Gottes Wort fĂŒr jeden Tag

(
 in Bearbeitung 
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Aus dem Andachtsbuch von Pastor Samuel Keller (1856 – 1924)

1. September.

Luk 8, 5: . . . und indem er sĂ€ete, fiel etliches an den Weg und ward zertreten und die Vögel unter dem Himmel fraßen es auf.

Damit sie keine Entschuldigung haben, als sei ihnen die Pforte nicht aufgetan, wird auch den hartgetretenen Wegherzen noch ein Mal das Wort an die Seele gebracht, daß sie drĂŒber stutzig werden mĂŒssen. Noch ein Mal neigt sich der offene Himmel ihnen zu, — aus alter Zeit weht ein schier vergessener Ton herĂŒber und das Herz spĂŒrt das Wehen des werbenden Geistes Gottes. Aber die FĂŒĂŸe der Laster und SĂŒndengewohnheiten treten wieder hart und schwer auf die zarten Regungen und der Wille ist nicht stark genug den Kampf  aufzunehmen. Dazu kommen dann noch die losen Vögel, die alten Kameraden, die ihr Lebtag unter dem Himmel bleiben und weder selbst hineinkommen, noch andere hineinlassen möchten, und picken mit frechem Spotten und Lachen wieder alles weg, was noch keimkrĂ€ftig war liegen geblieben. Die Ewigkeit wird es einst offenbar machen, was dieses Weltlachen eine mörderische Waffe in Satans Hand gewesen ist und wieviel Aussichten und Aussaaten des Himmelreichs es zerstört hat. Es muß Ärgernis kommen, hat der Herr gesagt, aber wehe dem, durch den es kommt, der durch sein Höhnen und Spotten den guten Samen des Wortes Gottes verdirbt und zertritt! Was wird sein Los und Lohn sein in der Ewigkeit? Wir aber wollen beten, daß der Herr uns bewahre, damit wir nie und durch nichts einen Keim fĂŒr`s Himmelreich verderben!

Ja, wir bitten dich, Herr Jesu, nimm uns in solche freundliche, treuliche Leitung und Pflege, daß wir allezeit bereit seien, dein Licht leuchten zu lassen und keiner erwachenden Seele durch unser Wort und Wandel schaden! Herr, erlöse uns von Blutschulden! Amen.

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2. September.

Luk 7,40: Jesus sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen.

Wir sprechen viel, auch ohne daß wir etwas Wirkliches, Wertvolles zu sagen haben; wenn aber Jesus sich so zu einem Menschen naht, dann ist’s Ernst. Achtest du beim Hören des Wortes Gottes, beim Bibellesen oder Beten auf diese geheime Anregung des Geistes: »Ich habe dir etwas zu sagen« — dann wird auch etwas dabei herauskommen, dann wirst du auch etwas erleben. Gewöhnlich wird unser Gewissen darauf achten mĂŒssen, ja es wird das Ohr sein, die StĂ€tte, wo der Herr etwas klar macht und wohl dem Menschen, der ZugĂ€nge in seinem Herzen hat fĂŒr des Herrn Winke. Da werden wir gestraft oder getröstet, aufmerksam gemacht auf Fehler und SchwĂ€chen, die wir viel gleichgĂŒltiger mitschleppten, als den Staub der Straße, oder wir werden auf WĂŒnsche unseres erhöhten Herrn hingewiesen, die nicht lĂ€nger unbeachtet bleiben dĂŒrfen, wenn nicht wir selbst oder seine Sache in Andern Schaden leiden sollen. Wer solches heimliche Sagen ĂŒberhört oder gering achtet, hat sich manches Mal schon schwere ZĂŒchtigungen und harte SchlĂ€ge zugezogen. Wir hĂ€tten’s leichter, unseres Gottes Willen geschĂ€he schneller und besser und sein Wohlgefallen wĂŒrde wie Sonnenschein auf unserem Leben liegen, wenn wir schĂ€rfer drauf achten wollten, wenn Jesus zu uns spricht, es sei durch wen es wolle: Simon,  ich habe dir etwas zu sagen!

Rede, Herr, dein Knecht höret! Rede, damit ich weiß, was ich soll reden, damit ich recht beten kann! Rede, damit ich lerne zu reden, was dir gefĂ€llt! Herr, sage alles, was du mir zu sagen hast, damit ich hier gezĂŒchtigt und grĂŒndlich gereinigt werde!
Amen.

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3. September.

2. Korinther J, 8: Gott kann machen, daß allerlei Gnade unter euch reichlich sei. – wie er es macht, daß allerlei Gnade unter uns reichlich sei -— das ist seine Sache, aber er kann’s machen. Ob ein heimliches treueres Beten der Kinder Gottes einen offenbaren  Segen auf eine Gegend herabruft, ob die VerkĂŒndigung des Wortes in anderer Form als bisher auch andere FrĂŒchte erzielt, -— oder ob er uns durch TrĂŒbsal und DemĂŒtigung sichtet und sĂ„ubert, daß wir uns ihm völlizger und williger hingeben: immer ist er der Geber der mancherlei; Gnaden. Darum ist es falsch, wenn die GlĂ€ubigen sich an die Person eines Pastors oder sonst geistlichen FĂŒhrers hĂ€ngen, als könnten sie nur durch ihn in der Gnade gefördert werden. Dadurch schaden sie sich und ihm. Ebenso falsch ist es zu meinen, dieser oder jener VerkĂŒndiger des Wortes sei-zu unbegabt oder unangenehm, als daß Gott durch ihn seine Gnade vermehren könnte. Wenn Gott doch der Gebet ist, dann suchet sein Angesicht mit ganzem Ernst und mit Gehorsam gegen seine Winke; dann wird er euch durch jedes Buch oder BlĂ€ttlein, durch einen Bibelspruch, den ein Kind aufsagt, oder des Vögleins Lied im Gezweig segnen können; wie viel mehr durch einen Menschen, der selbst auf den Knieen die Gaben des Geistes sucht, damit er euch erbauen möchte! Was fĂŒr Riegel möchte man noch alle wegschieben, damit die Gnade reichlich unter uns wirken könne!

Von dir, Herr unser Gott, kommt alle gute und vollkommene Gabe; da bitten »wir, dich um die guten Gaben deiner Gnade fĂŒr uns, unser Haus, unsere Gemeinschaft, ja fĂŒr dein ganzes Haus auf Erden! Herr, gib uns Leben zum Leben, Gaben zum Geben, Liebe zum Lieben! Amen.

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4. September.

Phil 1,10: Daß ihr prĂŒfen möget, was das Beste sei. 

FĂŒr den Heiland ist das Beste, was wir wĂ€hlen, tun und leisten können, gerade gut genug. Es bleibt daran Immer so viel Unvollkommenheit, so viel Erdgeruch und Erdgeschmack, daß er den rechten Duft und den wahren Schimmer unserm wertlosen Getue erst hinzufĂŒgen muß, wenn die Sache so viel Wert bekommen soll, dass es im Schaufenster der Ewigkeit als eine Frucht des Christenlebens prangen soll. Wenn wir gleichgĂŒltig und nachlĂ€ssig, bei der PrĂŒfung sind, wenn wir so schnell befriedigt sind von dem geringsten Wert unserer Hingabe und Verleugnung, so wird nur minderwertige Ware auf.den Markt gebracht. Dadurch leidet Jesu Sache hier in der Welt. Dadurch wird Jesus aber auch in der unsichtbaren Welt bloßgestellt, daß seine Leute so jĂ€mmerliche Arbeit leisten und Satan kann spotten: Also so sehen die FrĂŒchte deiner Geretteten aus! Mehr hat all die Aufwendung deines Blutes und deines Geistes, die Verschwendung deines Segens an diese deine Leute nicht zu Wege bringen können? Aber wir selbst leiden dadurch am meisten. Denn die ZuflĂŒsse des Geistes, die Gaben an himmlischem Betriebskapital, ie Gebetserhörungen und Erlebnisse hören auf und man kann im Himmel nicht mehr mit uns rechnen. Ach, da wolle wir doch anfangen, gIeIch heute damit Ernst zu machen, mit Gebet zu forschen, was in jedem Fall fĂŒr unseres Königs Sache das Beste, GrĂ¶ĂŸte, Schönste sei!

Lieber Heiland, der du dich selbst ohne Fehl als den Besten geopfert hast, reiche auch uns dar die Erkenntnis deines Urteils, daß wir wissen, was du Von Fall zu Fall wĂ€hlen und tun wĂŒrdest! Herr, erbarme dich Unser! Amen.

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5. September.

Apostelgesch. 18, 9: . . FĂŒrchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht.

Offenbar hatte Paulus also vor dieser StĂ€rkung seines Glaubens in Korinth sowohl sich gefĂŒrchtet, als auch geschwiegen. Mag die Erfahrung kurz vorher in Athen, mag die lange Kette der KĂ€mpfe und Leiden, die sein mutiges Bekenntnis ihm stets gebracht, ihn mĂŒrbe und mĂŒde gemacht haben, — auf alle FĂ€lle sehen wir hier, daß der grĂ¶ĂŸte Christ, den wir kennen, auch mal sich fĂŒrchtet und auch mal aus Furcht schweigt. Die ZĂŒndschnur, damit er die gewaltigsten Sprengungen in der Geisteswelt zum Ausbruch brachte, glimmt nur noch matt in seiner Hand; soll dieses RĂŒstzeug schwach und stumpf werden? Wenn schwach werden, wenn eine Zeit tiefen Druckes, starrer Hemmung, echt menschlich ist, dann dĂŒrfen wir dergleichen auch an uns nicht beargwöhnen. Aber echt göttlich ist es, gerade nach solchen Zeiten der DĂŒrre, einen neuen gewaltigen Anfang mitten in der menschlichen Ohnmacht zu setzen, wie es hier in Korinth durch dieses Gesicht geschah. Denn kaum gibt Paulus diesem Befehl nach, da bricht in dieser Stadt ein Erntesegen hervor, der kaum seinesgleichen hat. Sollten wir uns nicht an solchem Beispiel aufrichten und trösten lassen, wenn unsere Freudigkeit, den Herrn zu bekennen, noch so arg gelitten hĂ€tte! Schweigen können wir auf die Dauer doch nicht von unserem Heiland, — wir können’s nicht lassen! — nun, dann ist genug getrauert! Jetzt nimm dich zusammen und steig’ in Kraft empor!

Jesus, du bist unser neuer Antrieb! Mach einen neuen Anfang in uns allen und fĂŒhre deine mĂŒden  Truppen mit neuer Begeisterung in die Schlacht, damit wir doch endlich  gewinnen und den Sieg behalten! Amen.

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6. September

Luk 8,6: Und etliches fiel auf den Fels und da es ausging, verdorrte es, darum, daß es nicht Saft hatte.

OberflĂ€chlich! Welch hartes Urteil ĂŒber eine irdische Arbeit, einen menschlichen Charakter; — wie schwer aber wiegt das Urteil erst, wenn der Herr es ĂŒber unser Glaubensleben fĂ€llen muß! Schnell gerĂŒhrt,  schnell verfĂŒhrt! Schnell entschlossen, schnell verdrossen! Hast du nicht Angst, daß du den Fels noch mit dir herumschleppst und daß all dein inneres Erleben schrecklich Ă€ußerlich, an der dĂŒnnen Kruste deines weichen GefĂŒhls sitzt, wĂ€hrend dein eigentliches Sehnen und Trachten, der Kern noch heute der undurchlĂ€ĂŸliche Fels der alten ungebrochenen Natur ist? Wer Grund hat, das zu fĂŒrchten, sollte sich von seinen augenblicklichen Stimmungen und GefĂŒhlen nicht mehr betrĂŒgen lassen; nein, der wende sich von seinem GefĂŒhl mit derselben Scheu ab, wie der Trinker, der gerettet werden will, sich vom gefĂ€hrlichen GetrĂ„nk abkehrt. Nur kein GefĂŒhlsrausch mehr, sondern bei allem in die Tiefe! Die Willensrichtung muss Jesu gehören,die HerzensĂŒbergabe muß zur zweiten Natur werden. An keinem Punkt darfst du ausbiegen, wenn das Gericht des Wortes dich unbarmherzig! (und doch voll der grĂ¶ĂŸten Barmherzigkeit, — der Barmherzigkeit mit der Seele!) bis in’s Mark treffen will und dir aufdeckt die verborgenen Falten deines ungöttlichen Sinnes. Fertig kann der Herr mit dem alten Felsen in deinem Herzen nur werden, wenn du selbst auch ihn los werden willst und gern Raum schaffst fĂŒr das Neue, was Jesus in dir zu Stande bringen will.

Darum bitten wir dich, du HerzenskĂŒndiger, erforsche unser Herz und verheimliche uns« nicht, was du dabei gesunden! Reinige uns von uns selbst und fĂŒlle uns die Seele mit deiner Liebe, deiner Art! Amen.

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7. September.

Phil. 2, 5: Ein jeglicher sei gesinnet, wie Jesus Christus auch war.

Das erste Echo, das diese Forderung in jedem ehrlichen Christenherzen wach ruft, muß wohl sein: Das ist unmöglich! Nie werde ich so demĂŒtig, so selbstlos, so gehorsam, so rein werden wie er! Bei Menschen ist es unmöglich, – bei Gott ist kein Ding unmöglich. Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. Mach dir erst klar, worauf diese Mahnung abzielt! Auf die Gesinnung, auf die Herzensrichtung. WĂ€re die Tat gemeint, die vollendete Handlung; dann wĂ€re jede weitere Erörterung ĂŒberflĂŒssig; denn so wir sagen, wir haben keine SĂŒnde, so verfĂŒhren wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns. Aber es ist die Richtung gemeint, die unsere Gedanken, unser Wille immer wieder einschlagen, jene demĂŒtige, selbstlose, sich aufopfernde, der Andern Seelen suchende Retterliebe. Sollte die neue Kreatur, die Art des Geistes Christi aus uns SelbstsĂŒchtigen (,,Sie suchen alle das Ihre!“) nicht solche Herzen machen können, deren brennendster Punkt diese Liebe ist? Ich meine die Geschichte des Christentums zeige uns solche Beispiele: Paulus und Johannes, Bernhard von Clairvaux und Franziskus von Assisi, Franke und Zinzendorf und viele, sehr viele weniger berĂŒhmte Namen unter Jesu Dienern. Doch es kommt darauf an, ob dein und mein Name sich auch auf dieser Liste befindet, die man im Himmel fĂŒhrt, und wo drĂŒber steht: ,,Helden der Retterliebel«

O Herr, wir demĂŒtigen uns in den Staub ĂŒber unsere Selbstsucht und Lauheit. Schaffe in uns ein neues Herz, das deinem Heilandsherzen Ă€hnlich werde! Wir sehnen uns in dein Bild verklĂ€rt zu werden! Amen.

