Voss dilettiert über „Gesetzlichkeit“

Hilft sein Video [1] wirklich weiter? Den Kern des Problems hat Markus Voss nicht erfasst! Er merkt es nicht! Und es hat wohl wenig Zweck ihm das mitzuteilen. Mit weißer Weste („Unschuldsweiß“)   posiert er wie gewohnt vor einer Bücherwand („Fachkompetenz!“) um möglichst viele Abonnenten und Claqueure einzufangen. Wenn das Bewusstsein der eigenen Bedeutsamkeit anschwillt, was bedeutet da schon eine faire Auseinandersetzung?

Man könnte auch einmal lesen: Berichte von Menschen, die durch Bibeltexte chronisch traumatisiert worden sind und aus der Angst vor der ewiger Höllenfolter zeitlebens nicht mehr herausgekommen sind. „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig!“ (2Kor 3,6b) Man sollte sich doch zumindest einmal die schlimmsten Fälle, in denen „der Buchstabe tötet„, anschauen, um das Gefährdungspotential zu erfassen.

Aber in der Bücherwand von Markus Voss haben solche Berichte keinen Platz. Auch wenn diese Wand bis an die Zimmerdecke reicht.

Voss zitiert richtig Spr 28,13: „wer seine Sünden verheimlicht, dem wird’s nicht gelingen, wer sie aber  bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen.“ Daraus folgt als Umkehrschluss die Frage: wer erhält keine „Barmherzigkeit? Wer „Sünde nicht lässt„, wer sie duldet, wer sie wiederholt begeht…?  Was wird dann nicht gelingen? Das Leben? Der Weg zum Heil? Wehe dem, der „Sünde“ nicht in zufriedenstellendem Maß überwindet? Zumindest muss er sich mit Zweifeln an der Vergebung einrichten.

Irgendwie dämmert das auch dem Markus Voss. Dagegen argumentiert er nicht mehr mit der Bibel (was unmöglich sein dürfte), sondern mit „seiner“ Logik. Das ist nicht so, beteuert er, denn dann wäre es ja sinnvoll, sich erst kurz vor dem Tod zu bekehren, um nicht doch durch ein Zuviel an Sünde in die Hölle zu kommen. In der Tat ist das der logische Schluss, der sich aus dieser Theologie ergibt, die Duldung von Sünde gleich welcher Art als höchst gefährlich für das Heil ansah und über Jahrhunderte prägend für die Christenheit war. Deswegen ließ sich auch Kaiser Konstantin erst auf dem Sterbebett taufen, da man allgemein meinte, dass Sünden nach der Taufe, dem „Bad der Wiedergeburt“ (Titus 3,5) möglicherweise nicht mehr vergeben werden. „Denn wir wissen: wer aus Gott geboren ist, der sündigt nicht“ (1Joh 5,18). Da steht es doch schwarz auf weiß. Und wer dann doch noch „sündigt„? Wieso kann er sagen, dass er „aus Gott geboren ist“?

Markus Voss argumentiert so: diese Sichtweise sei falsch, denn  dann würden ja noch weniger Christen gerettet werden, möglicherweise würden sie ihre Bekehrung verpassen. Es bleibt aber völlig unklar, inwiefern dieses Argument  die Angst vor einem irreparablen Zuviel an Sünde beseitigen kann. Der Hebräerbrief warnt im dritten und vierten und im zwölften Kapitel unmissverständlich davor, dass die Tür zum Himmel trotz tätiger Reue, ja sogar von Reue, die den eigenen Tod in Kauf zu nehmen bereit ist, von Gott unwiderruflich geschlossen werden kann („Risiko Hebräerbrief„), Luther, der sich wie kaum einer um Gehorsam bemühte, machte der Hebräerbrief auch nach seinem Turmerlebnis soviel Angst, dass er ihn zu guter Letzt nur noch als teilweise inspiriert betrachtete. In Vorwort seiner ersten Bibelausgabe warnte er deshalb vor diesem Brief. Was weiß Markus Voss davon? Offenbar nichts!

Man erkennt, wie wichtig für einen Christen die Frage ist, was denn nun genau „Sünde“ sei, wenn ein Zuviel an „Sünde“ zum Verlust des Heils, zumindest zu Verlust der Heilsgewissheit führen kann. In dieser Frage kann man sich offenbar Zweifel nicht leisten. Nicht einmal in der bedeutungslosen Frage, ob der Gläubige Götzenopferfleisch essen dürfe, oder nicht. „Wer zweifelt, begeht schon Sünde“ (Röm 14,23). Wer trotz Zweifel handelt, geht zugrunde, gerät ins „Verderben“ (Röm 14,15+20). Da haben wir’s wieder: schwarz auf weiß.

Diese Drohungen, die die Gewissen vieler Gläubiger unsäglich belastet haben, nimmt Voss nicht wahr. Würde man diesbezügliche Notfallberichte lesen, könnte man sofort auf den Punkt kommen, aber er befasst sich in gewohnt geschwätziger Weise mit belanglosen Inhalten wie „Gitarre oder Orgel“ oder „Für Mann oder Frau getrennte Sitzplätze im  Gottesdienst“. Hut ab vor soviel Tiefgang!

