H.G. – Ich sehe Gefahren

Lieber Christian,
Du hast das Buch bzw. beide Bücher ja schnell durchgearbeitet. Deine Links habe ich angesehen, auch früher schon.
Ich widerspreche Deinen Ausführungen aktuell nicht, ob ich Ihnen auf Dauer in allem recht gebe, will ich damit nicht ausdrücken. Bei mir muß sich manches erst mal legen, da kommen Gedanken so nach und nach.  „Sehr große Schwächen“ sehe ich bei Wright allerdings nicht.
Wir Menschen haben ein grundsätzliches Problem:  Das eigene Denken, Wahrnehmen und Vertreten von Überzeugungen stilisiert sich – auch unbemerkt – im goldenen Standbild Nebukadnezars. Das wurde mir wieder bewußt, als Professor Harald Lesch in der gestrigen ZDF-Sendung „Terra X“ davon sprach, daß Gott durch die Erkenntnisse von Darwin von seinem Thron gestürzt wurde. In der gleichen Sendung sprach er davon – in Bezug auf die Tiefenpsychologie von Freud – daß man sich selbst fragen müsse, was ist in mir am Werk, was ist mein Selbst. Wenn er aber merken würde, daß sein wissenschaftliches Gebäude durch Annahme anderer Auffassungen einsturzbedroht wäre, dann würde er sicherlich rasch einen Rückzieher machen.
Unsere Neigung ist, das zu ignorieren, was uns nicht in den Kram passt. Ich mache da bei mir keine Ausnahme. Entscheidend ist, ob wir dieser Neigung nachgeben.
Du hast das ja selbst erlebt in Deinem vergeblichen Anrennen bei Bremer Theologen und anderswo im theologischen christlichen Bereich.
2000 sagte ich öffentlich im Kollegenkreis meinem damaligen Glauben ab, 17 Jahre später wurde ich allein vom HERRN, dessen bin ich sicher, zurückgeholt.
….
Ich sehe aus meiner Perspektive aktuell folgende Gefahren,  die sich aus Deinen Auffassungen entwickeln könnten (mir fehlt da aber der letzte Scharfsinn):
1. Eine Tendenz zum Allversöhnertum (mein Adoptivbruder vertritt diesen Standpunkt)
2. Eine schleichende Entkräftung des Wortes Gottes, durchaus des Wortes Gottes in Deinem Sinn
3. Der Standpunkt allein auf einen Bibeltext (hier: Matth. 23,23) könnte eine wacklige Angelegenheit sein oder werden, ich habe da schon eine Kritik zu alleinigen Positionen basierend auf einigen Versen gelesen, weiß momentan nicht wo.
4.  Die Entwicklung einer bestimmten Art Zweifel am Wirken Gottes, daran, ob er sein Wort wirklich behütet (ich muß da selber aufpassen, daß ich nicht wieder Agnostiker werde)
5. Die ev. nicht absehbaren Folgen eines hartnäckigen Festhaltens an bestimmten Thesen wie z.B. Deine wiederkehrende Kritik am Hebräerbrief.  In diesem ist für mein Verständnis – wie auch im Jakobusbrief und den beiden Petrusbriefen – genug hilfreiches zu lesen, so daß ich es nicht unbedingt  hilfreich finde,  wegen einiger Verse das Kind mit dem Bade auszuschütten.  Das quasi Hauskreis-Studium des Jakobusbriefes bei einer evangelikalen Gemeinde in München vor einigen Jahren war für mich segensreich. Also man kann wohl nicht pauschal sagen, daß, was dem einem zum Fluch sein ,
nicht trotzdem für den anderen segensreich sein kann.
6. Es ist auch Dir nicht möglich, die Unermeßlichkeit Gottes zu erfassen (versuchst Du es unbewußt vielleicht doch – ich kenne das jedenfalls bei mir – ?). Siehe Jes. 55, 8+9, zitierst Du glaube ich ja auch
in Deinen Artikeln.
Ich trage mich mit dem Gedanken, einem Freund, der geistlich scharfsinnig denkt (hat mir vor einiger Zeit eine durchaus überzeugende Zusammenstellung von Schrifttexten zur Endlichkeit der Hölle gesandt, ggf. Weitergabe an Dich mit seiner noch einzuholenden Erlaubnis) – ich besitze seine Gabe der Unterscheidung nicht – den Auftrag zu geben, Deine Seite zu analysieren. Motiv: Bewahrung vor Irrtum,
auch für Dich, wir alle können irren, das sagt mein Freund auch von sich, er erhebt keinen Absolutheitsanspruch, obwohl es manchmal so klingt. Da muß ich ihn auch hin und wieder darauf ansprechen.
Ich hoffe, Du empfindest aus meinen Zeilen keinen Geruch von Feindschaft. Das ist es mitnichten ! Ich möchte einfach nur dazu beitragen, uns vor Irrwegen zu bewahren. Deren gibt es in der Christenheit doch genügend ! Wir können sehr wahrscheinlich einen Herrn  Bedford-Strohm, einen Kardinal Marx usw. nicht überzeugen, denn in ihrem Ich lebt wie bei den meisten Menschen das Standbild Nebukadnezars. Wir müssen mit dem Beistand des Geistes Gottes darauf achten, daß dieses Standbild aus unserem Ich entfernt wird. Ganz und gänzlich !
Du kannst diesen Briefwechsel unter meinem Klarnamen in den Blog setzen, wenn Du willst.

Artikel aktualisiert am 13.01.2022

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert