Wo finden wir Geborgenheit?

Von Pastor Markus Rahn, Marburg, Youtube-Video (Predigt ab ca 15:35)

Jesus spricht: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so werde ich alle Menschen zu mir ziehen.“ Dieses Wort steht über dem Festtag der Himmelfahrt. Himmelfahrt ist auf der einen Seite ein Abschied und auf der anderen Seite ein Neubeginn. Eine ganz neue Art der Gegenwart Jesu, in der er nicht weniger wirkt als zuvor, sondern – wie er sagt – die Menschen zu sich zieht. So hat er auch uns heute zu sich gezogen, möchte uns neu an sein Herz ziehen und möchte uns neu mit seiner Liebe und Nähe beschenken. Ihn lasst uns loben, ihm lasst uns unsere Herzen öffnen.

Die Himmelfahrt Christi, ein Ende und ein Neubeginn, geschieht genau 40 Tage nach Ostern. Die Zahl 40 in der Bibel ist eine bedeutsame Zahl, die oftmals eine wichtige Zeit anzeigt.

40 Jahre wanderte das Volk Israel durch die Wüste.
40 Tage lang war Mose auf dem Berg Sinai, als er die Gebote empfing.
40 Tag lief Elia durch die Wüste zu diesem Berg.
40 Tage hat Jesus, bevor er zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auftrat, in der Einöde verbracht und gefastet.
So waren auch diese 40 Tage zwischen Ostern und Himmelfahrt eine besondere geistlich wichtige Zeit, eine intensive Zeit für die junge Kirche, die in dieser Zeit entstanden ist.

In dieser Zeit hat sich Jesus immer wieder seinen Freunden, den Menschen, die ihn begleitet haben und auch anderen, nach seiner Auferstehung von den Toten gezeigt – mehr als 500 Menschen haben ihn gesehen… dies erfahren wir aus dem wahrscheinlich ältesten Dokument, das wir haben, nämlich dem 1.Korintherbrief, im 15.Kapitel. Über 500 Menschen haben Jesus gesehen, darunter auch seine 12 Jünger und viele viele andere, die seit Jahren mit ihm unterwegs waren. Das Besondere an diesen Erscheinungen in diesen 40 Tagen war, dass man Jesu in seinem Auferstehungsleib sehen konnte, hören konnte, sogar berühren konnte. Die Menschen, die ihm begegneten, erzählten: er hat mit uns Feuer gemacht, wir haben mit ihm gegessen…. Diese konkreten Erfahrungen mit dem Auferstandenen waren der entscheidende Impuls für eine unaufhaltsame Bewegung, die bis heute anhält, die weltweite Gemeinde Jesu in ihren unterschiedlichsten Formen, heute über 2 Mrd. Menschen. Das hat seinen Anfang genommen in diesen 40 Tagen,

Nun ist interessant zu sehen: Diese Zeit war begrenzt. Nach 40 Tagen endete sie. Aber nicht sang und klanglos, sondern mit einem ausdrücklichen Abschied, wie wir es eben gerade gehört haben.

Ich finde das wichtig, dass wir, wenn Dinge in unserem Leben zu Ende gehen, Abschied nehmen. Es tut weh, wenn Menschen plötzlich aus unserem Blickfeld verschwinden, etwa, wenn sie weg ziehen und man weiß gar nicht, wo sie geblieben sind. Es ist dagegen immer schön, wenn Menschen das deutlich machen und sagen: mein Weg führt jetzt weiter und ich möchte dir danken für die Zeit, die wir miteinander hatten und ich will dich wissen lassen, wohin ich jetzt gehe. Das ist ein Ausdruck der Liebe, dass man sich verabschiedet, wenn man weiterzieht.

Und das tut Jesus hier. In einem letzten Treffen sagt er seinen Freunden deutlich: nun werdet ihr mich nicht mehr sehen, denn nun kehre ich ganz in die für euch noch unsichtbare Welt Gottes zurück. Zugleich beginnt eine neue Zeit , in der ich auf andere Weise mit euch verbunden bin.

Als ich in der Vorbereitung für diesen Gottesdienst ganz neu über diese Dinge nachgedacht habe, da bin ich auf den Gedanken gekommen, dass solche unterschiedlichen Phasen nicht nur in der Geschichte der Kirche gegeben hat und gibt, sondern auch im Leben von glaubenden Menschen und dass es sie auch geben darf.

Wenn ich auf mein eigenes Leben schaue, dann erkenne ich Phasen, in denen ich sehr intensiv und in großer Dichte geistliche Erfahrungen gemacht habe und die Nähe von Jesus und das Wirken Gottes sehr intensiv erlebt habe und dann gibt es weder Phasen in meinem Leben, da ist wenig passiert, jedenfalls kaum etwas, an das ich mich noch erinnern kann. Und aus Gesprächen mit euch und mit anderen weiß ich, das geht den meisten so. Und deshalb weiß ich, wir müssen kein schlechtes Gefühl dabei haben, wenn es diese unterschiedlichen Phasen in unserem Leben gibt.

