Wolf-Dietrich Rahn (2017 in die himmlische Heimat umgezogen), beratendes Mitglied unseres Arbeitskreises, berichtete über seinen Berufsweg folgendes.
Meine Mutter erschien bei mir und stellte ein Loch in meinem Pullover fest. Auf der Suche nach dem passenden Faden – meine Wirtsleute hatten ihn nicht – landeten wir bei lieben Nachbarn am Kaffeetisch. Warum fragt man im allgemeinen Geplauder nach einem Beruf, von dem man nichts weiß und bei dem man etwas Katholisches vermutet. „Wissen Sie, was ein Diakon ist?“ Nicht leichter als das! Man hatte Verbindungen zum Evangelischen Johannesstift in Spandau, einem kleinen „Bethel“, in dem u.a. auch Diakone ausgebildet werden.
So saß ich dann bald vor dem zuständigen Pastor, der mir ernst erklärte, was in einer Ausbildung auf mich zukommen würde. Drei Jahre Theorie in Glaubenslehre / Altes und Neues Testament / Diakonie / Kirchengeschichte / Verkündigung / Seelsorge / Psychologie / Katechetik / Jugendarbeit u.a. Zwei Jahre Praktikum – wahrscheinlich im Heim für schwer erziehbare Jungen (14-19 Jahre – ich war 24!) Mit Auseinandersetzungen müsse ich schon rechnen. Kost und Unterkunft frei. Taschengeld von 5 DM monatlich ansteigend bis 15 DM im letzten Jahr. (Das würde für mich, den mittellosen Flüchtling – Sohn einer ärmlichen Kriegerwitwe – wenigstens für Friseur, Zahnpasta und einige andere Kleinigkeiten reichen). Im übrigen: wie stehts mit einer Freundin? Ich wurde rot. Die Sache mit einer letzten, in Pasewalk Zurückgebliebenen, war noch in meinem Herzen. Was ging ihn das überhaupt an? Jedenfalls, so wurde ich belehrt: während der Ausbildung keine Liebesverhältnisse!
Der Pastor sah mir wohl an, was ich da so dachte. Vorsichtig formulierte er: ich brauche mich jetzt ja nicht festzulegen. Könne mich, wenn ich wolle, später noch einmal melden… Ein Glaubensmann: den Anwärtern reinen Wein einschenken – und glauben, dass sie schon eintreten werden, wenn sie von Gott berufen sind.
Schleunigst schwang ich mich draußen aufs Rad und fuhr aus „diesem Kloster mit seinem mittelalterlichen Lebensstil“ davon, durch den schönen Stadtwald, Richtung Lichterfelde-Ost – zu meinem Gemüsehändler. Ein vergnügter Gedanke: „Ein Glück – ich muss kein Diakon werden“
In den Fluss meiner Gedanken sprach der Vater im Himmel (bei diesem zweiten Hörwunder ist es bis heute geblieben) unvermittelt sein Machtwort. Sinngemäß: diesen Platz im Johannesstift habe ICH für dich ausgesucht. (Schade, dass ich mir die Worte des lebendigen Gottes nicht sofort aufgeschrieben habe.) An der Ecke, wo die Reichsstraße in den Heussplatz einmündet, musste ich in maßlosem Erstaunen anhalten, mich sammeln. Und dann wich die ahnungslose Vergnügtheit einer tiefen Freude: ER hat mich ja lieb und macht keinen Fehler. Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, aber dann muss es ja im Johannesstift sehr gut für mich werden.
Umgehend schrieb ich meine Bewerbung. Bei der Aufnahmeprüfung musste ich – ein paar Monate vorher zum Glauben gekommen – bei ganz einfachen Fragen (z.B. nach meinem Taufspruch) Striche machen.Von Bibel und Kirche wusste ich sehr, sehr wenig. Aber ich wurde angenommen.
[Die Kommentarfunktion ist hier deaktiviert]