Wie können wir die Warnung vor der unvergebbaren Sünde sinnvoll verstehen?
Das wortwörtliche Verständnis als unwiderrufliche Ankündigung der Verdammnis macht keinen Sinn.
1. Es widerspricht dem Charakter Jesu
3. Deutungen, die den Unsinn nach Punkt 1 und 2 vermeiden würden.
b) es handelt sich möglicherweise um eine unqualifizierte Hinzufügung
1. Es widerspricht dem Charakter Jesu
Ein unumkehrbares Verdammungsurteil aus dem Munde Jesu – und dann noch völlig unvermutet, ohne jede Vorwarnung -, macht wenig Sinn. Er, der noch denen vergibt und für die betet, die ihn ans Kreuz schlagen (Luk 22,34), soll jetzt den Pharisäern persönlich das endgültige Todes- und Folterurteil in die Hand gedrückt haben? Er, den der Vater in die Welt sandte, „nicht damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde„? (Joh 3,17) Wenn Jesu Nachfolger aufgefordert sind, gegenüber allen Menschen gütig zu sein (1.Tim 4,10 / Tit 3,2), wie kann dann ihr Meister, Jesus, vor ihren Augen die grausamste Handlung begehen, die überhaupt vorstellbar ist, nämlich die Seele und den Geist eines Menschen für immer und ewig zu verderben? Wenn er das getan hätte, hätte er dann das Recht, von seinen Jüngern zu verlangen, ihren Feinden und Verfolgern zu verzeihen, sie sogar zu lieben und für sie zu beten ? (Mt 5,44)
Und würde ein unumkehrbares Verdammungsurteil nicht außerdem dem Charakter und der Souveränität Gottes widersprechen? Gott würde sich wohl kaum wie einstmals König Darius in sein eigenes Gesetz einsperren und damit handlungsunfähig machen lassen. Das Gesetz des Darius („Gesetz der Meder und Perser„) macht in der Bibel einen eher negativen, ja lächerlichen Eindruck, weil es damals den König zum Handlanger der Intriganten am Hof machte und ihn zwang, seinen besten Minister Daniel in die Löwengrube zu werfen. (Dan 6,9) Was Gott betrifft, so zeigt uns die Bibel das genaue Gegenteil. Gott gibt das Gesetz, aber behält sich selbst die Freiheit vor, immer wieder einmal viel gnädiger zu handeln als es das Gesetz bestimmt. Betrachten wir doch einmal die Geschichte von Esau. Er hatte dem listigen Jakob leichtsinnigerweise sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht verkauft. Als er dann doch von seinem Vater gesegnet werden wollte, musste er zu seinem Leidwesen erfahren, dass Jakob den großen Segen bereits kassiert hatte und vom Vater zum Herrn über seinen Bruder eingesetzt worden war. (Gen 27,37) Warum Jakob nun aber auch noch hinzufügen musste: „Siehe, du wirst wohnen fern vom Fett der Erde und fern vom Tau, der vom Himmel kommt“ (V.39) erschließt sich uns auf den ersten Blick nicht. Obwohl Esau über dieses Ergebnis sehr traurig war und obwohl Jakob den Segen durch eine skrupellose Täuschung erworben hatte, war es dem Vater nicht möglich, den über Jakob einmal ausgesprochenen Segen zurückzunehmen. An diese Situation knüpft die Warnung im Hebräerbrief an, dass es im Leben Situationen gibt, wo Reue zu spät kommt. (Hebr 12,16-17) Doch wie ging die Geschichte weiter? Als Jakob vierzehn Jahre später auf das Gebot Gottes hin wieder in die Heimat zurückkehrte, kam ihm Esau ganz anders als er befürchtet hatte sehr freundlich entgegen. Und siehe da, Esau war ebenso reich geworden wie Jakob, sogar noch wohlhabender, denn er konnte – anders als Jakob – eine Kompanie von 400 Soldaten unterhalten, die er bei sich hatte. Esau war so reich, dass er das großzügige Versöhnungsgeschenk Jakobs nicht annahm. (Gen 30,9) So hatte sich der Unheilsspruch Isaaks, der großen Mangel ankündigte, nicht erfüllt – ganz im Gegenteil. Auch dass Isaaks Segensspruch Jakob zum Herrn über Esau gesetzt hatte, spielte keine Rolle mehr, denn Jakob stellte sich freiwillig unter ihn und nannte ihn „mein Herr“ (Gen 33,8). Dass Schönste aber war, dass Esau all diese Überlegungen, wer denn nur von beiden der Größte und Wichtigste sei, völlig egal geworden waren: noch ehe Jakob überhaupt ein Wort der Entschuldigung ausgesprochen hatte, lief er seinem Bruder entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn (Gen 33, 4) So triumphiert schon im Alten Testament manchmal der Geist Gottes über den Buchstaben, „triumphiert die Liebe über das Gericht„. (Jak 2,13)