Eine weitere Beobachtung habe ich gemacht, nämlich dass sich mein Glaube verändert: sowohl ich die Art, wie ich als Christ lebe als auch meine Einsichten, das, was ich erkenne, entwickelt sich, verwandelt sich in den verschiedenen Phasen und Gezeiten des Lebens. Dabei habe ich den Eindruck, dass am Anfang meines Glaubensweges sehr starke und eindrückliche Erfahrungen für mich eine große Hilfe waren, um mich erst einmal auf den Weg des Glaubens zu bringen. Aber dass dann diese Zeiten, in denen wenig Außergewöhnliches passiert oder auch gar nichts Wichtiges passiert, auch wichtig sind und gut sind für mich, weil da mein Glaube in eine andere Dimension kommt, in einen tiefen Fluss, in ein Getragensein. Zwar ohne aufregende Dinge, aber in so eine Ruhe und einen Frieden … ich denke es hat auch seinen guten Grund, dass wir nicht ständig aufwühlende Erlebnisse haben, weil wir uns damit bedrängt fühlen würden und die Freiheit verlieren würden, die wir auch brauchen.

Ich glaube, es liegt eine tiefe Weisheit darin, dass es diese abwechselnden Phasen und Zeiten gibt. Wir dürfen ganz ja sagen zu dem Weg, den Gott mit uns geht. Diese Beobachtung machte ich auch in dem Predigttext, der für den heutigen Feiertag vorgeschlagen ist aus dem ersten Kapitel des Epheserbriefes. Ich lese einmal ab Vers 20 vor. „Durch seine große Kraft hat Gott Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel und über alle Reiche, Gewalten, Mächte, Herrschaften und sonst, was einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn über die ganze Gemeinde zum Haupt gesetzt, welche sein Leib ist.“ Er füllt sie ganz aus. Denn er ist es, der alles in allem erfüllt.

Mit diesen Worten begegnet uns eine große Weite. Jesus ist nicht nur der, der einmal unsere Welt besucht und den Tod überwunden hat und der irgendwann im Laufe der Zeit dich und mich gefunden hat und mit seiner Liebe berührt hat. Er ist auch der, der mit allen und allem verbunden ist. Die ganze Christenheit ist mit ihm verbunden, d.h. überall, wo Menschen ihm vertrauen, da ist er anzutreffen . In jedem Gläubigen ist etwas von ihm zu finden Er ist da bei diesen Menschen und das sind viele. Aber diese Worte im Epheserbrief sagen noch mehr. Nicht nur die Christenheit wird von ihm erreicht, sondern alles. Er ist der, ist alles in allem erfüllt. Er ist bei allen, auch bei denen, die ihn noch nicht kennen oder gar nichts mit ihm anfangen können. Er liebt sie auch, er ist bei ihnen, ja, er ist bei der ganzen Schöpfung. Er ist es, der alles in allem erfüllt.

Wie kann das sein, dass dieser Jesus, der vor 2000 Jahren unsere Welt besucht hat, hier gelebt hat, mit allem heute verbunden ist- Die Frage ist durchaus berechtigt.

Es gibt nur eine Antwort. Diese Aussagen können nur dann zutreffen, wenn in Jesus Gott selbst zu uns gekommen ist , Mensch geworden ist und uns begegnet ist. Nur dann kann es stimmen, dass er den Tod überwunden hat. Nur dann ist es glaubhaft, dass er tatsächlich mit allem verbunden ist – auch mit dir und mir.

Wenn das so ist und davon bin ich überzeugt, dann erhalten wir hier eine starke und beglückende Antwort auf eine der vielleicht wichtigsten Grundfragen unseres Leben, nämlich die, ob wir geborgen sein können, geborgen in allen Wechselfällen des Lebens, ob es etwas gibt, auf das wir uns ganz und gar verlassen können, auf das wir hoffen können in dieser unsicheren Welt in diesem wackeligen Leben mit all ihren kostbaren und zerbrechlichen Seiten mit ihren Schönheiten und Herausforderungen. Das ist eine unsere wichtigsten Fragen, meine ich. Gibt es Geborgenheit und inneren Frieden und wenn ja, wo finden wir das.

Die Antwort, die wir hier hören, lautet ja es gibt Geborgenheit und Frieden. Und dieser Frieden hat eine Namen. Er ist eine Person und diese Person hat einen Namen Jesus. Jesus ist unser Friede bei ihm sind wir völlig geborgen. Auf ihn können wir uns ganz und gar verlassen, im Leben und sogar im Sterben, denn er hat den Tod überwunden und sagt: Seht, Ich habe den Tod überwunden und bin bei euch alle Tage bis ans Ziel der Zeit.

In diesem Vertrauen für uns selbst und für andere Menschen zu leben – das ist Christsein. Andere Menschen zu diesem Vertrauen einzuladen, sie damit anzustecken – das ist unsere wunderbare Berufung.

 

 

 

 

Artikel aktualisiert am 13.08.2021

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