Eine Predigt von Pastor Markus Rahn zum Himmelfahrtstag, Marburg (Youtube-Video, Predigt ab 21:00)
(eingestellt mit freundlicher Genehmigung)
Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein, Hier ist Gottes Angesicht … Dieses Lied führt uns zur Frage:
Gibt es tatsächlich heilige Orte. Orte, an denen wir Gott besonders erleben können, Orte für dich und für mich? Ich finde die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ein uralter Text macht sich darüber Gedanken. Er erzählt, wie Salomo seinen Tempel einweiht und sich zur Heiligkeit des Ortes äußert. In 1. Buch der Könige, Kapitel 8 lesen wir dies: „Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel 23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. 25 Nun, HERR, Gott Israels, halt deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast: Es soll dir nicht fehlen an einem Mann, der vor mir steht, der da sitzt auf dem Thron Israels, wenn nur deine Söhne auf ihren Weg achthaben, dass sie vor mir wandeln, wie du vor mir gewandelt bist. 26 Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. 27 Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir: 29 Lass deine Augen offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein. Du wollest hören das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte betet, 30 und wollest erhören das Flehen deines Knechts und deines Volkes Israel, wenn sie hier bitten werden an dieser Stätte; und wenn du es hörst in deiner Wohnung, im Himmel, wollest du gnädig sein. “
Soweit das Gebet von Salomo. Man spürt die Freude über den Tempel, vielleicht auch ein bisschen Stolz dabei und den Wunsch, dass dass dieser Ort für viele Menschen ein heiliger Ort sei, an dem sie Gott begegnen, an dem sie Hilfe erfahren, an dem sich etwas in ihrem Leben ändert, wenn sie dort hinkommen und ihre Herzen für Gott öffnen. Das ist die Bitte Salomos. Zugleich zeigt sein Gebet das Bewusstsein, dass selbst der prächtigste Tempel für Gott unangemessen ist, nicht besser als die unscheinbarste Hütte, als der Stall in Bethlehem, und dass es nicht die imposante Architektur und die Größe des Tempels zu verdanken ist, wenn sich Gott dort Menschen naht, wenn sie ihn spüren, sondern allein seine Gnade, allein seiner Herzlichkeit ist es zu verdanken, wenn ihm Menschen begegnen dürfen.
Braucht es dann überhaupt den Tempel oder irgendeine Kirche? Ist das überhaut nötig. Können wir nicht darauf verzichten? Einerseits deutet das Gebet von Salomo an, dass Gott an bestimmten Orten besonders erfahrbar ist und Gebete ihn hier erreichen. Allerdings sagt er das nur in Bezug auf diesen Ort und damit schließt er nicht aus ,dass Gott sich genauso gut an in anderen Orten offenbaren kann, Menschen berühren kann und er ihre Gebete hört. Ja wenn Gott größer ist als die Himmel der Himmel, d.h. als die Atmosphäre, als der Weltraum und die unsichtbare Welt, wenn Gott das alles umfasst und alles erfüllt, dann ist er in der Tat auch größer als die größte Kirche, wo immer sie stehen mag, und er ist überall. Ja, die Überzeugung, dass es besondere heilige Orte gibt, hat ja auch Schattenseiten, weil wir Menschen, so wie wir nun einmal sind, schon schnell darüber zu streiten beginnen, was nun der richtige Ort oder der bessere Ort sei und wer dort hinkommen darf. Wir brauchen nur an den Tempelberg in Jerusalem zu denken. Schon zur Zeit von Jesus gab es nicht nur den Tempel in Jerusalem, sondern auch ein anderes Heiligtum, 50 Kilometer nördlich, den Berg Garizim. Dort feierten die Samaritaner ihre Gottesdienste. Es war ein mit den Juden verwandtes Volk mit ganz ähnlichem Glauben. Beide Seiten stritten heftig, wer denn nun das richtige Heiligtum besaß und Gott näher war. In Joh 4 wird berichtet, wie eine samaritanische Frau mit Jesus über diese Frage streiten will und Jesus gibt ihr eine interessante Antwort. Er sagt zu ihr: „es kommt die Zeit und sie ist jetzt schon da, in der die wahren Anbeter Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten werden.“ (Joh 4,23) Solche Anbeter will der Vater. Mit anderen Worten – es kommt Gott nicht auf den Ort an, sondern auf die Haltung des Menschen, die Ehrlichkeit, die geistliche Einstellung, die geistliche Offenheit, den Wunsch Gott wirklich zu begegnen.
Jesus selbst hat das konsequent vorgelebt. Er hat ganz oft in Privathäusern oder am liebsten in der freien Natur gepredigt, gebetet, geheilt und Gespräche geführt, weniger im Tempel und in den Gotteshäusern der damaligen Zeit, den Synagogen. Und die ersten Christen haben es so gemacht wie Jesus – zunächst aus reiner Notwendigkeit. Sie hatten in den ersten Jahrzehnten ja noch gar keine Kirchen, keine religiösen Gebäude. Wo haben sie ihre Gottesdienst gefeiert? Draußen auf einer Wiese oder im Wald oder im Wohnzimmer. Das waren ihre Gotteshäuser.