Andere Beispiele im Alten Testament zeigen uns, dass auch fest beschlossene Gerichtsurteile aus göttlichem Mitgefühl wieder aufgehoben wurden. Der Prophet Jona machte Gott dies gerade zum Vorwurf. Er hatte keine Lust, dem Befehl Gottes zu folgen und Gericht zu predigen, weil er vorher ahnte, dass Gott seinen Gerichtsbeschluss zurücknehmen würde. (Jona 4,2) Wenn schon im Alten Testament von solcher Gnade die Rede ist, wieviel mehr ist diese Gnade bei Jesus zu finden. Bei ihm ist die „Fülle der Gnade“ (Joh 1,16) Machte Jona Gott den Vorwurf, dass er – wie gewöhnlich – „zu gnädig“ sei, so muss man Jesus diesen Vorwurf noch viel, viel mehr machen. “Denn der Herr verstößt nicht auf ewig. Selbst wenn er dunkelste Zeiten für einen Menschen bestimmt hat, so erbarmt er sich doch eines Tages wieder über ihn – denn seine Güte ist groß und es macht ihm keine Freude, Menschen in Not und Traurigkeit zu lassen.” (Klgl 3,32-33) Gott verstößt nicht auf ewig! Welch ein Trost und das im alten Bund! Müssen wir hier nicht mit Paulus ergänzen: „wieviel weniger wird Jesus …“ ? Diese Schlußfolgerung ist nur sehr schwer oder gar nicht mit dem üblichen Verständnis einer gedankenlosen Wortsünde als „point of no return“ zu Lebzeiten vereinbar. Es ist undenkbar, dass es im Neuen Bund weniger Gnade gibt als es im Alten Bund der Fall war.
Hier ist anzumerken, dass diese einfachen (!) Überlegungen für den frommen Pharisäismus sehr schwierig bis unmöglich sind, der die gedankenlose und servile Unterwerfung unter den „tötenden Buchstaben“ (2.Kor 3,6) als höchste Tugend betrachtet und sich nicht daran stört, dass Werkgerechtigkeit den Glauben kaputtmacht. „Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, aus der Gnade seid ihr herausgefallen“ (Gal 5,4) Der fromme Pharisäismus macht also aus einem Rettungsseil, das Menschen aus dem Sumpf ziehen soll, ein Henkerseil, mit dem sie sich strangulieren. Da er die wichtigsten Gebote der Barmherzigkeit und besonders der Verlässlichkeit (Mt 23,23) für nebensächlich hält, kann er überhaupt eine überzeugende Vorstellung vom Charakter Jesu gar nicht bilden. Dennoch erzeugt er in Menschen den Wahn, anderen moralisch weit überlegen (Luk 18,11) und zusammen mit Gleichgesinnten zum allein legitimen Vertreter Gottes auf Erden berufen zu sein.
2. Es verstößt gegen das Verlässlichkeitsgebot (Mt 23,23), und damit gegen die Verpflichtung, schwache und angefochtene Gläubige besonders zu schützen.
Welchen Sinn macht die „Warnung“ vor der unvergebbaren Sünde?“ Matthäus und Markus nennen als Kontext die Diffamierung der Wunder Jesu als Teufelswerk. (Mt 12,32 / Mark 3,29). Lukas setzt sie in einen ganz anderen Kontext anlässlich der Bezeugung des Glaubens vor Gericht. (Luk 12,10) Im Hebräerbrief wird sie in den Zusammenhang mit der ebenso unklaren „mutwilligen Sünde“ gebracht (Hebr 10,26). Trotz der nicht mehr zu steigernden Grausamkeit der Strafe fehlen klare Angaben, wofür denn diese Strafe nun verhängt wird.
Sicher ist nur das der „Größte anzunehmende Unfall“ (GAU) eines Menschen durch ein beleidigendes Wort entstehen kann. Wieso genügt ein Wort, wo doch die Bibel selbst sagt, das „die Zunge niemand beherrschen kann„? (Jak 3,8). Immer wieder sieht sich der Christ vor die Frage gestellt, ob etwas “geistlich” oder “fleischlich”, ob es göttlichen oder nur menschlichen Ursprungs ist. Er unterliegt einem Entscheidungs- und Urteilszwang! Wie leicht ist es da möglich, dass er falsch urteilt, dass er etwas schlecht oder falsch nennt, was der Heilige Geist will, und dass ein sündiges Motiv bei diesem Urteil eine Rolle spielt.
