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Mit „No-Comment“ („Kein Kommentar“) untertiteln Nachrichtensender Filmaufnahmen von oft schockierenden Ereignissen (z.B. in Krisengebieten), die ohne nachträgliche Kommentierung gesendet werden. Es werden nur die Geräusche vor Ort aufgezeichnet. Dieser Filmstil verschafft dem Zuschauer den Eindruck, er befinde sich als Augenzeuge mitten in dem Geschehen. Der Zuschauer wird angeregt, sich selbst ein Bild zu machen, quasi den Kommentar und die Bewertung selbst beizusteuern.
Eben das ist offensichtlich die Funktion mancher Berichte in der Bibel, denen der Gläubige keine ethische Leitfunktion guten Gewissens zubilligen kann. Der Gläubige ist hier vielmehr aufgerufen, sich durch praktische Anwendung der Qualitätsmaßstäbe Jesu selbst ein Urteil zu bilden und sein Urteilsvermögen zu trainieren.
Aus der Tatsache, dass es Paulus im Brief an die Korinther wichtig war (1.Kor 7,10+12), zwischen ausdrücklicher Weisung Jesu und eigener Meinung zu unterscheiden, ergibt sich nicht zwingend die Pflicht aller anderen biblischen Autoren, Texte im „No-Comment-Stil“ explizit als solche zu markieren. Völlig klar ist, dass Texte dieser Art keine ethische Orientierung liefern.
Werden sie als solche missverstanden, so werden die Qualitätsstandards Jesu, die doch höchste Priorität haben sollen, aufgeweicht. Dies zu tun, hieße Mücken zu sieben und Kamele zu verschlucken. (Mt 23,24) Eben das geschieht, wenn man „No-Comment“-Texte beurteilen will, aber zugleich durch Denkverbote daran gehindert wird. Bei vielen Gläubigen hat die theologische Bevormundung das Urteilsvermögen verkrüppelt, ja sogar die Erkenntnis verschwinden lassen, dass der Gläubige spirituelles Urteilsvermögen geschenkt bekommen hat. „Ein Mensch kann, so wie er ist, eigentlich gar nicht erfassen, was vom Geist Gottes kommt. Er hält es für Unsinn und kann nichts damit anfangen. Zum Verstehen ist geistliche Urteilskraft notwendig. Ein Mensch dagegen, der den Geist Gottes geschenkt bekommen hat und sich von ihm leiten lässt, kann alles richtig beurteilen. Sein Urteil hält jeder Überprüfung stand.“ (1Kor 2,15). Viele Gläubige sind dessen ungeachtet überzeugt, dass eine verbindliche Interpretation der Bibel studierten Theologen vorbehalten sein sollte.
Wie soll der Gläubige, dem man dieses Recht abgesprochen hat, noch dem Gebot, „alles zu prüfen“ (1Thess 5,17) folgen können? In vielen evangelikalen Gemeinden wird über „No-Comment“-Texte, die eigentlich wertvolles Übungsmaterial sind, vorsichtshalber erst gar nicht gesprochen. Sie sind dort in der Regel nicht einmal bekannt. Kann auf diese Weise Gewissheit entstehen? Ersatzweise kann eine Pseudo-Gewissheit entstehen, indem nämlich der Gläubige das kritiklos übernimmt, was ihm sein frommes Umfeld vorplappert, um sich ein bisschen sicherer zu fühlen. Außenstehenden wird anschließend eine „unerschütterliche Glaubensüberzeugung“ präsentiert.
Wir aber wollen hier die Chance nutzen, die uns die Bibel gibt, nämlich eine Reihe dubioser Berichte in der Bibel aus der Sicht Jesu zu beurteilen und auf diese Weise spirituelles Urteilen zu üben.
Typische Texte im No-Comment-Stil sind z.B. die Geschichte von Simei, der Bericht über Jephtahs Gelübde, das Hohelied, der Bericht über die Rache der Gibeoniter, sowie der Bericht über den frommen Massenmord an Frauen und Kindern.