Was lehrt uns der Bericht von Simei?:

(Geheuchelte Vergebung - ein gutes Beispiel?)


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Dieser biblische Text, der auf viele Gläubige eher unverständlich und verstörend wirkt, eignet sich sehr gut zum Üben spirituellen Urteilsvermögens, sofern sich der Gläubige dazu entschließt, ihn mit Hilfe der Axiome der Liebe und der Wahrheit neu zu bewerten. Dies ist möglich, da der Heilige Geist alle Gläubigen, die sich von ihm leiten lassen, entsprechend autorisiert: „Ein Mensch …, der den Geist Gottes geschenkt bekommen hat und sich von ihm leiten lässt, kann alles richtig beurteilen. Sein Urteil hält jeder Überprüfung stand.“ (1Kor 2,15) Leider erhebt sich in vielen evangelikalen Gemeinden stattdessen sofort der eingeübte Zweifel: Darf und kann der Christ, der zudem noch nicht einmal Theologe ist, überhaupt derartige Urteile fällen? Obiger Vers macht uns Mut: er kann und er darf. Wir werden sehen…

Die Geschichte von Simei

Die Hofberichterstattung rühmt König David als „Mann nach dem Herzen Gottes, der außer der Sache mit Uria keine schwerwiegende Sünde begangen hätte.“ (1.Kö 15,5)

Das hört der Gläubige gern, denn ihm werden durch viele Geschichten Davids sympathische Seiten bekanntgemacht. Außerdem gilt ja sein Königtum als eine Art Vorläufer des Königtums Christi.

Doch nun berichtet die Bibel auch folgendes: David wird auf der Flucht vor seinem Sohn Absalom von einem Mann namens Simei beschimpft. (2.Sam 16,5 ff) Simei bittet König David nach dessen Sieg über Absalom kleinlaut um Verzeihung. David gewährt sie ihm und schwört bei Gott, ihm kein Leid zuzufügen. (2.Sam 19,18-23)

Als David jedoch auf dem Sterbebett lag, beauftragt er seinen Sohn Salomo, Simei „mit Weisheit“, auf clevere Weise umzubringen. Als Begründung wird die damalige, angeblich vergebene Beschimpfung genannt. (1.Kö 2,8-9) Salomo tut dies auch, indem er den Leichtsinn Simeis ausnutzt. Er verbietet ihm bei Todesstrafe, die Stadt zu verlassen. Eines Tages laufen Simei einige Tiere weg und er übertritt die Stadtgrenze um sie zurückzuholen. Daraufhin lässt ihn Salomo hinrichten. (VV.36-46)

Können wir diese Geschichte beurteilen ? Besser gefragt: Können wir diese Geschichte aus der Sicht Jesu betrachten ? O ja ! Wie werden wir dann urteilen ?

Die naheliegende Antwort: Hatte David denn ganz vergessen, was ihm vergeben werden musste: Ehebruch und Auftragsmord ? Wenn irgendjemand den Tod verdient hatte, dann er selbst ! Davids Machenschaften sind weitaus schlimmere Sünden als die Beschimpfung Simeis.

Und für diese Beschimpfung hatte er dem Simei Vergebung zugesichert, ja bei Gott zugeschworen ! Dieser Schwur wurde gebrochen, auch wenn die Ausführung der Rache dem Sohn übertragen wurde ! Und dann wird die üble Rache noch auf dem Sterbebett angeordnet. Keine Spur von Bedenken oder Reue ! 

Nun steht an anderer Stelle (1Kö 15,5): David war ein Mann nach dem Herzen Gottes, der „nur gegen Uria“ ernsthaft gesündigt hatte ? Nur gegen Uria oder auch gegen Simei ?

Der Gläubige nun ist aufgerufen, sein Urteilsvermögen anhand dieser Texte auf der Grundlage der Sicht Jesu zu üben. „ALLE“ Texte der Bibel sollen ja diesem Ziel dienen: der „Erziehung in der Gerechtigkeit.“ (2Tim 3,16).

