Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht …

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In der Bronzezeit gab es einen Mann, mit dem Gott redete und der Jahrhunderte später vom Apostel Paulus ein „Freund Gottes“ genannt wurde. Seit der Zeit der Apostel wusste man schon viel mehr über Gott. Eine Glaubenslehre war entstanden, Glaubenshäuser, Glaubensgemeinschaften… alles Dinge, die Abraham noch nicht kannte.

Wie wäre ein Gespräch zwischen Gott und Abraham [1] wohl verlaufen, wenn Abraham schon damals all die Kenntnisse und die Theologie hätte erwerben können, über die die evangelikale Gemeinschaft heute verfügt?

Gott sprach zu Abraham: „Abraham, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Dich. Welche willst Du zuerst hören?“

Abraham: „Die gute!“

Gott: „Schau dir den nächtlichen Sternehimmel an. Ich werde Dir Nachkommen verschaffen so zahlreich wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meer, und Du wirst  sie nicht zählen können!“ [2]

Abraham: „Das alles willst du tun? Wie wunderbar! Gott, ich danke dir! Wie gut bist du zu mir! …  … … Und die schlechte?“

Gott: „Sie kommen fast alle [3]in die Hölle, um dort für alle Zeiten ohne Unterbrechung gefoltert zu werden. Der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ [4]

Abraham: „Aber warum denn – um Gottes willen?

Gott: „Mein unerforschlicher Ratschluss! Also ist es wohlgefällig vor mir. [5] Dir aber erweise ich die Gnade, nicht nur meine Liebe, sondern auch meine Heiligkeit und Souveränität kennenzulernen.[6] Ich erwähle, wen ich will und ich verstocke, wen ich will.“ [7]

Abraham: Das ist grauenhaft.

Gott: Jetzt bist du noch blind. Aber ich werde dir ein anderes Herz geben [8], dann wirst du erkennen, dass die Torheit Gottes weiser als die Weisheit der Menschen ist. [9] Ich habe Unaussprechliches vorbereitet für alle, die mich lieben. [10] Ihr werdet ewig in vollkommener Freude leben ohne Schmerz ohne Angst ohne Traurigkeit. [11] Dann werdet ihr endlich mein Heil in ganzem Umfang erkennen  [12] , denn ihr seid vom Ort ewiger Folter durch einen tiefen Graben getrennt, über den hinweg ihr  jederzeit in den Ort der Qual hineinsehen könnt [13]. Die von mir Verfluchten werden euch anbetteln [14], sie werden heulen vor Schmerz und verzweifeln und mit den Zähnen klappern [15]. Falls ihr eure Kinder oder Vater oder Mutter oder euren Lebenspartner in der Hölle leiden seht, werdet ihr kein Mitgefühl empfinden [16] Euch aber werde ich euch so die Größe meiner Liebe zeigen und vollkommene Freude schenken [17].

Keiner der Inhalte dieses fiktiven Dialoges ist frei erfunden. Für jede Aussage lässt sich eine Bestätigung in der Bibel finden. (Siehe die Bibelzitate am Ende des Beitrages!)

Doch ist an dieser Perspektive irgendetwas einladend, ermutigend, heilsam, frohmachend, ja glücklich machend?

Dieses Gespräch ist doch grotesk, ja geradezu pervers!. Wieviel Menschen werden auf diese Aussicht wohl mit ungetrübter Freude, Erleichterung, Vertrauen und Dankbarkeit reagieren?

Wenn der Gläubige nicht gleich ein Denkverbot übergestülpt bekäme, sondern offen und frei heraus sagen dürfte, wie diese „frohe Botschaft“ bei ihm ankommt, was würde er dann wohl Gott sagen?

Lasst uns doch einmal diesen Dialog in der Phantasie weiterführen und Abraham zuhören, wie er als mitfühlender Mensch [18] auf diese Perspektive reagieren könnte….