Bei dem Begriff „Sünde“ fallen jedem eigentlich zuerst Verbote der Sexualethik ein. Und auch hier ist Markus Voss denkbar unehrlich. Als einziges Beispiel für ein verbindliches Verbot, das nicht in der Bibel direkt formuliert wurde,  nennt er die Pornografie. „Wer eine Frau begehrlich ansieht, hat schon in seinem Herzen die Ehe gebrochen“ (Matth 5,38). Viele häufiger als der Konsum von Pornografie ist jedoch bei Christen die sexuelle Selbstbefriedigung, die noch im Jahr 2020 als sündhafter „Ehebruch im Herzen“ auf der Webseite des mit der Freien Theologischen Hochschule  assoziierten Ethikinstitutes in Gießen kritisiert wurde.

Der bibeltreuen Theologie folgend – bleibt dann nur die Möglichkeit einer quasi „geschlechtslosen“ Existenz bzw. der Gläubige hat die Aussicht  sich mit seinem Gewissen an der Frage unablässig wund zu reiben, ob er nicht doch inzwischen ein notorischer Ehebrecher ist, der vielleicht die rote Linie eines tödlichen Zuviels an Sünde längst überschritten hat. Der Psychiater Tilman Moser beschrieb in seinem Büchlein „Gottesvergiftung“, wie er seine Heilsgewissheit und schlussendlich seinen Glauben durch diese Angst verlor. Es ist ein ganz dünnes Büchlein, das nach seiner Veröffentlichung in vielen Schulen im Religionsunterricht diskutiert wurde. Es hätte sicherlich auch noch Platz in der imposanten Bücherwand des Markus Voss gefunden, wenn man nicht – wie er es leider tut – sich überhaupt gegen die Not mit religiöser Erpressung taub und blind stellen würde.

Die Folgen eines Verzichts auf Masturbation können dramatisch sein! Wie viele junge Menschen hat der unbewältigte Triebstau zu einer verfrühten und voreilig geschlossenen Ehe verführt! Eine absolute Katastrophe! Stellt man bald fest, dass man überhaupt nicht zusammenpasst, und dass das Zusammenleben unerträglich wird, dann ist mit Intimität und Sexualität häufig auch Schluss. Dennoch gibt es nach dem Wortlaut der Bibel keine zweite Chance. Wer seinen Partner verlässt, ist verpflichtet fortan ehelos zu bleiben (1Kor 7,10-11). Wehe ihm, wenn er dann jemand trifft, der gut zu ihm passt! Eine Wiederheirat gilt als „Ehebruch“ (Mt 19,9). Und wenn er sich nicht wieder von dem neuen Partner scheiden lässt, betreibt er den Ehebruch als Gewohnheitssünde.

Diese Nöte müsste man ansprechen, wenn man sich ehrlich und seriös mit dem Thema der religiöser Erpressung sowie mit der Gefährdung der Heilsgewissheit befassen möchte.

Was christlich verantwortbare Sexualethik betrifft, verweise ich auf meinen ausführlichen Beitrag dazu.

Ich schließe mit einem tröstlichen Ausblick. Lasst euch durch den Ausspruch „Wer seine Sünde bekennt und lässt…“ nicht allzu sehr erschrecken. Der fromme Salomo, der das aufschreiben ließ, begann seine Regierungszeit mit einem Auftragsmord an einem Mann, dem Vergebung zugesichert worden war (2Sam 19,22 – 24 / 1Kö 2,8 – 9) und er beendete seine Regierungszeit mit dem Bau von Götzentempeln in der heiligen Stadt Jerusalem (1Kön 11). Zu seinen Lebzeiten wurde er dafür nicht bestraft, obwohl Jahrhunderte zuvor die Angst vor Verführung zum Götzendienst als Grund genügte, massenweise Kinder und Babys abzuschlachten (4Mose 31, 14-18).

Würde Markus Voss die Bibel, die zweifellos in seiner Bücherwand zu finden ist, ordentlich und gründlich lesen und vielleicht auch einmal ein bisschen über das Gelesene nachdenken, würde er vielleicht eines Tages vernünftige und heilsame Schlüsse daraus ziehen. Wir wollen es ihm wünschen.

[ENDE]


 

[1] youtube.com/watch?v=zT4oqLQE8fo&t=688s

 

Artikel aktualisiert am 09.02.2025

1 thoughts on “Voss dilettiert über „Gesetzlichkeit“”

  1. Ich erkenne mich wieder….ich war ein Bündel Angst…mein (Prediger) Großvater sagte mir im zarten Grundschulalter, dass der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert sei..ich verstand es so, dass es wohl kaum einer schaffen wird, da man ja sich sogar“ „anstrengen “ und es gut meinen kann – und es vermasseln kann. Das Damoklesschwert schwebt ständig über einem… eine sehr gefährliche und traumatisierende Welt… Folge waren Ängste und Konzentrationsschwierigkeiten (wenn man sich ständig als Kind um alle mögliche Menschen Sorgen macht, die in der ewigen Hölle brennen) wenn ich dann höre, wie Voss und Co über Dekonstruktion reden, läuft mir die Galle fast über, schon manche Evangelikale habe ich schon mehrmals in dem Kommentaren zu ihren Videos aufgefordert, doch mal die Geschichte der Menschen wahrzunehmen, die dekonstruieren mussten, um so ihre „psychische Gesundheit “ zu retten, und mal mit ihnen, als nur über sie zu reden…. Bisher bemühte man sich wenig, meine und andere Geschichte an zu hören.

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