Wir haben nun zwei Möglichkeiten der Rangbestimmung:

1. Nach der Verbalinspirationsdoktrin (Chicago-Erklärung):

Da die Verbalinspirationdoktrin JEDES Bibelwort ausnahmslos für richtig, vollkommen und irrtumslos einstuft, müssen wir dem Satz „David hat außer der Sache mit Uria keine schwerwiegende Sünde begangen und war ansonsten ein Mann nach dem Herzen Gottes“ (1.Kö 15,5) „Fehlerlosigkeit“ attestieren.

Was folgt daraus ? Es folgt daraus, dass das Verhalten Davids gegenüber Simei, die Vernichtung dieses Menschen, die er ja völlig reuelos (!) auf dem Sterbebett (!) anordnete, keine schwerwiegende Sünde war.

Ist es diese „Erkenntnis“, die wir aus dem Text „lernen“ sollen für unser Verständnis der „Gerechtigkeit“ ? (2.Tim 3,16) ? 

Will uns Gott mitteilen, dass es keine schwerwiegende Sünde ist, wenn jemand einem politischen Gegner Vergebung zusichert und auch noch mit Eid bekräftigt, und ihn dann – aufgrund an den Haaren herbeigezogener Gründe – doch umbringen lässt ? Können wir wirklich mit dieser Sichtweise gut leben?

Wenn wir das tatsächlich „glauben können“, haben wir dann inneren Frieden? Es erheben sich doch weitaus schlimmere Probleme: Offenbar stört es Gott nicht, wenn Gläubige in höherer Position (von Ihm erwählte Könige) ihre Versprechen willkürlich brechen. Warum soll es ihn dann stören, wenn Er seine eigenen Versprechen widerruft ? Liegt diese Befürchtung nicht nahe ? Gott schwört auch. (Hebr 6,13) Doch was ist der Wert eines Eides, wenn der Bruch eines Eides unwichtig ist – „peanuts“ sozusagen?

Kann man dann noch guten Gewissens Menschen einladen: „Komm zu Jesus, bekenne ihm, was du falsch gemacht hast. Er wird dir alles vergeben. Du nimmt dir die Last der Sündenschuld ab. Du wirst vom  schlechten Gewissen frei und kannst froh deines Glaubens leben.“ Wie viele gutwillige Menschen sind gerne dieser Einladung gefolgt, aber nach Jahren eifrigen Bibelstudiums sind hartnäckige Zweifel, ja Ängste aufgestiegen, ob Gott tatsächlich so barmherzig ist, wie es einige ausgesuchte Bibelstellen behaupten. Andere Bibelstellen, die man aber erst viel später kennenlernt, sagen anderes. Und so sieht sich der fleißige Bibelleser bald konkurrierenden Informationen ausgesetzt. Nach anfänglicher Glaubensfreude steigen dumpf die ersten Befürchtungen auf. Vielleicht hat man die mutwillige Sünde (Heb 10,26) begangen,  irgendwie zu hartnäckig gesündigt, vielleicht hat man auch den heiligen Geist mit einem unüberlegten Satz beleidigt und hat es schlicht vergessen. Was ist, wenn man gar nicht zum Heil erwählt ist, sodass alles fromme Bemühen nichts nützt. „Jakob habe ich geliebt, Esau habe ich gehasst.“ (Rö 9,13) So mancher fragt sich: Wieso sollte ich gerade erwählt sein, wo doch der größte Teil der Menschheit nach Gottes unergründlichem Ratschluss von vornherein für ewige Höllenqual bestimmt ist? Möglicherweise alle Menschen, die sich nicht zu Jesus Christus bekannt haben, mögen sie auch noch so vorbildlich leben…

