Die von euch genannten vier Kriterien für Zugehörigkeit zum Kanon passen nicht zum Hebräerbrief. Meine Frage: Welche Grund habt ihr dann für die Behauptung, dass man ihn dennoch als gleichwertig mit den übrigen NT-Schriften betrachten kann?
1. Kriterium: „Es muss darin eine Vorhersage enthalten sein, die als richtig bestätigt wurde.“ Tatsächlich?
Der Hebräerbrief enthält nichts Derartiges.
2. Kriterium: Apostolische Autorität. Wegen der anders gearteten Theologie und der verschiedenen geschichtlichen Situation (beispielsweise besteht Paulus in Gal 1,12 auf seiner eigenen direkten Offenbarungserfahrung, während der Autor des Hebräerbriefes sich selbst in Hebr 2,3 als Hörer der Jünger Jesu bezeichnet) wird die von der Tradition unterstellte Autorschaft des Paulus heute weitgehend abgelehnt.
3. Kriterium: „Es darf nichts Falsches drinstehen„. Dass das ein grandioser Zirkelschluss, ist, habt ihr beiden nicht gemerkt, denn traditionell bibeltreue Ideologen verbieten ja rigoros etwas in der Bibel zu beurteilen… ihr beide empfiehlt diese „Anmaßung“ hier als Kriterium. Ein elegantes Eigentor! Luther jedenfalls machte sich Gedanken über die Qualität, er beurteilte und stellte fest, dass der Hebräerbrief die Verheißungen so stark relativiert, dass er ihn nur als apokryph einstufen konnte, als gute Predigt mit einigen Fehleinschätzungen. Schon mal den Originaltext von Luther gelesen?
4. Kriterium: Katholizität: „Allgemeine Anerkennung durch die Gläubigen.“ Warum hat dann das älteste Kanonzeugnis, der Kanon Muratori (ca. 145 n.Chr), bei euch kein Gewicht? Der Kanon Muratori zählt den Hebräerbrief nicht zum Kanon, dafür aber die sadistische von Höllenphantasien strotzende „Petrus-Offenbarung“ (nicht Petrusbriefe!), die die meisten Gläubigen zunächst als kanonisch-inspiriert ansahen, sie aber später (Gott sei Dank) aus dem Kanon wieder hinauswarfen. Kanon Muratori – schon mal gehört?
Schlussfolgerung: es gibt kein Kriterium, mit dessen Hilfe sich der Hebräerbrief dem Kanon sicher zuordnen lässt. Es gibt gewichtige Gründe für seine Einstufung als apokryph: = lesenswert, in vielen Teilen richtig, aber in manchen Details sehr fragwürdig..