Die Sätze der Bibel sind nicht von einheitlicher Bedeutung.
Viele Aussagen haben unmittelbare Überzeugungskraft. Einige Aussagen haben überhaupt keine. Sie ermutigen nicht zum Glauben, sondern sie verunsichern und entmutigen. Dazu gehören:
1. formale Widersprüche in Zeit- und Ortsangaben sowie in Details von Ereignissen.
Wenn über Widersprüche der Bibel gesprochen wird, beschränken sich Vertreter der ausnahmslosen Irrtumslosigkeit fast immer auf Widersprüche dieser Art, weil sich großer Teil davon harmonisieren, d.h. erklären lässt. Auf die folgenden, viel schwierigeren, die Ethik betreffenden Widersprüche wird von ihnen möglichst nicht eingegangen, da sie im Rahmen der Irrtumslosigkeitsdoktrin schwere Glaubenshindernisse bleiben.
2. Offene Verstöße gegen Gebote der Menschlichkeit und Fairness durch Regelungen in der Bibel geben Anlass zu der Befürchtung, dass Gottes Charakter bösartige Anteile enthält. Solche vertrauensstörenden Aussagen sind der Genozidbefehl (Num 31,17 ff ), das Verstümmelungsgebot (Deu 25,12) oder die Gestattung sexuellen Missbrauchs von kriegsgefangenen Frauen (Deu 21,14) im mosaischen Gesetz oder auch die haarsträubende Regelung, dass ein Vergewaltiger sein Opfer heiraten muss und zeitlebens nicht entlassen darf (Deu 22,29).
Im Rahmen der Chicago-Erklärung sind solche Widersprüche nicht auflösbar. Sie sind daher vielen Gläubigen kaum bekannt. Aber im Rahmen des Bibeltreue Update 2.0 können sie die Funktion eines aktivem „Impfstoffes“ erfüllen, für die der Gläubige eine Alternative im Sinne Jesu („allergische Reaktion“) finden muss.
3. Verdeckte Verstöße gegen Gebote der Menschlichkeit und Fairness, die erst durch eine nähere Untersuchung mit Hilfe der Qualitätsstandards Jesu aufgedeckt werden: no-comment Texte. Diese Berichte schreiben Gott ein Handeln zu, das ebenfalls einen düsteren Schatten auf seinen Charakter wirft und die Botschaft, das er die Liebe selbst ist. in Frage stellt.
Im Rahmen der Chicago-Erklärung sind auch diese Widersprüche nicht auflösbar. Die betreffenden Texte sind daher vielen Gläubigen kaum bekannt. Aber im Rahmen des Bibeltreue Update 2.0 können sie die Funktion einer „Übungsaufgabe“ erfüllen, anhand derer geistliches Urteilsvermögen trainiert werden soll.
4. Aussagen über die ewige Folter in der Hölle, die von der buchstabenhörigen Theologie so präsentiert werden, dass sie die Botschaft der Liebe relativiert oder gar unglaubwürdig machen.
Die Bibel spricht von der Tatsache des unverbesserlich Bösen und verheißt, dass dieses Böse im kommenden Reich Gottes nicht mehr auftauchen, sondern an einem bestimmten Ort („Hölle“) für Gläubige unschädlich verschlossen sein wird.
Über Jahrhunderte hat die Kirche diese Information in verzerrter Form verkündet, um ihre Interessen zu wahren. Besonders im Mittelalter bewegte die Frage: „wie kann ich der ewigen Verdammnis entkommen?“ so ziemlich alle Menschen und führte zu einer allgemeinen engen Bindung an die Kirche als Vermittlerin des Heils.
So entstand die irrige Vorstellung einer Pauschalhölle, in der sich am Ende des Geschichte bis auf wenige Auserwählte die gesamte Menschheit wiederfindet, um ewig gequält zu werden.
Heute hat die Warnung vor einer Hölle, in der bis auf wenige Ausnahmen alle Menschen dieser Erde ohne Ende gefoltert werden, den gegenteiligen Effekt: die Botschaft, dass Gott Liebe ist, erscheint unglaubwürdig und wird gar nicht mehr angehört. (Missionsparadox).