Wenn man dann noch großes Unglück und Leid im Leben erlebt, wenn auch die dringlichsten Gebete nicht erhört werden, dann erhalten die dunklen und bösartig erscheinenden Bibelworte unversehens ein schreckliches Gewicht. Die zahlreichen Chats im Netz spiegeln die Tatsache wieder, wie leicht die Heilsgewissheit angezweifelt werden kann. Für viele ist die alte Freude am Glauben unwiederbringlich dahingeschwunden – auch wenn sie sich scheuen es öffentlich zuzugeben. Die ganz sensiblen Gläubigen rutschen gar völlig ab in die Verzweiflung, in chronische Verdammungsangst, in die Psychiatrie. Daran will niemand denken. Auch spricht man darüber nicht, die Betroffenen finden kein Gehör. Man vergisst sie am besten. Diese Geschwister aber werden sich – zu Recht! – als die Betrogenen sehen. Gutgläubig sind sie der Einladung zum Glauben gefolgt. Doch die versprochene Befreiung vom schlechten Gewissen erwies sich eines Tages als Betrug, so wie sich auch die dem Simei einst versprochene Vergebung schließlich als Betrug erwies. Jetzt ist der Druck schlimmer als je zuvor, denn zusätzlich zu Schuldgefühlen hat man noch die Angst vor höllischer Verdammnis zu ertragen.

Nichtsdestotrotz präsentiert sich die „bibeltreue“ Verbalinspirationstheologie hochmoralisch. Sie appelliert an das Gewissen, ja erschreckt es bisweilen und sieht sich beauftragt Menschen dazu aufzurufen, Verstöße gegen das Gebot der Liebe zu bereuen und umzukehren. Ihre Vertreter aber sind nicht bereit, geschädigten Gläubigen eine Stimme zu geben und die notwendigen Lehren aus dem angerichteten Schaden zu ziehen. Wie soll sich auf diese Weise  Urteilsvermögen bilden?

Schadensberichte und gute Argumente werden sofort mit andressierten frommen Phrasen niedergebügelt. Der Gläubige lernt ganz selbstverständlich, auf den Wunsch nach Wahrhaftigkeit allergisch zu reagieren und sich bei unangenehmen Fragen taub und blind zu stellen.

Da der Satan der „Vater der Lüge“ (Jo 8,44) genannt wird, scheint mit der Lüge auch der Satan in dieser Theologie eine Funktion zu haben. Fromm und hochmoralisch, aber zugleich destruktiv und unverbesserlich – dieser Eindruck wird durch das dem Beitrag vorangestellte Bild vermittelt.

Die Verbalinspirationsdoktrin (Chicago-Erklärung) mag den Simei-Bericht als theoretisch „fehlerlos“ betrachten. Er wird damit zugleich auch bedeutungslos. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass man bei diesen Voraussetzungen über den Inhalt dieses Textes predigt, da dann der zweifellos hohe Rang eines neutestamentlichen Textes, nämlich das Gleichnis Jesu vom bösen, undankbaren Knecht (Mt 18,23-35) in Frage gestellt werden würde. Ein Text wie der Simei-Bericht lehrt ja das genaue Gegenteil wie das Gleichnis. Wie soll man dann darüber predigen? Es ist nachvollziehbar, dass ihn deshalb in „Chicago- Gemeinden“ kaum jemand kennt. Wenn man nachfragt, reagiert man gewöhnlich überfordert: „Das können wir alles nicht verstehen…“

Sagt die Bibel das auch ? Sie sagt das Gegenteil: „Der geistliche Mensch beurteilt ALLES“ (1.Kor,2,16)

Und wie verträgt sich damit die Behauptung des Paulus: „ALLE Schrift ist nütze zur Erziehung in der Gerechtigkeit…“ (2.Tim 3,6) ALLE Schrift? Auch die Simei-Geschichte? Was sollen wir denn inhaltlich aus der Simei-Geschichte lernen ?

Wird der Glaube größer, wenn wir hier der Verbalinspirations -Theologie (Chicago-Erklärung) folgen ? Wohl kaum ! Es entstehen Zweifel an der Persönlichkeit Gottes und an der Gültigkeit seiner Maßstäbe. Teile der Bibel werden nicht mehr gelesen und praktisch bedeutungslos. In einem ganz wichtigen Punkt, nämlich dankbar zu vergeben, geistert Widersprüchliches in den Köpfen der Gläubigen herum. Weiter werden die Gewissen vergewaltigt, wenn die Theologie den Gläubigen dazu verleitet, Davids Justizmord als „peanuts“ zu betrachten. Das widerspricht der Tatsache, dass die Bibel sehr großen Wert auf den Schutz des Gewissens legt (Rö 14,20-22).

