Ich musste akzeptieren, dass die Zeit, dieses
ungreifbare Mysterium, meinem Verständnis
entgleitet und die Ewigkeit für meinen sterblichen
Geist ein Rätsel bleibt.
Ich musste akzeptieren, dass mein Körper, diese
fragile Hülle, nicht unsterblich ist, dass er altern
würde und eines Tages sanft verlöschen würde.
Ich musste akzeptieren, dass wir aus
Erinnerungen und Vergessen bestehen, aus
unerfüllten Wünschen, aus Geräuschen und Stille,
aus flüchtigen Worten und sternenklaren Nächten,
aus kleinen Geschichten, gewebt im Schatten
subtiler Details.
Ich musste begreifen, dass alles vergänglich ist,
dass nichts ewig währt. Und ich musste
akzeptieren, dass meine Ankunft auf dieser Welt
einen Sinn hatte, dass ich hier war, um das Beste
von mir zu geben, Spuren des Lichts zu säen,
bevor ich im großen Schweigen verschwinde.
Ich musste akzeptieren, dass meine Eltern nicht
ewig sein würden, dass meine Kinder eines Tages
ihre Flügel ausbreiten würden, ihren eigenen Weg
fern von mir gehen würden. Sie gehörten mir nicht,
wie ich einen Moment lang geglaubt hatte. Ihre
Freiheit, zu gehen, zu kommen, zu wählen, war ein
Recht, das ebenso wertvoll war wie meine Liebe
zu ihnen.
Ich musste akzeptieren, dass alles, was ich
besaß, nur eine Leihgabe war, dass mir hier nichts
wirklich gehörte.
Alles, wie auch meine eigene Existenz, war
vergänglich, bestimmt, weitergegeben zu werden,
anderen Seelen überlassen zu werden, wenn ich
nicht mehr da bin.
Ich musste akzeptieren, dass das morgendliche
Fegen meines Gehwegs
nur ein sanfter Selbstbetrug war, eine Geste, um
mich zu überzeugen, dass dieser kleine Teil der
Welt mein eigener war, obwohl er es nicht war.
Mein Haus, mein Zufluchtsort, war nur ein
vorübergehendes Dach, eine Zuflucht, die eines
Tages andere Leben, andere Geschichten
beherbergen würde.
Ich musste begreifen, dass meine Bindung an
Dinge, an Menschen, an Orte, nur den Abschied
schmerzhafter machen würde.
Dass die Bäume, die ich gepflanzt habe, die
Blumen, die ich geliebt habe, die Vögel, deren
Gesang ich gelauscht habe, nur vorübergehende
Begleiter in meinem Leben waren. Genauso
sterblich wie ich.
Ich musste akzeptieren, meine Schwächen, meine
Zerbrechlichkeiten, meinen Zustand als
vergängliches Wesen, bestimmt zu verschwinden,
während das Leben ohne mich weitergehen
würde, wie ein Fluss, der unempfindlich
gegenüber meiner Erinnerung ist.
Und ich musste akzeptieren, dass ich eines Tages
vergessen sein würde.
Lasst uns gut für unsere Seele sorgen,
denn sie allein gehört uns.
(überliefert durch Silvia Schmitt)