Kompetent?

Liebe H., du schriebst mir, ich sollte mich in der Frage der unvergebbaren Sünde an die „theologischen Fachleute“ wenden.. Was soll das nützen? Martin Luther ist doch Professor der Theologie gewesen und hat die vergleichsweise zuverlässigste Lösung angeboten. Er war so ehrlich festzustellen: das Problem liegt im Hebräerbrief selbst, der mit der frohen Botschaft unvereinbar ist. Der Hebräerbrief macht gutwilligen Gläubigen sinnlos Angst, lässt sie mit unlösbaren quälenden Fragen allein und ist weit entfernt davon irgendeine überzeugende Hilfe anzubieten. Der einzige „Ausweg“, den sein anonymer Verfasser anbietet,  scheint perfektionistische Selbstüberprüfung, religiöser Dauerstress und ängstliche Werkgerechtigkeit zu sein. Daran geht die Glaubensfreude etlicher Christen kaputt. Viele kennen den Hebräerbrief gar nicht oder nur sehr oberflächlich. Schon gar nicht sind sie zu einer Überprüfung am Evangelium bereit. Wieviel haben sie dann wohl davon verstanden? „Wer antwortet, bevor er zugehört hat, zeigt seine Dummheit und macht sich lächerlich.“ (Spr 18,13) Und sich selbst dann noch den Titel „theologischer Fachmann“ umhängen!  Luthers Lösung ungeprüft ablehnen, aber selber nichts Besseres anbieten! Das habe ich während meines Studiums an der bibeltreuen Theol. Hochschule Basel erlebt. Eine unglaubliche Selbstgefälligkeit. Die Frage, warum die „frohe Botschaft“ des Hebräerbriefes gutwillige Gläubige in jahrelange Seelenqual stürzt, ist für ideologisch gefestigte Verkünder der „frohen Botschaft“ kein Anlass, Fehler in der eigenen Theologie für möglich zu halten.  Das, was Martin Luther vorschlug, die Indizierung des Hebräerbriefes als schädlich, unreif und fehlerhaft (was leicht nachzuweisen ist und helfen würde!), wollten sie nicht, denn für Gläubige dieser Denkrichtung ist die Tradition natürlich wichtiger als ein Menschenleben. Ja, man findet sogar Theologen, die die Seelennot noch verschlimmern (wie zum Beispiel der absurde Aufsatz von Adolf Schlatter) Ist das ein Wunder? Wie soll man dort denn lernen logisch zu denken, wenn als Grundlage des Studiums „das Opfer des eigenen Verstandes und Gewissens“ verlangt wird? In diesem Klima ist Mitgefühl mit Menschen, die durch Theologie geschädigt werden, gar nicht möglich. Wie `soll unter diesen Bedingungen der Wunsch nach Aufrichtigkeit gedeihen Wie soll sich da Urteilsvermögen bilden können? Wie sollen  Geschädigte angesichts dieser Gefühllosigkeit das routinierte Liebesgeschwafel der Evangelikalen ertragen können? Wer gewohnt ist, wegzuschauen und zu verdrängen, begreift natürlich nichts.  Die Lüge oder Halbwahrheit fühlt sich ja gut an. Hauptsache, der fromme Club, der ungestörten Religionsgenuss wünscht, wird nicht gestört.  Die solcherart dressierten und abgestumpften „Bibellehrer“, deren geistige Hauptaktivität das Auswendiglernen  von linientreuen Büchern ist, werden dann als „Fachleute“ auf die Gemeinden losgelassen,  um dann dort auch in den Predigten wunschgemäß für eine gedankenlose Propaganda zu sorgen. Wehe, dort tanzt einer mal aus der Reihe und versucht mal eigenständig nachzudenken und auf Risiken aufmerksam zu machen. Nicht erwünscht! Wieso müssen solche Menschen andere „bekehren“? Sollen andere Menschen etwa auch so werden wie sie? 

Artikel aktualisiert am 27.07.2022

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