Lieber Bruder,
Das war wirklich ein interessantes Treffen gestern bei Simon. Ich habe gestern seine Biographie fast komplett durchgelesen. Selten spannend. Auch die Einblicke in die Nöte und Erfolge als Unternehmer… sehr spannend und lehrreich. Was hat er alles erlebt und gelernt!
Mein Leben war ja schon nach der Schulzeit zu Ende, wo der psychische Absturz erfolgte.
Ich habe überlegt, ob ich seine Erkenntnisse auf meiner Webseite kommentieren sollte.
Aber ich glaube, dass wäre doch am Ziel vorbei. Welches Motiv würde mich antreiben? Um Rechthaberei zu pflegen oder mich als großer Bibelexperte zu präsentieren?
Wer denken kann wie Simon und an die Allversöhnung glauben, der ist glücklich. Warum sollte ich so jemand belehren?
Aber ich denke trotzdem, dass die meisten Menschen (mich eingeschlossen) eben bei weitem nicht so schlau sind wie Simon. Mich hat er nicht so recht überzeugen können. Er macht viele unbeweisbare Annahmen.
Schon seine Behauptung, dass Gott verpflichtet sei, maßvoll zu strafen, ist m.E. nicht haltbar.
Schon die Meinung, ein Mensch könne vorhersagen, wie Gott im Einzelfall sicher reagieren müsste, halte ich für unrealistisch. Zu meinen gar, gegen die befohlene Abschlachtung von Kindern und Babys sei wegen der Kompensation im Himmelreich nichts einzuwenden, ist grotesk. Ich las einmal von einem Priester, der Kinder umbrachte, um sie vor späterer unvergebbarer Sünde zu bewahren. Auch da könnte man das Argument der Kompensation im Himmelreich zur Rechtfertigung anführen. Klingt gut, lässt sich gut zum Einschläfern des Urteilsvermögens gebrauchen, und trotzdem. Der Priester kam zwecks Sicherungsverwahrung in eine geschlossene Anstalt: zu Recht! Man kann das natürlich glauben, was Simon glaubt: dass solche Massenmordbefehle ganz ok waren. Bloß mein Gottesbild wird dadurch nicht besser. Es bleibt entsetzlich finster. Schon gar nicht habe ich den Wahn, die Reaktionen eines solchen Gottes vorhersagen zu können. Vieles dazu steht in meinem Essay „Bibelwahrheit – Bibelwahn“.
Die Mehrzahl der Menschen ist einfach gestrickt (wie ich auch). Einfache Menschen folgen sehr leicht dem Beweis des ersten Anscheins. Sie entnehmen der Bibel ein düsteres Gottesbild, was sich ja auch in der blutigen Kirchengeschichte jahrhundertelang niedergeschlagen hat.
Es gibt in der Bibel viel vermeidbare Brutalität und Grausamkeit – solche Inhalte sind nichts anderes als grob fahrlässig, weil sie eben viele Leser verführt haben, Brutalität für religiöse Zwecke einzusetzen oder sich zumindest nicht daran zu stören. Simon meint diese Brutalität rechtfertigen zu können, ich aber kann es nicht.
Auch sehe ich nicht, dass meine Kritik an der Unfehlbarkeitsdoktrin von ihm widerlegt worden wäre. (https://matth2323.de/schriftbeweise-fuer-irrtumslosigkeit/)
Meine Webseite ist für einfache Menschen geschrieben, die aus brutalen Textstellen verhängnisvolle Folgerungen ziehen. Es muss auch für einfache Menschen etwas geben, was vor einem grausamen Gottesbild schützt und sie sicher aus der Höllenangst herausführt.
Für sie sehe ich zur Zeit keinen besseren Weg als meinen Vorschlag, nur das mündliche Gotteswort für absolut unfehlbar zu halten, und die menschliche Weitergabe trotz aller guten Absichten als mit dem Risiko der Verzerrung behaftet. Wer sich von Liebe und Wahrhaftigkeit leiten lässt, wird das ursprünglich Gute immer – soweit nötig rekonstruieren können.
Du darfst beruhigt sein, ich sammle keine „Follower“. Ich hoffe bloß um Verständnis, dass verschiedene Wege zur Glaubensfreude nötig sind. Fairerweise sollten die Alternativen in einer bibelgläubigen Gemeinde bekannt sein. In bibeltreuen Gemeinden ist das leider nicht der Fall.
Man nimmt es in Kauf, dass etliche Gläubige an ihrer Höllenangst verzweifeln. Was ist das anderes als absolut unbarmherzig und ichbezogen? Siehe dazu meinen offenen Brief an Prof Thomas Schirrmacher.