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8. September.

Phil. 2,21: Denn sie suchen alle das Ihre, nicht das Christi Jesu ist.

Mit diesem harten Urteil hat Paulus zwischen den Wenigen ganz getreuen hingebungsvollen Arbeitern im Reich Gottes und der Mehrzahl der Andern eine tiefe Kluft gerissen. Also damals schon? Daß es heute so ist, daß weitaus die Meisten ihre Ehre, ihr Ansehen, ihren Vorteil oder das DurchdrĂŒcken ihrer  Persönlichkeit suchen, das wußten wir lange; denn wie oft ertappten wir uns selbst, daß, wir angesteckt waren von der Luft der 5elbstsucht um uns her, und wie schwer war es uns, den untersten Weg zu gehen und auf Anerkennung und Karriere zu verzichten! Sollte das nicht in den meisten FĂ€llen der Hauptgrund unseres Mißerfolges sein, wenn wir klagen: So wenig Frucht! Aber was fĂŒr ein Interesse könnte der Herr daran haben, uns zur MĂ€stung unserer Eigenliebe Segen und Geist von Oben zu schenken? Das wĂ€re ja gerade Gift fĂŒr unsere Seelen. Wie neidisch waren wir oft, wenn ein deutlicher Segen von einem Andern ausging, – wie lau war unsere Fiirbitte fĂŒr den Bruder: Herr, setze ihn zum Segen! Wirke durch ihn! wenn wir sie vergleichen mit der WĂ€rme, damit wir um Segen fĂŒr unsere Arbeit baten! Jedenfalls bleibt dieser Spruch fĂŒr jeden glĂ€ubigen Christen, der gern an Andern arbeiten will,. ein Buß- und Beichttext erster Ordnung und es wĂ€re gut, wenn wir uns hĂ€ufig in diesem Spiegel betrachteten. Heiland und Hoherpriester, du bist der Versöhner aller deiner Diener! EntsĂŒndige uns! Nimm uns das selbstsĂŒchtige, ehrsĂŒchtige Herz und mach uns liebend los von unserer Eigenliebe! Amen.

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9. September.

Phil. 2,27:. . . auf daß ich nicht eine Traurigkeit ĂŒber die andre hĂ€tte.

Das klingt auf den ersten Blick bei einem Manne .der Arbeit und des Segens, des Gebets und der Kraft, wie Paulus doch einer war, schier verblĂŒffend. Jst das nicht beinahe verzweifelt? Also fast nur ein Wechsel von Traurigkeiten. Ja, aber nur fast! Gerade, weil das so aussieht, hat er Tröstungen. Der Kranz ist aus Stachelzweigen gewunden, die sind immergrĂŒn Und dauern aus! Aber hin und her im Kranz folgt doch wieder als Abwechselung und Erfrischung eine Rose von Saron, oder ein Vergißmeinnicht der treuen Gotteshilfe, oder eine Lilie aus dem oberen Heiligtum! DafĂŒr sorgt schon der Herr, daß seine Leute. nicht eine Traurigkeit ĂŒber die andere haben! Er weiß, wie sehr sie Traurigkeit zu ihrem inneren Wachstum bedĂŒrfen und wie sehr sie in Folge der Traurigkeit schmachten nach hellen Lichtpunkten seiner beseligenden NĂ€he. Wann und wie die Sonne aus Wolken brechend ihr traurig Herz erfreuen soll, das hat er seiner Weisheit vorbehalten; bisweilen sind die dunkelgrĂŒnen ZwischenrĂ€ume lĂ€nger, bisweilen kĂŒrzer, – immer hat er Recht! Als die Traurigen, auf denen aller  Welt Weh lastet, und doch allezeit fröhlich, weil der Trost so nahe ist, daß man im Glauben ihn nehmen kann, sobald man ihn wirklich braucht, — so wandeln wir dahin, jetzt mit TrĂ€nen sĂ€end, um einst mit vollendeter Freude ernten zu können im ewigen Licht!

Preis sei dir, du Vater des Trostes, daß du dich unser annimmst und stets zu rechter Zeit dafĂŒr sorgst, daß uns kein wirklicher Trost mangelt, wenn wir es bedĂŒrfen! Mach uns stark, Traurigkeit zu tragen um deinetwillen! Amen.

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10. September

Phil. 2, 12–55: Schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern, denn Gott ist es, der in euch wirket, beides das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.

Die erste Mahnung wĂ€re ohne die darauffolgende Verheißung ein schweres, hartes Wort; — darum tuts mir auch weh, daß es so oft von dem Nachsatz losgerissen und dann damit um sich geworfen wird. Was wĂŒrde unsere Anstrengung, wörtlich: unser Bewirken unserer Seligkeit fĂŒr einen Sinn haben, wenn nicht der Herr mit einer Gnade und Kraft die eigentliche Sache machen wĂŒrde ? Jetzt ist’s so: in uns muss es ein Anliegen mit Furcht und Zittern sein, daß wir unsern Gott nicht beleidigen, unsere Seligkeit nicht aufs Spiel setzen, unserem Gott nicht weglaufen, ihn nicht hindern in seinem Werke, denn auf dieses sein Werk, das er in Wollen und Vollbringen in uns treibt, kommt alles an. Er tuts, — wir mĂŒssen’s nur inbrĂŒnstig haben wollen; â€” er reicht dar, was Not tut, wir mĂŒssen’s wichtig nehmen; es so zu brauchen wie er`s ausgibt. Er strömt uns seinen Geist zu, wir mĂŒssen uns ihm hingeben, daß nichts in uns mehr ihm. widerstrebe. Das rechte Wollen kam von ihm; — wer es erkannt hat und sich nun betend und treulich darnach streckt, das Gewollte zu tun, der erlebt dann auch die Hilfe Gottes beim Vollbringen. Ohne ihn sind wir nichts und wĂŒrden trotz aller unserer Furcht und trotz alles unseres Zitterns nur unsere ewige Verdammnis bewirken· Geben wir uns ihm hin ganz und gar! Dann erleben wir sein Tun in uns!

Das wollen wir, lieber Vater im Himmel! StĂ€rke uns den Willen, heilige uns durch und durch, damit deine Art, etwas auch ganz zu vollbringen, an uns offenbar werden könne zu deiner Ehre! Amen.

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11.September.

Joh 3,6: Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch und was vom Geist geboten wird, das ist Geist.

Es ist gar nichts zu machen, alles eigene Zappeln und Großwerden wollen hat gar keinen Erfolg, â€” man kann sich nicht verstellen! Durch eigene  Anstrengung wird kein Fisch zum Vogel und kein Sperling zur Lerche! Was rein natĂŒrlich vom Fleisch herstammt, modelt sich nicht durch Bravheit und Biederkeit allmĂ€hlich zum Geistesmenschen um und wer an , einen solchen Geistessieg glaubt, der im Lauf seines Erdenlebens durch eigene Leistungen und Anstrengungen allmĂ€hlich die Fleisches-Art ĂŒberstrahlt, der kann stolz sein auf seinen Glauben; denn solchen Unsinn glauben kann nicht jeder. Nein, es muß ein Erlebnis des heiligen Geistes vom Himmel her kommen, daß das alte Wesen gerichtet wird, der Wille umgewandelt wird und eine neue Art und Lebensrichtung anfĂ€ngt im Geist und durch den Geist. Wenn das auch eine freie Gottesgabe ist, so kann der Mensch sich dagegen doch hindernd und störend verrhalten; – nur selbst schaffen kann er sich das nicht. Wie unangenehm scheidet das zwischen den Hörern des Wortes Gottes, zwischen Gliedern einer Familie! Die Einen sind nur vom Fleisch geboren, und die Andern vom Geist. Wie werden die zweiten die Ersten zu tragen wissen mit Liebe und Geduld! Wie werden sie ihre himmlisch-hohe Geburt erweisen durch Werk und Wort und Wesen, damit die Andern womöglich auch sehnsĂŒchtig ausschauen Iernen nach dem Geist, der sie erneut in Jesu Bild! Den Aufrichtigen lĂ€ĂŸt es der Herr gelingen.

Wir danken dir, Herr Gott, himmlisches: Vater, daß du uns versetzt hast in das Reich deines lieben Sohnes und bitten dich, lehre uns im Geiste auch wandel und die Werke des Geistes vollbringen zu deiner Ehre! Amen.

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12. September

1. Mose 22, 7: Abrahatn antwortete: Hier bin ich.

Wenn man aufmerksam die rĂŒhrende Geschichte durchliest, findet man dreimal Abrahams Antwort: ,,Hier bin ich« — an hervorragender Stelle. Zuerst ruft ihn Gott, um ihm den entsetzlich schweren Auftrag. zu geben und Abraham weiß noch nicht, um was es sich handelt, als er das erste Mal seine Bereitwilligkeit mit diesem Satz andeutet. Sind wir auf alle FĂ€lle fĂŒr Gott da? — Einerlei,was spĂ€ter kommen mag, willst du doch sagen: Hier bin ich? Dann, als ers mit innerem Jammer wortlos nebeni dem geliebten Sohne hergeht, und der Knabe ahnend, bange fragen will, wer da geopfert werden soll, muß er antworten: Hier bin ich. Ich kann nicht mehr entfliehen, — ich muß in der Pein der Seele aushalten, — das Werk, fortsetzen! Er hĂ€tte sich jetzt am liebsten weit weg gewĂŒnscht, aber er muß da sein und das Furchtbare weiter sich vollziehen lassen mit vollem Bewußtsein. Wer diese beiden Proben bestanden hat, dem wird das dritte Mal aus dem Himmel noch der Ruf gegönnt: Abraham, Abraham! und er darf jetzt, wo die Hilfe dicht vor der TĂŒr ist, aufatmend sagen: Hier bin ich. Können wir nicht in dieses dreimalige Angerufenwerden und Antworten die Geschichte so mancher schweren geistlichen Anfechtung hineinlegen? Wohl uns wenn der Herr uns stets so bereit findet, zu sprechen: Hier bin ich! Dann wird der Ertrag auch immer Segen sein!

Herr, du versuchst uns nicht ĂŒber unser Vermögen! Wenn du uns, aber rufst, dann hilf uns, dir ganz zu vertrauen, uns ganz zu ĂŒbergeben und auf alle FĂ€lle bei dir zu bleiben und auszuhalten, bis du kommst und hilfst! Amen.

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13.September.

Joh. 5, 14: Wie Moses in der WĂŒste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschensohn erhöhtet werden.

Der kleine HĂŒgel Golgatha wirft den lĂ€ngsten Schatten! Voraus warf er ihn bis in die Weissagungen auf Christi Leiden und Tod im alten Testament, wie in’s Leben Jesu vor seinem eigentlichen Leiden. Ob nicht der JĂŒngling in Nazareth diesen Schatten des Kreuzes bei seiner· Arbeit sah, wenn er zwei Hölzer  zusammenfĂŒgte! Ob er nicht, wenn er die mĂŒden HĂ€nde ausstreckte, die Schattenform des Gekreuzigten an der Wand sah, wie es ein sinniger Maler darstellt. Jedenfalls wandelte er sein lebenlang im Schatten dieses heiligen und doch so schweren ,,MuĂŸÂ«Â«. Aber der Schatten von Golgatha fĂ€llt noch nachher durch die Weltgeschichte! Ist er uns fĂŒhlend und erquickend, wenn uns unsere SĂŒnden krĂ€nken, — so ist er doch auch niederdrĂŒckend, wenn wir an unserem eigenen Leben, wie an dem der Kirche Jesu immer wieder diese Kreuzform sehen und erleben mĂŒssen; Die Welt, die verloren geht, lacht und tobt im Sonnenschein augenblicklicher Lust, wĂ€hrend dort im Kreuzesschatten die kleine Schar der GlĂ€ubigen in Schmach und Spott und Schande dem Meister ihr Kreuz nachtrĂ€gt. Trotz alles Friedens, aller Freude sollen und wollen wir hienieden nicht aus diesem Kreuzesschatten heraustreten. Das bleibt unser Weg, unser Los, unser Leben, unsre Lust!

Wenn wir darin nur bei dir bleiben, Herr Jesu, wollen wir uns schon so einrichten, daß wir ohne Gunst der Welt, verkannt und verachtet deine Straße ziehen! Tröste uns mit deiner NĂ€he und deinem Sieg, damit wir willig unser Kreuze tragen als deine Leute!
Amen.

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14.September.

1.Kor. 9, 27: Daß ich nicht anderen predige und selbst verwerflich werde.

Andern als Herold verkĂŒndigen, das kann geschehen, ohne daß man innerlich mit seinem eigenen Herzen beteiligt ist, ja ohne daß man
selbst sich unter die verkiindigte Wahrheit beugt. Wie mancher Christ ĂŒbt darum so geringe Wirkung auf seine Umgebung aus, weil sein Leben und seine Lehre so wenig zusammenstimmt. Bekenntnis Jesu auf den Lippen und Neid oder Klatschsucht, Geiz oder Ehrfucht im Herzen! Schrecklich muß das sein, wenn man sich in. den Traum eingewiegt hat, man habe doch den Herrn vor den Leuten bekannt und dabei ist man doch innerlich verwerflich geworden! Man ging als Herold im glĂ€nzenden Waffenkleid stolz und sicher innerhalb der Schranken dahin, wußte Bescheid zu geben ĂŒber alle Regeln des Wettlaufs, — nur hat man sich selbst nie am Kampf und Lauf um die Krone beteiligt. Man dachte nicht daran, selbst zu laufen, selbst sich zu verleugnen, sich selbst wehe zu tun, â€” man begnĂŒgte sich damit, andern zu verkĂŒndigen, worauf es hier ankommt. Da prĂŒfe sich jeder, der Jesum bekennt, ob er ein Recht zu seinen hohen Worten habe, ob er auch nur in Bezug auf sein Leibesleben, wie Paulus im Vorhergehenden andeutet, sich wirklich in Zucht nimmt, wirklich sich selbst zu verleugnen im Stande ist. Keine TĂ€uschung ist verhĂ€ngnisvoller als SelbsttĂ€uschung im Christentum! Man irrt um den Preis seiner Seele.

Herr, mein Gott, laß mich nicht in die Irre gehen und andre irreleitenl Erforsche mich und erfahre mich, wie ich’s meine! Zerstör’ den Wahn und Heuchelschein und mach mich ehrlich gegen dich und mich selbst! Amen.

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15.September.

2.Kö. 4,6: Er sprach zu ihr: Es ist kein GefĂ€ĂŸ mehr hier. Da stand das Öl.

