Spezielle Stile der Bibel

Die Bibel verwendet spezielle Darstellungsstile, die z.T. in unserem kulturellen Kontext unbekannt sind und deshalb nicht selten zu gravierenden Missverständnissen bei der Interpretation führen. Daneben gibt es auch zu heute üblichen Interpretationsregeln weitere wichtige Ausnahmen.

Insbesondere sind folgende Stile von Bedeutung:

der Finale Lehrsatz-Stil
der Fokussierungs-Stil
der Pauschal-Stil
der Perspektiv-Stil
der Vorschattungs-Stil

Ausnahme ist der No-Comment-Stil, der unserer Kultur nicht fremd ist.

 

Finaler Lehrsatzstil

Aussagen im finalen Lehrsatzstil sind Aussagen der Bibel, die in größter Nähe zu den Maßstäben Jesu stehen und daher größte Überzeugungskraft haben. Sie sind das eigentliche Fundament des Glaubens. Sie skizzieren einen widerspruchsfreien, einfachen und ermutigenden Weg zur Erlösung des Menschen aus seiner Heillosigkeit und Gottlosigkeit. Sie sind für das PRAKTISCHE Glaubensleben von so fundamentaler Bedeutung, dass ohne sie Christsein nicht möglich ist. Sie sind in der Regel so optimiert und vollkommen, dass  Form und Inhalt nicht mehr wesentlich verbessert werden kann, z.B.: „Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!“ („Luk 6,31). „Das Gesetz ist durch Mose gegeben, aber die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus gekommen.“ (Joh 1,17) „Gott ist Liebe. Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1.Joh 4,16) usw.

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Fokussierungsstil

Es ist bekannt, dass biblische Textstellen mehrere Aufgaben zugleich erfüllen können. Je nach Aufgabe können dabei einzelne Textteile „abgeschaltet“, d.h. funktionslos werden (schöpfungsgemäßes Inspirationsmodell) Der Sinn ergibt sich dann nicht mehr zwingend aus dem Zusammenhang. Beispiel: Die Jünger erkennen Ps 69,9 („Denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen…„) als Prophetie auf Jesus. (Joh 2,17). Der ganze Psalm ist ein Hinweis auf den bitteren Leidensweg Jesu, der bald auf seinen triumphalen Einzug in Jerusalem folgen wird. Auch dass man ihn am Kreuz mit Essig tränken wird (Mt 27,34), ist hier prophezeit (Ps 69,21). Vers 4 passt nicht so gut: „Gott, du weißt meine Torheit, und meine Schuld ist dir nicht verborgen.“ Jesus hat in seinem ganzen Leben nicht töricht gehandelt. Allerdings „wurde er für uns zur Sünde gemacht“ (2.Kor 5,21) und hat auch damit die ganze Torheit des Menschen mit ans Kreuz genommen und dort gesühnt. Ab Vers 22 aber wird dieser Zusammenhang mit Jesus wieder aufgelöst: der Psalmist fängt an, seine Feinde zu verfluchen und ihnen zu wünschen, dass ihnen nicht vergeben wird (Verse 27 + 28). Jesus aber hat am Kreuz ausdrücklich um Vergebung für seine Feinde gebeten (Lk 23,34), so wie er es auch von seinen Jüngern erwartete: „Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.“ (Mt 5,44) Das wäre wahrlich eine unübertroffen starke Prophetie gewesen, auch diese Worte Jesu hier im alttestamentlichen Kontext zu finden! Doch ab Vers 22 spricht König David wieder ganz für sich selbst.

Eine Variante des Fokussierungsstils ist der biblische Pauschalstil.

Eine weitere Variante ist der biblische Erweiterungsstil. Aussagen in diesem Stil müsste man eigentlich die Worte voranstellen: „Andererseits wäre zu bedenken…“ Schrieb Paulus: „der Gläubige wird gerettet durch Glauben aus Gnade, nicht aufgrund von Werken, sodass sich niemand rühmen kann…“ (1.Eph 1 8-9) so sah Jakobus Gläubige vor sich, die darin die Erlaubnis zu hemmungslosem Egoismus sahen und ergänzte: „der Glaube ohne Werke ist tot.“ (Jak 2,26) Der Gläubige darf sich voll und ganz darauf verlassen, dass er sich das Heil nicht durch Werke verdienen muss. Paulus geht auf die Möglichkeit des Missbrauchs seiner Information nicht ein. Dieser Hinweis erfolgt durch Jakobus – ebenfalls durch eine fokussierende Aussage.