Wieviele Gläubige haben sich deshalb mit dieser „Warnung“ zeitlebens herumgequält – ständig terrorisiert von der Furcht, dass sie vielleicht einmal „ein Wort“ zuviel sagen könnten! Andere Gläubige befürchteten, dass sie vielleicht ein unvergebbares Wort in der Zeit vor ihrer Bekehrung gesagt haben könnten. Wer kann sich überhaupt erinnern an alle bösen Worte, die er in seinem Leben gesagt hatte? Was dürfen Gläubige hoffen, die unter einem destruktiven Gottesbild leiden, das so viel seelischen Druck erzeugt, dass Gläubige sich ganz automatisch mit Beschimpfung Luft machen? (siehe Gift Nr 11)
All diesen Menschen geht das Gottvertrauen und Glaubensfreude zeitlebens verloren, sie verbringen den Rest ihres Lebens in tiefer Depression. Wer kann sich damit trösten, dass er „vielleicht nicht“ in die Hölle kommt? Was rechtfertigt diese seelische Qual, in der immer nur Menschen festhängen, denen der Glaube viel bedeutet?
In den Gleichnissen vom törichten Kornbauern und vom armen Lazarus warnt Jesus davor, dass die Pläne des Gottlosen jederzeit fehlschlagen können, dass er noch diese Nacht sterben (Luk 12,20) und in der Hölle wieder aufwachen kann. (Luk 16,22-23) Ist dieser Gedanke nicht schrecklich genug? Hat Gott nicht außerdem unendlich viele Möglichkeiten, einen hartgesottenen Sünder zu erschrecken: schwere Krankheit, grauenvolle Verletzungen oder Verstümmelung, der Verlust eines geliebten Menschen, berufliches Scheitern, finanzieller Ruin, Erleiden brutaler Straftaten? Hat Er nicht die ganze Palette alles denkbaren Unglücks, das ein Hiob erlitt, zur Verfügung?
Warum muss außerdem noch vor einer unvergebbaren Sünde gewarnt werden, eine Warnung, die allen sensiblen und unsicheren Christen nur die Unsicherheit und Unzuverlässigkeit ihrer Errettung vor Augen führen wird? Warum ist Gott an dieser entscheidenden Stelle – wo Heilsgewissheit und Glaubensfreude auf dem Spiel steht – der Schutz der Schwachen und Verletzbaren (Jes 40,11 / Hes 34,4 / 34,20 – 22 / Mt 18,10 / Luk 17,2 / 1.Thes 5,14) nicht mehr wichtig?
Warum muss dieser Schutz zugunsten von Gottlosen aufgegeben werden, die sich durch andere überaus strenge Warnungen der Schrift nicht erschrecken lassen? Wie viele Zeugnisse hört man denn von gottlosen Menschen, dass diese Warnung sie von despektierlichen Worten gegen den Heiligen Geist abgehalten hätte? So gut wie keine! Dem gegenüber stehen Berichte von Hunderten oder mehr Gläubigen in der ganzen Welt, die dank dieser „Warnung“ ein elendes von Angst vergiftetes Leben führen.
Wer kann denn noch an die Liebe Jesu glauben, wenn sein Hass auf die Pharisäer so groß ist, dass ihm der Wunsch nach augenblicklicher Verdammung seiner Gegner viel wichtiger ist als die Rücksicht auf tausende sensibler und ängstlicher Christen, die sich an diesen Worten zermartern werden?
Wer von ihnen wirklich den „point of no return“ überschritten hat und unrettbar der ewigen Verdammnis verfallen ist, weiß niemand sicher zu sagen. Was fällt einem zu diesem grotesken Ergebnis noch ein? Der trottelige Inspektor Clouseau („Der rosarote Panther“) kann den wirklich Schuldigen nicht finden und hat plötzlich eine rettende Idee. Er sprengt das Haus, in das er alle Verdächtigen hat kommen lassen, in die Luft. Für ihn ist der Fall jetzt zufriedenstellend abgeschlossen, denn unter den Toten befindet sich wahrscheinlich auch der gesuchte Täter.