Abraham: (nachdem er eine Weile starr vor Entsetzen stumm geblieben ist) Herr mein Gott, das soll alles mit meinen Enkeln, Urenkeln und Ururenkeln passieren? Wenn ich daran denke und es mir vorstelle, packt mich das Grauen. Darf ich dir eine Bitte vortragen?

Gott: Du bist mein Freund [19]. Sag mir ohne Furcht, was du wünscht!

Abraham: Ach, Herr mein Gott, ich habe diese Folgen nicht bedacht? Wenn ich bedenken, welches Leid unausweichlich als Folge meines Kinderwunsches kommen wird, so möchte ich doch lieber auf den so lange herbeigesehnten Sohn verzichten. Was wiegt denn schwerer, dass ein großer Teil meiner Nachfahren ewig in der Hölle gefoltert wird oder dass mein Knecht Elieser meine ganze Habe erbt, wenn ich zu meinen Vätern versammelt werde [20]. Soll er doch alles bekommen. Es gibt Schlimmeres.

Ist das nicht die sinnvollste und würdigste Art, wie ein mitfühlender Mensch auf diese schreckliche Ankündigung reagieren würde`?

Ungeachtet dessen ist die Drohung mit der Hölle nicht der vorherrschende Eindruck, den die Bibel vermittelt!

Mit vielen Texten lehrt uns die Bibel „liebend zu denken“. Für diese Zielsetzung stellt sie eine wahre Fülle an Anregungen und Empfehlungen zur Verfügung. Sie zeigt uns nicht nur an vielen Beispielen, wie das im Einzelfall aussehen könnte, sondern sie macht jedem Menschen ein Angebot. Sie lädt ein, nicht selbst bestimmt zu leben, sondern zu vertrauen, dass der Geist Gottes inspirieren und zum Guten Kraft geben kann.

Es ist „normal“, wenn Menschen zeitlebens in ihrem Denken in erster Linie um sich kreisen. Es ist „normal“, wenn der Horizont ihres Interesses sich nur auf Menschen beschränkt, die ihnen von Nutzen sind. Nur so erscheint das Leben am angenehmsten und sichersten. Der Horizont ihres Mitgefühls ist noch weitaus geringer und bezieht sich hauptsächlich auf ihre Familie und wenige gute Freunde. Denn wenn ihnen Unglück passiert, beeinträchtigt es ja die eigene Lebensqualität.

Die Egozentrik des Menschen ist äußerst kurzsichtig. Je enger der Horizont, desto mehr verarmt die Seele, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Egozentrik unversehens in destruktiver Weise auf die eigene Seele zurückwirkt.

Das erleben auch gläubige Menschen. Wenn sie sich in der Gemeinde in Aktionen für andere Menschen engagieren, so muss das Motiv nicht Liebe sein. Allzu oft steckt auch dahinter Berechnung: man genießt anschließend das Gefühl, weniger aktiven Mitmenschen weit überlegen zu sein. Doch ob frommes Selbstbewusstsein dem Menschen wirklich gut tut?

Wer darüber nachdenkt, entdeckt die diagnostische Kraft der Bibel. Sie ist ein äußerst zuverlässiges Instrument, um die Illusionen, die sich der Mensch über sich selber macht, aufzudecken. Illusionen können kurzfristig beruhigen. Sie stellen aber Weichen, die langfristig zu Ergebnissen führen, die man zeitlebens bereut. Und davor warnt die Bibel eindringlich: ein Leben ohne Liebe ist ein verlorenes Leben.

Wie passt die Warnung Jesu vor der Hölle, vor ewigem Getrenntsein von Gott, von ewiger Qual in dieses Konzept?

Auf den ersten Blick überhaupt nicht! Viele Theologen verkünden deshalb mit Überzeugung, dass es überhaupt keine Hölle gäbe. Jesus hätte nie von der Hölle gesprochen. Die Hölle sei eine Erfindung der frühen Kirche, um Menschen durch Angst an sich zu binden.

