22. Behauptung: “Die strengere und härtere Interpretation eines Gebotes ist in jedem Fall die bessere.”
(siehe hierzu Gegenbeispiele: “In Ordnung bringen“, “Mission“, “kleine Sünde“, “Lohn“, “Gelübde“, “Prügeln“)
Für Jesus war eine möglichst strenge Auslegung nicht automatisch die bessere Auslegung. Er legte das Alte Testament so aus, dass der lebensfördernde Sinn (Mt 4,4) aufgeschlossen wurde: “Der Mensch ist nicht gemacht um des Sabbats willen, sondern der Sabbat um des Menschen willen.”(Mk 3,27)
Die Pharisäer und Schriftgelehrten bevorzugten eine perfektionistische Auslegung. Sie legten fest, was alles am Sabbat als Arbeit anzusehen ist und nicht getan werden durfte. Sie legten die Anzahl der Schritte fest, die man am Sabbat gehen durfte und entschieden die Frage, ob man ein Licht anzünden dürfe usw. Sie meinten, dass sie am besten erkennen konnten, ob ein Mensch Gott gehorsam war oder ob er gegen Gott sündigte. Jesus warf ihnen vor, dass sie die wichtigsten Gebote “Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Verlässlichkeit” (Mt 23,23) als nebensächlich betrachteten. Dadurch wird man geistlich blind, zum “blinden Blindenleiter“, der andere zur Grube führt und mit ihm zusammen hineinfällt (Mt 15,14). Jede Auslegung, die diese Maßstäbe als nebensächlich ansieht, verbreitet diese Blindheit.