Der Wahn des Dr Till

Sehr geehrter Herr Dr.Till,
Unter Youtube habe ich Ihren Vortrag angesehen “Postevangelikale: Was sie glauben und was wir daraus lernen können”. Kommentare sind dazu nicht freigeschaltet. Da Ihr Titel andeutet, dass Sie von Postevangelikalen lernen wollen, möchte ich Sie auf einige methodische und inhaltliche Verbesserungsmöglichkeiten hinweisen. Sie bestätigen, dass es in “Evangelikalien” zu eng zu gehe, dass wenig Raum zum Denken da sei, und dass die Vaterliebe Gottes zu wenig Gewicht habe. Warum nennen Sie die wichtigsten Ursachen dafür nicht? Was Sie vorschlagen, kann doch wohl kaum die Lösung sein, nämlich irgendwie emotionaler zu werden und das Nachdenken zurückzufahren. Emotionaler, sentimentaler, gefühlsduseliger werden, und dabei über die harten Fakten hinwegsehen?

Redet die Bibel tatsächlich nur von Gott als liebendem Vater? Leider berichtet sie auch von Eigenschaften Gottes, die das Vertrauen in seine Liebe und auch in seine Gerechtigkeit (!) schwer belasten. So wie Paulus es darstellt, hat Gott offenbar beschlossen, schon vor der Geburt eines Menschen, bevor er etwas Böses oder Gutes getan hat, festzulegen, ob sein Schicksal das Heil oder die Verdammnis ist. (Rö 9,18) Ist das nicht ein schweres Gegengewicht? Inwiefern ist das glaubwürdig, wenn jemand behauptet, einen Menschen zu lieben, für den man von vornherein grausamste Folter vorgeplant hat – und dann noch für ewige Zeiten? Die Bibel beschreibt die Mittäterschaft Gottes bei ungerechten, hartherzigen und destruktiven Machenschaften. (in Deu 25,11-12, Num 31,17-18, 1.Kor 14,35, Deu 22,28-29) Wussten Sie das wirklich nicht? Hier haben wir ganz klar erkennbare Widersprüche in der Ethik, die zu einem zweideutigen Gottesbild führen und immer wieder für die Verzweiflung von gutwilligen und eifrigen (!) Gläubigen verantwortlich sind. Warum werden diese “heißen Eisen”, die manchen Gläubigen so viel Not machen, von Ihnen mit keinem Wort erwähnt? In der Bibel gibt es nur sehr unbedeutende kleine überschaubare Schwierigkeiten, keine wirklichen Widersprüche, wie Sie behaupten? Ganz sicher nicht!

Was machen wir nun damit, wenn wir an Jesus Christus, an seine Auferstehung und sein stellvertretendes Sündopfer glauben wollen? Wir können doch nicht so tun, als ob es das Problem nicht gäbe! Wir müssen eine glaubwürdige Antwort finden, und wie soll das anders gehen als durch Beobachten, Prüfen und Vergleichen? Diese Antwort kann für einen gläubigen Christen nicht in der Preisgabe wesentlicher Inhalte des Glaubens bestehen, sicher aber in einem verbesserten bibeltreuen Bibelverständnis (einem “Update”), dass sich von Traditionen lösen kann, soweit sie nachweislich Unsinn produziert haben.

So behauptet z.B. die Tradition, dass die Bibel das Dogma ihrer Irrtumslosigkeit selbst bestätige. Man argumentiert: “Alle Schrift ist von Gott inspiriert” (2.Tim 3,16) und folgert daraus, dass “alle” Worte in der Bibel ausnahmslos inspiriert und fehlerfrei sind. Dabei hat man nur vergessen, weiterzulesen: “Alle Schrift, die von Gott inspiriert ist, ist nützlich zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt.” Sieh mal an! Das ist doch ein überprüfbares Kriterium! Trifft das wirklich auf ALLE Aussagen der Bibel zu? Ganz sicher nicht! Wer Augen hat zu sehen, der kann es sehen: es gibt – wenn auch selten – Bibeltexte, die ein destruktives, entmutigendes Gottesbild erzeugen und den Glauben und die Glaubensfreude von Menschen entmutigen und schwächen, von Menschen, die gerne Gott vertrauen wollen (!). Wieso sollen wir sie dann als nützlich ansehen? Sie wirken eher schädlich als nützlich und haben . wie sollte es anders sein – durch die ganze Theologiegeschichte hindurch eine sehr schädliche Wirkung gehabt. Solche Texte können “zur Besserung” ebensowenig dienen wie “zur Erziehung in der Gerechtigkeit. Haben Sie sich eigentlich einmal mit dem Gebrauch des Wortes “alle” in der Bibel befasst? “Alle” muss nicht 100% bedeuten. Einzelne Ausnahmen sind möglich. (vergleiche 1.Kor 2,15 mit Rö 11,33, 1.Kor 12,3 mit Mt 7,21, Mt 23,3 mit Mt 23,25 und Mt 15,2)

Wenn Sie ein biblisches Bibelverständnis herausarbeiten wollen, so kann es doch nur dieses sein: 2.Tim 3,16 fordert die Gläubigen, die den heiligen Geist haben auf, zu prüfen, ob der betreffende Text “zur Gerechtigkeit erzieht.” Sie liefert also die Reparaturinstrumente für defekte Texte gleich mit. Für Beschädigungen oder Ergänzungen von biblischen Texten gab es jede Menge Gelegenheit. Bibeltreue sind bemüht, dieses Faktum herunterzuspielen und tun gerne so, als ob sich an das Ereignis der Inspiration nahtlos eine lückenlose, präzise Überlieferung anschloss. Ist das wahr? Die Bibel erwähnt selbst, dass es Jahrzehnte gab, wo nicht einmal der König von der Existenz des mosaischen Gesetzes wusste. (Ri 2,10 /2.Kö 22,10) Woher wollen wir wissen, dass in diesen dunklen Zeiten nicht gerade die Bibelstellen, die das Bild Gottes verdunkeln, in den Kanon hineingelangt sind?