In der Tat zeigt die Kirchengeschichte mit Hunderttausenden von Beispielen genau diesen Zusammenhang. Können wir ihn dann zuverlässig für die frühe Christenheit ausschließen? Details siehe den Essay: „Bibelwahrheit – Bibelwahn. Eine kurze Geschichte der frommen Angstmacherei„)

Die Annahme, dass Jesus nicht über die Hölle  nach dem Tode gesprochen hat, ist indes aus folgendem Grund unrealistisch: Ein Blick in die Geschichte zeigt vielfach, dass in der Seele unumkehrbare Vorgänge stattfinden können. Sie zeigt, dass Menschen sich jedem Gedanken an Liebe und Barmherzigkeit so endgültig verschließen können, dass dort wirklich alles, was als Anknüpfungspunkt für einen liebevollen Einfluss dienen könnte, restlos zertreten und zertrampelt worden ist. Unlängst habe ich das Buch von Niklas Frank „Der Vater. Eine Abrechnung“ gelesen. Sein Vater war der Chef des Generalgouvernements für die von Nazi-Deutschland besetzten polnischen Gebiete, der „Schlächter von Polen“. Ich kann es jedem nur empfehlen, der ein anschauliches Beispiel für eine irreparable Hölle in der menschlichen Seele kennenlernen möchte. Solche Charaktere gab und gibt es zu allen Zeiten.

Dem Gläubigen, der die Hoffnung hat, dass die Seele nach dem Tode weiterlebt und einen neuen Körper geschenkt bekommt, stellt sich doch die Frage, ob er auch im Jenseits mit solchen Menschen konfrontiert werden wird.

Deshalb ist es überhaupt kein abwegiger Gedanke, dass Jesus in der Tat vor der Hölle gewarnt hat. Aber  ist seine Warnung eine so niederdrückende, so deprimierende Aussage gewesen, die die Glaubwürdigkeit seiner Liebe in Frage zu stellen droht, wie wir es in dem obigen Dialog sehen? Wohl kaum.

Zumal sich die Warnung vor einer Hölle auch in die Form einer  positiven Aussage bringen lässt. Es ist ein Versprechen, dass solche absolut destruktiven Charaktere im Jenseits unter sich bleiben müssen. Sie werden auf den Bereich all der Menschen, die die Bezeichnung „Mensch“ nicht verwirkt haben,  keinen Zugriff mehr haben.

Niemand hatte größere Liebe als Jesus für seine Freunde (Jo 15,13) Und diese Freunde hätte er in ein unerträglich quälendes Dilemma gebracht, wenn er über die Hölle in einer destruktiven Weise gesprochen hätte – etwa so wie es dem obigen „Interview“ zum Ausdruck kommt. Denn wer wahrhaft liebt (was Jesus ja erreichen will), der leidet und fühlt mit. Fortan wäre das Leben jedes Jüngers hier und jetzt bereits die Hölle, es wäre restlos mit der Angst um alle Menschen vergiftet, die sich nicht zum Glauben bekehren, darunter viele liebevolle und opferbereite Menschen, die sich auch gar nicht bekehren können, weil sie diese Gleichzeitigkeit von Liebe und ewiger Folter – wie oben dargestellt – in keiner Weise überzeugt. Würde Jesus das wirklich wollen? Oder bemerkt er das Dilemma nicht?

Weshalb ist der Gedanke von vornherein ausgeschlossen, dass schon die frühe Kirche, ja schon die ersten Christen die Warnung Jesu fürchterlich übertrieben haben?

Der „alte Mensch“ im Gläubigen, sein Ego, auch das „fromme Ego“ wird ja  in diesem Leben nie überwunden, sondern muss immer wieder neu bekämpft werden (Gal 5,17). Eines Tages war sogar Petrus, der „Fels“, auf den Jesus seine Gemeinde bauen wollte, schwach geworden und verfälschte das Evangelium aus Angst – trotz seiner großartigen Pfingsterfahrung! – , sodass er von Paulus mit Schärfe zurechtgewiesen werden musste (Gal 2,11 ff).