Und das alles nur, weil die Verbalinspirations -Theologie Gott vorschreibt, dass er keine original tendenziöse Hofberichterstattung in sein Wort aufnehmen dürfe. Das darf er nicht, sonst ist angeblich die Grundlage des Glaubens weg.

Umgekehrt: Falls Gott eine fragwürdige Aussage in sein heiliges Buch aufnehmen wolle, dann „sei er verpflichtet“, die Stelle als fragwürdig zu markieren, so wie Paulus seine Meinung im Brief kenntlich machte. (1.Kor 7, 10-12) Gott „sei verpflichtet“, irgendwelche Markierungen zu setzen ? Ach was ! Was Gläubige alles zu wissen glauben, was Gott darf und was nicht !

Die Bibel wird als eine Art Reiseprospekt gesehen, in dem der Reiseveranstalter, Gott, für die Reise zum Himmel wirbt. Damit die Leute auch glauben können, dass Gott, der Vollkommene, diesen Prospekt verfasst hat, muss der Prospekt selber „fehlerlos und absolut vollkommen“ sein. Ist er es nicht, „können sie es nicht glauben“ und haben das Recht, auf die Reise zu verzichten. Haben sie das tatsächlich ?

Tatsächlich ?

Die genannten grundlegenden Glaubensinformationen (die „Heilstatsachen“ beschreibbar mit dem 5-Farben-Buch) sind selbstevident. Sie haben mehr als genug Überzeugungskraft.

Wer diese Tatsache nicht anerkennt, der WILL nicht glauben, der hat sich für den Unglauben von vornherein entschieden. Der wird auch durch die Verbalinspirationslehre nicht gläubiger.

Umgekehrt: Wer an die fundamentalen Heilstatsachen (beschreibbar mit dem 5-Farben-Buch) glaubt, der ist vollwertiger Christ und kann ein gesegnetes christliches Leben führen – mit oder ohne Verbalinspiration.

Ist der Glaube an einen „vollkommenen Prospekt“ wirklich biblischer Glaube ? Oder ist er nicht vielmehr eine Weltanschauung, die emotionale Sicherheit liefert, ohne dass Glaube praktisch bewährt werden muss ?

Jesus antwortete ihnen: Meine Lehre ist nicht mein, sondern die Lehre Gottes, der mich gesandt hat. Wenn jemand Gottes Willen tun will, dann wird er feststellen, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob ich von mir selbst rede.“ (Joh 7,16-17)

Ob die Lehre Jesu göttlich ist, kann der einzelne selbst feststellen. Wie ?

Jesus sagte: Durch „Tun„, durch praktische Anwendung, durch tätige Liebe – und nicht etwa durch den „Glauben“ an theologische Zusatzartikel wie die Chicago-Erklärung.

Dies beinhaltet auch, dass das Wissen um die Göttlichkeit der Worte Jesu wieder verschwinden kann, wenn der Gläubige aufhört, den Willen Gottes zu tun, wenn tätige Liebe für ihn nebensächlich geworden ist. Denn dieses spezielle Wissen ist kein geistiger Besitz, wie er durch den Intellekt erworben wird. Die Bibel reagiert lebendig auf geistliches Leben. (schöpfungsgemäßes Inspirationsmodell) Sie öffnet und verschließt sich sich entsprechend der geistlichen Situation des Lesenden. (Selbstverstärkung).

Das Tun ist anstrengend. Die emotionale Sicherheit, die dem Gläubige durch die Verbalinspirationsdoktrin (Chicago-Erklärung) angeboten wird, kann dagegen ohne Anstrengung erworben werden. Nicht einmal den Verstand muss man besonders anstrengen und kann das Denken ganz den Theologen überlassen. Man braucht nur nachzuplappern. Ist das nicht viel attraktiver? Für sehr viele Gläubige schon.

 

2. Rangbestimmung anhand der Qualitätsmaßstäbe Jesu (Mt 23,23)

Betrachten wir nun einmal eine weitaus überzeugendere Möglichkeit der Rangbestimmung: beurteilen wir die Simei-Geschichte aus der Sicht Jesu !