Der Erzähler hat die Freiheit, eine bestimmte Szene hervorzuheben. So berichtet Mk 15,32 , dass  Jesus anfangs von allen geschmäht wurde, sogar von den beiden mitgekreuzigten Verbrechern. Luk 23,43 berichtet dagegen, das einer der Mitgekreuzigten anderen Sinnes wurde und von Jesus die Verheißung empfing: „Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein.

Von einander abweichende Berichte bezüglich des Hähnekrähens nach der Verleugnung des Petrus (Mt 26,74-75 / Mk 14,72) oder der Anzahl der Frauen, die nach der Auferstehung zum Grab kamen (Mt 28:1 / Joh 20,1) und viele andere Beispiele dieser Art lassen sich mit unterschiedlicher Präzision der Berichterstattung begründen.

Lassen sich die Differenzen in den Aussendungsbefehlen für die zwölf Jünger überzeugend erklären? Nach Matthäus sollten sie nicht zwei Hemden und keine Schuhe und keinen Stab mitnehmen (Mt 10,10) Nach Markus sollten sie keine zwei Hemden mitnehmen, durften aber Schuhe anziehen und einen Stab mitnehmen. (Mk 6,9). Auch Lukas berichtet von einem Verbot der Schuhe. (Luk 22,35) Dächsel versucht das Verbot der Schuhe zu erklären, indem er es als Verbot von Ersatzschuhen interpretiert. [Anmerkung zu Mk 6.9] Doch dieser Gedanke lässt sich auf den Stab schwerlich anwenden: einen „Ersatz-Stab“ mit sich herumzuschleppen, wäre äußerst unpraktisch und hinderlich. Ist es plausibel, wenn wir annehmen, dass der Sinn der Anweisungen irgendwie teilweise verloren gegangen ist? Wer beauftragt wird, eine Stadt nach der anderen zu Fuß aufzusuchen, um dort zu evangelisieren, muss lange Fusswege zurücklegen, und hier sind Schuhe und Stab nützliche Hilfsmittel. Anders bei dem Verbot der Tasche, des Geldbeutels, der Reservetextilien: es gehörte zum Auftrag, keine Vorsorge zu treffen, sondern ganz der Führung Gottes zu vertrauen. „Habt ihr je Mangel gehabt?“ (Luk 22,35) Die Jünger erlebten während ihres Predigt- und Heilungsdienstes ihrerseits ein Versorgungswunder.  Stab und Schuhe gehören eigentlich in eine andere Kategorie. Deshalb haben die Erklärungsversuche von Dächsel  nicht die Überzeugungskraft, die wir uns wünschen. Fakt ist: die Gewissheit und Glaubwürdigkeit wird durch fragwürdige Erklärungen nicht verbessert. Die Vertreter eines buchstabenhörigen Bibelverständnisses, werden dennoch eisern daran festhalten, da ihr „Glaube“ mit der Fehlerlosigkeit aller Bibeltexte steht und fällt. Wir können aber auch zu einer entkrampften, unvoreingenommenen und objektiveren Sicht der Fakten gelangen – auf der Basis eines prioritätenorientierten Bibelverständnisses. Hier haben wir die Freiheit, anzunehmen, dass wir hier die typischen Abweichungen in den Aussagen von Zeugen vor uns haben, die Gegenstände betreffen, die für nebensächlich gehalten wurden.

 

Pauschalstil

Die Bibel macht manchmal eine umfassende Feststellung, ohne explizit zu erwähnen, dass es auch eine Ausnahme zu dieser Feststellung gibt, die im betreffenden Zusammenhang als nebensächlich angesehen wird. Das ist der biblische “Pauschal-Stil”.