Angst ist überhaupt die größte Gefahr für Objektivität – gerade in Verfolgungszeiten.  Versetzen wir uns einmal in die Lage der Gemeinde damals: Mitglieder der Familie oder enge Freunde verschwinden im Gefängnis, werden misshandelt, gefoltert oder hingerichtet.  Gläubige versuchen in Scharen unterzutauchen und kommen vorsichtshalber gar nicht mehr zu den Versammlungen. Wie kann man bloß gegen diese Katastrophe tun?

Angst lässt sich am besten mit einer größeren Angst bekämpfen: mit der Androhung einer noch größeren und nie endenden Qual nach dem Tode (vgl. Mt 10,28).  Notgedrungen macht man es, und siehe da: es hat Erfolg. Sogar riesengroßen Erfolg. Schlagartig ist die Angst der Gemeinde vor dem Scheitern verschwunden. Eine ungeheure Erleichterung!

Und dieser taktisch leicht zu erzielende Vorteil soll nun niemand verführt haben, Worte Jesu in einem viel strengeren Licht zu sehen? Können wir wirklich sicher sein, dass man in dieser verzweifelten Situation die Warnungen Jesu nicht mit übertriebener Schärfe wiedergegeben hat?

Hätte man im Frieden und in Ruhe nachdenken können, hätte man eigentlich erkennen können, dass die herrliche Botschaft von der Befreiung der Seele durch eine Theologie der Angst doch ziemlich in Frage gestellt wird.

Im Netz wurde einst eine Karikatur verbreitet: Jesus klopft an die Tür an und ruft: Lass mich herein? Stimme von drinnen: Warum? Jesus: Damit ich dich retten kann! Stimme von drinnen: Retten vor was? Antwort Jesu: Vor dem, was ich dir antun werde, wenn du mich nicht reinkommen lässt.

Mit einer komplett irrtumslosen Bibel, in der auch befohlener Massenmord an Kindern, geheuchelte Vergebung, und – zugegeben: in relativ seltenen Fällen destruktive Gesetzgebung untadeliger Gotteswille ist, stellt Gott den Gläubigen vor ein schreckliches Entweder – Oder: entweder er ist bereit, mit zweideutigen, instabilen Vorstellungen von Gott, von Liebe, von Wahrheit zu leben, oder er verliert den Glauben und jeglichen Trost in schweren Lebenskrisen ganz.  Eine schreckliche  Zumutung! Ist Gott wirklich so?

Wer in der evangelikalen Glaubensgemeinschaft als vollwertiges Mitglied akzeptiert sein oder gar Bibellehrer werden will, der muss glauben, dass die Bibel in allen Sätzen vollkommen irrtumslos und göttlich ist. Er muss glauben, dass alle im „interview“ präsentierten Inhalte buchstäblich wahr sind. 

Er muss daran glauben, dass die Menschen, die die Worte Gottes gehört, aufgeschrieben, und zur Bibel zusammengestellt haben, für während dieser Aktion Anteil an der göttlichen Vollkommenheit bekommen haben und vor jeglichem d.h. auch dem kleinsten Irrtum (!) völlig bewahrt geblieben sind. Schon der kleinste Irrtum in der ursprünglichen Textfassung wäre ein Beweis dafür, dass menschliches Dazutun zum Gotteswort möglich ist!

Wer an die Vollkommenheit der Bibel nicht glaubt, wer sie offen bezweifelt, sei angeblich als Zerstörer des Glaubens, sei als Helfer Satans unterwegs, der versucht, anderen das Vertrauen in Gott kaputt zu machen mit der Frage: Sollte Gott gesagt haben (1Mo 3,1)?

Das ist „bibeltreue“ evangelikale Theologie. Sie duldet keine „anderen Götter“ neben sich. Denn für  evangelikale Hochschulen ist diese Theologie die wirtschaftliche Existenzgrundlage. Man hat damit eine wirtschaftliche Nische geschaffen,  zu der die Mehrheit der Theologen, die der Irrtumslosigkeitsdoktrin nicht zustimmen kann,  keinen Zutritt hat. Von ihnen ist keine Konkurrenz  mehr um die Pfarrstellen  und Dozentenstellen zu befürchten.