Jesus verurteilt den undankbaren Knecht, nicht weil er ein bestimmtes Gesetz gebrochen hätte. Das was er falsch gemacht hat, ist selbsterklärend. Welche Rohheit des Gewissens wird hier offenbar! Es ist eine bodenlose Gemeinheit, unendlich viel Barmherzigkeit zu empfangen und anschließend kleinlich und unbarmherzig mit anderen umzugehen.

Eben das hat David getan. Eben deshalb muss sich der Gläubige davon distanzieren.

Die Behauptung, David hat außer der Sache mit Uria keine schwerwiegende Sünde begangen und war ansonsten ein Mann nach dem Herzen Gottes (1.Kö 15,5) wird folglich als beschönigende Hofberichterstattung identifiziert. Dieser Satz wurde von abhängigen (!) Geschichtsschreibern verfasst, von Geschichtsschreibern, die mit Strafe rechnen mussten, wenn sie anders schrieben als der König wollte. Wer konnte sich damals das erlauben? Der Zorn des Königs brachte den Tod (Spr 20,2). Die Sache mit Bathseba und Uria durfte erwähnt werden, weil sie ohnehin nicht geheim gehalten werden konnte.

Nein, nicht nur gegen Uria, sondern auch gegen Simei hatte David schwer gesündigt! Was war das anderes als ein Justizmord ? Hätte es triftige Gründe für eine Hinrichtung gegeben (etwa Hochverrat), dann hätte Simei auch deshalb angeklagt werden können. Wenn kein Grund außer der damaligen Beschimpfung genannt wurde, gab es auch keinen. David hat sich ansonsten ja gerne von willkürlichen Attentaten auf seine Konkurrenten aus dem Hause Saul distanziert (2.Sam 4,9-12), um nicht in den Verdacht des politischen Mordes zu geraten. Selbst wenn sich David in irgendeiner Weise von Simei und dessen Anhängern bedroht gefühlt hätte, ist die bloße Unsicherheit, die durch die Existenz eines Anhängers Sauls entsteht, keine Rechtfertigung für Mord.

Ein weiteres schweres Verbrechen hatte David mit dem Bruch eines Vergebungsversprechens begangen.

Gerade Versprechen im Sinne Jesu und im Namen Gottes sind unbedingt einzuhalten, denn auch Gott hält sein Wort unbedingt und nimmt seine Verheißung auf keinen Fall willkürlich zurück.

Auch wenn wir dem Bericht von Simei nicht zustimmen können, hat er dennoch eine sinnvolle Funktion. Wie ALLE Schrift „dient er der Erziehung zur Gerechtigkeit„. (2.Tim 3,16) Man braucht keine Scheu mehr zu haben, ihn zu lesen und zu besprechen. Er verunsichert den Leser zunächst und lässt u.U. Zweifel an der Liebe und Zuverlässigkeit Gottes entstehen. Richtig, d.h mit den Augen Jesu gelesen und beurteilt, entsteht aber wieder Vertrauen. Der Gläubige darf nach seiner Einsicht urteilen – die Freiheit seines Gewissens bleibt geschützt.

Der Simei-Bericht ist kein Einzelfall. Er ist ein typischer Text im No-comment-Stil. Solche Texte sind zum Üben des geistlichen Urteilsvermögens in die Bibel aufgenommen worden.

Viele Gläubige halten solches Üben für überflüssig. Sie wollen allen Ernstes Gott vorschreiben, was er in sein heiliges Wort aufnehmen darf und was nicht. Haben sie wirklich das Recht dazu ?

Die Verbalinspirationsdoktrin behauptet, ein einziger Fehler in biblischen Texten würde ihre Glaubwürdigkeit untergraben. Angeblich „könne man dann nicht mehr wissen, was Menschenwort und was Gotteswort sei.“

Tatsächlich ? „Ihr irrt, weil ihr die Schrift nicht (gut genug) kennt“ (Mt 22,29) Eben mit dieser Behauptung rebelliert ja schon Menschenwort gegen Gotteswort.

