Ohne Niveau

Lieber E.
heute hat mir der Herr Pastor telefonisch seine „Antwort“ auf den Brief mitgeteilt. Ich teile dir hier den Inhalt mit, und bitte dich sie an ihn weiterzugeben, da ein faires Gespräch mit ihm unmöglich ist. Er ließ mich nicht eine Sekunde zu Wort kommen. Der Herr Pastor kennt nur eins: Schallplatte ein – Schallplatte aus.

Ich kann mich ganz kurz fassen. Er hielt es nicht für nötig, auf irgendeines meiner Argumente inhaltlich einzugehen. Ich denke, er hat sie sich nicht einmal angesehen. In etwa sagte er folgendes: er habe 7 Jahre studiert und sei ein großer studierter Fachmann, der genau Bescheid wisse. Dann nannte er noch den Namen eines anderen Theologen, den ich leider auch auf Nachfrage akustisch nicht mitbekam, da er sehr schnell sprach. Dieser wäre ein noch größerer Zampano als er und der gleichen Meinung.

Dann sage er, dass das Leid einzelner Christen, die die Angst haben, sie hätten die unvergebbare Sünde begangen, kein Grund sei, den Kanon anzutasten. Schön, dass es einmal so offen ausgesprochen wird! Der evangelikale Mainstream ist entschlossen einzelne Menschen zugrunde gehen zu lassen, einer grauenhaften Angst zu opfern, damit er etliche seiner Glaubensillusionen beibehalten kann! Er hielt es auch für überflüssig, eine alternative Hilfe für diese Gläubigen anzubieten, nachdem festgestellt wurde, dass seine tröstliche Standardphrase dem Hebräerbrief widerspricht und deshalb nicht das geringste taugt. Es kam nichts. War ihm ja auch nicht wichtig. Man kann sehr gut auch mit nichts zufrieden sein. Hauptsache er ist nicht selber davon betroffen!

Meine Frage an dich, habt ihr, die Mitglieder des Vorstandes meinen Brief überhaupt zu lesen bekommen? Fühlt ihr euch durch diese überhebliche und dilettantische Antwort angemessen vertreten? Soll man sich in Zukunft damit zufriedengeben, dass es für etliche Verzweifelte gar keinen Ausweg ist? Ist das auch deine Einstellung?  Gibt es irgendjemand in eurem Vorstand, der sich angesichts der großen seelischen Not sich die Mühe gemacht, die Argumente nachzuprüfen?

Abschließend beschimpfte er mich, wer den Kanon antaste, sei ein Irrlehrer. (Das wäre nach seinen „reformatorischen“ Kriterien dann wohl der Martin Luther auch, dessen Warnung ich ja nur wiederhole)

Ich bin Gott dankbar, dass ich schon nach 1 Jahr theologischem Studium erkennen durfte, dass die, die sich dort für erleuchtete Bibellehrer halten, zum wichtigsten Thema (Heilsgewissheit) nichts Überzeugendes zu sagen haben. Nichts! Bei dem Herr Pastor werden auch 40 Jahre Studium dazu nicht ausreichen. Das theologische Jodeldiplom, das er wichtigtuerisch herumschwenkt, lässt vermuten, dass er brav linientreue Bücher auswendig gelernt hat. Ein akademisch gebildeter Mensch ist er nicht. Denn dieser wüsste, dass man sich erst die Argumente ansehen und diese bewerten müsste, bevor man sich in eine Gegenposition begibt. Das wusste sogar schon der alte Salomo: „Wer antwortet, bevor er zugehört hat, zeigt seine Dummheit und macht sich lächerlich.“ (Spr 18,13)

Der Eindruck, den der Herr Pastor bei mir hinterlassen hat, ist ein ähnlicher wie vor vielen Jahren ein besonders „vollmächtiger“ Prediger in Blekendorf, an den du dich eigentlich auch erinnern solltest: selbstgerecht, herrschsüchtig, unfair bevormundend, völlig unfähig zur Selbstreflexion. Ein undiszipliniertes Ego! Wo ist da eine Prägung durch den Heiligen Geist zu sehen? Er beschimpft mich als Feind des Glaubens – bloß weil ich nicht bereit bin, mühsam erarbeitete Erkenntnisse über eine Schadensursache verschwinden zu lassen. Anstatt sich zu freuen, dass man nun Gläubigen wirklich helfen kann, für die bisher keine Hoffnung bestand. Wenn das Christsein ist, will ich kein Christ sein!

 

Artikel aktualisiert am 31.07.2022

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