In den siebziger Jahren musste jeder, der ein Studium evangelikalen Theologie an einer der renommierten bibeltreuen Hochschulen beginnen wollte, vorher unterschreiben, dass er die Irrtumslosigkeit der Bibel für wahr halte. Heutzutage wird das nicht mehr verlangt. Es ist zu peinlich geworden. Auch würde der Staat einer solchen Ausbildungsstelle die Akkreditierung verweigern. Also tut man so, als ob man doch ergebnisoffen forschen würde. Der wissenschaftliche Schein muss gewahrt werden. Man darf aber sicher sein, dass Bibellehrer, die offen über die schädlichen Nebenwirkungen der Irrtumslosigkeitsdoktrin sprechen, viel geringere oder gar keine Chancen haben, in einer bibeltreuen Gemeinde eine Anstellung zu finden.

Es ist nachvollziehbar, warum diese Theologie heute selten in einer evangelikalen Gemeinde in aller Deutlichkeit verkündet wird (was ja eigentlich selbstverständliche Christenpflicht wäre, damit weniger Menschen in die Hölle kommen): Man will Menschen, die man einlädt, nicht verschrecken, schon gar nicht die Jugend, die man für das Wachstum der Gemeinde dringend braucht. Im Gegenteil: heute wird im Gottesdienst eher für Partystimmung gesorgt und Bibelkunde nur in homöopathischer Dosierung vermittelt.

Zugleich werden aber Jugendliche angeleitet, die GANZE BIBEL durchzulesen und ALLE ihre Sätze (einschließlich aller destruktiven und perversen Aussagen)  als von Gott in Liebe gegeben (!), absolut zuverlässig  (!) und heilsam für die Seele (!) zu betrachten.

Auf diese Weise bilden sich inoffiziell genau diese belastenden Vorstellungen in den Seelen junger Menschen, sofern ihnen der Glaube sehr viel bedeutet. Inwieweit sie die Sensiblen unter ihnen das dann verkraften, ist ihre Privatsache.

Von Anfang an spielt die Angst vor dem Verlust des Glaubens eine zentrale Rolle. Diese von „bibeltreuer“ Seite gepflegte Lüge, dass der Glaube verloren gehen könne, wenn man einen einzigen Fehler in der Bibel anerkennen würde, erzeugt bei Gläubigen eine panische Angst vor allem, was nicht zur bibeltreuen Propaganda passt. Bibeltreue Theologen, die – wie schon die Theologen zur Zeit Jesu – um ihren Einfluss bangen, dürfen sich damit beruhigen, dass ihre solcherart belehrte Klientel sich zuverlässig gegen konkurrierende Auffassungen abschotten wird. Zugleich stellt man ein großes Angebot an Büchern, Filmen, Vorträgen bereit, damit die Gemeinde erst gar nicht auf die Idee kommt, dass die fundamentalen Fragen, die Glaubensgewissheit und Heilsgewissheit betreffen, gar nicht ehrlich beantwortet sind.

Mit dieser Strategie sind sie bisher sehr erfolgreich gewesen, denn die andressierte Angst vor dem angeblichen Glaubensverlust ist viel größer als die Angst vor dem, was den meisten Menschen nach dem Tode passieren soll.

So bekommt der evangelikale Glaube von Anfang an eine starke heilsegozentrische Ausrichtung.  Angst verleitet zur Verdrängung, zum selektiven Bibellesen und zum Selbstbetrug.

Gar völlig blind wird man für die Tatsache, dass viele Christen zu einem stabilen und frohmachenden Glauben gefunden haben, Christen, die die Eigenschaft der Vollkommenheit allein dem von Gott gesprochenen, dem mündlichen Wort zutrauen und mit der Einseitigkeit, Blindheit und Schwachheit auch des frömmsten Menschen rechnen, der Worte Gottes erinnert, aufschreibt und sammelt.