Danach haben sie dann angefangen in den nachfolgenden Jahrhunderten Kirchen zu bauen. Manchmal dort, wo auch die Gräber von Aposteln ode berühmten Gläubigen waren, oder vermutet wurden, wie zB der Petersdom über dem Grab von Petrus oder in Spanien Santiago de Compostella über dem vermeintlichen Grab von Jakob, dem Apostel oder auch wie in Marburg über dem Grab der heiligen Elisabeth. Und man hat geglaubt, dass man an diesen Orten Gott näher ist. ja man ist über weite Strecken dorthin gepilgert, hat sich das auch was kosten lassen, und daran haben wieder andere gern verdient.
Deshalb haben Luther und die evangelische Kirche diese ganze Wallfahrterei abgelehnt und gesagt: das ist Kommerz, das braucht Gott nicht. Gott ist überall und deshalb gibt es für Christen keine besonderen heiligen Orte und deshalb können Christen überall gleichermaßen mit Gott in Kontakt sein. So haben sie es gelehrt, aber haben sie recht? Ist es das was wir selbst erleben, was wir spüren? Wie geht es dir, wie geht es mir damit? Ist jeder Ort wirklich gleich gut geeignet, um Gott zu begegnen? Meine Antwort ist: Ja und Nein.
Ja, denn wir können überall und immer mit Gott reden und unser Herz mit ihm verbinden und wir müssen mit niemandem um heilige Orte streiten. Alle Kriege waren deshalb überflüssig, bei denen man meinte, dass man anderen heilige Orte wegnehmen muss – wie das ja bei vielen Kreuzzügen war. Gott ist uns überall nah. Wenn du zuhause bist und betest, Gott hört dich. Wenn du im Krankenhaus liegst, Gott umgibt dich liebevoll von allen Seiten, wenn du in deiner Küche bist oder im Klassenzimmer und vor deiner Klassenarbeit sitzt, Gott ist da. Du kannst mir ihm reden. Auf der Baustelle, im Büro, unterwegs.. überall ist er bei dir.
Das ist die eine Wahrheit und die andere ist: dass uns bestimmte Otte helfen, zur Ruhe zu kommen, uns für Gott zu öffnen, uns ihm zuzuwenden Mir geht es so, wenn ich in die Kirche trete, wenn ich in den Gottesdienst komme, dass ich mich hier leichter für Gott öffnen kann als an manch anderem Ort. Manches Symbol hilft mir. Eine Kerze, die ich zuhause anzünde. Oder da Kreuz, zu dem ich aufschaue. Und manchmal gib es auch einen besonderen Ort im Wald, wo ich Gott schon besonders erlebt habe, wo ich vielleicht in einer Not ihn angerufen habe, wo ich sehr intensive Erfahrungen gemacht habe und diese Orte sind wichtig für mich. Eben da fällt es mir leichter, Kontakt aufzunehmen und in bestimmten Situationen zieht es mich dorthin und ich spüre: eigentlich möchte ich gerne dort sein und dort Gott suchen. Jesus hatte übrigens auch solche Orte. In Mk 1 lesen wir, wie er einmal inmitten von unglaublich viel Arbeit unter vielen Menschen, die seine Hilfe suchten, ganz früh am Morgen aufgestanden ist und eine einsame Stätte aufgesucht hat, wo er offensichtlich öfter war. Außerhalb von Kapernaum, um dort zu beten. Es ist gut, wenn wir solche Orte haben, zuhause oder in der Natur oder auch in der Gemeinde.
Interessanterweise offenbart sich Gott besonders gern dort, wo Menschen die glauben, in seinem Namen zusammenkommen, Jesus sagte einmal: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20) Damit sagt er: kommt zusammen. Ich bin besonders da erfahrbar, wo mehrere Menschen mich gleichzeitig suchen. D.Bonhoeffer hat einmal gesagt: Gott redet durch den Bruder oder durch die Schwester oft deutlicher als in unserem eigenen Herzen. Ich glaube, dass tut er, weil er die Gemeinschaft will und weiß wie wichtig andere Menschen für uns sind. Dahin will er uns führen: kommt zusammen, öffnet euch für meine Gegenwart. Rechnet damit, dass ich da bin, zu euch rede, an euch handle, euch berühre und eure Gebet zu meiner Zeit zu meiner Weise erhöre.
Es gibt also viele heilige Orte. Manchmal ganz überraschend. Einmal bei Einkaufen blockierte jemand mit gefühlt unendlich vielen Flaschen, zwei Einkaufswagen voll, den Rückgabeautomaten. Ich merkte, wie sich in mir ein Druck aufbaute- Dann hatte ich den Gedanken – ich glaube von Gott: Dreh dich um, entspann dich. Dir wird Zeit geschenkt – du hast jetzt Zeit, dein Herz für mich zu öffnen. Tanke Ruhe und Kraft. Das habe ich getan und ich hab diese Erfahrung nicht vergessen: ein heiliger Ort im Supermarkt. Jeder Ort kann unversehens sich in einen heiligen Ort verwandeln. So wie bei Mose, der in der Wüste „in the middle of nowhere“, im Niemandsland unterwegs ist und plötzlich die Worte hört: „Zieh deine Schuhe aus – der Ort auf dem du stehst, ist heilig„. (2.Mo 3,5) Oder wie Jakob, der völlig verzweifelt und ermattet sich in Angst niederlegt, den Kopf auf eine Stein legt und so fertig ist, das er dort schlafen kann. Und dann dort diesen Traum hat, den Traum vom offenen Himmel. Und sagt: „wie heilig ist dieser Ort. Hier ist nichts anderes als die Tür des Himmels, das Gotteshaus.“ (1.Mo 28,17) Überall ist Gott nah. Überall ist Jesus nah.