Bei jenem Wunder der Ölvermehrung kam es auf den Glauben der Witwe an, wieviel GefĂ€ĂŸe sie zusammenborgen wĂŒrde. HĂ€tte sie noch viel mehr gehabt, hĂ€tte es noch viel, viel weiter gelangt. Weil sie aber wahrscheinlich nicht auf so große Menge gerechnet hatte, hörten erst die GefĂ€ĂŸe auf und dann auch das wunderbare Fließen des Öles. Liegt darin nicht ein Wink fĂŒr uns? Je mehr wir dem Herrn zutrauen, desto mehr gibt er; je mehr wir vorher Raum schaffen fĂŒr seinen Geist und seinen Segen, desto reichlicher offenbart er seine Hilfe. Immer wieder kommt er unter mancherlei Bildern und Gestalten, in SprĂŒchen und Gleichnissen uns zu ermuntern, mehr GefĂ€ĂŸe fertig zu stellen fĂŒr ihn, daß, wenn die Flut kommt, er sie alle fĂŒlle. Wann werden wir endlich merken auf sein wunderbares DrĂ€ngen: Glaube mir mehr! Glaube mir ganz! Verlaß dich in allen StĂŒcken auf mich! — Dann wĂŒrde fĂŒr manche unter uns die bitterschwere Schulstunde der DemĂŒtigung und TrĂŒbsal vielleicht mit einem Schlage aufhören und die Stunde jenes Gastmahls hĂ€tte geschlagen, da es heißt: Du bereitest vor mir einen Tisch gegen meine Feinde! Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein! Dem Heiland zur Ehre, uns zum großen Segen und Andern zur GlaubensstĂ€rkung, — lange mehr GefĂ€ĂŸe her, das Öl fließt noch!

Herr, unser Gott, du reicher Vater ĂŒber alle, die dich im Ernst anrufen! StĂ€rke uns den Glauben und fĂŒlle die Hungrigen mit den GĂŒtern deines reichen Hauses! Wir trauen auf dich! Hallelujah! Amen.

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16. September

1. Mose 22, 14: . . . . auf dem Berge, da der Herr siehet.

Fast möchte man fragen, gibts auch einen Berg oder ein Tal, einen Palast oder eine HĂŒtte, da der Herr nicht siehet? Wenn man aber die
wunderschöne Geschichte von Jsaaks Opferung liest, ovon dieser Spruch der Schluß ist, erkennt man, daß es sich um die Erinnerung an das Eintreten des Herrn handelt, als Abraham schon die Hand ausgestreckt hat, um seinen Sohn zu opfern. Gibt es in deinem Leben auch solche GedĂ€chtnisberge? Einerlei, ob’s Orte oder Zeiten, Menschen oder Sachen sind, — es muß sich doch das Gedenken der Erfahrungen seiner NĂ€he und Treue an etwas ketten. Und ich mag es nicht von dir glauben, daß du noch gar nichts derartiges erlebt hast, wo der Herr es nicht ließ zum Äußersten kommen, sondern griff plötzlich ein, daß du staunend und anbetend ĂŒber seinem Tun niedersankst aufs Knie! Krankheiten, die uns an den Rand des Grabes brachten, — aber nur bist an den Rand! Anfechtungen, da die Wasse» der Not uns bis an die Seele gingen, — aber nur bis an die Seele! Zeiten der Verlassenheit, da wir bis auf’s Äußerste meinten gekommen zu sein, — aber bei diesem Äußersten war der Herr und ersah die Stunde zur Hilfe. Gott sei Dank, daß er siehet! Dann können wir die Augen schließen und glauben blind!  Er sieht fĂŒr uns, an unserer Stelle und zwar nicht nur die Last des Augenblicks, sondern auch die nahe Hilfe!

Lobe den Herrn meine Seele und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat, der dir alle deine SĂŒnden vergibt und heilet alle deine Gebrechen! Ja, wir loben dich und preisen deine GĂŒte, Herr Jesu! Amen.

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17. September.

Ps. 103,15: Des Menschen Tage sind wie Gras.

Deine auch? Wird dein heutiger Tag wieder so sein? FlĂŒchtig, nichtig, ohne Gewißheit und GewĂ€hr des Gehalts, ohne Hauch aus der Höhe, ohne Erleben der Ewigkeit, — ohne den lebendigen Gott? Gras trĂ€gt keine Frucht, wenigstens hat der Grassame fĂŒr den Menschen nicht die Bedeutung anderer FrĂŒchte. TrĂ€gt dein Leben Frucht? Was hat dein gestriger Tag fĂŒr eine Frucht gebracht und was wird dein heutiger Tag bringen? Alle Frucht ist Same. Was streust du fĂŒr Samen aus durch dein Leben? Ist jeder Tag ein SĂ€emann, was hast du gestern und was wirst du heute, ihn aussĂ€en lassen aus anderer Herz und Leben? Gras wird zuletzt abgehauen, verdorret und man kennet seine StĂ€tte nicht mehr. Wer nicht fĂŒr die Ewigkeit gelebt, wer seine Tage nicht helle gemacht hat im Blute des Lammes, was wird wohl sein Teil sein, wenn des Todes Sense kommt und mĂ€ht ihn ab? Jesus hat andere Tage gelebt als Grastage. Das waren Lichttage, Segenstage, Lebenstage fĂŒr andere und ihr Segen blieb fĂŒr immer.Wer etwas von solchen Jesustagen an sich erlebt hat, der soll von dann an seine Zeit Jesu hergeben, damit alle seine Erdentage Jesu Leben wiederstrahlen.

Komm, Herzensheiland und berĂŒhre uns mit deinem Lebensodem, daß wir alle Tage wieder in neuem Leben atmen und leben fĂŒr dich. Segne uns diesen Tag fĂŒr dich! Amen.

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18. September

Klagelieder 5, 28: Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen.

In Ungeduld sein, ist schon traurig; dabei aber noch keine Hoffnung haben, daß sich dieser Zustand je Ă€ndere, — das ist schon Hölle auf Erden. Geduldig sein ist schon ein tröstlicher Zustand, — aber er könnte doch schließlich ganz leise sich verĂ€ndern, wenn man nur Geduld haben mĂŒĂŸte und weiter gar nichts vor sich sĂ€he. Denn Geduld kommt doch vom Dulden her und mahnt daran, daß man es eben wenigstens so schwer hat, daß Geduld einem spĂŒrbar ward, als die FĂ€higkeit, zu ertragen, was auf einem lastet. Wenn aber außer der Geduld oder in der Geduld noch der lebendige Nerv der Hoffnung auf die Hilfe des Herrn steckt, dann wird sie ein so großes Gut, eine so deutliche Kraft, daß die heilige Schrift, die sonst so wĂ€hlerisch in ihren AusdrĂŒcken ist, einem dazu gratulieren kann und es ein köstlich Ding nennt. Die Welt nennt einen Diamanten eine Kostbarkeit, — aber dieses köstliche Ding ist stumm und tot; nur die Augen der Menschen geben ihm Wert. Die Kostbarkeit unseres köstlichen Dinges hier wirkt sich aus, schafft Herzen um, gibt Stille und Kraft, Leben und Frieden. Wer darum solch eine Kostbarkeit hat, der preise den Herrn, der uns so reich macht an himmlischen GĂŒtern und geistlichem Segen. Und wer sie nicht hat, strecke seine GebetshĂ€nde darnach aus sie zu empfangen.

Lieber Heiland, schmĂŒcke mein armes Leben mit diesen deinen Kronjuwelen! Laß die Geduld, die auf deine Hilfe hofft, in mir stark werden zu meinem und anderer Segen! Amen.

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19. September.

Prediger 1, 18: . . . wer viel lehren muß, der muß viel leiden.

Das erinnert an Paulus Berufung zum Apostelamt:Ich will ihm zeigen, wieviel er leiden muß um meines Namens willenl Das ist die geheime Quelle der Kraft und Weisheit, daß man selbst in eigener Not Erfahrungen von der Hilfe des Herrn machen muß, wenn man Andre lehren will. Wann aber ist die Hilfe des Herrn am nĂ€chsten, als wenn die Not am grĂ¶ĂŸten? Welche Erfahrung ist einschneidender, als die am eigenen Leib und Leben? Darum muß der Herr die ArmenĂ€rzte am Geist auf der hohen Schule des Leidens erst lĂ€utern und approbieren, damit sie wissen, wie weh Schmerzen tun und wie selig Jesu Hilfe ihnen selbst getan hat! Wollen wir uns da wundern, warum der Weg fĂŒr uns, die wir Jesu Zeugen an die Welt sein wollen, so schwer und oft im Geheimen so trĂ€nenreich ist? Ein Gelehrter und Lehrer dieser Welt muß viel lernen und schwere Examina machen; wer Gottes Kinder zusammenbringen will, der muß zuerst dem Weizenkorn (Jesus) gleich im dunklen Schoß der Erde dem eigenen Selbst absterben: frĂŒher kann er nicht viele FrĂŒchte bringen. Diese Art des stellvertretenden Leidens Christi lassen wir uns an ihm gern gefallen; warum stutzen wir, wenn er uns sich nachzieht, unsere Hand festhĂ€lt und spricht: Wo ich bin, soll
mein Diener auch sein? Leide, um lehren zu können!

Nein, wir wollen nicht leidensscheu sein, Herr Jesu, sondern bitten dich, segne du uns alles Leiden zum Lernen deiner Wege, und dann nachher zum Lehren deiner Wege! Amen.

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20.September.

1. Mose 52,26: . . Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

Das war ein wunderbarer Kampf, da Jakob bis an die Morgenröte mit seinem Gott in Menschengestalt rang und das Beispiel schuf, wie man Gott ĂŒberwindet. Denn Gott war ihm entgegengetreten, wie um ihm handgreiflich zu zeigen: ,,Ich habe etwas wider dich. Nicht Esau mit seinen 400 Mann ist deine Gefahr, sondern ich, dein Gott, habe mit dir noch abzurechnen. Deine ganze alte Art taugt nichts und mit all deiner Hinterlist kannst du nicht vor mir bestehen. Ă„hnlich tritt der Herr in besonderer Lebenslage wohl auch noch uns entgegen und deckt alte, unverbundene GeschwĂŒre, unvergebene SĂŒnden auf; er ist rein und duldet auch bei seinen Kindern keinen geheimen Aussatz! Ach, daß wir es davon Jakob lernten, uns ganz anzuklammern an unsern Gott und ihm alles herzugeben, aber dann auch zu sprechen: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn! Die schwere Kampfesstunde soll einen Sieg, einen Segen bringen: Völliges Zerbrochenwerden, wie hier bei Jakob. Da er nicht mehr stehen konnte, hing er sich mit seinen Armen an seinen Gegner. Werfen wir uns so völlig auf ihn! Ich kann allein nicht gehen, nicht einen Schritt, — ich kann nichts als mich an dich anklammern. Ich vertraue aber auf deine Barmherzigkeit, die grĂ¶ĂŸer ist als das Gericht, und flĂŒchte mich an dein Herz! — Dann gibt’s Hilfe und Segen.

Ja, Herr unser Gott, wir lassen dich nicht! Was sollte aus uns werden, wenn wir uns nicht mit allem auf dich werfen, an dich hĂ€ngen könnten! Laß die ernste Erfahrung dieses Ringens den Segen bringen, daß wir dich um so nĂ€her haben und genießen! Amen.

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21. September.

1. Mose 41, 52: Gott hat mich lassen wachsen im Lande meines Elends.

Mag Joseph das zunĂ€chst ganz Ă€ußerlich gemeint haben von dem wachsenden Reichtum seines Hauses oder von seinen Kindern, die ihm in Ă„gypten geboren wurden, — sicherlich ist er auch selbst durch seine wunderbaren Erfahrungen der Durchhilfe seines Gottes innerlich gewachsen. Und dieses Letztere geht uns hier am meisten an; denn es ist eine bekannte Tatsache bei den Kindern Gottes, daß man im ,,Lande seines Elendes« innerlich ganz anders vorankommt, als wenn uns leichte, linde Zeiten beschert werden. WĂ€hrend ich dieses schreibe, schweift mein Blick bisweilen hinaus in die regennasse FrĂŒhlingslandschaft, drĂŒber kalter Wind weht. Und doch wĂ€chst eben draußen das Gras und das Laub der frisch entfalteten BlĂ€ttchen der BĂ€ume mit Macht. Ging’s uns nicht oft so? Das waren die eigentlichen KrĂ€fte des Wachstums, als die TrĂ€nen das Land meines Elends betauten, als der kalte Wind wehtee und man in Anfechtung und Not gezwungen war sich mit tausend seiner Hoffnungswurzeln festzuklammern an den Verheißungen seines Gottes! Nachher, wenn die Sonne durch die Wolken bricht, hat sie nur festzustellen in neuer Gnadenbeleuchtung, was in den nassen kalten Tagen sich heimlich entwickelt hatte. Darum wollen wir dankbar sein fĂŒr das Land und die Tage unseres Elendes, denn sie schafften uns innerlich wahrhaft voran, daß wir vor Angst behĂŒtet, nachher, errettet ganz fröhlich rĂŒhmen
konnten:

Ja, Herr, du hast alles wohl gemacht! Du gabst das Elend und im Elend Hilfe! Deine Erziehung.schuf die Zeiten der DemĂŒtigung um uns in ihnen und durch sie groß zu machen. Dein Name sei gepriesen! Amen.

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22.September

Ephes. 5, 9: wandelt wie die Kinder des Lichts.

NatĂŒrlich muß man zuerst ein Kind des Lichtes sein, d. h., es muß das heilige Tun unseres Gottes an uns, daß er uns durch seinen Geist zu seinen Kindern machte, zuerst geschehen sein, damit unser neues Tun, unser Wandel im Licht daraus folge und daraus erwachse. Aber die oft wiederholte Mahnung in den Briefen der Apostel an die Neubekehrten, nun auch ihrer neuen inneren Stellung gemĂ€ĂŸ nach Außen zu wandeln, muß doch ihre tiefe Berechtigung haben. Und so sehen wir’s auch bis auf den heutigen Tag, daß immer noch nicht mit Ernst genug auf den Wandel geachtet wird. Was aber wiegt vor der argwöhnisch, unglĂ€ubig aufpassenden Welt schwerer, als ein wirklich heller Wandel! Das schlĂ€gt besser durch als hundert Predigten, wenn sie eine Person kennen lernt, wo es gar keinen Zweifel mehr gibt, daß dieselbe wirklich im Licht lebt, im Licht steht, im Licht wandelt. Solche Mithelfer, — Laien, die mit ihrem Lichtwandel vor uns hergehen und Breschen schlagen, haben wir an allen Orten, wo wir das Wort verkĂŒndigen, blutnötig. Wir sind vielleicht zu kurze.Zeit da, uns lernt man nicht so genau kennen, aber die Christen, die an einem Ort, in einem Hause mit der Welt leben, können sicher sein, daß man auf ihren Wandel mit Argusaugen achtet. Darum wandelt wie die Kinder des Lichts! Freilich wird es uns ebenso gelten, daß unser Wandel im Licht sein muß; aber das versteht sich mehr von selbst!

