(Zum Beitrag von H.G.)
Lieber Bruder,
du bringst es auf den Punkt: ja dieser unselige Trieb, aus unseren Ideen ein eignes goldenes Standbild zu machen und zu wünschen, dass es von möglichst vielen Mitmenschen verehrt wird – das steckt wohl in fast jedem von uns. Jedoch wächst sich dieser Narzissmus nicht bei allen zu auffälliger Größe aus.
Ich sehe dieselbe Gefahr wie du.
Und da ich sehe, wie belastend das für die Mitmenschen ist, die ein Recht auf Liebe und Wahrheit haben, möchte ich in meinem Denken solche Standbilder nicht dulden. Ich glaube es war ein guter Schritt in die richtige Richtung, dass ich meine Position nicht als „letztgültige Lösung“ deklariert habe, sondern als Provisorium, als Denkmodell, ein Update der traditionell bibeltreuen Sichtweise.
Der Anlass ist dringend genug. Es geht einfach nicht, dass Christen sich mit Lügen, Manipulieren, Verdrängen und Druck ausüben helfen, wenn es um die Sicherung der Glaubensgewissheit geht. Das ist nichts anderes als das inoffizielle Bekenntnis, dass der eigene Glaube ohne diese Machenschaften nur Wahn und Wunschbild ist. Ich kann aber nicht mehr anbieten als auf Fragwürdigkeiten im vermeintlich bibeltreuen Denksystem hinzuweisen und Denkanstöße zu sammeln. Jeder darf sich bei mir frei äußern und sagen, wo ihn der Schuh drückt – Nettiquette vorausgesetzt. Es gibt keine Zensur. Wer Besseres liefert als ich es kann, darf es gerne tun. Widerlegen oder Korrigieren darf mich auch jeder. Was soll ich mehr tun gegen die Gefahr narzisstischer Selbstüberhöhung?
Zu den Gefahren:
die Gefahr des Allversöhnertums: das Konzept einer ewigen Höllenstrafe ist schrecklich missbrauchbar und hat – so wie es üblicherweise gelehrt wurde – das Leben vieler Menschen bereits zur Hölle auf Erden gemacht. Bei mir und vielen anderen wurde durch gedankenlose Höllenpropaganda das Vertrauen in die Liebe Gottes weitgehend aufgelöst.
Deshalb ist auch hier ein Update nötig: eine Bemühung um ein möglichst widerspruchsfreies Konzept. Im Artikel https://matth2323.de/hoelle/ wird dazu das Konzept einer ewigen Quarantäne für das unverbesserlich Böse vorgestellt sowie eine mögliche Differenzierung der Höllenstrafe diskutiert.
zur schleichenden Entkräftung des Wortes Gottes: Qualen wie sie Luther hatte, gibt es heute nur bei ganz sensiblen und fleißigen BIbellesern Durch das bibeltreue Update 2.0 wird der Buchstabe auf sensible Gemüter weniger verheerend wirken als bisher: was beabsichtigt ist. Der traditionell bibeltreue Mainstream arbeitet viel mit Verdrängung und hat sich auf diese unfaire Weise schon immer vor einer Überlastung des Gewissens geschützt. All das ist typisch menschlich. Wem aber die Liebe zu Gott und den Menschen wichtig ist, wird von selbst den Anregungen der Bibel folgen und auch ihren Wert erkennen. Jeder entscheidet selbst, wieviel Einfluss er diesen Anregungen einräumt. Diese Entscheidung kann niemand dem anderen abnehmen.
Zur Konzentration auf eine einzige biblische Aussage: Matth23,23. Ich habe mehr als 40 Jahre Theologie hinter mir, angebliche Autoritäten haben mein Denken unablässig mit sich widersprechenden, unausgereiften, ungenießbaren Halbwahrheiten belastet, verwirrt und schließlich verschlissen, sodass ich mich schließlich nur an einem Punkt festgehalten habe, der Frage worum geht es denn eigentlich? Die Antwort finden wir im ersten Johannesbrief: Es geht im wesentlichen um Liebe. Und das Hauptkapitel des Neuen Testamentes, dass sich mit den selbsternannten schriftgelehrten Autoritäten befasst, ist die Strafrede Jesu in Matth 23. Und dort finden wir in einem Satz zusammengefasst, was Jesus diesen Leuten vorwirft: ihr befasst euch mit 1001 Details, mit der Verzehntung von Gewürzkräutern, aber das Wichtigste wollt ihr nicht sehen: Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Verlässlichkeit. (Matth 23,23) Halt, dachte ich: das sind doch Umschreibungen der Liebe. Damit muss man anfangen und dabei bleiben. Was immer wir sonst in der Bibel finden, ist diesem Gedanken unterzuordnen. Das sagt auch 1.Kor 13. Liebe ist etwas Vollkommenes, Ewiges – das Wissen ist Stückwerk. Kinder sind keine Theologen: auch sie halten sich an diesem einfachen Gedanken fest. Und sie sind darin das Vorbild für die Erwachsenen. (Luk 18,17). Ich sehe auch bei anderen: wer dazu nicht bereit ist, wird vom schlammigen Strudel der Theologie aufgesaugt. Er wird sehr schnell korrumpiert. Ein blinder Blindenleiter. Er redet von Wahrheit und Liebe, ohne zu sehen, dass er sich eigentlich erst selber predigen müsste.
zum Hebräerbrief: zweifellos enthält er sehr gute segenseichte Beiträge, das ist doch völlig unbestritten. Auch heute kann Gott Propheten bevollmächtigen, geisterfüllte Redner, die gänzlich neues Licht auf eine quälende Frage werfen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie mitunter auch Falsches sagen können. Wieso der Zwang, dass der ganze Hebräerbrief inspiriert sein muss? Eben hier war die alte Kirche im Zweifel. Der Hebräerbrief datiert vor der Zerstörung des Tempels: ein sehr früher Brief. Dennoch erscheint er noch 145 nach Christus nicht im Kanonverzeichnis. Die Gründe die Luther nennt, kann ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen: völlig überzogene Drohungen, die die Heilsgewissheit und Glaubensfreude stark beschädigen können. Ich wäre dafür, ihn in der Bibel beizubehalten, allerdings mit dem warnenden Kommentar von Luther und einem Hinweis auf den Kanon Muratori. Die Gründe dagegen, die Luther gegen den Jakobusbrief anführt, überzeugen mich hingegen nicht. Die Bibel redet auch andernorts sehr pointiert. https://matth2323.de/spezielle-stile-der-bibel/#fokus
die Unermesslichkeit Gottes begreifen: dieser Versuch wäre Blödsinn. Mein Anliegen ist klar umrissen: seelische Traumatisierung durch den „tötenden Buchstaben“ in Zukunft nach Möglichkeit zu vermeiden. Zu diesem Zweck liefere ich ein bescheidenes Modell und warte darauf, dass Besseres kommt. Bisher kamen aber nur Ausgrenzung, Mobbing und Redeverbote. Kürzlich wurde ich wieder aus einem Chat entfernt: natürlich ohne Begründung. So bin ich zwangsläufig viel mehr mit der geistigen und charakterlichen Begrenztheit sektiererischer Mitmenschen mit päpstlichem Alleinvertretungsanspruch konfrontiert als mit göttlicher Unermesslichkeit.