Die Bibel sagt nirgends, dass „man dann nicht mehr wissen könne…“ Sie sagt das Gegenteil: Der Gläubige bekommt das Pfand des Heiligen Geistes, der ihn „in ALLE Wahrheit leiten wird“ (Joh 16,13). In „ALLE“ Wahrheit, oder nur in die halbe Wahrheit…? Indoktrinierte Theologen zweifeln hier. Sollte Gott gesagt haben…?

Wer der Einladung zum Glauben folgt (Hebr 11,1), dem wird Gott selbst zu tieferem Glauben verhelfen. Gott selbst hat größtes Interesse, dass dieser Glaube bestehen bleibt ! Gott selbst wird aktiv ! Sein Geist wird beim Lesen in die geeigneten Schriftworte fließen, sie werden aufleuchten wie Positionslichter, die ein Schiff sicher durch die Fahrrinne leiten. Der „Geist leitet in ALLE Wahrheit“. (Joh 16,14). Ein solches Positionslicht ist z.B die Geschichte Jesu vom undankbaren Knecht.

Andere Bibelworte, wie die Simei-Geschichte sind überhaupt keine Positionslichter – man darf sich an ihnen nicht orientieren. Man kann nicht und darf nicht! Sie dienen aber der wichtigen Übung des Urteilsvermögens.

Apropos Ehrlichkeit … Wo gedeiht und blüht sie denn ? Unter Lobbyisten der Chicago-Erklärung, die ihre Sicht zum Monopol erheben wollen, gewiss nicht ! Dieses Vorhaben lässt sich nur mit faulen Tricks, mit Manipulation und Einschüchterung möglichst schon im Kindesalter, mit unfairen Machenschaften durchführen. Lügen „für Gott“ – wird dadurch nicht erst recht die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift untergraben ?

Geistliche Disziplin zu wahren und auf diese Weise eine gesunde Distanz zu glaubenszerstörender Bibelkritik halten, ist vernünftig. Doch man darf nicht auf der anderen Seite vom Pferd herunterfallen. Wenn der Glaube nur auf der Basis fauler Tricks gedeihen kann, dann wird der Glaube selber fragwürdig. Wenn er nur dank allzu menschlicher Maßnahmen existiert, ist er dann nicht ganz und gar Menschenwerk ?

Die Bibel sagt das Gegenteil: Gott gibt Glauben, wem er will. (Rö 9,18) Gott selbst schützt und bewahrt diesen Glauben. (Luk 22, 32) Was können Menschen dagegen tun ? (Ps 56, 11) Einzelne Fehler in No-Comment-Texten schränken Gottes Handlungsfähigkeit und Wirkungsmacht nicht im Geringsten ein.

Bleiben wir doch ehrlich. Wir wollen keine Fehler in der Schrift suchen. Wir trauen ihr ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit zu. Viele Widersprüche, die die materialistisch-liberale Theologie meint gefunden zu haben, sind gar keine. Doch Texte, die uns zum Üben gegeben sind, können wir nicht guten Gewissens zu fehlerlosen Lehrtexten erheben. Auch wenn mancher gerne eine fehlerlose Bibel zum Vorzeigen hätte, auch wenn dadurch vielleicht manches einfacher und übersichtlicher wäre – wir haben die Heilige Schrift so hinzunehmen und zu gebrauchen, wie sie uns Gott gegeben hat.

Ja, offenbar ist die Heilige Schrift ideologieresistent. Sie wahrt ihr Geheimnis. Alle Versuche, ein bestimmtes Schriftverständnis zur allein gültigen Wahrheit zu erheben, sodass es der Heiligen Schrift gleichwertig an die Seite gestellt werden könnte, sind bisher misslungen.

Kein „Schriftverständnis“ hat nur heilsame und hilfreiche Wirkung. Unter ungünstigen Bedingungen ist mit schwerwiegenden Nebenwirkungen, ja Unverträglichkeitsreaktionen zu rechnen. Das Verschweigen und Ignorieren dieser negativen Wirkungen ist leider weitverbreitet. Ist es wirklich damit gerechtfertigt, dass man sich etwas weniger verunsichert fühlt ?