Herr, unser Gott, erleuchte uns ganz und gar daß unser Wandel, unsere Worte und Werke nicht das Licht scheuen mĂŒssen, sondern das Licht sind und Licht bringen in die Dunkelheit! Amen.

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23. September.

1. Thess. 4,3: Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung.

Die unvernĂŒnftige Kreatur muß den Willen Gottes in den Naturgesetzen erfĂŒllen und weicht nicht aus dem Wege dieses Instinkts. Wir Christen haben den Willen Gottes als unsere Lebensrichtschnur erkannt und gemerkt, daß wir keinen Frieden, keinen Trost, keine Gebetserhörung haben können, ohne dem klar erkannten Willen Gottes auch gehorsam zu sein. Wenn Gott nun will, daß wir unsere Heiligung, — etwas, ĂŒber dessen Wachstum und Entwicklung wir selbst die seligste Freude haben, wodurch wir selber reicher und froher werden, — mit ihm zusammen wollen, so ist das Gnade! Denn, was er will, dazu reicht er auch die Gaben und KrĂ€fte her, daß es geschehen könne. Und zu unserer Heiligung reicht er uns etwas Fertiges und Ganzes, seinen lieben Sohn Jesum Christum dar, denn der ist uns gemacht zur Heiligung. Das ist der zweite Glaube, den wir haben mĂŒssen und dessen selige Frucht wir genießen sollen; ebenso, wie.wir, allein durch Glauben Jesum einst nahmen zu unserer Rechtfertigung, so sollen wir ihn zum   zweiten Mal tĂ€glich nehmen im Glauben als unsere Heiligung. In ihm sind wir geheiligt, ausgesondert, bestimmt mit Leib und Seele zum Dienste Gottes. Kommt laßt uns glauben! Heute wollen wir’s noch dankend annehmen, daß Jesus unsere Heiligung ist. Wer ihn hat und liebt, mit ihm lebt und in ihm ist, der ist ein Heiliger und Geliebter Gottes!

Nun, dann wollen wir dich, Herr Jesu, nehmen, haben, halten und auf dich blicken ohn’ Unterlaß! Du bist unser Sieg! Es kann nicht sein, daß wir angesichts des Sieges, den Sieger im Auge und Herzen, unterliegen! Siege in uns! Amen.

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24. September.

Luk 5,11: Und sie fĂŒhrten die Schiffe an’s Land, und verließen alles und folgten ihm nach.

Mit den letzten RuderschlĂ€gen sind die Schiffe, die bis zum Sinken mit dem ĂŒberreichen Fischfang. gefĂŒllt waren, an den Strand gebracht. Soll nun Jesus fortgehen, damit die glĂŒcklichen Fischer Zeit haben mit all den beutefrohen Verwandten die Unmenge Fische auszuladen, zu sortieren und zum Versand in die nĂ€chsten StĂ€dte zu verpacken? Nein, das Wunder, das jetzt an der selbstsĂŒchtigen Menschenschennatur geschieht, ist kaum geringer, als das, was eben mit den scheuen Fischen der Tiefe geschehen war. Jesu Netz ist ĂŒber sie gekommen und sie können nicht mehr zurĂŒck. Sie sind gefangen und lassen alles, Schiffe, Fische, Verwandte und Vorteile, — alles dort am sonnenbeglĂ€nzten Ufer des Sees Genezareth zurĂŒck und folgen in stummer Ergriffenheit dem Meister, der den steilen Bergpfad ins Gebirge einschlĂ€gt. Hast du nichts Ă€hnliches erfahren? Jst Jesu Netz niemals ĂŒber dich gekommen mit ziehender, zwingender Gewalt, daß es hieß: Wir können nichts anders, wir mĂŒssen dir nachfolgen, wo du hingehst? Wer «so etwas erlebt hat, der ist verdorben fĂŒr die alten Weltwerte, fĂŒr’s Reichwerdenwollen, fĂŒr’s BerĂŒhmtwerdenwollen, fĂŒr’s Gunstwerben und Genußleben, — er zieht lieber arm, verkannt und allein diesem Jesus nach den steilen Pfad, als daß er sich hinsetzte an den Strand, um mit Fischverkauf im Großen GeschĂ€fte zu machen!

Dein sind wir, Jesus von Nazareth! An dir hĂ€ngen wir und von dir können wir ja nicht lassenl Nun laß uns auch bei dir bleiben und mach uns zu Menschenfischern in deinem Auftrag und auf deine Rechnung! Amen.

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25. September

Kolosser 4,5: wandelt weislich gegen die, die draußen sind.

Wer das Leben der GlĂ€ubigen heutzutage studiert und dann die mancherlei Mahnungen der Apostel an die Neubekehrten liest, dem wird’s bald klar, daß auch heute noch keine derselben unnĂŒtz oder veraltet ist. Dieselben Lebenserscheinungen wie damals und dieselben Kinderkrankheiten und Gefahren wie damals; kein Wunder, daß dann auch die Mahnungen und Medizinen dieselben sind, wie damals! Gegen die, die noch als die Unbekehrten draußen sind; wandelt man nicht weise, wenn man Jeden gleich auf seine Bekehrung anredet, wenn man Jedem gleich die Pistole auf die Brust setzt: Bekehre dich! Aber es ist auch unweise, sofort mit geistlichen GesprĂ€chen und Bekennen des Namens Jesu und ErzĂ€hlen der erfahrenen Gnade anzufangen. Laß die Andern dich erst als echten Menschen und wahren Christen kennen und — schĂ€tzen lernen; dann schlĂ€gt das einfachste Bekenntnis nachher am schĂ€rfsten ein. Bete erst darĂŒÂ»ber, ob du und wie du mit Fremden reden sollst, aber fall’ nicht sogleich beim Eintreten in’s Eisenbahncoupe die Leute mit BibelsprĂŒchen und Traktaten an. Gibt der Herr dir Gelegenheit, dann steig’ in Kraft empor; doch schweigt er in der Seele still, dann nimm auch du nichts vor! Wandel und Wesen mĂŒssen das Wort vorbereiten! Gib kein Ärgernis, wo du gewinnen willst. Aber fĂŒrchte dich ebenso vor der matten Feigheit, die sich aus Menschenfurcht gern hinter -»der Weisheit« verstecken möchte!

Ach Herr, wir sind ungeschickt und untĂŒchtig, dich zu bekennen! Wir machen tausend Fehler nach rechts und links. Segne dein Werk auch trotz der Fehler deiner Kinder! Amen.

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26. September

1. Timoth. 6,8: Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasset uns begnĂŒgen.

Wie wenig gehört eigentlich zu den wirklichen BedĂŒrfnissen des Lebens! Wie schrecklich viel BedĂŒrfnisse können sich die Leute anerziehen und angewöhnen! Wenn man Essen und Trinken als den wichtigsten Teil des irdischen Genußlebens ansieht und darin seine Hauptfreuden sucht, dann freilich kann das Herbeischaffen solcher Nahrung viel Aufwand von Geist und Kraft und Zeit beanspruchen. Wer aber höhere GenĂŒsse kennt und dem Leib nur gewĂ€hren will, was er braucht, kommt sehr billig und leicht weg. Dabei bleibtdoch noch Raum und Freiheit, den Wohlgeschmack, den Gott der Herr in die natĂŒrlichen Gaben gelegt hat, mit  Dank zu genießen. Wer sich wirklich mit der Kleidung einfach, meinethalb seinem Stand angemessen, und so natĂŒrlich als möglich versehen will, der braucht dafĂŒr auch weder viel Geld, noch viel Aufwand, von Zeit und Kraft. Wer aber sich nach der wechselnden Mode richten muß und mit seiner Bekleidung Sport und Luxus treibt, ist Sklave seiner Kleider und kann sich nie genug thun. GlĂŒcklich aber ist nur der, der zufrieden ist mit dem, was er hat oder sich so leicht als möglich verschaffen kann; warum stehen denn immer noch auch Christen unter dem Bann der GastmĂ€hler und der Kleidermoden der Welt? Welche der Sohn frei macht, die macht er recht frei und wer Andere fĂŒhren will, der muß freie FĂŒĂŸe haben!

Herr, werde so ganz meines Herzens Lust, daß auch mein Leib und meine Seele sich freuen im  lebendigen Gott. Lehre mich zufrieden sein im Äußern und hungern und dĂŒrsten nach dir. Amen.

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27. September.

Offenb. 20, 15: Und so jemand nicht ward erfunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl.

Kaum ein einziger anderer Gedanke hat solche Wucht und Kraft als der: Wo werde ich meine Ewigkeit zubringen? Ohne ewiges Los nach dem Tode gĂ€b’s kein Christentum und keine Bekehrung mehr. Das weht uns an, wie Luft aus der Ewigkeit, wenn der Gedanke vor uns aufsteigt: werden unsere Namen, alle derer, die hier eben versammelt sind, einst erfunden werden, geschrieben im Buche des Lebens? Wenn nicht, wie.wird das Los sein in der Ewigkeit? Das treibt zum Ernstmachen, zum wirklichen Durchdringen, zum Gewißwerden, ob wir Gottes Kinder sind oder nicht. Der Geist will uns darĂŒber Zeugnis geben, wir sollen und mĂŒssen unseres Heils gewiß werden. Es gibt eine feste, frohe, selige Uberzeugung auch ohne viel GefĂŒhl und Andacht, eine auf die Schrift gegrĂŒndete, Glaubensgewißheit: ich bin sein und er ist mein, niemand kann uns scheiden! Und es ist eines Jeden wichtigste Pflicht, darĂŒber zur Klarheit zu kommen, ehe es zu spĂ€t ist. Der Mensch hat so blutwenig zu seiner eigenen Rettung und Seligkeit zu tun: bloß, daß er sich ganz und gar hingibt dem heiligen starken Zuge, damit uns Jesus geliebet hat und noch liebt! Kommt alle und liefert euch willenlos heute schon dieser Strömung der Gottesliebe aus, damit ihr gewiß werdet und euch freuen könnt, daß eure Namen im
Himmel geschrieben stehen!

Ja, Herr unser Gott, wir wollen selig werden. und nehmen darum deine große Gnade in Christo dankbar, glĂ€ubig an. Schreib unsere Namen in dein Buch zum ewigen Leben, daß wir dir ewig danken können fĂŒr Alles, was du an uns getan! Amen.

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Jacobus 5, 9: Seufzet nicht wider einander, liebe BrĂŒder, auf daß ihr nicht verdammet werdet.

Wenn auch im Grundtext steht, »daß ihr nicht gerichtet werdet« —, so ist die Sache doch ernst genug. Zumal da sie so sehr im Schwange geht, daß sich jeder an die Berechtigung dieses Seufzens scheint gewöhnt zu haben. Wer nicht in sehr liebloser ;Weise seine Zunge gegen die BrĂŒder braucht, der behauptet wenigstens schwer an ihnen zu tragen und seufzt oft genug vor Gott und Menschen wider dieselben. Nun fĂŒr sie beten, vor Gott in den Riß treten fĂŒr sie, GebetsIasten fĂŒr sie auf sich nehmen, das ist sicherlich unverboten; im Gegenteil, das wĂŒrde gerade das Gegenteil verursachen, als das hier gemeinte Seufzen. Das wĂŒrde einem Kraft geben, sie zu tragen und Vollmacht vom Himmel  schaffen, versöhnend und liebevoll mit ihnen umzugehn. Aber das Seufzen, Urteilen, Bekritteln, Nichttragen können der BrĂŒder vor Menschen, das liefert uns, die wir doch so gerne Andern zum Segen werden möchten, in das Gericht des Herrn. Es macht sich dann wehmĂŒtig und niederdrĂŒckend zugleich, wenn jemand fĂŒnf Minuten nach dem lieblosesten Seufzen ĂŒber den Bruder (also, wo er schon als zu Richtender vor seinem Gott steht!) großartig in feinem lauten Gebet vor Andern fĂŒr diesen Bruder betet! RĂ€umen wir doch diese KrebsschĂ€den hinweg aus unserer Mitte, damit wir ganz wahr werden in echter Liebe und ganz wahr in echtem Gebet!

Herr Iesu, was mußt du erleben und erdulden von» deinen JĂŒngern! Vergib uns und ströme deine Liebe, dies nicht das Ihre sucht, aus ĂŒber die Deinen, damit wir wahrhaft eins seien in der Liebel Amen.

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29. September.

Prediger 9, 8: Laß deine Kleider immer weiß sein.

Mag dieses Wort an der betreffenden Stelle auch nur von den damals ĂŒblichen weißen GewĂ€ndern gemeint sein und bedeuten, statt Prunk und Pracht sei Reinlichkeit der beste Schmuck, so wird es uns doch niemand verargen, wenn wir es geistlich deuten. Denn in der Offenbarung wird auch von weißen Kleidern geredet und von helle gemachten, im Blute des Lammes gewaschenen Kleidern und dort kann es nur. geistlich gemeint sein. Hast du das neue Kleid der Gerechtigkeit Jesu Christi angezogen, dann hĂŒte dich, daß du es nicht gleich wieder befleckst durch Leichtsinn, Untreue und SĂŒnde. Und ob jemand sĂŒndigte, haben wir einen FĂŒrsprecher beim Vater, Jesum Christum, der gerecht ist. Dann soll der Ewig-Gerechte uns, die wir so schnell wieder von einem Fehl ĂŒbereilet werden in tĂ€glicher SĂŒndenvergebung reinigen: Ja, er will es schon, aber wir mĂŒssen auch nach 1. Joh.3,3 desselben Willens sein, uns zu reinigen. Mit welcher Aufmerksamkeit achtet man auf die Reinigung und Instandhaltung kostbarer Maschinen und kĂŒnstlicher Apparate. Was wĂ€re dann wohl fĂŒr Aufmerksamkeit auf die tĂ€gliche Reinigung und Jnstandhaltung des kostbarsten und kunstvollsten Apparates, unserer Seele zu verwenden! Laß keine Flecken auf deiner Seele Kleidern trocken werden; sie fressen sich ein und verderben den Glanz und Schimmer deiner Seele. Nein, schnell und grĂŒndlich, sofort und ehrIich, bekenne deine SĂŒnden und mache deine Kleider helle im Blute des Lammes!

.Lieber Heiland, nahe dich mir und neige dich zu mir, daß ich tĂ€glich im lebendigen Umgang mit dir  Reinigung und Hilfe erlange. Du weißt, daß ich Sehnsucht nach steter, völliger Reinigung verspĂŒre! Hilf du dazu! Amen.

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30. September

Jacobus 5, 16: Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.