Muslime können darauf verweisen, dass der Gott ihres Korans barmherziger ist als der Gott der biblischen Hölle, da nach dem Koran die Hölle nur so lange dauert wie Allah, der Erbarmer es will. Auch Juden halten Christen die Tatsache entgegen, dass es im Alten Testament überhaupt keine Hölle gibt und dass die Barmherzigkeit Jesu deshalb nur ein Scheinangebot ist.
„Bibeltreue“ Theologie versucht den Widerspruch mit Gottes „Heiligkeit“ zu „erklären“, die das Böse nur auf diese Weise endgültig beseitigen könne. Wird es dadurch glaubwürdiger ? Überzeugen kann das umso weniger, als die Bibel ausdrücklich feststellt, dass Gott selbst beschließt, welcher Menschen er sich erbarmen und welche er zum Gericht „verstocken“ möchte. (Rö 9,15-23)
Auf brüchigem Fundament lässt sich nichts Taugliches aufbauen. Wenn die Theologie aufhört, Gläubige zu bevormunden und ihnen die Mitwirkungsrechte zugesteht, die sie nach der Bibel haben sollen, kann sie Aussagen über die „Hölle“ so interpretieren, dass das Ergebnis glaubwürdig und nachvollziehbar statt abstoßend und pervers ist. (Ausführliche Details)
Paulus stellt fest, dass Gläubige im Weltgericht Mitglieder des Richterkollegiums (!) sein werden und dort Mitspracherecht haben, sofern sie sich in ihrem Leben um Barmherzigkeit bemüht haben. Es gibt keine einsame Entscheidung Gottes im Gericht. Das Gewissen der Schöffen, der Gläubigen ist ein Leben lang geprägt durch den ausnahmslos gültigen Maßstab der Barmherzigkeit. Wie immer sie entscheiden, sie dürfen es nach ihrer ehrlichen Überzeugung tun, die durch Beachtung der Maßstäbe Jesu (Mt 23,23) geprägt ist.
Es gibt genug Gründe, die Rangfolge der strengen Aussagen der Schrift anders und konstruktiver zu bestimmen, als es eine Theologie üblicherweise tut, die wenig nach Glaubwürdigkeit und desto mehr nach dem Nutzen bei der Beeinflussung von Menschen gefragt hat.
Die Vorstellung eines Aufbewahrungsortes für das unverbesserlich Böse war offenbar in der Zeit der Urgemeinde kein verunsicherndes Thema, das die Liebe Gottes in Frage stellte. Die Unsicherheit stellte sich erst im Zuge der Verfestigung der Lehrtradition ein.
5. Viel Not macht manchmal auch die Forderung der totalen Selbstverleugnung (Mt 16,24), sofern ihr das Ziel unterstellt wird, mit maximalem materiellem Einsatz die grenzenlose Not in der Welt lindern zu müssen, mit der Folge ständiger seelischer Erpressung und Einschüchterung durch Schuldgefühle. Religiöse Demagogen nutzen das aus (fromme Seelenfleischerei) Doch ist das wirklich im Sinne Gottes? Dazu zwei „Schriftbeweise“:
„Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden. Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse?“ (Mt 16,24) und „Wer etwas Gutes zu tun weiß und tut es nicht, für den ist es Sünde.“ (Jak 4,17)
Alles scheint logisch. Und doch sind darin etliche gravierende Denkfehler. Der schlimmste Denkfehler ist die Illusion, dass Werkgerechtigkeit – allen Warnungen zum Trotz – doch ein Weg zu innerem Seelenfrieden ist. Ein „uralter Hut“. Und doch fallen immer wieder Gläubige darauf herein. Kompromisse mit verbotener Werkgerechtigkeit sind und bleiben eine folgenschwere Missachtung der göttlichen Heilsordnung. Das langfristige Ergebnis wird so wie der Anfang sein: destruktiv. Das Ergebnis ist Resignation, seelischer Verschleiß, Handlungsunfähigkeit und die Verdrängung ethischer Fragen, womit niemandem gedient ist. Es ist besser sich die Frage zu stellen, wie der Gläubige praktisch lernen kann, sein Herz für den Nächsten zu öffnen, ohne sein christliches Grundrecht auf Glaubensfreude aufzugeben. (Details)