Wir diskutieren auf dieser Website offen und ehrlich alle negativen Effekte der Verbalinspirations-Doktrin, was im bibeltreuen Rahmen geflissentlich vermieden wird. Wir sind der Überzeugung, dass jeder Gläubige diese negativen Auswirkungen kennen sollte, um ihnen nicht unversehens ausgeliefert zu sein.

Wir schlagen Ergänzungen und Verbesserungen vor, die diese Effekte mildern oder aufheben. (schöpfungsgemäßes Inspirationsmodell) Unsere Leser können diese Vorschläge ablehnen, übernehmen oder verbessern. Ihre Entscheidung sollten sie aber als gut informierte Gläubige treffen.

So halten wir am Wort Gottes fest, an der Treue zur Bibel – mit dem notwendigen Update 2.0.

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Artikel aktualisiert am 30.11.2024

2 thoughts on “ Was lehrt uns der Bericht von Simei?:

(Geheuchelte Vergebung - ein gutes Beispiel?)

  1. Lieber Bruder,
    Nehmen wir an, dass Simei weiter negativ über David dachte, dass er weiter bedauerte, dass niemand aus Sauls Familie König geworden war, … Inwiefern rechtfertigt das seine Hinrichtung? Bereits die Beschimpfung des Königs wurde als Majestätsbeleidigung mit dem Tode bestraft. (2.Kö 21,10) Hätte Simei sich negativ über den König geäußert, hätte er vor Gericht gestellt werden können. Aber offensichtlich gab es nicht einmal das. So musste Salomo willkürlich ein sinnloses Gesetz erschaffen – das Gebot, die Stadt nicht zu verlassen – um dann wie die Katze vor dem Mauseloch zu warten, dass dieses sinnlose Gebot – versehentlich, ohne böse Absicht (!) .- übertreten wurde. Dieser üble Racheplan wird von David auf dem Sterbebett beschlossen, obwohl er Simei Verschonung zugeschworen und Gott zum Zeugen angerufen hatte. Der Bruch eines Eides war Missbrauch des Namens Gottes und wurde zu damaliger Zeit als todeswürdiges Verbrechen angesehen, mit dem sich der Täter unter den Fluch Gottes begab. König Saul wollte seinen eigenen Sohn, seinen Thronfolger, wegen dessen versehentlichen (!) Verstoßes gegen den eigenen Eid hinrichten lassen. (1.Sam 14,27 + 44). David selbst ließ sieben Söhne Sauls hinrichten, weil ihr Vater den Eid missachtet hatte, der den Gibeonitern geschworen worden war. (2.Sam 21) David bestrafte also Eidbruch gleich siebenfach mit dem Tod. Können wir da annehmen, dass ihm sein Vergeltungsauftrag nicht als „Sünde“ bewusst war? Eine schwierige Frage, da David sehr schnell Menschenblut vergoss, sodass wir ihn als einen emotional abgestumpften Menschen ansehen können. (siehe den Bericht über Nabal, den er mit allen Söhnen und Knechten ermorden wollte, und wo er auch gleich leichtfertig schwor 1.Sam 25,22). Manche haben Mühe, diese leicht erkennbaren Fakten anzuerkennen, weil sie 1.Sam.15,5 als irrtumslose Aussage einordnen, die verkündet, dass David außer der Ermordung Urias keine ernsthafte Sünde begangen hätte.

  2. Lieber Bruder,
    ich weiß nicht, wer Du bist. Meines Erachtens hast Du einen sehr guten, anregenden Kommentar geschrieben ! Trotzdem habe ich etwas Mühe, daraus die gleichen gedanklichen Konsequenzen zu ziehen, wie Du das tust.
    Könnte es denn nicht sein, dass der Simei seine aggressive Haltung – David gegenüber auch später nie geändert hat.? Dass er sich — trotz Davids erwiesenem Großmut — sein Leben lang uneinsichtig verhielt? Und dass David — am Ende seines Lebens — deshalb sein Versprechen so „eingeengt“ hat?
    Sei herzlich gegrüßt — Jakob-Konrad Straub

    .

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