Daß uns dergleichen Verheißung ĂŒber das Gebet immer wieder gesagt werden muß! Oder soll man sich mehr darĂŒber wundern, daß so wenig wirklich erhörlich gebetet wird? Gebetet wird ja von allerlei Christen schrecklich viel; — aber was geschieht dadurch wirklich? Nun, das liegt wohl an den zwei Bedingungen unseres Textes: Wer ist gerecht? und wann ist es ernstlich? . Ein leises ErfahrungsgefĂŒhl dafĂŒr gibt es schon bei uns, wann das Gebet wirklich ,,ernstlich« wĂ€re. Manche Gebete waren wir nach einigen Tagen in anderer Stimmung bei angestrengter Aufmerksamkeit gar nicht mehr imstande zu wiederholen: Augenblicksbilder ohne den Willen des Herrn. Oder der Herr zeigt uns selbst aus seinem Wort oder- durch seine FĂŒhrung, wie dieses oder jenes Gebet unmöglich erhört werden durfte. Auch das mit  dem  ,,Gerechten« ist demĂŒtigend fĂŒr uns. Der innere geheime Lebenszusammenhang mit dem Herrn war gar nicht recht, gar nicht in Ordnung, wie kann da etwas besonderes von Gebetserhörung eintreten. Drum bete du dich erst in Ordnung und zur Klarheit darĂŒber, ob es dem Herrn in deiner Lage» und deiner Stellung zu ihm ĂŒberhaupt genehm ist, daß du dich jetzt daran machen sollst, Gebetsarbeit anzufangen. Je klarer du ĂŒber des Herrn Willen und seine noch unausgefĂŒhrten Absichten wirst, desto gewisser, ernstlicher und durchgreifender wird dein Gebet; Wenn Kinder Berge versetzen wollen, wĂŒrde der Herr sie erst fragen, warum und wohin?

Herr, lĂ€utere unsern Sinn, der auch im Beten nur zu oft zum Prahlen vor der Welt abzielt, als wirklich auf deine Absichten und dein Reich! Zeige uns, wo du uns als Beter hinstellen willst und dann lehre uns beten! Amen.

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1. Oktober.

1. Sam 17,47: Denn der Streit ist des Herrn und wird euch geben in unsre HĂ€nde. Das ist die sieghafte Art des wahren Glaubens!

Dort steht das mĂ€chtige ĂŒbermĂŒtige» Heer der Philister, an ihrer Spitze der freche Riese Goliath, â€” hier steht furchtsam Israels Heerlager und der eine JĂŒngling David hat Glauben Und sagts ihnen voraus: Der Streit ist des Herrn und er wird euch, ihr stolzen 
Feinde, geben in unsre HĂ€nde! MĂŒssen wir’s nicht Ă€hnlich machen, wenn die Feinde unserer Seele den Kampf gegen uns aufnehmen? Einerlei, ob es wirkliche Menschen sind, die uns feindlich sind um Jesu willen und unsre Arbeit aufhalten wollen, oder ob es des Teufels böse AnlĂ€ufe sind, oder ob es die in uns selbst steckenden SĂŒnden und Versuchungen sind. Wenn wir nicht schon vorher wirklich glauben, daß der Streit des Herrn ist, seine Sache und Ehre auf dem Spiele steht, und daß er unsre Feinde in unsre HĂ€nde geben wird, wird das ein mĂŒhseliges KĂ€mpfen und» eine aussichtslose Sache sein. Dir geschehe im Kleinen wie im Großen nach deinem Glauben. Also auch in diesen KĂ€mpfen glaube vorher schon an den wirklichen Sieg Jesu und sorge nur fĂŒr eins, daß der Streit sĂ€uberlich des Herrn Sache bleiben könne und nichts von eigener Ehrfucht und Eitelkeit sich einschmuggelt.

Lieber Heiland! Reinige jede solche Angelegenheit von unserem eigenen Wesen! Ists dann aber deine Sache, dann fĂŒhre sie zum Siege um deines Namens willen! Amen.

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2. Oktober;

Gen 32, 31: Und als er von Pniel ĂŒberkam, ging ihm die Sonne auf.

Das kennen wir alle, wie sich der Mensch nach langen, kalten Regentagen nach der Sonne sehnt! Und wenn sie dann endlich wieder wĂ€rmend und belebend am blauen Himmel erstrahlt, ist’s einem so froh  zu Mut, als hĂ€tte man ein großes Geschenk erhalten! Geistlich gibt’s Ă€hnliche Erfahrungen. Jakob hatte einen schweren inneren Kampf kĂ€mpfen mĂŒssen; es waren ihm AbgrĂŒnde seiner selbstsĂŒchtigen Natur aufgedeckt worden, sein Gott war ihm entgegengetreten als der Wahrhaftige, der an seinen Leuten keine Unlauterkeit dulden kann. Nun ist er hindurch; er hat den Wendepunkt seines Lebens erreicht: von nun an hören wir nichts Nachteiliges mehr ĂŒber ihn. Ein neuer Name, ·ein neuer Lebensanfang! Mit gebrochener irdischer Kraft geht er aus dem Kampfe hervor und doch gesegnet, daß er, sagen kann: Meine Seele ist genesen! Kein Wunder, daß ihm der Sonnenaufgang nach dieser Nacht unvergeßlich ward! Was ist jetzt Esau mit seinen 400 Mann, seit sein Gott ihm wieder gut ist! Darum kann man hier den Sonnenaufgang leicht geistlich deuten. Wer sich durchgekĂ€mpft hat, — den Abend lang wĂ€hret das Weinen, — und ob es wĂ€hrt bis in die Nacht und wieder bis zum Morgen, — die Sonne siegt doch und die Seele jauchzt dem Lichte entgegen: die den Herrn lieb haben, mĂŒssen sein, wie die Sonne aufgehet in ihrer Macht!

Jesu, unsere Sonne! Geh auf in deiner Pracht und verscheuche mit deiner Strahlen Glanz und WĂ€rme  auch meine Nacht! Amen.

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3. Oktober.

Joh. 6, 53: Alles, was mir mein Vater gibt, 
kommt zu mir, und wer zu mir kommt, den werde ich
·nicht hinausstoßen.

Luther sagt: »Ich glaube, daß ich nicht aus eigener 
Vernunft noch Kraft an meinen Herrn Jesum
Christum glauben oder zu ihm, kommen kann« und hat damit die in unserem Spruch liegende scheinbare
Schwierigkeit schon erklĂ€rt. Der Vater muß die Leute schon, ehe sie eigentlich im Glauben zu Jesu kommen, seiner Hand haben, sie ziehen kund zubereiten:können, damit sie fĂŒr den Augenblick reif werden, wo sein Geben und ihr Kommen zu Jesu eine und dieselbe Sache wird. Wer auf der Vorstufe des Heils auf die Stimme seines Gewissens achtet und sich sehnt aus der SĂŒndhaftigkeit seiner alten Natur herauszukommen, den kann der Vater seinem Sohn geben. Und wenn er das tut, spĂŒrt. der Mensch den wunderbaren, inneren Zug zu Jesu,. wie Magnet Eisen anzieht, und dann muß er folgen und als ein Bittender, Suchender zu Jesui kommen. Gesegneter Zwang, gesegnete Freiheit, gesegnetes Wollen der Gnade, â€” mags auch gewirkt sein von Oben! wenn nur das Kommen Wahrheit wird, dann ist alles gewonnen. Denn, wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen!

Nein, Herr Jesu, wir haben’s erfahren! Das war kein Hinausstoßen, sondern ein an’s Herz ziehen,
ein Aufheben aus dem Staub, ein Erfrischen und Erquickenl Das danken wir dir und loben deinen
Namen ins Ewigkeit! Amen.

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4. Oktober.


Jes. 50, 5: Der Herr Herr hat mir das Ohr 
geöffnet und ich bin nicht ungehorsam und gehe nicht
zurĂŒck.

Nach dem Zusammenhang bezieht sich diese Stelle 
sicherlich in erster Linie auf Jesu willigen Gehorsam nach des Vaters Willen zu leiden und zu sterben. Und wir danken ihm, daß er nicht ungehorsam war und nicht zurĂŒck ging; denn was wĂ€re sonst aus uns geworden! Aber er selbst sagt auch: Gleich wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch! Es gibt auch fĂŒr uns Ohröffnungen durch Wort und Geist, wo es uns plötzlich klar ist, dieser Weg der Verleugnung, diese DemĂŒtigung, dieses Leiden ist Jesu Wille und dient nicht nur uns zum Segen, sondern soll auch Andern, ja dem Reiche Christi Nutzen schaffen. Dann dĂŒrfen wir nicht ungehorsam zurĂŒckgehen! Wir wĂŒrden, wie Jonas, statt, in unseres Herrn 5chule in den Rachen des Ungeheuers, in die Tiefe des Todes versenkt, wenn wir dem klar erkannten Willen unseres Gottes ausweichen wollten. Selig aber und gesegnet ist, wer es gar nicht versucht ungehorsam zu sein, wer gar nicht zurĂŒckwich, bis er mit Peitschen vorwĂ€rts getrieben wurde! Wir bringen uns um den Segen und den Wohlgeruch des Gehorsams, wenn man uns erst dazu zwingen muß! Das wĂ€ren schöne Freiwillige! Und Jesu Gehorsam hat die Bedingungen in der unsichtbaren Welt geschaffen, daß auch wir gehorchen können!

Herr Jesu, ziehe uns in deinen Gehorsam hinein, daß man deine Willigkeit zu gehorchen und zu
leiden an uns wiederfinde! Amen.

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5. Oktober


Joh. 7,57: Wen da dĂŒrstet, der komme zu mir 
und trinke! 

Gewiß gilt dieses Wortan der Pforte des Himmel
reichs und kĂŒndet wie ein weithinschallender Heroldsruf, was man hier erleben kann, wenn man aus dem durstigen Lande des Welttreibens, wo nichts die
Seelen stillen kann, die da schreiet nach dem lebendigen Gott, wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, — sich hinwendet zu dem, der unser Friede ist. Aber ebenso gewiß gilt es auch innerhalb des Heiligtums. Jesus will die Seinen, Â»die bei ihm in heißer Arbeit stehen nicht vergeblich dĂŒrsten lassen. Gottes BrĂŒnnlein hat Wassers die FĂŒlle und Jesus strömt den frischen Seelentrank alle Tage aus, wie eine starke Quelle im Waldgebirge. Warum sollen wir Durst leiden? Denn so oft ich durstig bin, fĂŒhrt er ich zum Brunnquell hin! Kommt, lasset uns mit  Freuden Wasser schöpfen aus dem Heilsbrunnenl Wollen wir uns tĂ€glich und treulich zu ihm nahen und nehmen aus seiner FĂŒlle, was uns not ist. Eine kurze Viertelstunde stiller Sammlung im Gebet, suchenden Lesens in seinem Wort und der Durst ist gestillt, das Antlitz wieder heiter, alle Mattigkeit verscheucht und du kannst weiter pilgern, weiter dulden, weiter kĂ€mpfen in seiner Kraft!

Wir danken dir, Herr Jesu, daß du so gĂŒtig bist! Nimm uns immer wieder in deine Umarmung und laß uns erfahren deine erfrischende LiebesnĂ€he. Wir sind arm, mache uns reich! Amen.

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6. Oktober


Luk 7,19: Bist du, der da kommen soll oder 
sollen wir eines Andern warten?

Mit dieser Zweifelfrage des Johannis, ob Jesus 
der rechte Messias sei, stellt er seine eigenen   ergreifenden Erlebnisse bei Jesu Taufe in Frage. GefĂ€ngnismauern und Anfechtungen können auch das lebendigste Erfahrungschristentum erschĂŒttern. Jst das nicht eine furchtbare Gefahr, irre zu werden an allem, was man in den seligsten Stunden seines inneren Lebens genommen und genossen! Bist du, der da kommen soll? Oder haben wir uns getĂ€uscht und sollen. wir die TĂŒr noch weiter offen halten fĂŒr einen Andern? Gesetzt den Fall, daß jemand unter uns in Ă€hnliche Seelennot kĂ€me, wie mĂŒĂŸte man ihn heilen? Als Johannes seine Erfahrungen am Jordan machte, da stimmten diese zusammen mit dem Worte Gottes und bekamen dadurch erst ihre BestĂ€tigung. Wo er jetzt zweifelt, weist ihn Jesu Antwort wieder auf’s Wort Gottes hin, wie das eben in Jesu Tun erfĂŒllt werde. Und sagt das Herz auch tausend Nein, laß mir dein Wort gewisser sein! Wir mĂŒssen am Wort hĂ€ngen, weil das feststeht, ob der Himmel unserer seligsten Erfahrungen oder die Erde unserer schönsten GefĂŒhle vergeht. Glauben an’s Wort, durch’s Wort, wurzelnd im Wort schafft wieder Weg aus dem Wirrsal und Stille im Sturm. Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhn? Mir ist’s nicht um tausend Welten, aber um dein Wort zu tun!

Herr, grĂŒnde uns in dein Wort! Laß den Sturm den Nutzen schaffen, daß die Wurzeln des Glaubens tiefer in dein Wort gehen und fester sich klammern an dein Wort! Amen.

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7. Oktober

Jes. 57, 18: Da ich ihre Wege ansah, heilete ich sie und leitete sie und gab ihnen wieder Trost.

Daß er unsere Wege nicht als der Richter, sondern als der Arzt und Retter anschaut, ist ein großer
Trost. Heute wacht sein Auge ĂŒber unsern Wegen! Selbst, wenn wir selbstgewĂ€hlte Wege gehen; und uns damit viel Herzeleid machen, verwirft er uns nicht, sondern baut an diese Irrwege seine himmlischen Krankenstationen, um uns zuerst zu heilen! Wohl dem, der das versteht und sich helfen lassen will. Freilich kommt gleich darauf zur rechten Zeit Hilfe und Heilung, daß er uns nach der erfahrenen Erquickung aus einer andern TĂŒr des Krankenhauses auf einen andern Weg fĂŒhrt. Denn
nur, wenn er uns leitet, kann es gut weiter gehen, ohne daß wir sofort wieder auf dem verderblichen Wege unserer Wahl uns die frischgeheilten FĂŒĂŸe blutig laufen. Dann aber, wenn wir jetzt auf seinen Wegen gehen, lĂ€ĂŸt er uns am Rande dieser Wege manch schönes TrostblĂŒmlein blĂŒhen und seine FruchtbĂ€ume verstreuen Schatten und spenden erquickende FrĂŒchte. Also fort aus den eigenen Wegen! Hinein in seine Heilung! Und dann unter seiner Leitung auf seinen Wegen vorwĂ€rts, dann soll’s an Trost nicht fehlen!

O, Herr Jesu, was bist du fĂŒr ein wunderbarer 
Meister im Helfen! Was fĂŒr ein Arzt unserer Seelen! Staunend und dankbar erfahren wir deine Hilfe! O zieh uns alle tĂ€glich treuer und fester dir nach! Amen.

