich betrieben wurde und nicht erst für die mittelalterliche Kirche typisch ist.
Wir sollten sensibler werden für Aussagen der Bibel, die dem deprimierenden Eindruck einer Pauschalhölle entgegenstehen. Wenn Gläubige sich durch die Bibel belehren lassen, dass die Fähigkeit zum verantwortbaren Urteilen ein großes Geschenk Gottes ist (1.Sam 3,8 / Spr 2,6 / Jak 1,5), wenn sie ihr Urteilsvermögen üben, dann können sie zum Thema „Hölle“ durchaus Sinnvolles denken – wie in unserem Artikel „Hölle“ nachzulesen.