In einer Komödie mag uns diese bodenlose Unfähigkeit und Dummheit amüsieren, aber in der Wirklichkeit so zu handeln, einen vielleicht Schuldigen neben vielen Unschuldigen zu ruinieren, relativiert die Wichtigkeit der Aufgabe des Gläubigen, in seinem Leben möglichst viel Früchte der Dankbarkeit und Liebe hervorzubringen. Er degradiert das Geschenk der Errettung zu einem jederzeit widerrufbaren belanglosen Provisorium. Es wäre ein schrecklicher Verstoß gegen die indiskutablen Qualitätsstandards der Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Verlässlichkeit (Mt 23,23)
Handelt unser Heiland, der so zartfühlend mit Menschen umging, die seine Hilfe suchten, wirklich auf diesem Niveau? Diese Warnung passt in keiner Weise zu dem, was alle anderen Zeugen zur Person Jesu Christi sagen.
Sieht er nicht, dass diese „Warnung“ niemand warnt, dass sie aber die Liebe und das Vertrauen vieler sensibler Christen deutlich abkühlen wird, da die Errettung nun davon abhängig ist, dass nie irgendein leichtsinniges Wort gegen den Heiligen Geist oder gegen geistliche Dinge oder gegen das vom Geist inspirierte Wort Gottes gesagt wird? Sieht er nicht, dass diese „Warnung“ Jahr für Jahr die psychiatrischen Kliniken mit harmlosen, verzweifelten Christen versorgen wird? Passt dieses Verhalten wirklich zu Jesus, zu all dem, was wir sonst über ihn wissen? Können wir ihm denn nicht gutes psychologisches Verständnis zutrauen?
Der fromme Pharisäismus kann solche einfachen Überlegungen nicht nachvollziehen (siehe unter 1). Seelsorger dieser Prägung sind von ihrem hohen moralischen Niveau überzeugt. Da selber keine Angst haben, fühlen sie sich Christen, die an solchen Ängsten verzweifeln, haushoch überlegen. Sie entlassen solche Menschen mit dem Hinweis, dass es als eine „überzogene Erwartungshaltung“ anzusehen ist, wenn der Gläubige Gewissheit in dieser Frage haben möchte. Sie denken, Gott einen Gefallen zu tun, wenn der einzige Trost, den sie dem Ratsuchenden geben, der „Rat“ ist, die souveräne Entscheidung Gottes, ob nun Himmel oder Höllenstrafe, „einfach abzuwarten“. Das heißt also, dass das ganze Leben von Angst vergiftet sein wird, selbst in dem Fall, dass Gott diese Sünde vergeben hat. Da der Pharisäer immer zugleich auch Narzist ist, kommt ihm nie die Idee, sich einmal in die Lage seines angefochtenen Mitchristen und der Wirkung auf die Mitmenschen zu versetzen. Nie kommt ihm der einfache Gedanke, dass dieses Ergebnis bodenlos destruktiv und dumm ist und den Anspruch Jesu, die vollkommene Liebe zu bringen, lächerlich macht. Dabei wird an vielen Stellen im Neuen Testament betont, dass der Glaube kein Wackelkontakt, sondern ein absolut zuverlässiges Fundament ist. „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“ (Joh 5,24) „Auch Gott hat sein Versprechen mit einem Eid bekräftigt. So haben wir, denen seine Zusagen gelten, die unumstößliche Gewissheit, dass er sie auch einlöst. Und weil Gott niemals lügt, haben wir jetzt zwei Tatsachen, auf die wir uns felsenfest verlassen können. Gottes Zusage und sein Eid ermutigen und stärken alle, die sich an der von Gott versprochenen Hoffnung festhalten. Diese Hoffnung ist für uns ein sicherer und fester Anker, der hineinreicht in den himmlischen Tempel, bis ins Allerheiligste hinter dem Vorhang. Dorthin ist uns Jesus vorausgegangen. Er ist unser Hoherpriester für alle Zeiten“ (Hebr 6,17-19) Der groteske Widerspruch zur eigenen selbstgerechten „Erkenntnis“ wird dem Pharisäer jedoch nicht bewusst, da er gelernt hat, dass es ein „Beweis seiner besonderen Glaubenstreue“ ist, wenn er Widersprüche in der Ethik ignoriert oder leugnet.