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8. Oktober


Psalm 62, 6: Meine Seele harret auf Gott, denn 
er ist meine Hoffnung.

Es gab einmal eine geistesschwache Witwe, deren Mann vor vielen Jahren bei einem Schiffbruch um’s Leben gekommen war. Doch sie wollte sich’s nicht ausreden lassen, auf ihn zu warten, bis sie alt und grau wurde und zuletzt ĂŒber ihrer Hoffnung starb. Von solchem Harren mag der Satz gelten: Hoffen und Harren macht manchen zum Narren. Und doch halten wir Beides hoch in Bezug auf unsern Gott: wir harren und hoffen auf ihn! Es liegt wohl schon in diesen Worten, daß man aufs Warten angewiesen ist; sonst brauchte man Beides nicht. Aber durch dieses Warten will er unsern Glauben stĂ€rken und uns innerlich immer mehr von allem Äußeren lösen, damit die ganze Kraft unserer Seele sich sammele auf ihn! Wir lernen unter solchem Harren Manches, was wir sonst nie gelernt hĂ€tten, und darum kann er seinen Kindern diese Schulklasse meist nicht ersparen. Was wir aber auf Erden an Erhörungen und Hilfen innerlich und Ă€ußerlich schon erlebt haben das stĂ€rkt uns den Mut, bis an’s Ende zu beharren. Gott ist getreu; er kann sich selbst nicht leugnen; er wird die Seinen erretten zu seiner Zeit und die mit TrĂ€nen gesĂ€t haben, werden mit Freuden ernten.

Jesus Christ, du nur bist unsrer Hoffnung Licht! Stell uns vor und laß uns schauen jene immergrĂŒnen Auen, die dein Wort verspricht!

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9. Oktober.


1. Joh. 2, 1: Und ob jemand sĂŒndigt, so haben 
wir einen FĂŒrsprecher beim Vater, Jesum Christum
der gerecht macht.

Und ob Jemand sĂŒndigt, das klingt allerdings nicht nach der Schablone eines gewissen Leichtsinns im Christentum, der da mit großer Schnelligkeit sich ĂŒber allerlei gewohnheitsmĂ€ĂŸiges SĂŒndigen wegtröstet, sondern wie eine Ausnahme. Soll es denn nicht auch wirklich immer seltener und schwĂ€cher werden mit dem SĂŒndigen, wenn unser Lebensumgang mit dem LebensfĂŒrsten Wahrheit ist und nicht Einbildung? FĂŒr solche Ausnahmen ist eine Troststellung bereit. brauchst nicht zu verzweifeln; wir haben einen FĂŒrsprecher, wie ihn die leichtsinnig weiter sĂŒndigende Welt nicht hat, mit dem sie ihr Treiben nicht decken kann: Jesum Christum, der gerecht ist. Der Einzige ganz Gerechte, der immer Gerechte, tritt fĂŒr den Zerfallenen ein mit der Wucht seiner FĂŒrsprache, die sich wie mĂ€chtiger Fittiche Schutz auf ihn legt, und wĂ€hrend drunten auf Erden noch die letzten TrĂ€nenregen der schmerzlichsten Reue niedergehen, ist oben die Wolke des Gerichts schon weg und gleich wird der Sonnenschein der Gnade hereinbrechen zur Aufrichtung dieses SĂŒnders! Wir werden auf Erden, was man im: Himmel von uns sagt.

Wir danken dir, Herr Jesu, daß du dich fĂŒr uns hingestellt hast! Einmal, als wir uns dir Zuerst ergaben, mit deinem Sterben, und nachher, wo wir’s wieder nötig hatten mit deiner FĂŒrsprache und deinem Leben! Wir danken’s dir! Amen. 

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10. Oktober

Psalm 150,4 Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fĂŒrchte.

Klingt das nicht merkwĂŒrdig? WĂŒrde man nicht 
mehr gemahnt, sich zu fĂŒrchten, wenn es hieße: Bei dir ist die strengste Strafe? Nun, erinnere dich deiner eigenen Kindheit. Wenn du schwere Strafe verdient hattest, dich vielleicht heimlich in einer Art Trotz darauf rĂŒstetest, die harte, wohlverdiente Strafe jetzt auch auszuhalten, da wurdest du entwaffnet und ĂŒberwunden, beschĂ€mt und weich, als man dir plötzlich mit ĂŒberströmenden der Liebe deine SĂŒnde vergab und die Strafe erließ! So gehts auch bei unserem Gott! Nichts demĂŒtigt, entwaffnet und beschĂ€mt dermaßen, als solche Erfahrung. Darum kann es heißen: »Auf daß du daran gedenkest und dich schĂ€mst und vor Schande nicht mehr deinen Mund auftun dĂŒrfest, wenn ich dir Alles vergeben werde, was du getan hast, spricht der Herr. Kann man nach solcher Erfahrung wieder schnell abfallen und gleichgiiltig, ruchlos sĂŒndigen? Nein, das ist die wahre kindliche Furcht, daß
man sich fĂŒrchtet, einen solchen liebreichen, barmherzigen Gott zu erzĂŒrnen und zu beleidigen. Darum versteht man auch jenes neutestamentliche Wort: Wem viel vergeben ist, der liebt viel! Nach erfahrener SĂŒndenvergebung erwacht die wahre Gottesfurcht und wĂ€chst die wahre Liebe zu ihm.

Da bitten wir dich, Herr unser Gott, laß uns die Vergebung unserer SĂŒnden so deutlich und ĂŒberwaltigend erfahren, daß wir gar nicht mehr anders können, als dir in Liebe nachzufolgen und in der rechten Furcht!
Amen.

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11. Oktober

1.Mose 40,4: und der Hofmeister setzte Joseph 
ĂŒber sie, daß er ihnen dienete. 

Joseph hat auch im GefÀngnis des Herrn Segen er
fahren, denn bald bekam er dort solch eine Stellung, daß alles, was da geschah, durch ihn geschehen mußte. Darum setzte man ihn auch ĂŒber die zwei Hofbeamten Pharao’s, daß er ihnen dienete. So muß es bei uns auch sein: wenn man Andern wirklich an ihren Seelen dienen will, muß der Herr uns dazu einsetzen und bestimmen. Zeit und Gelegenheit muß er dazu schaffen und uns den SchlĂŒssel zu ihrem GefĂ€ngnis in die HĂ€nde geben. Zweitens mĂŒssen wir geistlich und sittlich auch wirklich ĂŒber denen stehen, denen wir solch einen wichtigen Dienst leisten wollen. Wenn sie offenbare grobe VerstĂ¶ĂŸe gegen Gottes Wort an uns sehen, werden sie sich von einem Zuchtlosen doch nicht ziehen lassen wollen. Die SĂŒnden- der Kinder Gottes sind der stĂ€rkste Riegel, der vor die Bekehrung der Andern geschoben wird. Und endlich mĂŒssen wir wirklich ihnen dienen wollen, nicht herrschen! Nicht, daß wir unsere Eigenart ihnen aufdrĂ€ngen, sondern daß wir ihnen dienen, Gehilfen, Mithelfer werden, wie sie zu Jesu kommen können. Darnach könnte jeder von uns seine Beziehungen zu Andern einer scharfen Durchsicht. unterwerfen!

Lieber Herr, habe Geduld. mit uns und verwirf 
uns nicht um unserer Untreue willenl Reinige uns, daß wir mehr Frucht bringen. Mach uns demĂŒtig, damit du uns mehr segnen kannst als bisher. Amen.

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12.Oktober


Hebr. 9, 12: . . . . . Christus hat eine ewige 
Erlösung erfunden.

Erfunden — das sagt man von VorgĂ€ngen und Fertigkeiten, die man fruher nicht kannte und brauchte. So gab’s keine Erlösung, bis Christus seine, eine ewige erfand. Jetzt aber kann auch keine Seele mehr herumsuchen und unklar umhertappen, ob dieses oder jenes Mittel gut sei gegen SĂŒndenelend und des heiligen Gottes gerechtes Gericht. Das eine Hilfsmittel ist zu Stande gekommen! Und wies es mit irdischen Erfindungen geht: vorher zerbrechen sich die gelehrten Leute den Kopf, um etwas Ă€hnliches zu erfinden, und nachher kann das kleinste Kind doch ohne viel nachzugrĂŒbeln den Segen der Erfindung genießen. So ist’s auch mit Jesu Erfindung der ewigen Erlösung. Jetzt ist’s dem Kleinsten im Himmelreich so leicht gemacht: wer nur hier die kleine Kurbel dreht, kann das elektrische Licht fĂŒr den Riesenpalast in tausend Flammen entzĂŒnden. Wer nur kindlich an Jesu Hilfe glaubt, der erfĂ€hrt eine HĂŒlfe sondergleichen, um die uns Jahrtausende vorher und Millionen von ernsten Menschen in ihnen beneiden wĂŒrden! Ach, daß du dankbarer und hingebender nehmen und genießen wolltest, was Jesus dir erwarb! Zu haben ist’s alle Tage!

Wir danken dir, Herr Jesu Christ, daß du unser  Trost geworden bist! Nun segne uns dein Werk an unseren Seelen und ins unserm Leben, damit wir wirklich Erlöste werden! Amen.

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13.Oktober

Phil. 3,7: Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen fĂŒr Schaden geachtet.

Was fĂŒr dieses Leben Vorteil bringt, verstehen die klugen Leute meistens prachtvoll zu berechnen; und auszunutzen: vorteilhafte Zeitlagen, Gunst der Menschen, Gelegenheit und Anlagen, alles muß ihrem Vorteil dienen. Ein geiziger Bauer pflegte zu sagen: Es fliegt kein Vogel ĂŒber’s Haus, ich rupfe ihm ein paar Federn aus! Mit dem Augenblick, wo jemand seines Bootes Segel umstellt und den Kurs Ă€ndert: statt reich und angesehen werden zu wollen, richtet er sein Gesicht zu wandeln nach Jerusalem, — da haben ie alten Werte ihren Sinn verloren. Jetzt wĂ€ren sie nur Ballast, Hindernis, Schaden. Darum wendet man sich von ihnen ab und dem neuen Gewinn zu: Christus ist mein Leben, Sterben mein Gewinn! Was weitet sich  die Seele, was klĂ€rt sich der Blick, wie frei werden HĂ€nde und FĂŒĂŸe, wenn man vor die Menschen hintreten kann, als einer, der sie sucht und nicht mehr das Ihre! Das Verbrennen der Schiffe hinter sich her macht wohl Rauch, der anfangs schmerzlich in die Augen beißt, — aber danach weiß man auch, was fĂŒr eine Gewißheit, was fĂŒr einen Vorteil, was fĂŒr einen Segen es bringt, allein auf den lebendigen Gott sich zu verlassen.

Herr unser Gott, wir bitten dich, laß uns nie mehr zurĂŒckverlangen nach den Fleischtöpfen Ägyptenlands! Zieh unser Herz aufwĂ€rts in die Verbindung mit dir, daß wir reich zu werden suchen in dir, du unser einziger Schatz und wahres GlĂŒck! Amen.

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14. Oktober


Joh. 6, 68: Du hast Worte des ewigen Lebens.

Und das hat die Welt nicht. Sonst mag sie ja mit vielem Prahlen, was sie ihren Lieblingen und WortfĂŒhrern alles bieten kann, — aber eins hat sie nicht: Worte des ewigen Lebens! Was die   selbstewige Menschenseele als ihr Eigenstes, Innerstes, als ihre Speise und ihren Trost, als ihre Kraft und Seligkeit anerkennt, daraus sie tĂ€glich Leben schöpfen kann, das bietet die Welt trotz Kunst und Wissenschaft, die wir an ihrer Stelle gern wĂŒrdigen wollen, keiner Seele an; denn niemand kann  mehr geben als er hat. Jesus aber hats! Er hat Worte des ewigen Lebens und zwar hat er sie nicht nur fĂŒr sich, sondern es ist sein heißestes Interesse, uns diese lebendigen Worte zugeben. Unsere ganze Erziehung als Gotteskinder lĂ€uft darauf hinaus, daß er uns immer mehr von diesen Worten geben könne, daß sich unsere Seele stets williger und völliger in seine Art gewöhne, damit seine ewigen Lebensworte in unser Leben ĂŒbergehen und in uns den neuen Menschen stĂ€rken und fördern, bis er ganz in’s ewige Leben kommen kann.

Wir danken dir fĂŒr alles, was du an uns getan, Herr Jesu, und bitten dich, vertiefe unsere Erkenntnis deiner Worte und deines Wesens, damit wir selbst Quellorte werden fĂŒr Andere! Amen.

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15. Oktober

2. Tim. 4, 7: Ich habe seinen guten Kampf gekĂ€mpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben
gehalten.

Wir brauchen dieses schöne Wort wohl an den SĂ€rgen und GrĂ€bern treuer Gotteskinder, deren fertiger Erdenlauf vor uns liegt. Aber es war doch etwas Gewaltigeres, wenn Paulus das in aller Ruhe so von sich aus sagen kann, ehe er mit seinem Blut seine Stellung zu Jesu besiegelt hatte. Macht denn schließlich das Sterben allein die ganze Sache so groß? Oder muß nicht die Hauptsache des guten Kampfes vorher gekĂ€mpft sein? Liegt nicht das grĂ¶ĂŸte StĂŒck des Laufes auch vor dem Sterben hinter uns? MĂŒssen wir nicht, ehe es in’s Tal der Todesschatten hineingeht, schon in tausendfacher Proben Glauben gehalten haben? Daher ist’s geraten nicht zu meinen, wie wir jetzt eben kĂ€mpfen, laufen und Glauben halten, sei nebensĂ€chlich; — die Hauptsache sei ein selig Sterben. Das Sterben dĂŒrfte an Wichtigkeit verlieren, die Schwierigkeiten der letzten EngpĂ€sse wĂŒrden sich vermindern, wenn wir vorher mit ganzem Ernst und voller Treue uns dem Kampf und Lauf hingeben wollten. Der Herr meint es ernst mit uns; — er kann keine halben oder Dreiviertelchristen brauchen. Wenn wir nicht jetzt schon ganz werden, muß er uns auf dem Amboss schwerer Leiden erst fertig schmieden. Wollen wir jetzt schon sterben lernen, auf daß wir einst leichter sterben können!

Zieh uns, Jesu, in dein Sterben! Laß uns jetzt schon mit dir gekreuzigt sein! StĂ€rke uns und trage uns, damit unser Kampf und Lauf jetzt schon recht und rein werde und wir einst nur lose abgelöst zu werden brauchen! Amen.

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16.Oktober


Jacobus 5, 15: Leidet jemand unter euch, der bete.