Beispiele: „Der geistliche Mensch beurteilt ALLES“ (1.Kor 2,15). Ausnahmslos? Nein, denn Paulus nennt Gottes Plan mit Israel „unerforschlich“ (Rö 11,33) „NIEMAND kann Jesus den Herrn nennen, es sei denn durch den heiligen Geist“ (1.Kor 12,3). Wirklich niemand? „Es werden nicht alle, die Herr, Herr zu mir sagen, ins Himmelreich kommen“ (Mt 7,21). Von den Schriftgelehrten sagte Jesus: „ALLES nun, was sie euch sagen, dass ihr halten sollt, das haltet auch.“ (Mt 23,3) Die Pharisäer verlangten, sich die Hände zu waschen, und hielten sich auch selbst an das Gebot. (Mt 23,25) Jesus und seine Jünger hingegen hielten sich nicht daran. (Mt 15,2) Jesus sagte über ganz Jerusalem: „Deine Feinde (werden) … dich belagern und … und werden dich dem Erdboden gleichmachen … und KEINEN STEIN auf dem andern lassen in dir, weil du nicht erkannt hast, dass Gott dich in dieser Zeit besucht hat.“ (Lk 19,43-44). Keinen Stein? Eine ganze Mauer – die Klagemauer – blieb erhalten und dient bis zum heutigen Tag als beeindruckendes Denkmal. „Die Schrift kann nicht gebrochen werden“ (Joh 10,35) Kann sie nicht? „Gebrochen“ im Sinn von „aufgehoben“, „für ungültig erklärt“ ist durchaus möglich. „Und es geschah eine Stimme zu ihm: Steh auf, Petrus, schlachte und iss! Petrus aber sprach: O nein, Herr; denn ich habe noch nie etwas Gemeines und Unreines gegessen. Und die Stimme sprach zum zweiten Mal zu ihm: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein.“ (Apg 10,1-15)

Die mosaischen Gottesdienstordnungen sollten für “EWIGE” (!) Zeiten gelten: ewiges Brennen des goldenen Leuchters (2 Mo 27,21), des Altarfeuers (3.Mo 6, 6), ewiges Priestertum Aarons (2 Mo 29,9), ewige Sabbatordnung (2 Mo 31,16). Wirklich ewig? Die Urgemeinde in Jerusalem hob diese Ordnungen in der Autorität des Heiligen Geistes auf – und ließ nur vier Ausnahmen bestehen. (Apg 15, 28 -29) Nach dem Hebräerbrief sind diese Ordnungen nur symbolische Hinweise auf die Heilsereignisse des Neuen Bundes und können, nachdem diese Ereignisse eingetreten sind, fortfallen (Hebr 8, 5 +7 / 10,1 + 18). Die geistliche Aussage dieser alttestamentlichen Gebote geht also nicht verloren, auch wenn sie selbst nicht mehr eingehalten werden müssen.

Der Pauschalstil ist der kürzeste Gegenbeweis für die Behauptung, dass die wortwörtliche Auslegung eine Ausnahme mit Sicherheit ausschließt.

Wenn Jesus nun seine Jünger schalt, „weil ihr Herz zu träge war, ALLES zu glauben, was die Propheten gesagt haben“ (Luk 24,25) so taugt auch hier das Wort „ALLES“ ebensowenig als Synonym für ausnahmslose für „100 %“. Es ist kein Beweis, dass Jesus sich ausnahmslos hinter 100% der biblischen Aussagen gestellt hat, wie es die Vertreter der Chicago-Erklärung gerne behaupten. Das ist nachweislich falsch, denn Jesus hat sich genauso wie Maleachi (Mal 2,13-16) von der mosaischen Scheidungsgesetzgebung distanziert (Mt 19,3-9).

Brauchbarer ist die Anahme, dass das Wort „ALLES“ an dieser Stelle ein Synonym für „BEIDES“ ist („ignoriere nicht die andere Seite der Medaille“): Denn die Propheten kündigten beides an, nicht nur den Triumph sondern auch das Leiden des Messias. Die Jünger hatten an das Leiden nicht glauben wollen (Luk 18,34), den Triumph dagegen sehnlich erwartet.

Der Pauschalstil ist eine Variante des biblischen Fokussierungsstils.

