Kurzsichtiger Selbstbetrug!

Was ist tatsächlich Wahrheit, was ist wahre Liebe? Menschen habe die fatale Neigung, mit der Wahrheit ohne Sorgfalt umzugehen. Da die Angelegenheiten der unsichtbaren Welt ohnehin unsichtbar und nicht direkt nachprüfbar sind, ist die Versuchung sehr groß, der Bibel bei der Auslegung eigene Gedanken und Interessen unterzuschieben, so geschickt und unauffällig, dass man zu guter Letzt selbst sie für richtig und heilig hält.

Dieses Verhalten ist gerade unter gedankenlosen Gläubigen  anzutreffen: da werden halbgare und halbwahre Geschichten gerne verbreitet, die „den Glauben stärken sollen“ in völliger Verkennung der Tatsache, dass gerade in den Angelegenheiten der unsichtbaren Welt Zurückhaltung und größte Sorgfalt angebracht ist, eben weil Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit nur durch strikte Abgrenzung von Selbstbetrug und leichtfertiger Spinnerei entsteht.

Nun ja, es gibt noch Schlimmeres: gezielte Erpressung und dreister Betrug mit Bibelworten. Doch dies darf keine Entschuldigung sein für Gläubige, unseriöse Übertreibungen und Märchengeschichten zu verbreiten, bloß weil sie einen kurzatmigen Gefühlsgewinn bescheren und ansonsten relativ harmlos zu sein scheinen. Der fromme Wahn ist selten harmlos.

Je konsequenter die Bemühungen sind, Selbstbetrug aufzudecken und sich davon zu distanzieren, desto größer wird der Gewinn an Glaubwürdigkeit sein. Wenn ein frommer Spinner und Phantast tatsächlich einmal ein Wunder geschenkt bekommt, ist er unwürdig es zu bezeugen. Zwar kann er es tun, aber wer wird ihm noch glauben?

Dass sollten einmal alle Gläubigen, die gerne auf fromme Märchengeschichten hereinfallen, ernsthaft bedenken!

Manche Lügen machen nicht nur unglaubwürdig, sondern sie können sensible Mitmenschen überfordern und ihnen schaden! Das falsch angewendete biblische Wort kann in die tiefsten Bereiche der Seele eindringen und hat folglich ein riesiges Verletzungspotential. Es kann „töten„. (2.Kor 3,16)  Goethe sprach treffend von der biblischen „Arznei, die vom Gift kaum zu unterscheiden sei“. Kein Zweifel ist, dass auch theologisches Gift eine sehr fromme respektseinflößende Erscheinungsform haben kann – wie unter dem Menüpunkt „Giftige Theologie“ in aller Ausführlichkeit nachzulesen.

Dass die blutige Kriminalgeschichte des Christentums eine ununterbrochene Kette grauenvoller Verbrechen beschreibt, muss uns nicht wundern … Schurken bleiben Schurken, auch wenn sie sich die fromme Maske übergestülpt haben – geschenkt.

Was den Gläubigen viel, viel mehr erschreckt, ist die Tatsache, dass sich auch Gläubige mit edelsten Motiven und tiefster Frömmigkeit in schwerste Verbrechen und abscheulichste Grausamkeit verstrickt haben – allein aufgrund einer Auslegung der Bibel, die sie allen Ernstes für gewissenhaft und verantwortbar gehalten haben. Anlässlich des Lutherjubiläums wurden noch einmal die schweren Verirrungen des ansonsten so segensreichen Reformators gegenüber Bauern, Baptisten, unabhängigen Predigern, behinderten Kindern, Juden und angeblichen Hexen thematisiert.

Selbstsicherheit und das Bewusstsein der „eigenen besten Absichten“ bietet eben keine Gewähr für die Richtigkeit und Unschädlichkeit der eigenen Überzeugung, auch die theologische Tradition bietet sie nicht sowenig wie bewährte theologische Parolen wie sola fide, sola gratia usw.

Wie anders wäre die Geschichte des Glaubens verlaufen, wenn die absolute  Priorität der Qualitätsstandards Jesu beachtet worden wäre! Wenn man Jesus geglaubt hätte, der keine Hierarchie unter seinen Jüngern duldete (Mt 23,8-10), sondern sie alle mit seinem Geist der Weisheit und der Erkenntnis ausstatten wollte! (1.Kor 2,16) Wenn man den Aposteln geglaubt hätte, die jedem Gläubigen das Recht, ALLES zu prüfen zugestehen und sie die Unterscheidung von nützlichem und schädlichem Zweifel lehren!

Wie anders wäre die Geschichte des Glaubens verlaufen, wenn man erkannt hätte, dass sich die Bibel sogar selbst anhand dieser Qualitätsstandards diagnostiziert , dass sie hilft, fromme, aber destruktive Texte als Fremdkörper zu identifizieren und unschädlich zu machen und dass deshalb erst recht jede Theologie an diesen drei Maßstäben zu prüfen ist?

Auch in der evangelikalen Theologie geistern noch heute völlig überflüssige, vermeidbare Irrtümer herum, die übelste Auswirkungen haben können. Wer seine Theologie überprüfen möchte, sollte vor diesen Auswirkungen seine Augen nicht verschließen! Eine Kultur des ehrlichen, offenen Austausches könnte Schlimmes verhüten, aber leider haben in christlichen Gemeinden nicht selten Leute das Sagen, die lieber Denktabus und ideologischen Gleichschritt kultivieren, um ihre Besitzstände und Einflusssphären zu wahren.

Selbstbetrug lohnt sich nicht! Der Triumph der Scheinheiligen wird immer nur kurzfristig sein. Umso länger werden sie sich einmal für ihr Verhalten schämen müssen. Deshalb hat die Wahrheit viel Geduld. Sie kann sie sich leisten.

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