Nach dem Zusammenhang möchte man hier am 
liebsten unter Leiden nicht Krankheit verstehen, sondern anderes Leiden, das vielleicht uns von Andern zugefĂŒgt wird. Sticht uns erlittenes Unrecht, dann wĂ€re die Gefahr, daß wir gegen diese Andern unwillig und erregt empfinden. Dadurch wĂŒrden wir uns selbst um den gottgewollten Segen des Leidens bringen und wĂŒrden dadurch auch sofort aufhören in der rechten Liebesstellung ihnen ein Segen zu sein. Betet man aber in solcher Tage sein Herz, das schnell gekrĂ€nkte, zur Ruhe, so kann nicht nur der Trost vom Herrn ĂŒber uns kommen, sondern wir erhalten von Oben auch eine Art Recht und Vollmacht ĂŒber die Andern, die uns dieses Leid angetan. Kein schriftliches Erkenntnis eines irdischen Gerichts kann uns so sehr Recht geben und uns geistlich so sehr die höhere, freiere Stellung den Andern gegenĂŒber einrĂ€umen, als das Gebet. Der Gang zum himmlischen Rechtsanwalt wird immer mit dem besten Erfolge gekrönt sein. Wir werden dadurch innerlich frei und still und stehen da im Schmuck der Sanftmut und im Vorrecht des duldenden, tragenden Siegers ĂŒber sich selbst. Dann wird der Erfolg des Leidens an Beiden als Segen offenbar.

Du sollst uns, Herr unser Gott, nicht umsonst an das Beten als an die rechte HĂŒlfe im Leiden erinnert
haben! Zieh unsere Gedanken von allem GekrÀnktsein und aller Empsindlichkeit ab, hinauf zu dir! Du
sollst unser Trost sein! Du allein! Amen.

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17.Oktober.


Röm 6,11: . . . haltet euch dafĂŒr, daß ihr der 
SĂŒnde gestorben seid und lebet Gott in Christo Jesu, unserm Herrn.

Was ist auch ein StĂŒck Glauben, daß man sich selbst fĂŒr einen Toten und Begrabenen halten muß, was das Recht der SĂŒnde auf uns anlangt, und daß man auf der andern Seite sich selbst fĂŒr einen Lebendigen und Auferstandenen in Christo Jesu halten muß was das Recht dieses unseres Herrn auf unsern Leib und Leben anlangt. Der Augenschein spricht gegen beides. Die SĂŒnde zeigt immer wieder, daß ihre Wurzeln in uns Triebkraft genug haben, wieder auszuschlagen; da gilt es glauben, daß das nicht sein darf und daß es Kraft und Sieg Christi dagegen giebt. Nehmen wir ihn wirklich als unsere Heiligung, dann hilft er gegen alle solche NachzĂŒgler des geschlagenen Feindes. Und das Andere, unser neues Leben ist mit Christo verborgen in Gott; da gilt es wieder mehr glauben, als sehen und fĂŒhlen, daß das Neue wirklich da ist und« sich leise, allmĂ€hlich stĂ€rker und stĂ€rker entfaltet. Je fester wir an das alte Wort und an die stets neue Wirkung unseres erhöhten Herrn glauben, desto mehr kann von ihm in uns geschehen. Zu sehen
brauchen» wir das unfertige Ding unserer Heiligung auf Erden nicht. Daß es da ist, beweisen die Weltmenschen uns durch ihre Feindschaft!

Jesu, du bist wirklich und mĂ€chtiglich. Lebe auch in uns! Hilf uns siegen ĂŒber uns selbst und hilf uns alle Tage zur völligeren Hingabe an dich! Amen.

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18.Oktober


Phil. 4,11: Denn ich habe gelernet, bei welchen 
ich bin, mir genĂŒgen zu lassen.

Von Natur ist es uns gar nicht so gleichgĂŒltig, ob 
wir`s im Irdischen reichlich haben oder kĂ€rglich. Jeder ißt lieber besser als schlechter und hat lieber mehr als weniger Bequemlichkeit. Daß man dabei in Gefahr steht, ein Sklave dieser Dinge und Gewohnheiten zu werden, versteht sich von selbst. Paulus nun hat gelernt, sich immer gerade an dem, was er bekommt und um sich hat, genĂŒgen zu lassen. Wenn es fĂŒr ihn nicht andere GrĂŒnde der Traurigkeit gegeben, so hĂ€tte er durch dieses SichgenĂŒgenlassen ein glĂŒckliches Leben fĂŒhren können. In welcher Schule, bei welchem Lehrer lernt sich diese hohe Kunst? In der  Leidensschule Jesul Man hat so anders geartete Leiden und KĂ€mpfe, denen gegenĂŒber diese Erdenfragen nichts bedeuten, — man lernt so ganz anders geartete Freuden und GenĂŒsse kennen, denen gegenĂŒber diese Erdendinge ihren Schein verlieren, daß schließlich eine ganz neue Wertung dieser alten GĂŒter eintritt. Gewiß, noch freut man sich auch der Gabe um des Gebers willen und der Liebe willen, aber man nimmt aus Jesu Hand auch ganz andere Tagen ebenso dankbar und stille an.

Herr, wenn ich nur dich habe, frage ich nichts nach Himmel und Erde! Der Schwerpunkt ist wo anders hingeschoben, der ruht im Herrn! Lehre uns Alle, Herr Jesu, ruhen in dir! Wir möchten in dir frei sein von all’ den Ketten der BedĂŒrfnisse, Leidenschaften und Unruhen, die diese Welt bietet. Dann sei du auch unser starker Trost und unsere geheime Kraft! Amen.

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19. Oktober


2. Kor 4,16: Wir werden nicht mĂŒde, sondern 
ob unser Ă€ußerlicher Mensch verweset, so wird doch
der innerliche von Tag zu Tag erneuert.

Der natĂŒrliche Lauf ist, daß man ermattet und mĂŒde 
wird. Wenn der Leib seine Krafthöhe ĂŒberschritten hat, gehts mit den Leistungen und der geistigen Frische abwĂ€rts. Paulus aber und mit ihm viele a!te echte Christen haben einen geheimen Jungbrunnen benutzt, dessen Gebrauch die Runzeln im Gesicht nicht wegstreicht, der die gebĂŒckte Haltung des Oberkörpers nicht straff macht, der die zitternden. HĂ€nde und milden FĂŒĂŸe nicht jugendlich stark macht. Der Ă€ußerliche Mensch verfĂ€llt wirklich. Aber der innerliche hat ewige Jugend getrunken! Er wird von Tag zu Tag erneuert. Ein junger, frischer Gebieter im alten tĂ€glich mehr verfallenden Schloß! O welch ein trauriges Bild bieten nicht oft unglĂ€ubige Greise! Leib und Seele gleicherweise zerfallen und verbraucht. Dagegen dĂŒrfen wir immer wieder hin und her solche Christen mit weißem Haar kennen lernen, deren Geist frisch und hell geblieben ist bei allem Ă€ußeren Abbruch des Körpers. Es liegt im Umgang mit Jesu, daß man immer wieder sich erneuern kann; Jesus wird nicht alt, nicht schwĂ€cher und stumpfer. Wer in ihm lebt, kann trotz der Gebrechen des Alters jugendlich froh sein und frisch im Leben des Sohnes Gottes!

Lieber Herr Jesus! Fang’ dein Werk der inneren Erneuerung jetzt schon in uns allen an, damit wir uns ĂŒben Kraft und Frische zu schöpfen aus dir und deiner NĂ€he! Wir sind dein, sei du unser! Amen.

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20. Oktober.


Luk 9,13: Gebt ihr ihnen zu essen.


Es ist viel bequemer, fremde Not schnell in seine 
FĂŒrbitte einzuschließen, als die Verpflichtung anzuerkennen, auch selbst etwas zu ihrer Linderung beizutragen. Wie anders wertvoll und krĂ€ftig wĂŒrde aber solch ein Gebet sein, wenn man zugleich mit seinem Gebet sich selbst unter die fremde Not stellen wollte. Haben wir wirklich getan, was wir konnten, dann bekommt unser Gebet, das sich in derselben Richtung bewegt, einen ganz andern 5inn. Wie man sich das bei jedem Gebet beherzigen sollte: es entbindet uns, nicht von der Arbeit und dem Tun in der gleichen Richtung, nein, das alles macht erst die Unterlage des Gebetes aus, daß wir das Unsere tun, so gilts sicherlich auch im Geistlichen. Wenn ich  meine Hausgenossen im Geistlichen nicht versorge, sondern bloß fĂŒr sie bete, habe ich den Glauben verleugnet und bin schlimmer als ein Heide. Arbeiten, leben, wandeln, bezeugen, so als ob kein Beten etwas hiilse, und beten, als ob kein Arbeiten etwas hĂŒlfe, das schafft voran, das, wirkt Speise, die da bleibt in’s ewige Leben. Darum laßt uns darauf achten, wo unsere Verpflichtung zum geistlichen Geben (es kann oft auch auf’s leibliche Geben und Helfen sehr viel ankommenl) auf der Hand liegt, und unser Tun mit Gebet verklĂ€ren lassen, dann wird der Herr es an keiner Hilfe fehlen lassen.

Herr Jesu, der du damals Rat schafftest und Hilfe, du stehst noch heute mitten in den Verwicklungen und Schwierigkeiten; wo wir helfen sollen und treibst uns an! Lehre uns geben und beten als deine rechten JĂŒnger! Amen.

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295


21. Oktober


2. Cor. 3,3: Ihr seid ein Brief Christi, ge
schrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des
lebendigen Gottes.

Ein Brief Christi! Welch merkwĂŒrdiger Vergleich! Also nicht mehr verkĂŒndigte Worte, sondern ein Niederschlag, der bleibt, auch wenn das Wort verhallt ist. Ein Brief Christi — ein StĂŒck Bibel! Wer
diese Gemeinde kennen lernte, konnte sich davon ĂŒberzeugen, daß das die Handschrift Christi war: das war Gottes Finger! Was da durch den Geist des. lebendigen Gottes offenbar geworden war, was da durch die HĂ€user und Familien zog, was da im praktischen Leben der ersten Christen tatsĂ€chlich und greifbar zu Tage trat, das war eine Wirkung, die sich nicht wegleugnen ließ! — Auch wir sollten ein StĂŒck Bibel, ein StĂŒck Offenbarung des unsichtbaren Heilands in unserm Leben darstellen: wenn fĂŒr niemand anders, so fĂŒr die Welt,, die doch die geschriebene Bibel nicht liest, wohl aber offene Augen fĂŒr das Leben der Kinder Gottes hat. Mit Tinte oder DruckerschwĂ€rze, mit Regeln und Ordnungen, Einrichtungen und Behörden ist da nichts bewiesen; — der Geist muß sich in seinen Wirkungen an Menschenherzen offenbaren. An diesem Brief schreibt der Herr heute auch bei dir: denke daran!

Ach, wir schĂ€men uns oft darĂŒber, wie wenig wir dir, Herr Jesu, zur Ehre leben, und wie dein Name um unseretwillen bei den UnglĂ€ubigen geschmĂ€ht wird. Herr, bessere den Schaden deiner Gemeinde zu deiner Ehre! Amen.

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296

22. Oktober

Luk. 9, 24. Denn, wer sein Leben erhalten will, 
der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um
meinetwillen, der wird es erhalten.

Wie setzen die Leute dieser Welt doch so alles 
daran, um sich ihr Leben zu erhalten! FĂŒr das, was der Einzelne sein Leben, sein GlĂŒck nennt, â€” Geld, Ehre, Gesundheit, Genuß, — bringt er alle möglichen Opfer, und doch mĂŒssen dieselben Leute die schmerzliche Erfahrung machen,daß ihnen das, was ihres Lebens GlĂŒck und Glanz war, meist auf Erden schon schal und wertlos wird. Jedenfalls wird es ihnen im Tode entrissen. Nun kommt Jesus und schlĂ€gt den Mensch ein vor: ,,Verzichtet auf alle diese Dinge, verlieret euren Vorteil, eure Erdenhoffnungen, euere Lust der Sinnen um meinetwillen. HĂ€ngt euch mit der ganzen Kraft eures Herzens an mich. Erwartet Frieden und GlĂŒck und Wohlergehen des inneren Menschen von mir! Es scheint nur ein großes Opfer zu sein, in Wkirklichkeit ist das euer grĂ¶ĂŸter Gewinn. Denn dadurch bekommt euer Leben einen Gehalt, einen Reichtum, der nie mehr verblaßt. Selbst im Tode kann euch dieses euer neues Leben nicht entrissen werden. Denn es ist schon das Leben der Ewigkeit, das in euch anfing! Wer sein Leben Jesu hingibt, hat es herausgerettet fĂŒr Zeit und Ewigkeit. Wollen wir nicht den praktischen Versuch machen, ob’s so ist? Es soll keinen gereuen, denn Jesus hĂ€lt sein Wort.

O, daß es alle  wĂŒĂŸten,
Wie sĂŒĂŸ der Tausch doch sei!
Sie wĂŒrden auch sich rĂŒsten,
Und eilten schnell herbei!
Nah keinen hats gereuet,
Der durch des Lammes Blut
EntsĂŒndigt und emeuet,
In Jesu Armen ruht.

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23. Oktober

1.Timoth 4, 8: Die Gottseligkeit ist zu allen  Dingen nĂŒtze und hat die Verheißung dieses und des
zukĂŒnftigen Lebens.

In Gott seine Seligkeit, seinen wahren Lebensgenuß und seine Lust haben, das macht die Menschen erst
zu allem irdischen Beruf geschickt. Denn dadurch werden sie selbstlos, demĂŒtig, aufrichtig und innerlich von den Menschen und Sachen frei. Darum ist es ganz selbstverstĂ€ndlich, wenn ein selbst unglĂ€ubiger Gutsbesitzer nur einen bibelglĂ€ubigen Kutscher anstellen wollte; wie er sagte, seien nur- diese Leute ehrlich mit dem Hafer und gut gegen die Pferde. Es mĂŒĂŸte ĂŒberall noch viel mehr an den Tag kommen, daß die echten Christen auch im bĂŒrgerlichen Leben die brauchbarsten und zuverlĂ€ssigsten Angestellten seien.  Denn, wer nicht im Geringsten treu ist, wie kann dem GrĂ¶ĂŸeres anvertraut werden? Ists aber
in Ordnung, dann hat solche Gottselig»keit nicht nur die Verheißung des zukĂŒnftigen Lebens, sondern sie wird hier auf Erden schon Herzen und VerhĂ€ltnisse, Schwierigkeiten und Schmerzen Ă€ndern und lindern. Denn, wo Jesus Christus ist der Herr, wirds alle Tage herrlicher. Laßt uns alle an unserm Teil unsere Pflicht im Ausblick zu Jesu thun, damit sein Segen unserm Tun nicht fehle und unser Wandel lauter und klarer als unser Wort bekenne, wessen Eigentum wir geworden sind.