3. Deutungen, die den Unsinn nach Punkt 1 und 2 vermeiden würden.
a) die Warnung vor der unvergebbaren Sünde ist kein Verdammungsurteil, sondern tatsächlich eine Warnung
Jesus hat den Pharisäern mitteilen wollen, dass ihre Dreistigkeit, die rettende Kraft des heiligen Geistes zu verteufeln, der schnellste Weg in einen Zustand unumkehrbarer Verstockung ist. Auch die furchtbare Schärfe seiner Worte hatte die Intention, die hartgesottensten Gegner doch noch zur Umkehr zu bewegen. Eine Warnung impliziert, dass das endgültige Urteil noch nicht gesprochen ist. Die Evangelisten haben den Vorgang undifferenziert dargestellt, in der Meinung, dass diese Intention für jeden, der Jesus kannte, selbstverständlich war.
b) es handelt sich möglicherweise um eine unqualifizierte Hinzufügung
Da inzwischen sogar bibeltreue Verteidiger des rechten Glaubens es für möglich halten, dass es in der Überlieferung des Bibeltextes gelegentlich und sehr selten zu unqualifizierten Hinzufügungen gekommen sein könnte, so ist diese Vermutung natürlich bei denjenigen Texten am ehesten angebracht, bei denen – auch nach gründlichstem Beten und Nachdenken und sorgfältigstem Vergleich mit bewährten Bibelworten – nur eine destruktive Wirkung zu erkennen ist. Wie soll der Gläubige reagieren auf Texte, die das Vertrauen in die Liebe und Treue Gottes bei manchen Christen nachhaltig erschüttern? Wenn das Wort Gottes bezeugt, dass „ALLE inspirierte Schrift nützlich zur Besserung ist“ (2.Tim 3,16) so trifft eben dieses entscheidende Kriterium auf solche Texte nicht mehr zu. Sie erscheinen deshalb eigentlich jedem Gläubige als störender Fremdkörper in der Glaubensurkunde und wenn man solche Texte verteidigt, dann nie, weil man von ihrer hilfreichen Wirkung überzeugt ist, sondern weil man in seiner Gemeinde gelernt hat, dass Gott Unterwerfung unter alles erwartet, was zwischen den Buchdeckeln einer Bibel aufgefunden wird.
Beachten wir, dass nur ein einziges Evangelium als Autor einen Apostel und Augenzeugen nennt: das Johannesevangelium (Joh 21,24) und das Johannesevangelium kennt keine „unvergebbare Sünde“. Das Johannesevangelium hat die größte persönliche Nähe zu Jesus, bezeugt viele seiner einzigartigen „Ich bin…“ Aussagen und und berichtet ausführlich über Belehrungen Jesu, die nur für den exklusiven Kreis der Zwölf bestimmt waren. (Insider-Evangelium) Die Synoptiker „Matthäus“, Markus“ und Lukas gewähren uns dagegen einen Blick mehr von außen auf das Wirken Jesu. Die Verfasserschaft des Matthäus wird von der Bibel nicht bezeugt, sondern nur von der kirchlichen Tradition behauptet. Wir haben bei allen drei Synoptikern – Matthäus, Markus und Lukas – Berichte aus zweiter Hand, wobei Markus möglicherweise als Vorlage für die anderen Synoptiker gedient hat. Auffällig ist, das Lukas die unvergebbare Sünde nicht mit der Diffamierung der Wunder in Verbindung bringt, sondern in einem Zusammenhang, in dem ihre Bedeutung gänzlich unklar bleibt. (Luk 12,10). Man könnte deshalb vermuten, dass die Warnung vor der unvergebbaren Sünde auch den „Matthäus“ und „Markus“ genannten Autoren in isolierter Form vorgelegen hat, nur dass diese sich entschieden haben, dieser Unklarheit durch eine nachträgliche Zuordnung zu den Pharisäern abzuhelfen. Wie immer das gewesen ist, werden wir wohl nie erfahren.
Oder haben die Jünger doch etwas von vornherein missverstanden? Obwohl das Neue Testament immer wieder von der Schwerhörigkeit und Begriffsstutzigkeit der Jünger berichtet (Mt 15,16 / 16,11 / Luk 9,45 / 18,34 / 24,25 / Joh 10,6 / 12,16 / 14,9 / 20,9 ), ist diese Annahme im Rahmen der herkömmlichen bibeltreuen Theologie nicht erlaubt. Eins aber ist auch wahrscheinlich: ist ein unqualifizierter Text erst einmal in die biblische Textsammlung hineingeraten, dann werden spätere Abschreiber sich hüten, ihn wieder zu entfernen.
Dass der Hebräerbrief wiederholt vor der unvergebbaren Sünde warnt, kann nicht als Beweis dafür dienen, dass keine unquaifizierte Hinzufügung stattgefunden hat. Dieser Brief wurde von einem Gläubigen verfasst, der kein Augenzeuge war und war schon in der frühen Kirche stark umstritten – aus gutem Grund, wie Luther erläuterte,