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Perspektiv-Stil

Der Perspektiv-Stil gibt einer Aussage hohe Bedeutung, indem sie unrealistisch auf zu viele oder zu wenige der denkbaren Adressaten bezogen wird. Es ist eine Form der Betonung. Die quantitative Deutung führt zu einem Missverständnis.

Positives Beispiel: „Wisset ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden ?“ (1.Kor 6,2) Paulus gesteht das Richteramt mit einem „wir“ großzügig allen Gläubigen zu. De facto werden es aber nur herausragende Gläubige sein können. Jesus wird niemand über den Splitter im Auge des anderen richten lassen, der selber einen Balken im Auge hat. (Mt 7,3) Paulus würde gerne alle seine Mitchristen zu dieser Würde erhoben sehen, deshalb muss er sie allen als erreichbar vorstellen.

Entsprechend kann nicht nur ein Wunsch, sondern auch eine Befürchtung im Perspektiv-Stil präsentiert werden. “Alle, die ein christliches Leben führen wollen, werden Verfolgung ertragen müssen.“ (2.Tim 3,12)  Alle? Wenn Christen die Orte meiden, wo sie verfolgt werden würden, so ist das legitim. „Betet für die Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in Frömmigkeit und Ehrbarkeit.“ (1.Tim 2,1-2)

Desgleichen wird der Perspektivstil auch hier verwendet: „…der Weg ist schmal, der zum Leben führt und nur wenige sind es, die ihn finden.“ (Mt 7,14) Diese Formulierung spornt den Hörer an, sich für den Weg mit Jesus zu entscheiden, selbst wenn niemand neben ihm es tut. Gottes Ruf ergeht immer an den Einzelnen. Daraus sollte man nicht voreilig schließen, dass die Mehrzahl der Menschen dem Verderben geweiht ist. („Rabenschwarze Aussichten ?„)

Ähnliches auch in  Jes. 43, 3-4: „Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld, Kusch und Seba an deiner statt. 4 Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe, gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.“ Hier wird die herzliche Liebe Gottes so betont, als ob sie sich ganz auf sein erwähltes Volk konzentrieren würde, als ob keine Liebe mehr für andere Völker „übrig“ wäre. Dennoch ist dies nicht in chauvinistischem Sinn wörtlich zu nehmen. Denn andernorts heißt es: „Seid ihr Israeliten mir nicht gleichwie die Kuschiter?, spricht der HERR. Habe ich nicht Israel aus Ägyptenland geführt und die Philister aus Kaftor und die Aramäer aus Kir?  Siehe, die Augen Gottes des HERRN sehen auf das sündige Königreich, dass ich’s vom Erdboden vertilge, wiewohl ich das Haus Jakob nicht ganz vertilgen will, spricht der HERR“ (Amos 9,7-8).

Der Perspektiv-Stil wird bei geografischen Angaben verwendet. Die Apostelgeschichte nennt als Ort der Himmelfahrt den Ölberg (Apg 1,12), das Evangelium des Lukas dagegen das Gebiet von Bethanien (Luk 24,50). Beide Texte haben denselben Verfasser. Das Evangelium nennt Bethanien als Ort der Himmelfahrt, weil Jesus sich hier am liebsten aufhielt, und knüpft damit an das frühere Leben Jesu an. Die Apostelgeschichte ist ganz in die Zukunft gerichtet und nennt den Ölberg als Ort der zeitweiligen Entfernung der göttlichen Herrlichkeit von Jerusalem (Hes 11,23) und als Schauplatz der zukünftigen Entscheidungsschlacht (Sach 14,4). [vgl Anm. zu Luk 24,50 im Bibelwerk von August Dächsel]

Der Perspektiv-Stil wird auch bei zeitlichen Angaben verwendet: „Es ist dem Menschen ein Tag bestimmt, an dem er sterben muss – dann aber kommt das Gericht!“ (Hebr 9,27) Viele Gläubige schließen daraus, dass jeder Mensch, der sich zu Lebzeiten nicht für die Wahrheit und Liebe Jesu entschieden hat, nach seinem Tod rettungslos der Hölle verfallen ist. Ein fataler Fehlschluss!