Herr unser Gott, gieb uns Treue im Kleinen! Wir möchten gern in allen StĂŒcken als dein Eigentum erfunden werden. Erinnere uns alle Tage in dir zu bleiben und vor dir zu wandeln! Amen.

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24. Oktober


Psalm 119, 57: Wende meine Augen ab, daß 
sie nicht sehen nach unnĂŒtzer Lehre, sondern erquicke
mich auf deinem Wege.

Wieviel unnĂŒtze Lehre, die fĂŒr das Wachstum des Inneren Menschen gar nichts wert ist, die den
Frieden der Seele weder bringt noch fördert, die vom Himmel her angesehen, ganz ohne Sinn und
Segen ist und bleibt, mag es nicht noch unter uns geben! Die Einen haben politische, die Andern hochkirchliche, die Dritten sektiererische Nebenabsichten bei der einen guten Lehre und schĂ€digen sie dadurch und wieviel andere unnĂŒtze Lehren gibt es nicht heutzutage noch: Spiritismus, Vegetarier und wer weiß was fĂŒr Ersatzmittel fĂŒr das wirkliche Christentum. Wollen wir uns mit Gebet immer wieder zum Herrn kehren, daß er uns vor all den krĂ€ftigen IrrtĂŒmern der Endzeit bewahre und unsere Seele wahrhaft
erquicke an seinem Wort und auf seinen Wegen. Er hat auchsei»ne Wege, die er mit seinem Wort gegangen haben wie auch seine Worte ĂŒber seine Wege, die er uns fĂŒhren will und je gehorsamer wir darauf achten, was er will, desto lebendiger wird diese Erquickung niedertauen auf unsere Herzen! Ja, desto mehr werden wir ihm selbst begegnen auf diesen Wegen!

Herr, gib uns blöde Augen
fĂŒr Sachen, die nichts 
taugen,
und Augen voller Klarheit
in alle deine

Wahrheit. Amen.

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25.Oktober


Luk. 9, 33: Da sprach Petrus: Meister, hier ist

gut sein; laßt uns drei HĂŒtten machen. 

Naturlich, das gefĂ€llt dem Petrus,wenn sein 
Meister in Herrlichkeit verklĂ€rt und der Himmel offen ist! Wo so etwas passiert, da will er bleiben und gleich solche Stunden fĂŒr immer festhalten; denn er will ja drei HĂŒtten machen: dem Herrn eine, da fĂ€nde er wohl noch mit Platz! und fĂŒr Moses eine und fĂŒr Elias eine, da könnten die andern beidenJĂŒnger mit hinein! Wie töricht Petrus denkt! Was soll aus der Erlösung der Welt, was aus dem Reich Gottes werden, wenn Jesus diese selige VerklĂ€rungsstunde hĂ€tte festhalten wollen. Ähnlich geht es bis auf den heutigen Tag. Wenn wir unsere seligen Andachtsstunden festhalten wollen, — HĂŒtten bauen! — statt daß wir wieder von der Höhe der VerklĂ€rung hinab in’s Tal steigen, um dort im Alltagsleben des Herrn Werk zu treiben, dann denken wir Ă€hnlich falsch. Seligkeit und ungestörten Genuß der vollendeten Gemeinschaft mit dem Herrn, können wir erst in der Ewigkeit haben; jetzt! — gilts arbeiten und sich anstrengen, daß des Herrn Werk nicht lĂ€ssig getrieben werde. Hier die Arbeit, dort der Lohn. Hier nur ab und zu ein wenig Vorgeschmack der Seligkeit, gerade genug, um die Sehnsucht und das Heimweh nach der oberen Heimat wach zu erhalten, — dort die Ruhe des Volkes Gottes im seligen Licht.

Jesu, lieber Meister, öffne uns die Augen, daß wir sehen wie es ĂŒberall da fĂŒr uns gut ist, wo du uns hinstellst, wo du dabei bist, wo du uns hinhaben willst. Hilf uns aushalten und ĂŒberwinden, bis wir
die Krone des Lebens erlangen bei dir! Amen.

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26. Oktober.

Gen 28, 15: Ich will dich nicht lassen, bis 
daß ich alles tue was ich dir geredet habe.

So hatte der Herr mit Verheißungen seiner Treue 
und Hilfe den Bund mit Jakob angefangen
und trotz aller menschlicher Verirrungen im Lande seines hat er festgehalten an diesem hellen Schein.
Kein Wunder, dass es schließlich aus Jakobs Seele in jener Nacht des Kampfes mit wunderbarer Macht hervorquoll: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Gott hat den Grund zu solchem Vertrauen gelegt; kann er sich wundern, wenn die Herzen, die ihm sich wirklich ergeben, ihn nun Ă€hnlich festhalten an seinem Wort. Er verspricht: Ich will dich nicht lassen, — und wir antworten in derselben Tonart: Ich lasse dich nicht, — nun, dann muß ja seines und unseres Herzens tiefstes Verlangen befriedigt werden,
nĂ€mlich, daß ich sein eigen sei! Die volle Gemeinschaft des seligen Gottes mit dem rmen Menschenkinde ist das Ziel, zu dem er hinstrebt und fĂŒr das wir geschaffen worden sind. Wollen wir uns durch nichts und niemand darin irre machen lassen, demselben Ziele zuzustreben, damit die zwei Linien, Gottes Tun an uns und unser Tun seines Wortes, zusammentreffen im seligen Licht.

Lieber himmlischer Vater, wir danken dir dass du uns nicht lassen willst! Wir können und wollen dich auch nicht lassen, bis du uns gethan hast, was du versprachst: daß wir selig werden! Und dann lassen wir dich erst recht nie mehr! Amen.

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27. Oktober.


Eph 5,20 Saget Dank allezeit fĂŒr alles Golt und

dem Vater in dem Namen unseres Herrn Jesu Christ

Allezeit und fĂŒr alles! Das klingt dem Menschenherzen 
das alle KĂŒnste und Schliiche leichter lernt als das Danken, wie eine starke Ubertreibung. Auch fĂŒr Krankheit und Schmerz, erlittenes Unrecht und öffentliche Demiitigung? Ja fĂŒr alles, weil mir, sowahr ich ein Kind Gottes bin, alles zum Besten dient. Damit seine Leser nun sich nicht an dem ,,Allezeit und fĂŒr alles« · stoßen sollten, hat Paulus gleich noch etwas angehĂ€ngt, wofĂŒr man nicht nur immer danken kann, sondern wodurch einem auch das Dankfensterchen
leichter aufgeht. Dem Vater, daß wir Gott als unsern Vater ansehen dĂŒrfen in Jesu Christo, -— daß wir diesen Herrn Jesum Christum haben und lieben dĂŒrfen, das freilich ist allezeit des Dankes wert. Wenn also jemand sich fĂŒr den UnglĂŒcklichsten unter allen Menschen erklĂ€rt, – 
 dann wollen wir mit
solchem Menschen niederknieen und mal von Herzensgrund danken fĂŒr alles, was der Heiland an diesem Herzen schon getan hat, – was gilt’s, wenn wir ausstehen, wird die Seele sagen: Sie haben recht, ich war viel undankbarer als unglĂŒcklich! Jetzt ist mir schon viel leichter!

Lieber himmlischer Vater, vergib daß wir so oft auf der Seite des Flehens herumstreichen, daß sie glĂ€nzt und lassen die Seite des Dankens verrostenl Wende unsere Blicke auf das, wofĂŒr wir dir immer Dank sagen mĂŒssen! Lob sei deinem Namen allezeit und fĂŒr alles. Amen.

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28. Oktober.

Gen 45,4: Ich bin Joseph, euer Bruder.

Was fĂŒr eine Erziehung bis zu diesem Höhepunkt seines Lebens hatte Joseph durchmachen mĂŒssen!
Wie tief hinunter vorher! Aber auch seine BrĂŒder mußten erst zu dem rechten SchuldgefĂŒhl erzogen
werden, damit dieser Tag ihnen heilsam und groß werden konnte. Je höher die Stelle ist, fĂŒr die man erzogen wird, je grösser das Erbe ist, das man antreten soll, desto ernster die Erziehung. Ähnlich geht es -auch im Geistlichen. Was fĂŒrs schwere Wege ist Jesus gegangen, .— was mußten wir erleben, bis endlich die Stunde schlug, wo er uns begegnen konnte, wie hier Joseph seinen BrĂŒdern und in ĂŒberströmender Liebe in die Worte ausbrach: Ich bin Joseph, euer Bruder! Erlebt man’s aber, dann bleibts nicht nur bei der jauchzenden Freude, daß man ihn fand, dann folgt noch zweierlei: die Vergebung der alten Schuld, wie einst bei Josephs BrĂŒdern und das andere, daß man bei ihm im Lande Gosen wohnen soll. Die Gemeinschaft mit ihm, daß er uns auch vor Gott als seine BrĂŒder ausgiebt, daß wir auch vor der Welt als Jesu Bruder dastehen, die muß schon hier auf Erden reiche FrĂŒchte bringen: Friede und Freude im heiligen Geist! DannbmĂŒssen aber auch wir uns zu den Andern kehren lernen in der neuen Liebe, die da sprechen kann. Ich bin Joseph, euer Bruder!

O Herr Jesu, du Ehrenkönig! Du sendest von des Himmels Thron einen Strahl deiner Herrlichkeit, um unser betrĂŒbtes Herz zu laben. Laß uns wandeln im Licht vor deinem Angesicht! Amen.

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29. Oktober

Gen 40,14 Aber gedenke meiner, wenn dir’s wohlgehet.

Der liebe Joseph! Wie jung war er wohl damals, als er so bat, daß er noch nicht die Art dieser Welt kennt. Wenn’s dem Menschen wohl geht, gedenkt er am wenigsten derer, denen er Dank schuldig ist. Sonst wĂŒrde es nicht soviel Undankbarkeit in der Welt geben; denn Danken und Denken hĂ€ngt inniger als nur
dem Wortlaut nach zusammen. SpÀter, wie eine Verlegenheit, eine Art Not am Hofe Pharaos ausbrach, als
alle diese sklavischen Bedientenseelen vor der Verstimmung des Tyrannen zitterten, da bricht die Kruste Undankbaren Vergessens und der Mundschenk erinnert sich der Liebe und Tröstung, die er in den Tagen seines dunkelsten Leides von dem gefangenen JĂŒngling genossen. Daß er aber zwei Jahre hatte drĂŒber vergehen lassen, kam ihm erst wie ein ungeheures Unrecht vor, als dieser Joseph, ĂŒber ihn erhöht, der MĂ€chtigste Mann nĂ€chst dem König wurde. Wie werden wir wohl einst unsern Undank gegen unsern
Jesus empfinden, wenn die Weltdinge ihren Glanz verloren haben und die Sonne der Ewigkeit aufgegangen sein wird! Ach, wollen wir lieber heute noch gedenken an das was wir alles zu danken haben! Das ist oft das beste Mittel, um sofort zum Jauchzen zu kommen, wenn’s uns eben auch nicht glĂ€nzend geht!

Wir sind deine Leute, Herr Jesus! Mache uns dankbar fĂŒr alles, was du an uns getan! Lehre uns deiner gedenken, einerlei, wie es uns gehen mag und lege uns alle Tage ein neues Loblied auf die Lippen! Amen.

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30.Oktober

Jes. 52, 6: Mein Volk soll meinen Namen kennen zu derselbigen Zeit. Denn siehe, ich will selbst
reden.

Unter Kennen seines Namens versteht der Herr mehr, als das bloße Wissen von ihm. Das sieht man aus andern Stellen, wie Ps. 91,134. Er kennet meinen Namen, darum will ich ihn schĂŒtzen. Nicht nur Erkenntnis und Wissen, sondern herzliches Vertrauen und VerstĂ€ndnis, damit man den Namen so braucht,
wie er gebraucht werden soll, zum Danken, Beten und Anrufen wird damit gemeint. Ist der Name die Offenbarung des Wesens, dann ist Jesus der Name Gottes, und Jesum kennen, Jesum lieb haben und durch ihn Zugang zum Vater haben, wĂ€re die neutestamentliche Erftillung unseres Textes. Soweit kann es aber nirgends kommen, wenn nicht die VerkĂŒndigung des Evangeliums geschieht in solcher Art und mit solcher Beweisung des Geistes und der Kraft, daß sich der zweite Teil des Textes auch erfĂŒllt: denn siehe, ich will selbst reden. Wir haben wohl schon alle Gelegenheiten gehabt, da ein Wort Gottes plötzlich. mit solcher Wucht an uns herankam, daß wir uns sagen mußten, das kam vom Herrn selbst. Ach, daß wir alle besser aufmerkten, wir wĂŒrden mehr aus seinen Worten heraushörenl

Herr unser Gott! Wir wollen schweigen, rede du zu uns! Wir wollen uns richten nach deinem Wort, rede du zu uns! Wir kennen deinen Namen, nimm du dich unser an und rede du zu uns! Amen.

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305

31. Oktober.

Kol 1,25 Bleibet im Glauben gegrĂŒndet und fest und unbeweglich von der Hoffnung des Evangeliums,
von der ihr gehört habt.

Wie wĂŒrde die Zahl der Festbesucher noch zusammenschrumpfen, wenn nur diejenigen wirklich etwas damit zu tun hĂ€tten, die die Reformation am eigenen Herzen erlebt haben. Luther ward erst Reformator, als er in wirklichem Glauben Gewißheit seiner SĂŒndenvergebung erlangt hatte.FrĂŒher bist du gar nicht eigentlich evangelisch, als bis du solchen Glauben gewonnen Dann erst kann es heißen: bleibet in solchem Glauben gegrĂŒndet! Lasset euch nicht locker und lose machen durch allerlei Wind der Lehre.
Wachsende BĂ€ume, deren Wurzeln wirklich Nahrung aus dem Boden suchen, pflegen durch den Wind nur immer fester sich anzuklammern; dĂŒrre BĂ€ume werden leicht entwurzelt. Wer aber wĂ€chst und fest zu seinem Heiland steht, der wird sich auch nicht von der Hoffnung aus die ewige Herrlichkeit, die das Evangelium bringt, wegtreiben und ablösen lassen durch alle Weltköder augenblicklicher Lust. Mit einem Wort: die rechte innere Erfahrung macht euch stark und treu im Leben und der Gerechte wird wachsen, wie die Zeder auf Libanon.

Ach, Herr unser Gott, sieh du darein und laß dich des erbarmenl Wir haben viel VerkĂŒndigung der reinen Lehre und sehen wenig Leben und Segen daraus entstehen ringsum. Sende deinen Geist, wie vor Alters, daß Leben wehe, Segen triefe und viele arme SĂŒnder glĂ€ubige, selige Gotteskinder werden. Amen.

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(
 weitere Tage in Bearbeitung ..)

Artikel aktualisiert am 25.09.2018