Nun mag mancher befürchten, dass dann bald alle Worte der Bibel in Zweifel gezogen werden könnten. Vor einem „Domino-Effekt“ wird ja durch evangelikale Theologen . – wohlgemerkt: aus interessengeleiteter Sicht! – eindringlich gewarnt. Dieser „Domino“-Effekt findet jedoch zwingend allenfalls an theologischen Hochschulen und Universitäten mit liberal-materialistischer Ausrichtung statt, wo man einer auf Liebe und Vertrauen gegründeten Beziehung zu Gott von vornherein kein Interesse hat. Wer dort Karriere machen will, der muss sich profilieren und wird allein zu diesem Zweck die Bibel noch mehr kritisieren als seine Vorgänger.

Diese Bedingungen treffen auf eine gläubige Gemeinde gar nicht zu. Die Panikmache evangelikaler Theologen verkennt zwei wichtige Tatsachen: das starke Motiv des Gläubigen und die Überzeugungskraft des heiligen Geistes. Jeder, dem der Glaube kostbar ist, sehnt sich nach Inspiration. Er wird sich hüten, irgendein Wort in der Bibel leichtfertig zu verwerfen, das ihm vielleicht einen Segen bringen können. Zum anderen hat jeder Gläubige den heiligen Geist in sich wohnen. Er spürt, welche Worte Liebe und Vertrauen in ihm erstarken lassen. Der heilige Geist lässt alle Worte, die der Liebe dienen, aufleuchten, sodass sie als Wegweiser, als Leuchttürme dienen können (spirituelle Resonanz). Was Wort Gottes ist, wird also qualitativ wahrgenommen. Die Definition des Wortes Gottes als „alles, was die Tradition zwischen zwei Buchdeckel hat gelangen lassen“, diese sterile, quantitative Definition am grünen Tisch der Theologen kann das überhaupt nicht leisten. 

Die Folgeschäden des Wahns einer irrtumslosen Bibel sind weitgehend Tabuthemen in evangelikalen Gemeinden.

Die Zweideutigkeit der Vorstellungen von Gott, Liebe und Wahrheit sind der optimale Nährböden für Pseudoethik, Scheinheiligkeit und Missbrauch. Viele Kinder der Evangelikalen entdecken in der Pubertät die Unglaubwürdigkeit der evangelikalen Theologie. Sie sind nicht mehr bereit, sich auf eine deprimierende Weltanschauung einzulassen, die ihre Überzeugungen durch Verdrängung, durch Nachplappern und durch soziale Kontrollen notdürftig stabilisieren muss. Bestenfalls dekonstruieren sie den Glauben, schlimmstenfalls verlieren sie ihn ganz.

Es lohnt auch ein Blick in den Essay: „Bibelwahrheit – Bibelwahn. Eine kurze Geschichte der frommen Angstmacherei.“ Evangelikale erlauben nicht, historische Berichte über die Zerstörungskraft des frommen Bibelwahns in ihren Gemeinden bekannt zu machen: insofern ist dort trotz unablässiger Belehrung ein äußerst  mangelhafter Informationsstand, ja eine hartnäckige Bildungsresistenz  in Sachen Bibelkunde und Religionsgeschichte die Normalität. An oberflächlich denkenden Menschen, die man mit Angst dressieren kann, ist ja kein Mangel. Warum soll man dann auf einzelne Gläubige Rücksicht nehmen,  die durch die Irrtumslosigkeitsdoktrin zeitlebens deprimiert oder gar psychisch geschädigt werden?

Doch ist diese Glaubenswelt tatsächlich das, was Jesus und die Apostel wollten: eine Art „Chrislam“, in dem das Wichtigste die Unterwerfung (arabisch: islam) und nicht Liebe, Mitgefühl und Barmherzigkeit ist?

Wie ist es mit dir?

Glaubst Du wirklich, dass evangelikale Christen tatsächlich Autorität und Berechtigung erworben haben,  sich als legitimer Vertreter Gottes und als den zuverlässigsten Vermittler göttlicher Wahrheit zu präsentieren?

