Gift Nr. 32

32. Behauptung: der Christ kommt unfehlbar selbst in die Hölle, wenn er – durch Androhung von Folter oder Tod – seinem Glauben abschwört.

Eine weitere Variante der giftigen Theologie geistert weiterhin durch den Bibelunterricht: eine angeblich unausweichliche Pflicht des Gläubigen zum Glaubensbekenntnis trotz Todesgefahr.

Ein Christ, der sich vom christlichen Glauben distanziert, weil man ihn andernfalls mit dem Tod bedroht, mache sich damit des Abfalls vom Glauben schuldig, er würde damit den Heiligen Geist lästern und somit eine unvergebbare Sünde begehen, die unfehlbar mit ewiger Höllenqual bestraft werden würde.

Diese Sicht lässt  sich mit buchstabenhöriger Auslegung aus Luk 12, 9-12 herleiten, wo das Bekennen vor Gericht mit der Lästerungssünde im Zusammenhang genannt wird: „Ich sage euch aber: Wer mich bekennt vor den Menschen, zu dem wird sich auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes. Und wer ein Wort gegen den Menschensohn sagt, dem soll es vergeben werden; wer aber den Heiligen Geist lästert, dem soll es nicht vergeben werden. Wenn sie euch aber führen werden in die Synagogen und vor die Machthaber und die Obrigkeiten, so sorgt nicht, wie oder womit ihr euch verantworten oder was ihr sagen sollt; denn der Heilige Geist wird euch in derselben Stunde lehren, was ihr sagen sollt.“

Dabei ist es durchaus möglich, dass diese Zusammenstellung einfach aus der Erinnerung ähnliche Jesusworte zusammen aufzählt, die inhaltlich wenig miteinander zu tun haben.

Die gängige Auslegung ist zwar dem Wortsinn näher, aber der Inhalt ist geradezu pervers. Was durch schauerliche Leidensgeschichten wie die des Franz Spiera auf das Eindrücklichste bestätigt wird.

Ist es wirklich so, dass der beklagenswerte Gläubige nur die Wahl bleibt zwischen ewig dauernder göttlicher Folter oder Tod und Folter durch Menschenhand? Ist es wirklich so, dass  ein „freudiges Bekenntnis zur Wahrheit“ auf diese Weise zustandekommen soll?

Doch für welche Wahrheit? Dass Gott die „Liebe“ ist? Wie soll man das noch glauben können, wenn Gott schlimmer und grausamer erpresst als es Menschen tun!

Welches Gottesbild entsteht hier ? Wie quälend muss dieser Unsinn, der jeden Selbsterhaltungstrieb erstickt, auf jugendliche Seelen wirken? Der Dogmenfanatiker betrachtet diese Frage natürlich als irrelevant.

Die Frage bleibt: Das soll Liebe sein, einen Mensch ewig zu verdammen, bloß weil er den Mut zum Martyrium nicht aufbringt und lieber seine Haut verteidigt?

Wieso ist er zum Märtyrertod verpflichtet? Aus Dankbarkeit?

Wenn der Gläubige dasselbe leisten muss, was Jesus getan hat, sein Leben zu opfern, hat er dann nicht ebenfalls das Äußerste gegeben? Eigentlich sind beide dann quitt.

Wobei Jesus von Engeln getröstet wurde (Luk 22,43) und auch schon kurzfristig in den Himmel hineinsehen konnte (Mt 17,2) und vielerlei Erfahrungen mit der Auferstehungskraft gemacht hatte. (Mk 5,35 / Luk 7,12 / Joh 11,43-44) Der Gläubige hat diese Tröstungen nicht, soll aber – dank der schlimmsten Drohungen – dasselbe leisten. Ist das nicht absurd?

Pervers ist auch, dass der Öffentlichkeit der erpresste Märtyrertod als „freudiges und freiwilliges Bekenntnis“ verkauft werden soll. Die Ehrlichkeit gebietet, ebenfalls öffentlich zu bekennen, ob man die Hinrichtung nur deshalb erduldet, weil Jesus mit weitaus größerer Grausamkeit droht. Moslems werden über diese Mitteilung nur den Kopf schütteln. Bei ihrem Allah ist der erzwungene Abfall vom Glauben nämlich gar keine Sünde – weil Allah nur das bestraft, was aus freiem Entschluss getan wird.

Das ist fair und barmherzig – und leuchtet ein.