Wir wissen auch, dass die sadistische “Petrusoffenbarung” von vielen Gläubigen der frühen Christenheit zum Kanon gerechnet wurde. Erst im 4.Jahrhundert hat man das Machwerk aus dem Kanon entfernt. Soll man nun darauf Offb 22,18-19 anwenden: “wer etwas von diesen Worten wegnimmt…“? Dann wäre die gesamte Christenheit bis zum heutigen Tag verflucht.

Nun wird bei Ihnen wohl das Argument von Gerhard Maier im Hintergrund stehen: “alles in der Bibel ist Gottes Wort”, weil wir sonst ja nicht wüssten, wie Gottes Wort und Menschenwort zu unterscheiden sind. Umkehrschluss: alles in der Bibel ist Gottes Wort. Ein Scheinargument. Das Bedürfnis von Gläubigen nach einer klar abgegrenzten Glaubensurkunde ist noch kein Beweis für eine einheitliche Qualität. Die Kanongeschichte zeigt, dass die Christenheit bis heute nie einheitlicher Meinung war, was alles in den Kanon hineingehört.

Der Irrtum beginnt bereits bei der Verwendung des Begriffs “wissen”. Fakt ist: wir “wissen” fast nichts über den Glauben, in dem Sinne, wie wir Fakten des alltäglichen Lebens wissen. Wir wissen also auch nicht, ob die Auferstehung stattgefunden hat. Genauso wenig wie wir wissen können, dass sie nicht stattgefunden hat. Auch dass 500 Brüder sie bezeugt haben, kann man nur glauben. Aber die Auferstehung ist wesentlich für die Hoffnung des Gläubigen, ebenso wie das Sühnopfer. Deswegen haben wir uns entschieden, dem Bericht von der Auferstehung zu vertrauen.

Woher stammt unser Vertrauen in die Bibel? Indem wir sie lesen, und das, was wir lesen, direkte Anrede an uns sein lassen, und zugleich prüfen, ob es dem übergeordneten Maßstab der Barmherzigkeit und Liebe (Mt 23,23) gemäß ist, und es dann tun. Destruktive Texte dienen dann nicht als Richtschnur, sondern als Übungsaufgabe, die der Gläubige mit dem “Sinn Christi” (1.Kor 2,16) entsprechend der Denkweise Jesu korrigieren soll. (Beispiel: Lk 9,53-56) So kann er sein geistliches Urteilsvermögen üben und verbessern. So führt der Heilige Geist in alle Wahrheit … von der Hand in den Mund. (2.Mo 16,19 ff) Das “Manna”, das die theologische bibeltreue Wissenschaft dagegen seit Jahrhunderten aufgespeichert hat, ist ungenießbar, weil es uns mit einem zweideutigen Gottesbild allein lässt. An der Ungenießbarkeit ändert sich nichts, auch wenn Gläubige wie Martin Luther, Augustinus, Hinz und Kunz auch das Übelste noch für genießbar gefunden haben.

Zu Recht fragen Sie am Ende Ihres Vortrages: was steht auf dem Spiel?

Die Glaubwürdigkeit der Kirche!

All diese destruktiven Bibelstellen, über die die rechtgläubigen Christen so gerne schweigen, werden ganz offen unter Moslems und Nichtgläubigen diskutiert. Man ist sich allgemein einig, dass das Reden von der Vaterliebe Gottes verlogene Propaganda ist. Und jeder, der den Mut hat, genau hinzusehen, wird zugeben: solange den destruktiven Texten das Niveau höchster Qualität, ja “Vollkommenheit” angedichtet wird, haben sie mit dieser Einschätzung völlig recht. Oder nicht? So kann sich die Missionstätigkeit der traditionell-bibeltreuen Gemeinde immer nur auf Menschen beschränken, die uninformiert sind und die in diesem Zustand gehalten werden können.

Warum gibt es auf der Ihrer Internetseite “Autatmen in Gottes Gegenwart” und auf anderen bibeltreuen Seiten wie “Bibel und Bekenntnis” keine Möglichkeit, Beiträge öffentlich zu kommentieren? Kann jemand, der stärkere Argumente nicht erträgt, glaubwürdig sein? Ganz anders unsere Website. Jeder Kommentar wird abgedruckt! Kritisieren Sie uns. Wir sind dankbar für alle Hinweise, die uns helfen, uns zu verbessern. Im Interesse der Glaubwürdigkeit, die Sie einfordern.

Für eine Antwort Ihrerseits, die ich veröffentlichen darf, wäre ich sehr dankbar.

 

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