Oder beschleicht dich doch eine leise Ahnung, dass es vielleicht angebracht wäre, die Heilige Schrift ohne theologische Bevormundung gründlich zu durchforschen, frei von andressierter Verlustangst, im Vertrauen, dass Gott jeden ehrlichen Sucher liebt und ihn gerne die Wahrheit finden lässt?



Quellenangaben:

[1] Das Gespräch zwischen Abraham und Gott ist die Variante eines Dialogs, den ich bei „martin-wagner.org“ gefunden habe. Die Website enthält viel Konstruktives zu biblischen Problemstellen und ist m.E. sehr zu empfehlen.

[2] Gen 15,5 / 22,17 / 26,4

[3] Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!  (Mt 7,13-14)

[4] Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht.  Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.  (Mt 25,41+46)

Und der Rauch von ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht, die das Tier anbeten und sein Bild und wer das Zeichen seines Namens annimmt. (Offb 14,11)

[5] Doch ich sage euch: Es wird dem Land von Sodom erträglicher ergehen am Tage des Gerichts als dir. Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart. (Mt 11,24-26)

[6] Übliche Begründung der traditionell „bibeltreuen“ Theologie in Anlehnung an Textstellen im Buch Hiob:
Und der HERR antwortete Hiob und sprach: Wer da meint, alles besser zu wissen, sollte der mit dem Allmächtigen rechten? Wer Gott zurechtweist, der antworte! Hiob aber antwortete dem HERRN und sprach: Siehe, ich bin zu gering, was soll ich dir antworten? Ich will meine Hand auf meinen Mund legen. Einmal hab ich geredet und will nicht mehr antworten, ein zweites Mal geredet und will’s nicht wieder tun. (Hiob 40,1-5)

[7] So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will.  Nun sagst du zu mir: Was beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen? Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht etwa ein Werk zu seinem Meister: Warum hast du mich so gemacht? Hat nicht der Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen? Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren, auf dass er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit. (Röm 9,18-21)

[8] Und ich will ihnen ein Herz geben, dass sie mich erkennen sollen, dass ich der HERR bin. Und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein; denn sie werden sich von ganzem Herzen zu mir bekehren. (Jer 24,7)

[9] Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind. (1Kor 1,25)

[10] Sondern wir reden, wie geschrieben steht: »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« (1Kor 2,9)

[11] Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. (Offb 21,4)

[12] Ihr werdet’s sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des HERRN an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden. (Jes 66,14)

[13] Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß (Luk 16,23 ff) Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber (Luk 16,26)

[14] Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme.  Abraham aber sprach: Gedenke, Kind, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, du aber leidest Pein (Luk 16,24-25)

[15] Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.  (Mt 25,30)

[16] Wenn dich dein Bruder, deiner Mutter Sohn, oder dein Sohn oder deine Tochter oder deine Frau in deinen Armen oder dein Freund, der dir so lieb ist wie dein Leben, heimlich überreden würde und sagen: Lasst uns hingehen und andern Göttern dienen, die du nicht kennst noch deine Väter, von den Göttern der Völker, die um euch her sind, sie seien dir nah oder fern, von einem Ende der Erde bis ans andere, so willige nicht ein und gehorche ihm nicht. Auch soll dein Auge ihn nicht schonen, und du sollst dich seiner nicht erbarmen und seine Schuld nicht verheimlichen, sondern sollst ihn zum Tode bringen. (5Mo 23,7-9)

[17] Das habe ich euch gesagt, auf dass meine Freude in euch sei und eure Freude vollkommen werde (Joh 15,11)

[18] In 1Mo 18,1 ff beweist Abraham großes Mitgefühl mit Sodom und Gomorra, indem er Gott wiederholt anfleht, diese Städte zu verschonen.

[19] So ist die Schrift erfüllt, die da spricht: »Abraham hat Gott geglaubt und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden«, und er wurde »ein Freund Gottes« genannt. (Jak 2,23)

[20] Das war Abrahams damaliges Problem.  Abram sprach aber: Herr HERR, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht Eliëser von Damaskus wird mein Haus besitzen.   (1Mo 15,2)


		
					

Artikel aktualisiert am 14.12.2024

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