Verantwortungsbewusste Gemeindelehrer werden die destruktive, schiefe Sicht an den Qualitätsstandards Jesu messen –  an Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Verlässlichkeit – und ihr folgendes entgegenhalten:

  1. Ein erzwungenes Glaubensbekenntnis ist wertlos und irrelevant. Gott erpresst niemanden zu solch einem „Bekenntnis“, schon gar nicht mit der Hölle. Wie soll man anders noch glauben können, dass Gott die Seelen seiner Gläubigen kostbar sind?
  2. Folglich ist es dem Gläubigen überlassen, ob er seinen Glauben bei Todesgefahr bekennen oder verbergen möchte.
  3. Negative, herabsetzende Aussagen über den Glauben, die durch schwere Drohungen erzwungen werden, werden von Gott nicht dem Opfer, sondern dem Täter zugerechnet. Die Nazis haben im KZ Menschen zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Frage: haben sich die Betreffenden tatsächlich der Sünde des „Ehebruchs“ schuldig gemacht?
  4. Der Inhalt ist immer wichtiger als die Form. (Rö 2,27) Das Urteil, dass der Gläubige vom Glauben abgefallen ist, setzt eine freiwillige Entscheidung zum Abfall ohne äußeren Zwang voraus.
  5. Gleichwohl ist es würdelos, sich durch Androhung von Gewalt zu Taten zwingen zu lassen, die man aus gutem Grund verabscheut.

Aufschlussreiches zu den Gründen, warum sich eine derart perverse Anschauung etablieren konnte, liefert der Betrag „Heldenmythos – Heldenwahn

(Eine Variante der Pflicht zur physischen Selbstzerstörung ist die Behauptung mancher Gemeindelehrer, der Gläubige dürfe sich bei einem gewalttätigen Angriff nicht allzu heftig wehren, den Aggressor schon gar nicht töten, da er sonst dem Täter die Möglichkeit der Bekehrung nehme und folglich schuld an dessen ewiger Höllenqual sei.)

 

 

 

 

Artikel aktualisiert am 25.01.2024

1 thoughts on “Gift Nr. 32”

  1. Der Bezugnahme auf den Selbsterhaltungstrieb begegne ich mit einer gewissen Zurückhaltung. Ich las heute im Buch „Betet ohne Unterlaß“ von C.H. Spurgeon folgende kleine Geschichte: „Es war einst ein junger Mann….er hatte angefangen zu beten, und sein Vater wußte es. Er sagte zu ihm: Johannes, du weißt, ich bin ein Feind der Religion, und nie soll in meinem Hause gebetet werden. Dennoch fuhr der junge Mann mit ernstem Flehen fort. Gut, sagte der Vater eines Tages unwillig, du mußt entweder Gott aufgeben oder mich; ich schwöre feierlich, daß du nie wieder über meine Schwelle treten sollst, wenn du dich nicht entschließt, das Beten aufzugeben. Ich gebe dir bis morgen Zeit zur Wahl. Die Nacht wurde von dem jungen Gläubigen im Gebet zugebracht. Er stand am Morgen auf, traurig, von seinen Verwandten verstoßen zu werden, aber entschlossen, seinem Gott zu dienen, komme, was da wolle. Der Vater redete ihn barsch an: Nun, was ist deine Antwort ? Vater, sagte er, ich kann mein Gewissen nicht vergewaltigen, ich kann meinen Gott nicht verlassen. Gehe augenblicklich, sagte er. Und die Mutter stand dabei; des Vaters Härte hatte auch sie hart gemacht, und obwohl sie hätte weinen wollen, verbarg sie doch ihre Tränen. Geh augenblicklich, sagte er. Indem er über die Schwelle trat, sagte der junge Mann: Ich wünschte, du gewährtest mir eine Bitte, ehe ich gehe. Und wenn du das tust, will ich dich nie wieder belästigen. Gut, sagte der Vater, du sollst haben, was du willst. Aber merke dir, danach gehst du und bekommst nie wieder etwas. Ich möchte, sagte der Sohn, daß du und Mutter niederknien und mich für euch beten lasst, ehe ich gehe. Nun, dagegen wußten sie nichts einzuwenden. Der junge Mann kniete sofort nieder und begann mit solcher Salbung und Kraft zu beten, mit solch sichtbarer Liebe zu ihren Seelen, mit solch wahrem und göttlichem Ernst, daß beide Eltern niederfielen, und als der Sohn aufstand, lagen sie noch da. Und der Vater sagte: Du brauchst nicht zu gehen, Johannes, komm und bleibe, komm und bleibe. Und es dauerte nicht lange, bis nicht bloß er, sondern sie alle anfingen zu beten, und sie schlossen sich einer christlichen Gemeinde an.“
    Auf Eurer Seite berichtet ihr auch von open doors und open doors berichtet von dem heutigen Bekennermut der verfolgten Christen vornehmlich in Afrika und Asien. Ich glaube, das sollten wir nicht aus dem Auge verlieren, auch wenn nicht jeder von uns ein Jan Hus sein wird.

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