Darum geht es auch am Fest der Himmelfahrt. Denn während seines irdischen Lebens war Jesus immer an einen konkreten Ort gebunden. Und wenn man dort nicht war, dann war man nicht bei ihm. Aber jetzt ist er immer da, wo du bist und wo ich bin. Ganz unaufdringlich und doch real ist er da und nah und sagt: „Seht, ich bin bei euch jeden Tag bis an das Ende der Zeit„. (Mt 28,20) Je offener wir für diese Wahrheit sind desto öfter werden wir sie erleben.
Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Trotz meinem Immer-wieder-Zurückfallen in alle möglichen Ängste und Zweifel, sicher auch durch den Gesundheitszustand, der nie gut war und kaum mehr besser wird, habe auch ich oft bei längerem Warten an der Haltestelle oder an anderen x-beliebigen Orten, wo ich nicht in Eile war, manchmal ein Gefühl tiefen Friedens empfunden und habe dabei an Gott gedacht. Freilich denkt man in so einem Zustand wohl automatisch mehr an Gott als in besseren Zeiten, in denen man noch vieles tun konnte, was später nicht mehr möglich ist.
Gottseidank gibt es wiederholt Momente, in denen ich wieder etwas Mut fassen kann, auch wenn mich Schwäche und Angst vor medizinischen Quälereien nach wie vor bedrücken, was im Alter früher oder später für die meisten Menschen normal ist.
Vor ein paar Tagen habe ich trotz Dauerschwäche am frühen Abend einen kurzen Spaziergang gemacht. Ich bemühe mich jetzt, jeden Tag hinauszugehen, egal, wie es mir geht; ich liebe die Sommerabende so sehr und sollte ich einmal irgendwo zusammenbrechen, dann ist es eben so.
Am besagten Abend bin ich knieweich nachhause gewankt und dachte ohne großen Respekt still für mich „Herr Jesus, ich halte die Isolation einfach nicht aus!!“
Im Haus angelangt, wollte ich mich ins Bett legen, als das Telefon geläutet hat. Meine ehemalige Zimmer-kollegin, ca. 17 Jahre jünger als ich und der einzige Mensch in meiner Umgebung, der noch an Gott glaubt, rief mich an und sagte „ich stehe vor deinem Haus, komm einfach auf den Balkon, wenn es dir nicht gut geht, ich möchte nur ein paar Worte mit dir reden.“
Ich ermannte mich und antwortete beflügelt „nein, warte bitte nur 5 Minuten, ich zieh mir was über, neben unserer Siedlung haben wir jetzt einen kleinen Park, gehen wir dorthin.“
Es hat mich Kraft gekostet, mit ihr zu spazieren und zu plaudern aber die paar Schritte bis zum Park habe ich geschafft. Sobald wir auf der Bank saßen und sie mir zuerst das Kompliment gemacht hat „gut siehst du aus!“ (schwindendes Tageslicht ist kosmetisch hilfreich) begann sie sofort mit ihrem Lieblingsthema. „Es ist wahr, wir haben eine schlimme Zeit und sie wird noch schlimmer. Scher dich nicht um den Pandemievertrag der WHO … wir haben die Endzeit, wir werden vielleicht getötet werden. Lass die verd… Elite machen, was sie will ABER bleibe bei Gott. ER wird zurückkommen und aufräumen, dass wissen wir beide. Dass es weh tut, wissen wir ebenfalls. Bleib gelassen, egal, was kommt.“
Kleiner Einwand: Ist man noch im Vollbesitz seiner Kräfte, sagt sich so etwas leichter. Ehrlich!
Zwei Stunden sind wir dort gesessen, es ist stockfinster geworden, der Himmel war bedeckt und hin & wieder zuckten Hitze-Blitze über den Himmel. Auch das sah schön aus und zum 1. Mal sah ich den noch ziemlich nackten Park (nur vier Bänke, keine Bäume, null Schatten am Tag, ein paar Bäumchen aber viel Wiese mit schönen Wildblumen) am Abend mit Beleuchtung.
Diese Zeit war wunderschön für mich und für meine Besucherin wohl auch; ich bin überzeugt, dass Herr Jesus sie mir geschickt hat.
Am nächsten Morgen ging es mir noch schlechter aber nach ein paar Stunden neuerlicher Ruhe konnte ich am Abend einkaufen gehen. Ich bitte „ihn“ immer, mir beizustehen, wenn ich ausgehe und bedanke mich, wenn ich normal nachhause gekommen bin.