Die Bibel sagt andernorts anderes: „Jesus hat als der Gerechte für die Ungerechten gelitten, um uns zu Gott zu bringen. Seinen Leib hat man getötet, sein Geist aber ließ ihn wieder lebendig werden. In der Kraft dieses Geistes ist er zu den Menschen gegangen, die (im Totenreich) eingeschlossen waren und hat ihnen die frohe Botschaft verkündet, (auch) denen, die vor langer Zeit gelebt und der Warnung nicht geglaubt haben, als Noah seine Arche baute und Gott geduldig mit der Strafe wartete.“ (1.Pet 3,18)

Im Totenreich wird also die frohe Botschaft verkündet. Auch im Totenreich lernen Menschen Jesus kennen, die ihn vorher nicht gekannt haben. Bis heute ist ein großer Teil der Weltbevölkerung in einer ähnlichen Lage. Man kennt Jesus nicht. Viele sind auch nur schlecht informiert. Viele haben nur ein sehr negatives Bild von Jesus gewonnen, das fragwürdiger Theologie zu verdanken ist. Auch diesen Menschen wird Jesus nach dem Tod noch einmal begegnen, so dass sie ihn persönlich kennenlernen können – als Freund, Tröster und Anwalt.  Jeder einzelne Mensch ist Gott wichtig. Auf jeden Menschen achtet Gott, selbst wenn er noch gar nicht geboren ist. (Ps 139) „Jesus …sah die große Volksmenge; und er fühlte tiefes Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie die Schafe, die keinen Hirten haben…“ (Mk 6,34)

Dennoch fordert die Bibel auf, zu bedenken, dass dem Menschen eine Frist auf Erden bestimmt ist. Wenn das Leben nicht eines Tages sinnlos vergeudet sein soll, sollte er sich noch heute der Leitung Jesu unterstellen.

Ein weiteres Beispiel für einen zeitbezogenen Perspektiv-Stil: Das Sprachenwunder, von dem die Apostelgeschichte berichtet, wird als Erfüllung der Prophezeiung des Joel betrachtet: „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch…“ (Apg 2,16-17) „Letzte Tage“ meint entgegen dem Wortlaut nicht das Weltende, sondern focussiert den „heilsgeschichtlichen Kulminationspunkt“, den Beginn des neuen Bundes auf der Grundlage des „ein für allemal gültigen“ (Hebr 9,26-28 / 10,12+14) Sühnopfers Jesu.

Der Hebräerbrief focussiert als Kulminationspunkt das Ende des irdischen Lebens und den Beginn der Ewigkeit. „Es ist dem Menschen bestimmt zu sterben, danach kommt das Gericht“ (Hebr 9,27). „So gewiss wie Christus wurde ein für allemal geopfert wurde, um die Sünden vieler Menschen wegzunehmen, so gewiss wird er ohne Bezug zur Sünde erscheinen denen, die ihn und sein Heil erwarten.“ (V.28)

Die Nichtbeachtung des Perspektiv-Stils führt zu äußerst destruktiven Fehlschlüssen hinsichtlich des Themas „Hölle„!

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Der Vorschattungs-Stil

Texte sowie Aussagen im Vorschattungsstil bereiten die Gläubigen auf ein wichtiges heilsgeschichtliches Ereignis vor, das viel später eintreffen wird. Um Fehlschlüsse bei der Interpretation zu vermeiden, sollte man beachten, dass es sich um einmalige, einzigartige Ereignisse handelt.

Seit Urzeiten haben Menschen der Gottheit Tieropfer oder gar Menschenopfer dargebracht, um durch die Hingabe des Kostbarsten, des Lebens, bei ihr Aufmerksamkeit und Gehör zu finden. Wenn Not und Verzweiflung überaus groß waren, war man bereit alles zu tun, um einen vermeintlich gleichgültigen Gott zur Hilfe zu bewegen.   So opferte z.B. der König der Moabiter seinen erstgeborenen Sohn, den Thronfolger, in äußerster Bedrängnis auf der Stadtmauer. (2.Kö 3,27).

Gott knüpfte an diese Vorstellungen an, als er Abraham befahl, ihm den Sohn, auf dessen Geburt er Jahrzehnte gewartet hatte, als Brandopfer darzubringen. Abraham gehorchte dem Befehl, suchte zusammen mit seinem Sohn eine Opferstätte auf, und legte ihn dort gefesselt auf den Altar. Als er mit dem Messer zustoßen wollte, hielt ihn Gott selbst davon ab und zeigte ihm einen Widder in der Nähe, den er statt seines Sohnes opfern konnte. (Gen 22)

Diese Geschichte half den Gläubigen bereits am Anfang der Glaubensgeschichte, sich von der damals üblichen Praxis des Menschenopfers zu distanzieren. Sie  konnte Menschen in diesem kulturellen Kontext in einer überzeugenden Weise die gute Nachricht übermitteln, dass Gott überhaupt keinen Wert auf Menschenopfer legt. Sie ist deshalb gerade das Gegenteil der Darstellung eines blutrünstigen Gottes.

Ähnlich ist der Opfertod Jesu zu sehen. Jesus ist nicht gestorben, „weil Gott so viel Wert auf Menschenopfer legt“. Jesus ist gestorben, weil Menschen erbarmungslos mit ihm waren und ihn zum Schweigen bringen wollten. Jesus hätte aufgrund seiner Lehren und seiner Kritik am frommen Establishment, die dessen bisher unangefochtene Autorität nachhaltig ruinierte, ohnehin nicht lange gelebt. Die Tatsache aber, dass er keine einzige Sünde begangen hatte (Joh 8:46), schuf die Möglichkeit, dass seine Hinrichtung stellvertretend erlitten wurde. Gott erkannte diesen Tod an, damit alle, die ihr Vertrauen auf Jesus setzten, hinfort frei von der Furcht vor Strafe leben konnten. (Hebr 2:15) Nicht einmal Mörder, die nach dem Gesetz die Todesstrafe verdient hatten (Lev 24,17), mussten im Fall ehrlicher Reue noch irgendeine Form göttlicher Rache oder Bestrafung fürchten.  

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No-Comment-Stil

Mit „No-Comment“ („Kein Kommentar“) untertiteln Nachrichtensender Filmaufnahmen von oft schockierenden Ereignissen (z.B. in Krisengebieten), die ohne nachträgliche Kommentierung gesendet werden. Es werden nur die Geräusche vor Ort aufgezeichnet. Dieser Filmstil verschafft dem Zuschauer den Eindruck, er befinde sich als Augenzeuge mitten in dem Geschehen. Der Zuschauer wird angeregt, sich selbst ein Bild zu machen, quasi den Kommentar und die Bewertung selbst beizusteuern.

Eben das ist offensichtlich die Funktion mancher Berichte in der Bibel, denen der Gläubige keine ethische Leitfunktion guten Gewissens zubilligen kann. Der Gläubige ist hier vielmehr aufgerufen, sich durch praktische Anwendung der Qualitätsmaßstäbe Jesu selbst ein Urteil zu bilden und sein Urteilsvermögen zu trainieren.

Aus der Tatsache, dass es Paulus im Brief an die Korinther wichtig war (1.Kor 7,10+12), zwischen ausdrücklicher Weisung Jesu und eigener Meinung zu unterscheiden, ergibt sich nicht zwingend die Pflicht aller anderen biblischen Autoren, Texte im „No-Comment-Stil“ explizit als solche zu markieren. Völlig klar ist, dass Texte dieser Art keine ethische Orientierung liefern.

Werden sie als solche missverstanden, so werden die Qualitätsstandards Jesu, die doch höchste Priorität haben sollen, aufgeweicht. Dies zu tun, hieße Mücken zu sieben und Kamele zu verschlucken. (Mt 23,24) Kein Gläubiger ist verpflichtet, Schriftgelehrten, die dieses tun, zu folgen.

Typische Texte im No-Comment-Stil sind z.B. die Geschichte von Simei, der Bericht über Jephtahs Gelübde, das Hohelied sowie der Bericht über die Rache der Gibeoniter.

 

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Artikel aktualisiert am 17.11.2024

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